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Prolog

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Der Morgen des 9. September 1664 war gerade angebrochen, die ersten Sonnenstrahlen trafen unschuldig, prickelnd und wärmend das Gesicht der jungen Frau, die ermattet ihre rot unterlaufenen, von Tränen verquollenen Augen aufschlug. Sie hatte in dieser Nacht voller Angst und Verzweiflung kaum geschlafen, allenfalls kurz vor Erschöpfung.

Die Holzpritsche im Gefängnis der Rotenburger Burg, indem sie nun schon seit Monaten leben musste, war mehr als ungemütlich, die Zelle dreckig und kalt. Der stroh-gefüllte Sack stellte keine genügende Polsterung auf der hölzernen Pritsche dar. Wie sehnte sie sich nach ihrer kuscheligen Schlafkammer mit dem Daunenbett im elterlichen Bauernhaus in Westeresch, ihrem kleinen Dorf, zurück.

Der Gedanke gab ihr für einen Moment ein Gefühl der Sicherheit, und im gleichen Augenblick seufzte sie und wurde traurig, denn ihre Mutter, ihr liebster Mensch auf Erden, lebte nicht mehr. Sie fehlte ihr unendlich.

Es würde nie wieder so sein, wie es einstmals war. Dann schreckte sie aus dem Träumen wieder in diese Welt zurück, die sie bald verlassen sollte.

Gretge hatte wahnsinnige Angst vor dem, was sie in wenigen Stunden erwartete. Es war ihre eigene Hinrichtung. Sie wollen sie verbrennen, einfach ver-brennen und sie wusste nicht warum. In wenigen Wochen, am Heiligen Abend hätte sie ihren 18. Geburtstag und am 2. Weihnachtstag ihren Tauftag feiern können. Sie wollte so gerne leben, aber sie werden sie nicht leben lassen. Sie wird niemals einen Ehemann und Kinder haben, Enkel auf dem Schoß sitzen sehen, wie ihre Großmutter Margarethe sie auf den Beinen hatte sitzen lassen. Bei ihr hatte sie sich gerne aufgehalten, denn sie war immer im Hause, während die Eltern auf dem Feld oder im Stall arbeiteten.

Hier war niemand, sie zu trösten oder in den Arm zu nehmen und mit der Hand liebevoll über das Haar zu streicheln, wie es die Mutter und die Großmutter taten. Gleich würden die neuen, ihr fremden Gefängniswärter kommen, ihr Brot und einen Krug Milch zu bringen.

Nach ihrem gescheiterten Fluchtversuch waren die ihr vertrauten Wärter ausgetauscht und die Anzahl der neuen verdoppelt worden. Es sollte die letzte Mahlzeit sein, die sie in ihrem kurzen Dasein zu sich nehmen würde.

Die ganze Nacht hatte sie alle Erinnerungen ihres jungen Lebens in Gedanken und Bildern mehrfach durchlebt und dabei sehr viel geweint.



...aus Gerhard Eitzen, Bauernforschung in Deutschland, Seite 416, Abb.A, Zweiständerhaus mit Walmdach, erbaut 1650

Gretge. „mit Hexen verwandt, als Hexe verbrannt“

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