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III „In alle Welt zerstreut“

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Betrachten wir die damalige Situation einmal genauer, weil sie für das weitere Leben von Hans Jonas so einschneidend wie kaum eine zweite gewesen ist.


Abb. 6: Hans Jonas 1932, © Nachlass Hans Jonas, HJ 24-3-27.

Der wesentliche Faktor für den Aufstieg der Hitler-Partei war ohne Frage die wirtschaftliche Situation und die Inflation 1923. Sie sorgte für einen mangelnden Zusammenhalt der Bevölkerung. Dieses Problem korrespondierte aber lediglich mit der fehlenden Kooperationsbereitschaft der Parteien. Insgesamt bestimmte die innenpolitische Polarisierung und ein Freund-Feind-Denken die politische Landschaft.

1932 war in Deutschland jeder Dritte ohne Arbeit. Dies führte gewissermaßen zu einer Nivellierung von Klassenunterschieden, die der NSDAP zugute kam. Der permanente Machtverlust des Reichstags schwächte die junge Demokratie ebenfalls. Die Reichspräsidenten hingegen bekamen mehr und mehr Macht und regierten durch die Notverordnung §48 der Verfassung. Man sprach schon vor 1933 von der „Diktaturgewalt“ des Reichspräsidenten und dem autoritären deutschen Staat. Die Ausweitung der Wirtschaftskrise nach 1929 spielte zudem den Kritikern der Republik in die Hände. Die Wirtschaftskrise weitete sich zusehends zur Staatskrise aus.

Im März 1930 trat die Große Koalition zurück, da die SPD-Fraktion kritisch zur Kompromisspolitik des Reichskanzlers Heinrich Brüning stand. Von da an waren die Präsidialkabinette und Notverordnungen an der Tagesordnung. Es kam zu einer Politik der autoritären Wende und einem still geduldeten Verfassungswandel. Das Parlament, ursprünglich Zentrum der Demokratie, wurde nach den Wahlen zwischen September 1930 und März 1933 aufgelöst. In nur zweieinhalb Jahren wählte das Volk insgesamt vier Mal einen neuen Reichstag. Es kam zu einer immer stärkeren Fluktuation in der Wählerschaft, weil niemand mehr so recht an den Erfolg der Demokratie glauben mochte. Auch die Wahlbeteiligung ließ sich nicht einschätzen. All diese Faktoren führten dazu, dass die NSDAP statt der lediglich 2,6 % der Stimmen 1928 schon fünf Jahre später bei der Reichstagswahl vom 5. März 1933 43,9 % der Stimmen auf sich vereinen konnte. Der Weg in die Diktatur war geebnet. Parallel zu dieser Entwicklung war der politische Liberalismus (DDP 0,8 %), zu dem sich auch die Familie Jonas hingezogen fühlte, schon seit 1930 durch interne Spaltungen im Niedergang begriffen. Die Deutsche Demokratische Partei, 1918 u.a. von Theodor Wolff, den Weber-Brüdern Alfred und Max sowie Hugo Preuß ins Leben gerufen, war in der Weimarer Republik bis dahin an fast allen Regierungsbildungen mitbeteiligt. Auch der langjährige Vertreter der Juden im Mönchengladbacher Rat, Jonas Benjamin Jonas (1838-1932), Sohn des Fabrikgründers Benjamin Jonas und ein Onkel von Hans Jonas’ Vater Gustav, gehörte in der Weimarer Republik der DDP an. Politisch wie religiös übt er großen Einfluss auf Hans Jonas aus.

Anders als die Partei, der Jonas Benjamin Jonas sein Vertrauen aussprach, etablierte sich die NSDAP als Anti-Klassen-Partei und mobilisierte sehr stark die Neuwähler. Auch die Verluste bei der SPD trugen zur Stärkung der Nationalsozialisten bei. Die Regierung von Papen war zeitgleich auf einen neuen starken Partner angewiesen. 1932 trat Franz von Papen aus der Zentrumspartei aus, die NSDAP gewann zugleich Anhänger der DNVP, aber auch aus dem Zentrum und der SPD. Wer glaubte, die Katastrophe sei vorüber, sah sich alsbald getäuscht.

Die Weimarer Republik war im Allgemeinen geprägt vom Krisenbewusstsein einerseits und Erlösungshoffnungen andererseits. Die Rede von einer „Demokratie ohne Demokraten“144 ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Diffamierung der Demokratie, die rechte wie linke Revolutionäre ohnehin nur als Übergangslösung betrachteten, sowie eine Entwicklung zum Extremismus waren die Folge.

Nach der Machtübernahme Hitlers hält es Hans Jonas nicht mehr lange aus in Deutschland. Als am 1. April 1933 der von den Nazis als vermeintliche Abwehrmaßnahme gegen eine angeblich jüdische Kriegserklärung an Deutschland propagierte „Juden-Boykott“ vollzogen wird und somit jüdische Geschäfte, Warenhäuser, Banken, Arztpraxen, Rechtsanwalts- und Notarkanzleien gemieden werden, fasst Jonas den Entschluss, Deutschland zu verlassen. Im Zuge des Boykotts kam es zu Übergriffen und Plünderungen jüdischer Geschäfte. Mindestens so schlimm wog die Tatsache, dass es kaum Solidaritätsbekundungen mit den Juden seitens der nicht-jüdischen Bevölkerung gab. Beides zusammen trug zu der Einschätzung bei, für die Juden beginne eine neue Ära, die nicht nur wirtschaftliche und politische, sondern, so der Chefredakteur und Mitherausgeber der Jüdischen Rundschau, Robert Weltsch, auch moralische und psychologische Folgen habe.145

Obwohl der Boykott auf Grund des wirtschaftlichen Drucks aus dem Ausland bereits am 4. April endete, bildete er den Auftakt der organisierten Judenverfolgung. Der Anteil der zu einem großen Teil verarmten Juden an der Gesamtbevölkerung des Deutschen Reiches betrug inzwischen weniger als ein Prozent.146

Seinen Eltern schwört Jonas bei der Verabschiedung, nie wieder nach Deutschland zurückzukehren, „es sei denn als Soldat einer erobernden Armee.“147 Im Mai ist er jedoch noch in Deutschland und muss an seinem 30. Geburtstag die von der Deutschen Studentenschaft inszenierte Bücherverbrennung miterleben, bei der Studenten, Professoren, Rektoren und Mitglieder nationalsozialistischer Parteiorgane unter anderem Werke von Thomas Mann, Erich Kästner, Sigmund Freud und Kurt Tucholsky ins Feuer werfen.

Mitte Mai schreibt Rudi Vitus an Jonas, er hege die vage Hoffnung, dass die Fuldaer Bischofskonferenz, die Vorgängerin der Deutschen Bischofskonferenz, klar zu den jüngsten Ereignissen Stellung bezieht, da die Bischöfe die „letzten Repräsentanten des Christentums“ seien. Vitus rekurriert in seinem Schreiben nicht nur auf die Bücherverbrennung, sondern stillschweigend auch auf die Notverordnung vom 28. Februar und das jede politische Freiheit abschaffende Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933. Diese Gesetze entzogen der katholischen Kirche in Deutschland allen bisherigen Rechtsschutz. Ein Konkordat wurde somit unausweichlich. Allerdings sollte der Ausgang der Bischofskonferenz enttäuschend sein, da die katholische Kirche ihre ächtende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus zurücknahm.

In den darauffolgenden Wochen ändert sich die politische Landschaft in Deutschland schlagartig. Für die Parteien, unter ihnen das katholisch geprägte Zentrum, sollte es keine Zukunft mehr geben. So wie die Gewerkschaften von den Nationalsozialisten bereits zerschlagen worden waren, war die Aufhebung der Parteien nur eine Frage der Zeit.

Nachdem am 20. Juli 1933 in Rom das Reichskonkordat zwischen dem Vatikan und dem Deutschen Reich unterzeichnet worden war, glaubten viele, der Heilige Stuhl habe „den politischen Katholizismus preisgegeben und die Hitler-Regierung international hoffähig gemacht.“148 Rudi Vitus schien es doch geahnt zu haben, als er Jonas gesteht: „Wir sind in eine chaotische Zeit hineingeboren.“149

Hans Jonas sieht die jüngsten Entwicklungen klar und sein Entschluss, seine Heimat zu verlassen, steht fest. Doch zu Heideggers Rektoratsrede am 27. Mai 1933 weilt er noch in Mönchengladbach. Heideggers Rede „Die Selbstbehauptung der deutschen Universität“150 interpretiert das studentische Dasein als Wehrdienst. Karl Löwith schreibt im Jahre 1940 hierzu, am Ende der Rede hätte man nicht mehr gewusst, ob man nun die Vorsokratiker lesen oder direkt mit der SA marschieren sollte.151

Nur wenige Wochen später, im Sommer 1933 trifft sich Jonas noch einmal mit Bultmann, um sich von ihm zu verabschieden. Zu einer weiteren Begegnung mit Heidegger kommt es vorerst und für lange Zeit nicht mehr.

Sein Cousin Gerald Jonas gibt ihm bei seiner Abreise einen Brief mit auf den Weg, den er erst „hinter Odenkirchen“ öffnen darf. Darin heißt es: „Wieviel Schönes, das wir gemeinsam erlebten. Ich glaube, wir sind gute Freunde geworden. Da du gehst, ist es mir, als ginge ein Bruder … Es ist so grausam.“152 Der Brief trägt das Datum vom 2. September. Durch die Vorgabe, er möge den Brief erst hinter dem wenige Kilometer entfernt gelegenen Odenkirchen öffnen, ist davon auszugehen, dass Gerald ihm den Brief mit auf den Weg gegeben hat, weshalb Jonas nicht, wie manches Mal kolportiert, bereits im August nach London gegangen sein kann, sondern erst im September.153 Zuvor war er nur zu einem kurzen Besuch in der britischen Hauptstadt.154

In London kommt er in der Pension von Annie Rosenblüth geb. Lesser, unter. Er leidet an einer Nesselsucht,155 zeigt sich jedoch zufrieden mit den Umständen und beginnt intensiv, Englisch zu lernen.156 Annie Rosenblüth war die erste Frau von Felix Rosenblüth alias Pinchas Rosen, dem ersten Justizminister des Staates Israel (1949-1961) und einer der Mitbegründer des zionistischen Wanderbundes Blau-Weiß. Die Pension liegt in Golders Green, 2 Turner Drive N.W. 11, eine idyllische Sackgasse, gelegen im Norden der Stadt direkt am Fuße von Hampstead Heath und umgeben von einem halben Dutzend Kirchen. In seiner Londoner Zeit kommt es zur persönlichen Begegnung mit Gershom Scholem und abermals auch mit Leo Strauss. Beide sollen, wie wir noch sehen werden, nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle für Jonas’ akademische Laufbahn spielen.

Im Winter 1933/34 reift in ihm dann der Plan, dauerhaft nach Palästina zu gehen. Er hat den Wunsch, an der Hebräischen Universität zu arbeiten und nimmt erneut Kontakt zu Gershom Scholem auf. Ihn und seinen Lehrer Bultmann bittet er um Gutachten zwecks einer Bewerbung in Jerusalem.157 Diesem Wunsch kommen beide nach. Doch die Gefälligkeit der Kollegen bleibt ohne Erfolg. In Jerusalem befürchtet man eine Themenkollision mit Buber, obwohl dieser noch gar nicht in Jerusalem ist und erst ab 1938 den Lehrstuhl für Sozialphilosophie an der Hebräischen Universität wahrnehmen wird.

Parallel zu seinen Kontaktversuchen nach Jerusalem erscheint 1934 der erste Teil zur Gnosis unter dem Titel „Gnosis und spätantiker Geist. Erster Teil: Die mythologische Gnosis“158 dank des Engagements Bultmanns und der finanziellen Unterstützung der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft159 in Göttingen. Seine Übersiedlung nach Palästina verschiebt er allerdings 1934 mehrmals. Stattdessen reist er in die Niederlande und abermals nach Paris, wo er sich mit Arendt und Anders trifft. Zudem reist er auch in die Schweiz, wo er mit seinen Eltern zusammenkommt.160 Aus Gladbach hört er nichts Gutes. Man fürchtet eine Verschlimmerung der politischen Lage und glaubt nicht mehr so recht an einen Sturz des Nazi-Regimes.161

Obwohl er sich geschworen hatte, erst wieder nach Deutschland zurückzukehren, wenn das Nazi-Regime besiegt ist, so deutet ein Brief von November 1934 doch daraufhin, dass er vor seiner Abreise nach Palästina 1935 nochmals zu Hause gewesen ist. Wohl nicht zuletzt aus Heimweh plant er einen Besuch. Ob es dazu tatsächlich gekommen ist, ist leider nicht übermittelt.162

An Pessach (April) 1935 geht er sodann über Marseille, Alexandria und Jaffa endgültig nach Jerusalem. Insgesamt kommen 1935 rund 62.000 Juden nach Palästina. Damals werden die deutschen Juden von den anderen Juden mit durchaus gemischten Gefühlen begrüßt. Wie Avi Primor in seiner Autobiografie berichtet, fragt man sie, ob sie aus Überzeugung oder aus Deutschland, mithin als Zionisten oder als Flüchtlinge nach Palästina kämen.163

Als Hans Jonas zunächst in Alexandria eintrifft, begegnet er seinem gleichaltrigen Freund Gerhard Nebel, mit dem er für einen Tag auch Kairo besucht.164 Nebel, ein stark durch Ernst Jünger beeinflusster Schriftsteller, war ein äußerst schwieriger Charakter, der mehrfach seine politischen Ansichten wechselte. Mit ihm überwirft sich Jonas 1959/60. Er war jedoch nicht der Einzige, der Nebel die Freundschaft kündigte. Viele von Nebels Freunden kamen mit dem wechselnden Temperament und den Umschwüngen seiner politischen Ansichten nicht klar.

In einem undatierten Brief, vermutlich aus dem Jahr 1960, resümiert Hans Jonas seine Einschätzung Nebel gegenüber wie folgt: „Unsere eintägige Unterhaltung nach 25 Jahren hat neben der Bestätigung des menschlich Verbindenden auch den trennenden Graben sichtbar gemacht, der sich zwischen uns aufgetan hat und den ich in langem Überdenken nicht überbrückbar fand … Selbstgericht und Bekenntnis vermißte ich beim Gusto der Reminiszenzen aus jüngster deutscher Vergangenheit: So sehr überwog Stolz auf die Heldentaten in unrechter Sache die Scham darüber, daß es eine unrechte Sache war und das Heldentum durch Untaten befleckt, daß immer wieder genießend-rühmende Epitheta (»der Russentöter« etc.) ins Gespräch blitzten, wo nicht nur die natürliche Scheu des Heldentums vor Prahlerei und gar des blutigen vor der Verkündung seiner Resultate, nicht nur die Zurückhaltung gegenüber dem Gesprächspartner, für den dies Heldentum im Dienste der feigen Ermordung der Seinen stand, sondern vor allem die eigene Gewissensproblematik gerade dieser Periode deutschen Kriegsheroismus sich Schweigen zur besonderen Pflicht machen sollte.“165

Nach dem kurzen Aufenthalt in Alexandria und Kairo wird Jonas in Jerusalem von dem neun Jahre jüngeren George Lichtheim (1912-1973) erwartet. Den etwas schwermütigen Freund, ein deutsch-britischer Journalist und Schriftsteller, der später auch Scholem ins Englische übersetzen sollte, hat Jonas in London kennengelernt. „Im Frühling, wenn alles grünt, grün auch ich“, so der stark vom Marxismus geprägte Lichtheim über sich selbst.166 Von Freunden und Kollegen wird Lichtheim wegen seiner pessimistischen und melancholischen Grundhaltung auch „poor George“ genannt. Er, der seinem Leben selbst ein Ende setzte, stammt aus einer ostpreußischen, großbürgerlichen und assimilierten jüdischen Familie. Sein Vater Richard war ein zionistischer Politiker und Nationalökonom.

Etwas mehr als ein halbes Jahr vor Jonas geht George Lichtheim nach Jerusalem,167 wo sich ihre in London begonnene Freundschaft fortsetzt. Lichtheim, zeitweise Sekretär des amerikanisch-jüdischen Zionisten Emanuel Neumann in Tel Aviv, ist von Jerusalem wenig angetan. Es sei eine „Beamtenstadt“, und von der Universität bekäme ein Außenstehender wenig mit.168 Mit der ihm eigenen Portion Humor berichtet Lichtheim, Scholem wohne ganz in der Nähe und versammle nachmittags eine Schar junger Mädchen um sich, die er in die Schwarze Magie einweihe. „Sonst ist alles wüst und leer und der Geist Krähwinkels schwebt über den Wassern.“169 Lichtheim wünscht sich, Jonas bliebe nicht allzu lange, um seinen „schönen zionistischen Kinderglauben“170 nicht einzubüßen. Denn was, so Lichtheim weiter, sei der Mensch schon ohne seine Lieblingsillusion?

Lichtheim fürchtet gar, Palästina schade Jonas mehr als dass er dem Land nützen werde. Geistige Tätigkeit, wie Jonas sie betreibe, sei ja ohnehin nur ein „Luxus der Natur, schon mit einem kleinen rötlichen Rand versehen“ wie ein faulender Fisch.171 Darauf lege hier niemand Wert, zumal die Realpolitik vor Ort ohnehin ganz andere Prioritäten setze, die langfristig keine atmosphärischen Besserungen erwarten lasse. Doch läse man von all dem nichts in den Zeitungen. Und schließlich fände sich in ganz Tel Aviv mit seinen rund 180.000 Einwohnern kein einziger, mit dem er sich wirklich unterhalten könne. Lichtheim schließt seinen 30-seitigen Brief mit dem Bedauern, dass er Jonas nichts Erfreuliches schreiben könne, doch läge das nur zum Teil an ihm. Der letzte Satz lautet: „Kommen Sie tot oder lebendig und bringen Sie Ihre gute Laune mit.“172

Lichtheims halb scherzhafte, halb ernstgemeinte Einlassungen halten Jonas nicht davon ab, wie geplant von der Insel ins Heilige Land überzusiedeln. Die noch junge Freundschaft mit Gershom Scholem kann er dort ebenfalls vertiefen. Zeitweise nimmt er auch Hebräisch-Unterricht bei Scholems zweiter Frau Fanja.173 Die innigste Beziehung aber hat er wohl zu dem Althistoriker Hans Lewy, ebenfalls Zionist und Schüler von Eduard Norden, Werner Jäger und Eduard Meyer sowie einer der Gründungsväter des Institute of Classical Studies an der Hebräischen Universität. Bei dem zwei Jahre älteren Lewy, den er wahrscheinlich in seiner Berliner Zeit in den Seminaren von Eduard Meyer kennengelernt hat, kommt Jonas zeitweilig unter.174 In der Jerusalemer Zeit gründen sie einen Debattierclub namens Pilegesch, zu dem auch Hans Jakob Polotsky, später noch George Lichtheim, Hans Sambursky und Gershom Scholem gehören.175

In seinem Nachlass findet sich eine wundervolle Beschreibung des Heiligen Landes, in das er nun endlich gekommen ist: „Das Land ist wunderbar, schwer und wunderbar, von einer herben, heroischen Schönheit, die die Bibel begreiflich macht … Karg und zugleich ungeheuer intensiv … Die Nächte von phantastischer, im Norden ungekannter Sternenpracht, funkelnd auf dem schwarzsamtenen Himmelsgrund, selbst mondlosen Nächten eine gewisse Helligkeit mitteilend. Der Vollmond aber … von leuchtender Weisse, die er über die reglose Welt ergiesst … Manchmal nächtelanges, gewaltig flammendes Wetterleuchten an den Horizonten. Die monatelange Wolkenlosigkeit, erst berauschend, hat dann etwas erschöpfendes an sich. Wolken aber sind hier niemals Nebelwolken, sondern geballte, trächtige Regen- und Gewitterwolken, die sich in ungeheuren Güssen entladen. Das ist wieder ein kosmisches Ereignis. So ist hier alles alternativ, unbedingt, es gibt keine Zwischendinge: Urlandschaft … Jerusalem … Vergegenständlichung jener geschilderten Urlandschaft.“176

In der „Urlandschaft“ von Jerusalem kommt er auch mit Hugo Bergman zusammen, der gerade seine Stelle als Leiter der Hebräischen Nationalbibliothek zugunsten einer Professur, verbunden mit der Präsidentschaft an der Hebräischen Universität, aufgegeben hat. Dass Jonas’ Versuch, dort zu reüssieren, zunächst scheitert, beunruhigt ihn anfangs nicht. Die Finanzierung seiner Studien und die Kosten für seinen Lebensunterhalt übernimmt weitestgehend das elterliche Haus. Sein Vater hatte ihm einen Freibrief für seine Interessen ausgestellt, da er selbst nie studieren konnte. Zudem betrug das Inlandsvermögen der Familie von Gustav Jonas 1936 rund 219.000 Reichsmark.177 Eine beträchtliche Summe, mit der Gustav Jonas problemlos seinen Sohn unterstützen konnte.

Ab April 1936 und dann nach den Plänen einer Dreiteilung Palästinas 1937 kommt es verstärkt zu arabischen Aufständen im palästinensischen Mandatsgebiet, insbesondere im von Arabern bewohnten Jaffa. Die Aufstände richten sich nicht zuletzt gegen das zionistische Siedlungsprogramm und den damit verbundenen Zuwachs der jüdischen Bevölkerung um deutlich mehr als das Doppelte in den 1930er Jahren.178 Hans Jonas ist aktiv in die Auseinandersetzung involviert. Teilweise kommt es zu terroristischen und guerillaartigen Aktivitäten arabischer Rebellen, die im Mai 1938 ihren vorläufigen Höhepunkt haben. Die Gewalt richtet sich nicht allein gegen die jüdische Bevölkerung, sondern auch gegen die britische Mandatsmacht,179 die die Aufstände 1938 niederschlägt und die Altstadt Jerusalems im Oktober zurückerobert. Hans Jonas wird Zeuge dieser Unruhen.

Nach der Niederschlagung kommt es bis ins Jahr 1939 hinein zu einzelnen weiteren Gewalttaten. Auch die Begegnung der Juden mit den Briten bleibt nicht ohne Auseinandersetzungen, da sich die britische Regierung von der Balfour-Deklaration distanziert hatte und der von ihr vorgeschlagenen Teilungslösung nun skeptisch gegenübersteht. Darüber hinaus geht sie gegen die illegale jüdische Einwanderung vor. Vor allem eine Gruppe namens Irgun Z’vai Le’umi, eine unter der Kommandantur des russischen Journalisten und revisionistischen Zionisten Vladimir Jabotinsky stehende militante Abspaltung der Hagana, gerät mit den Briten in Konflikt.180 Den Kern der Irgun bilden Juden aus Polen, die schon früher unter Jabotinsky in einer zionistischen Jugendorganisation (Betar) versammelt gewesen waren.181

Internationale Aufmerksamkeit aber erlangt vor allem der Konflikt zwischen Juden und Arabern, der immer wieder entflammt und bis heute politisch ungelöst ist. Die Briten machen infolge der heftigen Auseinandersetzungen der 1930er Jahre einige Zugeständnisse an die arabische Bevölkerung. So heißt es, es sei nicht Aufgabe der Briten, aus Palästina einen jüdischen Staat zu machen.182

Hans Jonas, der 1938, an seinem 35. Geburtstag, die „palästinensische Staatsbürgerschaft“ annimmt und die deutsche verliert,183 ist (wie auch der spätere israelische Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Simon Peres) bis 1939 in der jüdischen Miliz Hagana aktiv. Die Hagana kämpft gegen die Aufständischen und für die Sicherung jüdischer Siedlungen. Daneben nimmt Jonas Lehraufträge an der Hebräischen Universität wahr. Doch das Hebräische kostet ihn trotz des Unterrichts bei Fanja Scholem und Moshe Elijahu Jernensky, Mitarbeiter der Encyclopedia Judaica,184 Kraft und Mühe. Die Vorbereitungen für die Vorlesungen auf Hebräisch dauern wesentlich länger als gewohnt.

Zu Beginn der Unruhen in Jerusalem, an Pessach 1936, kommt es auch zum letzten Treffen mit den Eltern. Gustav und Rosa Jonas sind für rund drei Wochen zu Besuch. Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, dass sich die Familie in dieser Konstellation das letzte Mal sieht. Bald darauf verschlechtert sich der Gesundheitszustand des Vaters rapide,185 dennoch besucht Gustav Jonas weiterhin täglich seine Fabrik. Doch weder er noch Rosa lernen Jonas’ spätere Frau Lore Weiner186 kennen. Mit ihr macht Jonas Anfang 1937 die Bekanntschaft. Sie stammt gebürtig aus Karlsruhe und wuchs in Regensburg auf, ehe sie genau wie Hans Jonas 1933 kurz vor ihrem Abitur mit ihren Eltern nach Palästina flieht. Denn die Situation in Deutschland ist unerträglich geworden. Was Lore unauslöschlich im Gedächtnis bleibt, ist die Abkehr ihrer einstigen Freunde in dieser Zeit. Sie fühlt sich inzwischen geächtet. Menschen, mit denen sie zuvor sorglos kommuniziert hat, wechseln plötzlich die Straßenseite, um nicht grüßen zu müssen. Ihre beste Freundin versetzt sie. Dazu schreibt sie: „Was damals in mir vorging, hat für viele Jahre mein Verhältnis zu den Menschen bestimmt.“187

Der Vater ist Rechtsanwalt, die Mutter eine promovierte Ökonomin, doch beide können ihre Berufe in Palästina nicht ausüben. Für Lore ist die Bekanntschaft mit Hans Jonas ein Glücksfall: „Ich kann nur sagen“, erinnert sie sich später, „dass ich vom ersten Moment von ihm entzückt war, und dass das sehr lange angehalten hat, weil er erstens eine wunderbare Sprache hatte und weil mir schien, dass er auf gewisse Fragen, die ich als junges, verstörtes Mädchen hatte, Antworten haben könnte.“188 Diese Verzückung beruht nicht von Anfang an auf Gegenseitigkeit. Hans Jonas braucht eine Weile, ehe er sich auf Lore einlassen kann. Und schon im Herbst 1937 geht er für einige Zeit nach Rhodos (damals unter italienischer Herrschaft), um die Arbeit am zweiten Teil des Gnosis-Werkes fortzusetzen. Die Familie ist froh, dass er dem „Hexenkessel“ (Georg) Jerusalem eine Zeit lang entflohen ist. Die Mutter, Rosa, kümmert sich derweil aufopferungsvoll um den todkranken Vater189 und merkt zunächst nicht, dass ihr Herz unter den Strapazen arg leidet.

Auf Rhodos entsteht das für sein Werk zentrale Origines-Kapitel. Doch mit Plotin kommt er nicht wirklich voran, auch wenn er Vorlesungen zu seiner Philosophie in Jerusalem hält.190 Im April 1937 lässt der Verlag anfragen, wie es denn nun mit dem zweiten Band stünde.191 Noch scheint Jonas guter Dinge, das Buch bald fertigstellen zu können, wie er in einer undatierten Antwort versichert,192 doch die Niederschrift des Plotin-Kapitels wird er erst nach dem Krieg in Angriff nehmen können.

Das Origines-Kapitel widmet Jonas seinem Mentor Gershom Scholem.193 In diese Zeit, Ende 1937, fällt auch ein für Hans Jonas’ Spätwerk ganz zentraler Eingriff von Scholem in das Denken des Gnosis-Forschers Jonas. Scholem bringt ihm den Kabbala-Begriff Zimzum nahe mit dem Hinweis auf den Sabbatianismus. Jonas wird sich daran in mehreren Schriften, zuletzt in seiner 1984 gehaltenen Rede über den Gottesbegriff nach Auschwitz wiedererinnern.194


Abb. 7: Hans und Lore Jonas, Ende der 1930er Jahre, © Privatsammlung Hans und Eleonore Jonas.

Zunächst jedoch erfährt er im Januar 1938, noch auf Rhodos weilend, vom Tod des Vaters. Wenig später, als er bereits wieder in Jerusalem ist, stirbt auch sein Lehrer Edmund Husserl. Im Frühjahr 1938 hält er an der Universität Jerusalem auf Vorschlag von Hugo Bergman einen Radiovortrag anlässlich Husserls Tod.195 Der Titel seiner Ausführungen: „Husserl und die ontologische Frage.“196 Husserl, so Jonas, stelle aufs Neue die Frage nach dem Verhältnis von Denken und Sein und reihe sich damit ein in die lange Tradition großer Philosophen, sein persönlicher ethischer Grund der Philosophie sei jedoch davon losgelöst: „die Idee der absoluten Selbstverantwortung.“197 Es komme darin „ein elementarer Impuls jüdisch-christlicher Herkunft“ zum Vorschein: „Daß sich jedes Leben im Absoluten zu verantworten habe, Rechenschaft von sich zu geben hat.“198

Im Juni 1938 schreibt Jonas aus dem Kibbuz Mishmar haEmek (Das Tal) in der Jesreelebene, das die britische Armee auch als Ausbildungslager der Hagana genutzt hat, an Scholem: „Ich begann meine Vorbereitung, als Bergmann mir die Einladung zu einer Gedenkvorlesung über Husserl an der Universität mitteilte, damit, daß ich im Zeitraum von 10 Tagen noch einmal sämtliche Werke Husserls durchlas. Dann machte u. verwarf ich mehrere Entwürfe, tippte schließlich einen deutschen Text, der mit keinem von diesen etwas zu tun hatte u. schwitzte eine Woche lang mit Jernensky an der hebr. Ausarbeitung. (Der Radiovortrag, der wieder eine Sache für sich war, ging noch nebenher.) Das Resultat wurde dann über meine Erwartungen gut, soweit sich sowas am unmittelbaren Vortragserfolg ablesen läßt, u. hat mir anscheinend einige Steine im hiesigen Brettspiel verschafft, die ich gut gebrauchen kann. Weiteren Auswirkungen sehe ich entgegen, mit hinreichender Klarheit über die Grenzen des vernünftigerweise Erwartbaren.“199

Seine Hoffnungen aber werden enttäuscht. Außer den Lehraufträgen – wie etwa im Wintersemester 1938/39 zu Plotin200 – sind keine Perspektiven im Universitätsbetrieb zu erblicken: Die Steine im Jerusalemer Brettspiel scheinen unverrückbar. Statt des akademischen Angebots erreicht ihn im November 1938 vielmehr die Nachricht von der Festnahme seines Bruders Georg durch die Nazis. Er ist ein Opfer der Reichspogromnacht geworden und verbringt eine knappe Woche unter unwürdigen Zuständen im Mönchengladbacher Polizeigefängnis, wird dann ins Konzentrationslager Dachau deportiert und unter dem Vorbehalt, sofort aus Deutschland auszuwandern, am 15. Dezember wieder entlassen.201 Georg hat Glück im Unglück. Die Dezembertemperaturen sind extrem frostig. Gefangene haben ungeheure Leiden zu ertragen, müssen auf dem kalten Boden schlafen und im Freien arbeiten, zeitweise dürfen sie sich nicht einmal waschen. Viele erleiden Erfrierungen und dauerhaft körperliche Schäden.

Um Georgs Auswanderung zu ermöglichen, überträgt ihm die Mutter ihr Visum für Palästina. Das Bemühen von Hans Jonas, für seine Mutter ein neues Visum zu besorgen, scheitert an der britischen Mandatsregierung in Palästina, die die Zuwanderung von Juden auf Grund der Araber-Unruhen begrenzen wollen, sodass sie am 26. Oktober 1941 nach Litzmannstadt (Lodz) und später nach Auschwitz deportiert wird,202 wo die Nazis sie 1942 schließlich ermorden. Rudi Vitus wird später berichten, dass auch er beinahe „ein Opfer der braunen Bestie geworden“ wäre, und sein Bruder Willi habe „drei Monate im KZ zugebracht, weil er an den Juden ein gutes Haar gelassen“203 habe.

Im Jahre 1939 wird die Familie Jonas durch die äußeren Umstände während der nationalsozialistischen Diktatur gezwungen, ihre Villa in der Mozartstraße zu verkaufen. Am 12. August schreibt Rosa Jonas an ihren Sohn, sie rechne damit, dass ihr ca. 45.000 Mark übrig blieben.204 Die Auflösung der Firma bringt gerade einmal 80.000 Reichsmark ein. Den Hausrat und den Schmuck übergibt sie einer Spedition, die nach dem Krieg nicht mehr ausfindig zu machen ist. Ihr Hab und Gut geht verloren. Inzwischen ist auch der Garten verwüstet, die Bäume gefällt, Nüsse und Birnenernte fallen aus.205 In einem Brief wenige Tage nach dem Verkauf der Villa schildert sein Onkel Alfred die furchtbare Lage vor Ort, macht ihm jedoch persönlich Mut für den weiteren Weg: „Es freut mich sehr, … daß du gut vorankommst, du wirst sicher einer gesicherten Zukunft entgegengehen.“206

Wenige Zeit später, genau zwei Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, berichtet Rosa Jonas ihrem Sohn Hans sodann, es sei ihr möglich, mit einem Billet für sechs Monate nach Palästina zu kommen, doch habe ihr der Reiseberater abgeraten, da das Ticket nicht verlängert werden kann und nach Ablauf der Frist verfalle. „Ebenso“ heißt es weiter, „sei es furchtbar schwer, wie man mir versichert, einen vorübergehenden Aufenthalt nach Belgien zu erlangen. Natürlich versuche ich alles …“207 Noch im April 1940 spricht sein Bruder Georg die Hoffnung aus, dass sie alle bald wieder vereint sein mögen.208 Doch es hilft nicht. Sein Krefelder Onkel Leo (Horowitz), der nach Santiago de Chile gegangen ist, bringt es auf den Punkt, wenn er sich bei seinem Neffen beklagt: „Es ist ein Jammer, wie man so in alle Welt zerstreut ist.“209 Noch im Jahre 1959 beklagt Gerald Jonas nach einem Besuch von Hans, sie seien „die Ueberreste einer einstmals vielköpfigen Familie die eng zusammengehalten hat.“210

Hans Jonas selbst will mithelfen, der Barbarei des Nationalsozialismus ein schnelles Ende zu bereiten. Schon kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, am 6. Oktober 1939, stellt er in Jerusalem seinen Aufruf „Unsere Teilnahme an diesem Krieg. Ein Wort an jüdische Männer“ vor. In der Wohnung von Gustav Krojanker211 sind u.a. Gershom Scholem, Georg Landauer und Robert Weltsch anwesend. Der Aufruf findet allgemeine Akzeptanz, bleibt jedoch ohne große Wirkung. In dem Papier heißt es: „Dies ist nicht der erste Krieg der Neuzeit, in dem Juden mitkämpfen. Aber es ist der erste, in dem das jüdische Volk als solches mitkämpft. Der Unterschied ist klar: Seit der Emancipation haben Söhne unseres Volkes auf allen Seiten gefochten. Noch nie aber in unserer Galuthgeschichte überhaupt hat das jüdische Volk in einem Kriege der Völker durch seine Söhne als Ganzes auf einer Seite und für seine eigenste Sache kämpfen können. Darum ist dies für uns ein »bellum Judaicum« in des Wortes tiefster Bedeutung … ein Krieg unserer Rettung aus der jüdischen Katastrophe.“212

Jonas interpretiert den Krieg als neue Stufe des Ersten Weltkriegs.213 Die Tragik bestehe insbesondere in dem zu spät gekommenen Nationalismus Deutschlands. Eine Änderung der bestehenden Machtkonsolidierung sei nur durch eine „Sprengung des ganzen europ. Systems“214 herbeizuführen. Sei es im 19. Jahrhundert noch um die koloniale Beherrschung dritter Gebiete gegangen, so habe sich dies im 20. Jahrhundert zur kolonialen Beherrschung Europas ausgeweitet, weshalb der Krieg zwangsläufig ein „totaler Krieg“215 sein müsse. Seine Antwort darauf: „Erneuerung der alten Werte.“216

Eine Erneuerung der alten Werte nähme nicht zuletzt auch Bezug auf die Propheten, für die Jahwe der einzige Gott und eben nicht ein Gott neben anderen ist. Diese Idee der Propheten verändert nämlich, so der Philosoph Michael Bongardt, die Geschichte des Krieges.217 Denn der Krieg wird zu einer Strafe für die Tatsache, dass Israel Jahwe nicht treu war. Gott straft Israel nun durch den Sieg anderer Völker über Israel. Ein Krieg gegen Israel kommt somit einer Erziehungsmaßnahme gleich. Gott nutzt Kriege, um sein Königreich durchzusetzen. Bongardt spricht von einem historischen Grundgesetz. Das entscheidende Moment hierbei: Es gibt keinen biblischen Pazifismus und Frieden ist nicht durch Kriegslosigkeit erreichbar.

Auch für die Propheten besteht der Grund für Kriege in der menschlichen Bosheit. Jonas folgert aus diesen beiden Aspekten, der Mensch dürfe Kriege führen, um sich gegen Unrecht zu verteidigen. Die Notwendigkeit der Kriegslosigkeit ist nichtsdestoweniger im Antlitz einer so weit fortgeschrittenen (Kriegs-)Technologie exponentiell gewachsen.218

An den General Officer Commanding, H.M. Forces, schreibt er wenige Tage nach Kriegsausbruch, angesichts der Tatsache, dass das Empire sich nun im Krieg gegen Nazi-Deutschland befinde und gemäß der Worte des Premierministers so lange kämpfe bis Hitler besiegt sei, sei er selbst als Palästinenser und ehemaliger Deutscher geradezu begierig, zu den Waffen zu greifen und als Soldat an der Westfront gegen die Feinde seines Volkes zu kämpfen. Sodann möchte er noch wissen, bei wem er sich für militärisches Training anwerben lassen könne.219 Bereits nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich im Mai 1940 wollte Jonas als Soldat der Hexagone dienen, um gegen die Deutschen zu kämpfen. Hintergrund seines Ansinnens war, dass zu Beginn des Jahres 1940 das britische Kabinett den Eintritt von Juden in die britische Armee gebilligt hatte und Jonas wohl davon ausging, dies gelte auch für die französische Armee.

Hans Jonas

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