Читать книгу The Irish Way - Jürgen F. Fischer - Страница 7
DIDI
Оглавлениеhatte ich durch einen Freund kennengelernt, der mir bei meinem ersten Besuch in Irland seine Adresse gab. Sicherlich wäre ich wohl nie nach Irland gekommen, hätte ich Dietmar Körner, genannt „Didi“, nicht getroffen und wäre nicht auf seiner Insel gewesen.
Er war in Hamburg Sozialarbeiter für schwer erziehbare Jungs gewesen.
Als er eine Zeitungsannonce mit Verkauf eines Hauses auf einer Insel in Irland las, entschied er sich auszuwandern.
Sein Vater, ein Sparkassenfilialleiter war schon früh an einem Herzinfarkt erlegen.
Dies half ihm wohl bei der Entscheidung gegen Berufskarriere und für ein genussreiches Leben ohne Stress und mit viel Angeln und Zeitung lesen. Mit dem (Un)Wort Faulenzen, wollte er nie in Verbindung gebracht werden und hatte es gänzlich aus seinem Vokabular gestrichen
Didis Haus ist auf einer Insel drei Kilometer außerhalb Westports in der Clew Bay.
Die Clew Bay ist eine große Bucht von etwa 30 Kilometer Länge und 10 Kilometer Breite. Man sagt, sie habe 365 Inseln. Die größte liegt im Westen und heißt Clare Island (die Heimat des eingangs erwähnten John Gallagher). Sie war Hauptwohnsitz der legendären Piratenkönigin Grainne O`Malley und hat heute etwa 150 Einwohner. Mit einem Fährboot, der „Pirate Queen“, kann man übersetzen.
Es gibt einige Privatunterkünfte, ein Hotel und ein Pub, das nie geschlossen ist. Die Rolling Stones waren auch schon mal da...
Für jeden Tag eine Insel sagt man über die Bucht. Das mag wohl bei Ebbe zutreffen, wenn man jede Erhebung mitzählt.
Es sind so etwa zwanzig Inseln, die die Größe haben, dass man darauf wohnen könnte. Bebaut und bewohnt sind nur wenige.
Didis Insel heißt Islandmore.
Es gab darauf ein kleines Dorf mit fünf Häusern, von denen zwei in bewohnbarem Zustand waren.
Die andere drei waren mehr oder weniger verfallen, da deren Besitzer vor vielen Jahren nach Amerika auswanderten.
Didis Haus stand etwa 200 Meter vom Dorf entfernt auf einer leichten Anhöhe und hatte einen großen Garten, in dem er so ziemlich alles anbaute, was man zum Leben braucht.
Es gab Kartoffeln, verschiedene Salate, Spargel, Artischocken, Rote Beete, jede Menge Kräuter, auch einen Apfel- und einen Birnbaum.
Das Haus selbst hatte drei Zimmer und das Interieur bestand hauptsächlich aus schönen alten Holzmöbeln, die aus einem Schiff ausgebaut worden waren und daher sehr schmal waren.
Strom gab es keinen.
Gekocht wurde mit Gas und Licht spendeten Kerzen und eine Paraffin Öllampe. Die stand auf einem stabilen Eichentisch, von dem aus man aufs Meer und den großen Garten schauen konnte. Ganz besonders im Frühling gab einem die Vielfalt der Pflanzen mit ihren verschiedenen Farben noch ein zusätzlich paradiesisches Gefühl.
Die ersten Pflanzen, auf die man vom Fenster aus schauen konnte, waren Artischocken mit ihrem Grün und dem schönen Lila, wenn sie am Verblühen sind. Direkt hinterm Haus ging es sehr steil nach oben.
Dort wurde das Gras angebaut und da war auch der Kühlschrank im Hügel eingegraben, von dem Didi behauptete, er habe John Lennon gehört und sei aus dessen Wohnwagen gewesen.
Ich tat immer schwer beeindruckt, wenn er das erwähnte.
Die Toilette war draußen im Garten.
Ein kleiner Verschlag aus Holz mit Wänden aus Blech, in dem eine Tonne stand.
Auf der Tonne war eine Klobrille aufgelegt, worauf man sich setzten konnte, wenn man groß genug war. Es gab kein Vordach.
Man saß mehr oder weniger im Freien und selbstverständlich wurde man nass, wenn es regnete.
Neben der Tonne hing ein Nagel, an dem Zeitungspapier aufgehängt war. Nicht gerade komfortabel, aber in meinem Leben habe ich keine Toilette gesehen die mit dieser Aussicht mithalten konnte.
War die Tonne voll wurde der Inhalt als Düngemittel verwertet. Das ergab dann das leckere organische Gemüse und Salate, was jeder Gast ausdrücklich lobte. Das wichtigste Düngemittel blieb aber das Seegras, das er am Strand, vor dem eigentlichen Eingang zum Anwesen, nur auf den Schubkarren laden musste und im Garten verteilte. Viele Dinge werden uns auf diesem Planeten geschenkt. Schade, dass alles so mit Füßen getreten wird.
In der kleinen Bucht vor dem Inseldorf hatte Didi eine Austernzucht angelegt und wenn man bei Ebbe durch den Schlamm watete konnte man auch Miesmuscheln ernten, die an Steinen angewachsen waren.
Außerdem legte er ein Netz aus, das er alle zwei, drei Tage einholte und nachschaute ob sich Fische verfangen hatten. Als wir einmal mit Freunden übers Wochenende kamen und gleich nach der Ankunft jenes Netz einholten, waren drei Lachse drin. Leider waren zwei davon, vermutlich von einem Seehund, bereits abgefressen. Trotzdem waren wir begeistert und grillten uns abends Lachssteaks. Dazu gab es selbstgebrautes Bier, das Didi immer von einer großen Glaskaraffe in die Gläser einschenkte.
Die Insel hatte keine Kneipe, da hatte er sich was einfallen lassen müssen. Ein Gemischtwarenladen in der Stadt verkaufte DIY (Do it Yourself) Kits zum Bierbrauen für den Hausgebrauch.
Die ersten Versuche sind ihm nicht ganz geglückt - ich konnte nach drei Pints kaum noch das Fenster sehen, vor dem ich saß.
Doppelt soviel Zucker, wie auf der Packung stand, war wohl die Ursache gewesen.
Mit der Zeit klappte es aber immer besser. Das musste es auch, denn das Selbstbrauen war günstig und Geld war immer knapp.
Haupteinkommensquelle für Didi war das große Austernfischen, das einmal im Jahr, im November, für vier, manchmal für fünf Wochen stattfand. Da wurde dann Montag, Mittwoch und Freitag gefischt. Das machte er zusammen mit Ann.
Das ging so vonstatten:
Die Reuse wurde mit einer Seilwinde auf den Meeresboden abgelassen, ein paar Meter mit dem Boot gefahren, wieder hochgezogen und der Inhalt auf ein Brett, das quer über dem Boot festgemacht war, ausgeleert. Das ganze wurde nach Austern durchsucht, die dann in bereitstehende Kisten geworfen wurden. Der Rest wurde ins Meer zurück gekehrt.
Das ging den ganzen Tag so, auch bei stürmischer See. Didis Boot war hochseetauglich. Es gab aber auch kleine Fischerboote, mit denen es sehr beschwerlich war und die keine Seilwinde hatten, was bedeutete, dass die Reuse mit den Händen hochgezogen werden musste.
Über viele Jahre hinweg konnte man eine ganze Armada in der Bucht beobachten.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nahm die Anzahl der Boote von Jahr zu Jahr ab. Es gab einträglichere Jobs, die weniger anstrengend und vor allem von Dauer waren.
Im besten Jahr kamen Didi und Ann auf 5000 Pfund. Durchschnittlich waren es um die 3000 Pfund.
Einen Teil hatte Didi für die Instandhaltung des Bootes veranschlagt und den Rest teilten sie. Eigentlich waren es zwei Boote, da man ja noch eines brauchte, um vom Land zum Boot und wieder zurück zu kommen.
Was die Einnahmequellen betrifft, so bekam Didi selbstverständlich auch die „dole“, da man als Insulaner aufgrund der Gezeitenwechsel kaum einer festen Arbeit nachgehen konnte.
Kurz vor Weihnachten fuhr Didi jedes Jahr für einige Wochen nach Hamburg, um die Verwandten zu besuchen und bei Freunden zu jobben.
Manchmal nahm er Gäste gegen Bezahlung mit auf die Insel, bewirtete sie und fuhr sie im Rahmen einer kleinen Rundfahrt durch die Bucht wieder zurück. Die Leute mussten ihm aber sympathisch sein. Ein Kamerateam, welches über ihn berichten wollte, hat er abgelehnt. Kommerz und Publicity war genau das, was er nicht wollte.
Ann arbeitete an den Wochenenden in einem jener netten kleinen Shops, in dem es Wollpullover, Schmuck, kleine Kunstgegenstände und andere schöne Dinge gibt. Diese Art Geschäfte, Anziehungspunkte für Touristen und Einheimische gleichermaßen, sind meist sehr geschmackvoll eingerichtet und im Hintergrund kann man leise irische Folklore z. B. mit Harfen und Flöten hören, so dass man sich richtig wohl fühlen kann. Es sind regelrechte Ruhepole, in denen ich mich immer gerne aufgehalten habe.
Ann und Didi hatten sich es so eingerichtet, dass sie von Dienstag bis Freitag auf der Insel blieben und am Freitagabend aufs Festland kamen, um das Wochenende zu verbringen. Ann zum Arbeiten und Didi zum Guinness Trinken, Zeitung Lesen und Angeln.
Die Gegend um Westport hat jede Menge Seen und Flüsse, in denen man sehr gut angeln kann. Man fängt in erster Linie Hecht (den wegen der vielen Gräten die meisten Iren ablehnen), Barsch und Forelle, mit viel Glück und Geschick auch einen Lachs, was aber selten gelingt. Didi fing meistens Forellen und räucherte sie später auf seiner Insel. Lebensmittel waren der kleinste Posten in Didis Haushaltsposten neben Guinness, Tabak, Öl, Diesel und Zeitungen. Ann war fürs Essen in der Stadt und Didi auf der Insel zuständig.