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III „Ich gehöre einer Minderheit an“
ОглавлениеJonas wird es später als eine lebensprägende Erkenntnis charakterisieren, dass das Wort Gottes sich nur durch den Menschen offenbaren kann. Ihn persönlich erfüllt es mit Stolz, der Tradition der Propheten anzugehören und ihr verpflichtet zu sein.59 1922 schreibt er in einem Artikel für die Zeitschrift Jüdische Jugend: „So sehr auch die Details, mit denen die Propheten sich das göttliche Strafgericht ausmalten, die visionär erschauten Einzelscenen von der großen Katastrophe, bei den verschiedenen Propheten und in ihren verschiedenen Weissagungen variieren – wenn die dem Volk bevorstehende göttliche Strafe in ihrer ganzen Fürchterlichkeit in letzter Konzentrierung und Eindringlichkeit gekennzeichnet werden soll, so lautet sie: »Verbannung, Zerstreuung, Heimatlosigkeit«.“60
Jonas zitiert hier insbesondere das Bild, das die Propheten vom Zustand eines Volkes im Galuth61 malen und rekurriert sogleich auf die Idee der Wiedersammlung (Zionismus) eines Rests (Schear Jaschub): „Die Strafe der Exilierung und Zerstreuung wird von der Gottheit nicht negativ, nur als Strafe verhängt, sondern zugleich und vor allem mit der positiven Bestimmung, daß dieses unerhörte Schicksal das verirrte Volk zur inneren Einkehr und zur Umkehr veranlasse, daß es also die Ursache, durch die es notwendig wurde, und damit sich selbst aufhebe: alsdann konnte ein geläutertes, durch die Macht der Leiden zur echten Selbstbestimmung gebrachtes Volk aus der Nacht des Galuth in seine Heimat zurückkehren.“62
Was lässt sich zum Hintergrund dieser von Jonas vorgebrachten Worte sagen?
Nach der Eroberung und Zerstörung Jerusalems im Jahre 587 v.u.Z. und der anschließend einsetzenden Deportation der administrativen und kulturellen jüdischen Elite unter dem Kommando des Babyloniers Nebusaradan, die das Ende des davidischen Königtums und ein lange währendes „babylonisches Exil“ für die Juden bedeutete, kam es im Jahre 70 u.Z. auch zur Brandschatzung des zweiten, Herodianischen Tempels.63 Diesmal stürmten und zerstörten römische Legionäre die wieder aufgebaute Heilige Stadt und zwangen viele der dort lebenden Juden zur Flucht. Der Jerusalemer Tempel, von dem heute nur noch die westliche Klagemauer übrig ist, war von nun an nicht länger Mittelpunkt der jüdischen Identität. Der Galuth begann.
Eine Generation später wurde auch der von dem jüdischen Rebellen Simon bar Kochba gegen das Römische Reich unter Kaiser Hadrian geführte Aufstand niedergeschlagen. Jerusalem war nun endgültig eine römische Garnisonsstadt. Eine zweite große Auswanderungswelle war die Folge. Über Jahrhunderte hinweg blieb Jerusalem für die Juden ein utopischer Ort, die Tempelzerstörung wegweisend für das vertriebene Judentum.
Die Diaspora (Verbannung) wurde fortan zum Charakteristikum der europäisch-jüdischen Geschichte. Zerstreut in alle Welt waren die Juden zur Wanderschaft gezwungen. Und nachdem im frühen 4. Jahrhundert durch die Wende der konstantinischen Religionspolitik der Weg zum allmählichen Aufstieg des Christentums geebnet wurde, etablierte sich auch ein zunehmend negatives Judenbild unter den Christen.64 Da die Katholische Kirche überzeugt war, das Heil sei von den Juden auf die Christen übergegangen, entwickelte sich als Teil der christlichen Theologie der Antijudaismus. Die Darstellung der Juden als Gottesmörder war ohnehin schon seit Langem präsent.65
Dieses Bild der Juden hatte seinen vorläufigen Höhepunkt im 11. Jahrhundert. Unter Papst Urban II. eskalierte der Hass auf die Juden. Das Oberhaupt der Kirche rief zum Kreuzzug auf und behauptete, jede Zeile des Alten und Neuen Testamentes zeige, Jerusalem sei als Sitz aller Heiligtümer und Geheimnisse von der Befleckung anderer Religionen rein zu halten.66 Das richtete sich nicht nur gegen die Muslime, sondern gleichsam gegen die Juden, die in der Folge unter dem christlichen Mob zu leiden hatten.
Antijüdische Exzesse, Beschimpfungen, Ghettoisierung, Stigmatisierung und Massenmorde nahmen überhand. Hinzu kam das rasche Bevölkerungswachstum im Westen, das die Juden erneut veranlasste, in den Osten Europas auszuwandern. Bald entstand so das christlich geprägte Bild vom ewig wandernden Juden „Ahasver“.67 Der Legende nach handelt es sich bei Ahasver um einen jüdischen Schuster aus Jerusalem. Als Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung vor dessen Haus ausruhen wollte, verjagte ihn der Jude, weshalb er seither als „ewiger Jude“ rastlos durch die Welt ziehen musste.
Als die Pest ausbrach, fand man den Sündenbock wiederum im Juden, verfolgte und vertrieb ihn – so wie auch ein weiteres Mal nach dem Ende der Reconquista. In Kastilien, Aragon und Granada standen die Juden vor der Wahl, sich taufen zu lassen oder abermals eine Flucht ohne Ende auf sich zu nehmen: „Es gibt viele Hinweise“, schreibt der amerikanische Historiker David Nirenberg, „dass zahlreiche Akteure von 1391 die Vision einer von Juden befreiten christlichen Gesellschaft anstrebten. Die Rufe »lasst den Juden konvertieren oder sterben«, mit denen der Mob jüdische Wohnviertel angriff, und die langen (manchmal monatelangen) Belagerungen von Festungen, in denen Juden Zuflucht gefunden hatten, legen nahe, dass die Leidenschaft der Angreifer von Visionen einer Welt ohne Juden befeuert wurde.“68
Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich im Nachgang der französischen Aufklärung ein Reformjudentum. Es träumte von einem Ende des Ghettojudentums in den europäischen Staaten und Gesellschaften und lehnte nicht nur die jüdische Tradition ab, sondern verzichtete ebenso auf die jüdischen Rituale. Doch was blieb dann noch übrig vom Judentum? – Die Juden sollten Bürger der reformierten Nationalstaaten werden. Diese Möglichkeit hatten sie nicht nur – wie Benjamin Jonas – ab 1812 in Preußen, sondern ab 1867 auch in der k.u.k. Doppelmonarchie, die alle Juden gleichstellte. Das Deutsche Reich zog 1871, unmittelbar nach seiner Gründung, nach. Auf Grund der justiziellen, wirtschaftlichen und militärischen Gleichstellung eröffneten sich den Juden neue Karrierewege; ein jüdischer Nationalpatriotismus keimte vorübergehend auf. Vor allem die assimilierten Westjuden wurden zu Schrittmachern der europäischen Moderne. Die Ostjuden hingegen hielten viel stärker an ihrer jüdischen Tradition fest.
Mit dem sozialen Aufstieg der assimilierten Juden wuchs zugleich auch der Neid ihnen gegenüber. Bereits der Gründerkrach 1873 schürte neue Ressentiments, und Heinrich von Treitschke sah in den Juden während des Berliner Antisemitismusstreits gar ein Unglück für die deutsche Kultur. Ihre Emanzipation sei ein offenbares Unrecht, „ein Abfall von den guten Traditionen unseres Staates.“69
Aber auch die Ostjuden traf das Schicksal in diesen Jahren hart. Sie mussten aus Russland vor den antisemitischen Pogromen unter Zar Alexander III. fliehen. Die flüchtenden Ostjuden waren verarmt, strenggläubig und nirgends daheim. Viele von ihnen wanderten nach Palästina aus, das damals noch ein Teil des untergehenden osmanischen Reiches, und als einziges Land bereit war, Juden aufzunehmen.
Es war die Zeit der Dreyfus-Affäre, die für den österreichischen Journalisten und Schriftsteller Theodor Herzl Anlass bot, über einen „Judenstaat“ nachzudenken. Herzl plädierte in seiner „visionären Schrift“ (Küng) am Ende des 19. Jahrhunderts dafür, auf den Berg Zion zurückzukehren und dort eine Heimstätte des jüdischen Volkes zu gründen.70 Die durchaus problematische Idee des Zionismus (Nathan Birnbaum), auf Basis einer homogenen Religionsgemeinschaft einen Staat zu gründen, stieß insbesondere bei den Ostjuden auf gewisse Sympathie und war seit dem 17. Jahrhundert virulent. Nun endlich sollte sie in Palästina, damals noch Teil des osmanischen Reichs, Wirklichkeit werden. Herzl zog auch Südamerika (Argentinien) als neue Heimat in Erwägung, verwarf den Gedanken jedoch wieder. Denn nicht zuletzt hatte der Mäzen und Sammler Baron Edmund de Rothschild bereits damit begonnen, den Erwerb von Teilen des Heiligen Landes zu finanzieren, während in Europa verschiedenste Rassentheorien von Wilhelm Marr bis Arthur de Gobineau die Juden als minderwertige Wesen diffamierten.
Herzl allerdings hatte stets ein freies Stück Land im Blick; eine schrittweise Infiltration eines bereits besetzten Landes lehnte er ab. Auch sollte sein Judenstaat „kein hierokratischer Gottesstaat“ sein, „sondern ein moderner, freiheitlicher und sozial gerechter Staat der Toleranz verpflichtet nach allen Seiten.“71
Mit der Gründung Tel Avivs, dem „Frühlingshügel“, im Jahre 1909 schien es zunächst tatsächlich so, als gäbe es eine Lösung der Judenfrage und die Hoffnung auf eine neue Heimat. Hingegen spitzte sich für die Westjuden die Lage nach dem Krieg dramatisch zu. Die von vielen verachtete erste deutsche Demokratie werde von Juden dominiert, hieß es. Sie seien schuld an der Schmach von Versailles. Es war diese Weimarer „Judenrepublik“72, in der nicht einmal 1 % der Gesamtbevölkerung Juden waren. Der Judenhass wurde zum Mittel der Selbstidentifizierung aller Heimatlosen des Krieges. Antisemitismus war das Betäubungsmittel all derer, die sich vor dem Fortbestand des Status Quo fürchteten. Antisemitische Verschwörungstheorien waren die Folge.73
In diesen Jahren nach dem Ende des Krieges wird Hans Jonas Zionist in seinem inzwischen zur belgischen Besatzungszone gehörenden Geburtsort. Beflügelt hat ihn vor allem die Lektüre von Martin Bubers bereits erwähnten „Drei Reden über das Judentum.“74 Buber gründet Ende des 19. Jahrhunderts eine zionistische Ortsgruppe und nimmt als Delegierter an den zionistischen Kongressen teil. Er gilt seinerzeit als Vertreter eines auf Achad Ha’am zurückgehenden Kulturzionismus, dessen Ziel eine erneuerte hebräische Kultur als Zentrum der jüdischen Gesellschaft war. Rettung des Judentums statt Rettung der Juden, wie bei Theodor Herzl, wird zum Losungswort des Kulturzionismus.
Zwecks der geistigen Erneuerung des Judentums begründet Buber im Jahr 1902 darüber hinaus den Jüdischen Verlag. Nach seiner Dissertation im Juli 1904 zieht er sich zunächst mehr und mehr aus der zionistischen Parteiarbeit zurück. In der Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs wächst sein Interesse am Zionismus jedoch wieder. Auch seine drei Reden, gehalten zwischen 1909 und 1911, bringen dies ein wenig verblümt zum Ausdruck. Buber fragt, was es heißt, Jude zu sein, reflektiert die Vergangenheit und die Zukunft des Judentums und plädiert schließlich für eine Erneuerung des Judentums.
In seiner ersten Rede fragt er: „Wo gibt es eine Gottesinbrunst von Juden, die sie hinausjagte aus dem Zweckgetriebe der Gesellschaft in ein wahrhaftes Leben, in ein Leben, das Gott bezeugt, ihn aus einer Wahrheit zu einer Wirklichkeit macht, weil es »in seinem Namen« gelebt wird?“75 Denn, so Buber weiter, das jüdische Volk habe seit Jahrhunderten seinen Ort verloren und bilde keine einheitliche Sprach- und Lebensgemeinschaft, sodass es sich stets die Frage nach der Berechtigung seines Daseins anhören müsse.76 In der zweiten Rede fordert er deshalb: „Wir sollten endlich Jude sein, wie die Propheten sie forderten, das heißt: unbedingte Menschen!“77 In der dritten Rede erläutert er dies: „Der geistige Prozeß des Judentums vollzieht sich in der Geschichte als das Streben nach einer immer vollkommeneren Verwirklichung dreier untereinander zusammenhängender Ideen: der Idee der Einheit, der Idee der Tat und der Idee der Zukunft.“78 Und er schließt: „Das jüdische Volk … muß das absolute Leben, es muß das lebendige Judentum wiedergewinnen.“79
Hans Jonas selbst ist in einem zionistischen Zirkel in seiner Geburtsstadt aktiv – gegen den Willen des Vaters, der als Ortsgruppen-Vorsitzender des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (als auch später als Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde München-Gladbach, Januar 193080) vor allem Sorge vor neuer antisemitischer Hetze hat. Zionistische Aktivitäten und die Idee des Centralvereins, Judentum und Deutschtum miteinander zu vereinbaren, widersprachen sich in den Augen von Gustav Jonas, der als entschlussfreudig und zielstrebig gilt, mitunter ein wenig herrisch ist, doch seinem Sohn grundsätzlich keine Steine in den Weg legen will.81
Die zionistische Bewegung schöpft am Ende des Ersten Weltkrieges neue Hoffnung. Grund ist die Balfour-Deklaration vom 2. November 1917. Großbritannien in der Person des damaligen Außenministers Arthur James Earl of Balfour erklärt sich in dieser Deklaration gegenüber dem Präsidenten der English Zionist Federation, Lord Lionel Walter Rothschild, einverstanden damit, in Palästina eine nationale Heimstätte des jüdischen Volkes aufzubauen.82 Die Rechte der nicht-jüdischen Bevölkerung sollen allerdings unangetastet bleiben.
In zionistischen Kreisen sieht man die Deklaration als Zugeständnis der zionistischen Ziele an, zumal die Deklaration in das Völkerbundmandat für Palästina aufgenommen wird. Dieses legt die Bedingungen fest, unter denen die vorläufige britische Verwaltung des Landes unter Wahrung der Rechte der jüdischen und arabischen Bevölkerung abgewickelt werden soll. Wenngleich die Deklaration mindestens bis zur Londoner Tagung des Völkerbundes 1922 nur ein Stück Papier bleiben sollte, lässt die Jüdische Rundschau bereits am 23. November 1917 verlautbaren, die Erklärung der englischen Regierung müsse in jüdischen Kreisen „wirkliche Befriedigung erwecken“. England habe sich „in so klarer und unzweideutiger Weise zur Anerkennung der jüdischen Ansprüche in Palästina entschlossen“ 83, dass kein Jude mehr berechtigt sei zu behaupten, der Zionismus sei politisch nicht ernst zu nehmen.
In diesem Kontext ist zu bedenken, dass sich innerhalb des Judentums die Geister bezüglich des zionistischen Bestrebens schieden. So sprach sich etwa der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten für einen Verbleib in Deutschland aus, „während andere ihre Aufgabe darin sahen, eine möglichst rasche Auswanderung ihrer Glaubensgenossen zu erreichen.“ Die zionistischen Organisationen wurden zunächst auch von Nationalsozialisten unterstützt, „weil der Wille zur Auswanderung ihren – damaligen – eigenen Zielen sehr entgegenkam.“84 Insofern war der Zionismus tatsächlich ernst zu nehmen, konnte man sich zumindest eine Zeit lang sowohl des nationalsozialistischen als auch des britischen Supports gewiss sein. Auch wenn es im Laufe der Jahre immer wieder enttäuschte jüdische Stimmen über Englands tatsächliche Israel-Politik gegeben hat, so muss doch immerhin zugestanden werden, dass die Gründung Israels im Mai 1948 auf britischem Mandatsgebiet ohne die Balfour-Deklaration nicht denkbar gewesen wäre: „Wir waren“, so resümiert Hans Jonas, „natürlich pro-englisch, weil England uns die Tore Palästinas geöffnet hatte.“85
Zwar sind die Tore nach Palästina also offen, doch gerade deshalb gibt es aus zionistischer Sicht so viel dort zu tun. Ein Handlungsfeld von besonderer Bedeutung ist für den Zionisten Hans Jonas das Schulwesen in Palästina. Der jüdische Historiker Salo W. Baron betont diesbezüglich, der Bildungsgedanke stehe im Judentum an zentraler Stelle, denn Bildung sei eine Verpflichtung sowohl für die Familie als auch für die Gemeinschaft.86 Aus diesem Grunde setzt sich Hans Jonas 1922/23 (wie später auch Robert Weltsch und Martin Buber) in einem rund 50-seitigen Aufsatz historisch und systematisch mit dem Thema auseinander.87
Im geschichtlichen Teil datiert er die Anfänge des palästinensischen Schulwesens auf die 1850er Jahre. Wichtigstes Bildungsinstrument der damaligen Zeit seien die Missionsschulen gewesen. Ihnen folgten alsbald die Volksschulen aller in Palästina ansässigen Konfessionen. Dahinter stand nicht zuletzt ein politischer Gedanke, denn die Schulen galten als das Expansionsmittel par excellence. Mit der religiösen Interessenpolitik, die über die Schulen gesteuert wurde, gingen zudem auch nationale Interessen einher: Die Wahl der Unterrichtssprache und des Lehrplans machten deutlich, dass Schulpolitik in Palästina stets Machtpolitik war.
1917 übernahmen die Engländer die Verwaltung des palästinensischen Schulwerks. Darüber hinaus wurden Elementarschulen in allen Distrikten eröffnet und das Arabische zur Unterrichtssprache gemacht. 1919 entstand in Jerusalem zudem ein Lehrer- und Lehrerinnenseminar. In Bezug auf jüdische Schulen hebt Jonas hervor, dass lange Zeit nur welt- und lebensfremde Anstalten existierten (Chedarim, Jeschiboth, Talmud-Thoras). Doch auch heute noch, zu Beginn der 1920er Jahre, bestünden diese Schulen des alten Systems weiterhin. Ein modernes jüdisches Schulwesen habe mit starken Widerständen und Anfeindungen des orthodoxen Jischuw zu kämpfen. Dies verhindere, dass Schulen dem „national-kulturellen Eigencharakter der jüdischen Gemeinschaft angepasst“88 werden könnten. Es fehlten ein einheitlicher Lehrplan, fachlich abgesicherte Unterrichtsmethoden und ein klar erkennbares Bildungsziel. Doch der junge jüdische Nationalismus forciere die Gründung einer nationalen Einheitsschule. Dazu gehöre nicht zuletzt die „Anerkennung des Hebräischen als lebendiger Sprache“89 (1909 wird in Jerusalem ein hebräisches Gymnasium gegründet).
Seit Beginn des neuen Jahrhunderts erfuhr das Hebräische tatsächlich verstärkt Anerkennung. Doch kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs verlief dieser Trend wieder gegenläufig. Es entbrannte ein regelrechter Kulturkampf um das Hebräische, und ein eigenes, stark vereinheitlichtes, sich rasch ausbreitendes Schulwerk der zionistischen Organisation in Palästina entstand.
Hans Jonas merkt nun im systematischen Teil seines Aufsatzes an, dass zu Beginn der 1920er Jahre rund 17.000 jüdische Schüler in jüdischen Schulen unterrichtet werden. Abermals kritisiert er die noch existierenden Talmud-Thoras als „eine rückständige, mechanisch geistlose, pädagogische Methode.“90 Die Schüler müssten unter unhygienischen Bedingungen lernen. Der Unterricht beschränke sich allein auf die Vermittlung der Thora. Auf jedwede Erklärung ihres Sinns werde verzichtet. Ein Schreibunterricht werde kaum oder überhaupt nicht erteilt. Diese nur Jungen zugänglichen Schulen vermittelten, so sein Fazit, den Schülern nicht einmal „die elementarsten Kenntnisse und Grundlagen für das Leben.“91 Am Ende fordert er: „Bessere Resultate dürfen erwartet werden, wenn der organisierten Vertretung der palästinensischen Judenheit das Recht erteilt wird, von der jüdischen Bevölkerung Steuern zu erheben.“92
Im Zusammenhang mit seinem zionistischen Engagement spricht er in seinen Erinnerungen auch die Bedeutung des Ostjudentums für die zionistische Bewegung in West- und Mitteleuropa an, betont aber zugleich, über die Sorgen der arabischen Bevölkerung hätte sich in seinem zionistischen Kreis niemand ernsthaft Gedanken gemacht.93 Das stimmt freilich nicht ganz. Kein Geringerer als Theodor Herzl selbst ist zeitlebens dafür eingetreten, dass „im zukünftigen jüdischen Gemeinwesen die arabische Bevölkerung Palästinas vollkommen gleichberechtigt und am politischen Leben des Landes teilnehmen sollte.“94 Auch gibt es damals durchaus weitere zionistische Persönlichkeiten, die das Problem des Interessenkonflikts zwischen Juden und Arabern voraussehen. So etwa Georg Landauer, wie Hans Jonas ebenfalls Mitglied im zionistischen Wanderbund Blau-Weiß.95 Beide kommen in den 1920er Jahren in Köln zusammen. Die Stadt war vor allem in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg eine Hochburg des Zionismus, da nicht nur der aus Litauen stammende Kaufmann David Wolffsohn, Mitarbeiter und Nachfolger Herzls in der Zionistischen Organisation, sondern auch der Rechtsanwalt Max Bodenheimer in Köln wirkten. 1893 gründeten beide den Kölner Verein zur Förderung von Ackerbau und Handwerk in Palästina. Auf Bodenheimers Initiative entstand zudem Ende des 19. Jahrhunderts in der Rheinmetropole die Zionistische Vereinigung für Deutschland.96
Der von Hans Jonas unterstützte zionistische Jugendbund Blau-Weiß, 1912/13 gegründet, griff die bekannte Meißnerformel auf, um seine Mitglieder zu jüdischer Gesinnung anzuhalten. Die Meißnerformel war so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner der Freideutschen Jugend, die nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung und in innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten wollte.97 Im Leitfaden von 1913 heißt es, eine Umwälzung des jüdischen Gemütslebens sei das Ziel von Blau-Weiß.98 Stark angelehnt an den Wandervogel erhob der Blau-Weiß den Anspruch, die jüdische Wanderbewegung schlechthin zu sein. Noch entscheidender aber war, dass Landauer auch einer der Gründer der deutschen Sektion der Organisation HaPoel HaZair („Der junge Arbeiter“) war. Um 1906 entstanden, will diese jüdisch-sozialistische Arbeiterpartei ganz im Geiste des Programms der Zionistischen Organisation die Juden in der Hauptsache als Bauern in Palästina ansiedeln. Die Landarbeit soll die Juden geistig und moralisch erneuern. Der HaPoel HaZair bemühte sich schon früh (wie auch Martin Buber) um eine Verständigung mit der arabischen Bevölkerung Palästinas und übte starken Einfluss auf die jüdischen Zionisten in Deutschland aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehört Landauer auch der Jewish Restitution Successor Organization an, die das Restitutionsverfahren organisiert, zu welchem Deutschland von den Behörden der Westmächte gesetzlich verpflichtet wurde. Dabei ging es um die Entschädigung des enteigneten Vermögens von jüdischen Privatpersonen sowie des Vermögens von jüdischen Institutionen und Organisationen in der Zeit des Nationalsozialismus. Ab 1951 vertritt dann die Jewish Claims Conference die Entschädigungsansprüche der überlebenden Juden.
Kommen wir zunächst aber nochmals zurück auf die Zeit kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs: Neben seinen jugendpolitischen Interessen beschäftigt sich Hans Jonas damals mit allgemein-theologischen, philosophischen und kunstgeschichtlichen Fragen, während sein Vater wie viele andere Unternehmer in der Weimarer Republik mit länger währenden Streikphasen der Belegschaft zu kämpfen hat.99
Zum Studium geht Hans Jonas 1921 nach Freiburg, wo er die Seminare von Edmund Husserl (1859-1938) und Martin Heidegger (1889-1976) besucht. Zeitgleich wird er Mitglied in der Freiburger zionistischen Studentenverbindung IVRIA. Trotz der jüdischen Netzwerke, denen er angehört, wird er das Gefühl des Außenseitertums nicht los: „Ich gehöre einer Minderheit an, und man darf sich nichts gefallen lassen, wir gehören nicht ganz dazu. Dieser starke Abwehrstolz ist mir mein ganzes Leben geblieben.“100
8 Vgl. Frank Overhoff: Juden im Niederbergischen. Namen, Erinnerungen, Bibliografie. Online-Dokumentation 2010, S. 12. In: bgv-velbert.dvs.net/cms/daten/Juden-im-Niederbergischen-Zweite-erweiterte-Auflage-2012.pdf. Abruf am 26. August 2015.
9 Hier lebten einst Beginen im Kloster Marienbrink. Der Platz wurde später umbenannt.
10 Vgl. Marion Schulte: Über die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in Preußen. Ziele und Motive der Reformzeit (1787-1812). Berlin 2014. Zur Assimilationsgeschichte und ihrer Problematiken sieh Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 2012, S. 248ff.
11 Zur Geschichte der jüdischen Landgemeinde vgl. Stefan Rohrbacher: Die jüdische Landgemeinde im Umbruch der Zeit. Traditionelle Lebensform, Wandel und Kontinuität im 19. Jahrhundert. Göppingen 2000.
12 Philosophisches Archiv der Universität Konstanz NL Hans Jonas: HJ 11-2-2, Brief vom 2. November 1983. „HJ“ ist die offizielle Nomenklatur, die hier nicht verändert wurde.
13 Vgl. Wolfgang Löhr (Hg.): Loca desiderata. Mönchengladbacher Stadtgeschichte 3.1. Köln 2003, S. 19f.
14 Johannes Klein: Einleitung. In: Heinrich Lersch: Gedichte. Hg. und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Johannes Klein. Düsseldorf und Köln 1965, S. 17.
15 Löhr: Loca desiderata, a.a.O., S. 24.
16 Ebd., errechnet anhand der dort angegebenen Zahlen (58.000 Einwohner und 1,27 % Juden). Vgl. Günther Erckens: Juden in Mönchengladbach. 2 Bände plus Registerband, Mönchengladbach 1988-1990, hier Bd. 1, S. 246ff. Hier sind es rund 600 Juden.
17 Erckens: Juden Bd. 1, S. 248. Zur Verlagerung sieh den Brief von Erckens an Jonas vom 15. Mai 1983. StAMg Sammlung Hans Jonas 15/42/342 Band 1, sowie HJ 11-2-2, Brief vom 2. November 1983.
18 Gustav Jonas, 5. Januar 1864 in Borken geboren, stirbt am 7. Januar 1938 in München-Gladbach an Krebs.
19 HJ 11-2-2, a.a.O.
20 Brief von Erckens an Jonas vom 15. Mai 1983. StAMg Sammlung Hans Jonas 15/42/342 Band 1.
21 Vgl. HJ 17-25-23, Bericht vom 3. Januar 1955.
22 Sieh dazu exemplarisch: David N. Labantz/Bernard F. Lentz: Favorite Sons. Intergenerational Wealth Transfers among Politicians. Economic Inquiry. Volume 23/3. Oregan 1985, S. 395-414; Josef Brüderl/Peter Preisendörfer/Rolf Ziegler: Der Erfolg neugegründeter Betriebe. Eine empirische Studie zu den Chancen und Risiken von Unternehmensgründungen. Berlin 1998.
23 Erckens, Juden Bd. 2, S. 443. Erckens deutet die vielschichtigen Verwandtschaftsbeziehungen der Familien Jonas, Cohen, Benjamin an, vertieft dies aber im Einzelnen nicht. Im Brief Erckens an Jonas vom 8. November 1987 schließt er Langenberg im Kreis Mettmann als Abstammungsort aus, da Jonas der Ansicht ist, die Familie stamme „irgendwo aus dem westfälischen, nicht aus dem rheinischen Langenberg.“ Vgl. StAMg Sammlung Hans Jonas 15/42/342 Band 1. Das westfälische Langenberg liegt allerdings rund 100 Kilometer von Borken entfernt, das rheinische nur 60 Kilometer. Overhoff, a.a.O., macht es wahrscheinlich, dass doch Langenberg bei Mettmann richtig ist, da er von Velbert-Langenfeld spricht. Zwischen beiden Orten liegen nur wenige Kilometer. Andererseits heiratet Benjamin Jonas’ Vater eine gewisse Hanna aus Einbeck. Einbeck liegt wiederum wesentlich näher an dem westfälischen Langenberg. Eine letzte Sicherheit, welcher Ort genau gemeint ist, scheint es nicht zu geben.
24 Die Stammtafel http://www.ics.uci.edu/~dan/genealogy/Krakow/Families/Horowitz.html nennt „München“ (Abruf am 10. Juni 2015), richtig ist jedoch Krefeld, so auch Ayalah Jonas in einer Mail an Verf.
25 Friedland kommt durch die preußische Verwaltungsreform zum Kreis Deutsch Krone im westpreußischen Regierungsbezirk Marienwerder.
26 StAMg Sammlung Hans Jonas 15/42/342 Band 1. Angaben stammen aus dem Band Antonius Beermann et alii: Juden in Krefeld. Quellen und Materialien zur Geschichte der Stadt Krefeld. Krefeld 1990.
27 Laut Stammtafel der Familie Horowitz, a.a.O.
28 Hans Jonas: Erinnerungen. Frankfurt a.M. 2003, S. 31.
29 Ebd., S. 40.
30 Ebd., S. 43.
31 Christian Wiese: Hans Jonas. „Zusammen Philosoph und Jude“. Frankfurt a.M. 2003, S. 22; sowie Rachel Salamander: Die jüdische Welt von gestern. Text- und Bildzeugnisse aus Mitteleuropa 1860-1938. München 1990, S. 13. Vgl. auch Wolfgang Erich Müller: Hans Jonas. Philosoph der Verantwortung. Darmstadt 2008; Franz Josef Wetz: Hans Jonas zur Einführung. Hamburg 2000.
32 Jonas: Erinnerungen, S. 341.
33 Holger Hintzen: Paul Raphaelson und Hans Jonas, a.a.O., S. 35. Sieh auch: Philosophisches Archiv der Universität Konstanz NL Hans Jonas, HJ 17-1-3, wo der Name Raphaelson mit Adresse in einem Notizbuch ebenso auftaucht wie in HJ 20-1-103, Brief vom 9. Juli 1947.
34 Jonas: „Liebe Gladbacher!“ Der Philosoph besuchte seine ehemalige Schule am Abteiberg. Presseartikel vom 10. Oktober 1987 ohne nähere Angaben. In: StAMg Sammlung Hans Jonas 3490, Biographisches in MG. Die Halle wird heute als Tagungs- und Kongressgebäude genutzt.
35 So Wolfgang Löhr in einem Vortrag 2003 anlässlich des Hans-Jonas-Jahres in der VHS Mönchengladbach.
36 Vgl. Jonas: Erinnerungen, S. 25.
37 Ebd., S. 26f.
38 Eric Hobsbawm: The Age of Extremes. The Short Twentieth Century 1914-1991. London 1994.
39 Jüdische Rundschau XIX. Jg. Nr. 32, 7. August 1914, S. 343.
40 Jehuda Reinharz: Dokumente zur Geschichte des deutschen Zionismus 1882-1933. Tübingen 1981, S. 155.
41 Karl Boland: Mönchengladbach, Rheydt und der Erste Weltkrieg. In: Ders./Hans Schürings (Hg.): Der Erste Weltkrieg und Mönchengladbach. Kriegserfahrung und Alltagsbewältigung. Essen 2014, S. 41.
42 Jonas: Erinnerungen, S. 31. Mit Sicherheit waren es aber nicht 99,9 % der Bevölkerung, wie Jonas glaubt, die erfreut über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren.
43 Löhr: Loca desiderata, a.a.O., S. 150.
44 Jonas: Erinnerungen, S. 90.
45 An die Kulturwelt! In: Klaus Böhme (Hg.): Aufrufe und Reden deutscher Professoren im Ersten Weltkrieg. Stuttgart 1975, S. 47-49.
46 Vgl. Gerhard Schneider: Barbaren, Boches, Hunnen. Bild- und Textpropaganda im Ersten Weltkrieg. In: Saskia Handro/Bernd Schönemann (Hg.): Visualität und Geschichte. Berlin 2011, S. 135-196, hier S. 160. Sieh dazu auch: Jürgen Nielsen-Sikora: Das Ende der Barbarei. Essay über Europa. Stuttgart 2012.
47 Sönke Neitzel: Der historische Ort des Ersten Weltkriegs in der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts. In: http://www.bpb.de/apuz/182560/der-historische-ort-des-ersten-weltkrieges-in-der-gewaltgeschichte-des-20-jahrhunderts?p=all (Aufruf 15. Januar 2015).
48 Hans Jonas: Erkenntnis und Verantwortung. Gespräch mit Ingo Hermann. Göttingen 1991, S. 35.
49 Nomen est omen: Mönchengladbach gilt nicht zuletzt als „Vitusstadt“, benannt nach dem Hl. Vitus, der im 3. Jh. u.Z. in Italien lebte. Zur Einstellung sieh auch HJ 10-1-27, Erklärung von Vitus vom 28. Oktober 1963.
50 Vgl. HJ 12-1-143, Brief vom 22. Dezember 1953.
51 Jonas: Erinnerungen, S. 50. Vgl. auch StAMg, Sammlung Hans Jonas 14/3490, Brief von Hans Jonas an Heinrich Lerschs Sohn Edgar vom 27. Oktober 1987.
52 Vgl. StAMg, Sammlung Hans Jonas 14/3490, Brief an Edgar Lersch vom 27. Oktober 1987.
53 Vgl. zum Aufruf: Der Aufbau 2 (1946), Heft 9, S. 972. Zur Mitgliedschaft sieh: Hans Schürings: Krieg und Literatur bei Heinrich Lersch und Gottfried Kapp. In: Ders./Karl Boland (Hg.): Der Erste Weltkrieg und Mönchengladbach, a.a.O., S. 197. Hans Jonas wusste davon nichts. Lerschs NSDAP-Mitgliedschaft wurde erst Jahre nach Jonas’ Tod bekannt.
54 Heinrich Lersch: Mit brüderlicher Stimme. Stuttgart 1934, S. 179.
55 Johannes Klein: Einleitung. In: Heinrich Lersch: Gedichte, a.a.O., S. 5f.
56 Martin Buber: Drei Reden über das Judentum. Frankfurt a.M. 1916.
57 Jonas: Erinnerungen, S. 65.
58 Ebd., S. 66.
59 Ebd., S. 68. Zu diesen Propheten gehören unter anderem Hesekiel, Deuterojesaja, Jeremia, Amos und Hosea.
60 Hans Jonas: Die Idee der Zerstreuung und Wiedersammlung bei den Propheten. Zuerst in: Jüdische Jugend, hg. vom KJV Berlin. Berlin 1922. Zitiert nach KGA III/2, S. 3-17, hier S. 5. Der Aufsatz ist von Klaus Borchers Ende der 1980er Jahre in der Germania Judaica in Köln wiederentdeckt worden. Vgl. Philosophisches Archiv der Universität Konstanz NL Hans Jonas, HJ 16-5.
61 Galuth bezeichnet die Verbannung des jüdischen Volkes aus Jerusalem.
62 Hans Jonas: Die Idee, a.a.O., S. 12f.
63 Vgl. Barbara Schmitz: Geschichte Israels. Paderborn 2011; Hans Küng: Das Judentum. Wesen und Geschichte. München 2007; Haim Hillel Ben-Sasson (Hg.): Geschichte des jüdischen Volkes. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 3 Bände. München 1980.
64 Wolfgang Benz (Hg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Berlin 2008. Hingegen betont Jacob Katz: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700-1933. München 1989, sehr viel stärker die Schuld des Christentums am Judenhass.
65 Vgl. David Nirenberg: Antijudaismus. Eine andere Geschichte des westlichen Denkens. München 2015.
66 Aufruf zum 1. Kreuzzug beim Konzil von Clermont 1095. Sieh dazu allgemein: Nikolas Jaspert: Die Kreuzzüge. Darmstadt 2003.
67 Vgl. Avram Andrei Baleanu: Ahasver. Geschichte einer Legende. Berlin 2011; Alfred Bodenheimer: Wandernde Schatten. Ahasver, Moses und die Authentizität der jüdischen Moderne. Göttingen 2002.
68 Nirenberg: Anti-Judaismus, a.a.O., S. 227f.
69 Heinrich von Treitschke: Unsere Aussichten. In: Preußische Jahrbücher 44/1879, S. 575. Vgl. auch Michael Ley: Kleine Geschichte des Antisemitismus. München 2003.
70 Dazu Yvonne Meybohm: David Wolffsohn. Aufsteiger, Grenzgänger, Mediator: Eine biografische Annäherung an die Geschichte der frühen Zionistischen Organisation (1897-1914). Göttingen 2013; Shlomo Avineri: Theodor Herzl und die Gründung des jüdischen Staates. Frankfurt a.M. 2016. Zur Geschichte Palästinas sieh Gudrun Krämer: Geschichte Palästinas. Von der osmanischen Eroberung bis zur Gründung des Staates Israel. München 2015.
71 Küng, Judentum, a.a.O., S. 352.
72 Vgl. Ursula Büttner: Weimar – die überforderte Republik 1919-1933. Stuttgart 2010, S. 183ff.
73 Dazu Stefan Rohrbacher/Michael Schmidt: Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile. Reinbek 1998.
74 Buber: Drei Reden, a.a.O.
75 Ebd., S. 13.
76 Ebd., S. 36.
77 Ebd., S. 65.
78 Ebd., S. 71.
79 Ebd., S. 96.
80 StAMg, Sammlung Hans Jonas 15/43/114 II, Brief vom 21. Januar 1930 auf den Bögen der Firma B. Jonas/Mönchengladbach. Vgl. auch: Erinnerungen S. 70. Der 1893 in Berlin gegründete Centralverein setzt sich für die Beibehaltung der Gleichstellung von Juden im Deutschen Reich ein und kämpft ab 1933 vermehrt gegen antisemitische Hetze. Im Zuge der Reichspogromnacht wird der Verein aufgelöst. David Wolffsohn gehört in Köln der Ortsgruppe an, ab 1913 ist eine Doppelmitgliedschaft von CV und ZVfD nicht mehr möglich, vgl. Meybohm, a.a.O.
81 Vgl. HJ 20-1-69, Brief Gerald an Hans vom 6. Dezember 1935.
82 Zur Politik vgl. Markus A. Weingardt: Deutsche Israel- und Nahostpolitik. Die Geschichte einer Gratwanderung seit 1949. Frankfurt a.M./New York 2002.
83 Zitiert nach Reinharz: Dokumente, a.a.O., S. 203.
84 Juliane Wetzel: Auswanderung und jüdisches Selbstverständnis. In: Günter Stemberger (Hg.): Die Juden. Ein historisches Lesebuch. München 1990, S. 273.
85 Jonas: Erinnerungen, S. 91. Sein Engagement in der britischen Armee rührt nicht zuletzt von diesen Erfahrungen her.
86 Salo W. Baron: From a Historian’s Notebook. European Jewry before and after Hitler. In: Albert H. Friedlander: Out of the Whirlwind. A Reader of Holocaust Literature. NewYork 1976, S. 142.
87 Hans Jonas: Das Schulwesen in Palästina. HJ 13-17-1. Er bezieht sich darin auf Entwicklungen von 1921 und spricht vom noch nicht eröffneten Technion in Haifa (etabl. 1924), sodass davon auszugehen ist, dass der Aufsatz 1922/23 entstanden ist. Ein Ausschnitt findet sich in: Gerhard Holdheim: Zionistisches Handbuch. Berlin 1923, S. 351-358. Der gesamte Abdruck nun in KGA III/2, S. 19-54.
88 HJ 13-17-1, S. 5.
89 Ebd., S. 8.
90 Ebd., S. 21.
91 Ebd., S. 22.
92 Ebd., S. 50.
93 Jonas: Erinnerungen, S. 76. Die Bedeutung des Ostjudentums für den Aufbau eines jüdischen Staates war allgemein Konsens unter den westeuropäischen Zionisten.
94 Avineri: Theodor Herzl, a.a.O., S. 11.
95 Vgl. Suska Döpp: Jüdische Jugendbewegung in Köln 1906–1938. Münster 1997. Hans Jonas trat laut eigener Aussage 1924 in den Blau-Weiß ein. Vgl. Erinnerungen, S. 95. Wahrscheinlicher ist, dass er den Eintritt in seiner Berliner Zeit zwischen 1921-1923 vornahm. Denn er selbst siedelt sein Studium in Berlin im Jahr 1924 an.
96 Zu Wolffsohn und Bodenheimer sieh: Meybohm, a.a.O.
97 Dazu Christopher Beckmann/Jürgen Nielsen-Sikora: Bund Neudeutschland. Entstehung, Protagonisten, Netzwerke. In: Barbara Stambolis (Hg.): Die Jugendbewegung und ihre Wirkungen. Prägungen, Vernetzungen, gesellschaftliche Einflussnahmen. Göttingen 2015, S. 281-302.
98 Vgl. Reinharz: Dokumente, a.a.O., S. 115. Sieh auch: Yehuda Eloni: Zionismus in Deutschland. Von den Anfängen bis 1914. Gerlingen 1987, S. 448ff.
99 Löhr: Desiderata, a.a.O., S. 73.
100 Jonas: Erinnerungen, S. 59. Auch gegen Kollegen konnte er später gut austeilen. Gadamer war ihm der „kalte Fisch“, Mary McCarthy eine „certified bitch“, Quispel „gelehrsam, aber mittelmäßig“. Band V der KGA mit den Briefen und Gesprächen wird dies dokumentieren.