Читать книгу SOULAC SUR MER - Tod eines Kommissars - Jürgen Nottebaum - Страница 6
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ОглавлениеAm Donnerstagmorgen war Klara mit Mike, dem ältesten Sohn, in den Wagen gestiegen um Lena an den Strand von Soulac sur Mer zu bringen. Anschließend wollten sie nach Le Verdon auf den Markt. Sie hatte beim letzten Besuch dort vor einer Woche eine Tischdecke entdeckt, die sie jetzt kaufen wollte. Außerdem wollte Klara noch eine weitere rosafarbene Haarspange besorgen. Ihr waren Lylis neidische Blicke in Richtung Lena nicht entgangen.
Alwin hatte – wie immer knurrend – zugestimmt. Diesmal war seine Brummigkeit noch stärker gewesen. Klara musste insgeheim schmunzeln. Es war nicht nur die alltägliche Standardbrummigkeit, die ihr Mann an den Tag legte, sondern der war vom Vorabend noch deutlich angeschlagen, weshalb er auch nicht so richtig motiviert gewesen war, seine Tochter zum Training nach Soulac zu fahren. Alwin und sie hatten am Vortag mittags zufällig im Spülhaus eine neue Bekanntschaft geschlossen und diese noch am gleichen Abend vertieft.
Am Vorabend war Alwin mit dem Geschirr der ganzen Familie zum Spülen vorausgegangen, Klara wollte folgen. Im Spülhaus angekommen, musste Alwin beim Ausräumen des Geschirrkorbes feststellen, dass er sowohl Spülmittel als auch Geschirrtuch am Klappi, wie er seinen Wohnwagen zu nennen pflegte, vergessen hatte. Deshalb hatte er sich vom Spülbecken umgedreht und durch die Öffnungen des hölzernen Spaliergitters in Richtung seines Stellplatzes hinübergerufen: „Klara! Ich brauche Spülmittel und Spültuch!“
Alwin hat bei normaler Unterhaltung schon eine durchaus tragende Stimme. Wenn er sie aber erhebt, dann wird es sehr laut. Ein Umstand, der ihm beim Training seiner Fußballjugendmannschaften durchaus zum Vorteil gereicht, hier jedoch bei den Mitspülern im überdachten Raum für heftiges Zusammenzucken sorgte. Nur seine Spülnachbarin sagte milde:
„Dann bedien dich. Brauchst doch gar nicht so laut brüllen, wenn ich direkt neben dir stehe.“
Damit drückte sie ihm grinsend eine Flasche Spülmittel in die linke Hand, ergriff und schüttelte energisch seine rechte Hand und sagte:
„Gestatten, auch Klara. Aber die von David. Und aus Herbede.“ Sie kicherte. „ Wir sind auch so was wie Stammgäste hier. Schön, dass wir uns jetzt direkt kennenlernen.“
Alwin zuckte zusammen. Leicht verlegen erwiderte er:
„Alwin, aus Saarburg, mit auch Klara“, er verhaspelte sich. „Äh, ich meine, auch mit Klara und Mike, Phil, Lena und Lily, seit Jahren hier. Im Klappi auf dem Stellplatz 89.“
„Ich weiß“, meinte seine Nachbarin. „Ach ja“, fuhr sie fort, „ und ich bin hier mit David“, dabei wies sie mit dem Daumen auf den neben ihr stehenden schlanken, fröhlich schmunzelnden Mann, „und mit Kathie und Benoît. Wir sind auf Stellplatz 16. Wo Saarburg liegt, weiß ich.“
„Und ich weiß, wo Herbede liegt. Vorausgesetzt, es ist der Ort, wo der berühmte Herbeder Tropfen herkommt.“, setzte Alwin das Gespräch fort. „Den habe ich zwar noch nie getrunken, aber schon manches darüber gehört. Der soll gut schmecken.“
Inzwischen war seine Klara auch eingetroffen, mit Spülmittel und reichlich Geschirrtüchern. David schaltete sich in das Gespräch ein:
„Genau! Herbede ist der Ursprungsort des Herbeder Tropfens. Da kommen wir her. Und da wir sehr heimatverbunden sind“, er grinste schelmisch, „haben wir immer einen Vorrat vom Tröpfchen an Bord. Ich schlage vor, wir probieren den mal heute Abend bei uns aus. Wenn ihr damit einverstanden seid. Ich schlage vor 20.00 Uhr?“ Fragend blickte er nacheinander seine Klara, dann Alwins Klara und Alwin selbst an. Allgemeines Kopfnicken und Alwins Anmerkung, er werde einen angemessenen Vorrat an Chips mitbringen, besiegelten die Verabredung.
Und so war es am Vorabend zu einer ausgiebigen Verkostung des Herbeder Tropfens gekommen, bei der die Herbeder Vorräte bedrohlich geschrumpft waren, wie David am folgenden Morgen leicht betrübt und stark verkatert beim Aufräumen festgestellt hatte. Und auch bei Alwin waren Nachwirkungen nicht ausgeblieben. So war es dazu gekommen, dass an diesem Morgen Sohn Mike den Fahrdienst für Lena und Klara übernehmen durfte. Sie waren nun auf dem Rückweg von Le Verdon, wo Klara erfolgreich Tischdecke und Spange erworben hatte. Daneben war noch einiges an frischem Gemüse in ihren Korb gewandert. Sie hatte nicht widerstehen können. Auf dem Markt gab es mehrere kleine Stände, manche nur so groß wie ein Küchentisch, auf denen die Einheimischen in bescheidenen Mengen ihr selbst gezogenes Gemüse aus dem heimischen Garten anboten. Das war nun garantiert einwandfreier biologischer Anbau. Alwin würde das auch so gesehen haben, dachte Klara bei sich.
Mittlerweile waren sie von der RN 1215 auf die Route de Lilhan abgebogen. Klara registrierte hochzufrieden, dass Mike den Familienvan souverän beherrschte und umsichtig die Geschwindigkeit den holperigen Fahrbahnverhältnissen dieser kleinen Nebenstraße angepasst hatte. Erst als sie die lange Gerade in Richtung auf die Route des Lacs erreichten, beschleunigte Mike wieder, musste aber nach wenigen hundert Metern plötzlich scharf abbremsen, weil ein entgegenkommender Lieferwagen ohne zu blinken direkt vor ihm nach links in eine Grundstückseinfahrt abbog. Auch diese Situation meisterte der junge Fahrer deutlich unaufgeregter als seine Mutter, die sich vor Schreck an das Armaturenbrett geklammert hatte. Fast schon lässig gab er, während er wieder beschleunigte, seinen Kommentar ab:
„Gekonnt ist gekonnt.“
Unklar war, ob er dabei sich selbst und seine Reaktion meinte oder ironisch die Fahrweise des anderen Fahrers kommentierte.
„Hätte mich auch gewundert, wenn der Wagen geblinkt hätte. Bei der alten Karre war nicht mal zu erkennen, ob der schon Blinklichter oder noch die alten Winker hat. Da müssen wir Alwin fragen, der kennt sich ja mit Oldtimern aus. Das Schätzchen von gerade ist übrigens ein Citroen ‚HY‘, so eine Karre, von der Papa immer schwärmt, weil er die restaurieren und als Wohnmobil wieder auf die Straße bringen möchte. Wenn wir dem zeigen, wo der Wagen zu finden ist, wird er garantiert das Ding unter die Lupe nehmen. Kannst ihn ja mal drauf ansetzen“, lachte er mit Blick rüber zu seiner Mutter. „Papa hat bald Geburtstag. Das wär doch mal was.“
Klara erinnerte sich mit Schaudern an die Restaurierungsorgien, die ihr Mann in den letzten Jahren zu Hause in der Scheune gefeiert hatte. Sie hatte allerdings immer zugeben müssen, dass am Ende eines jeden Projektes ein Ergebnis herausgekommen war, das sich hatte sehen lassen können. Und die meisten waren dann auch noch gewinnbringend in andere Hände gegangen.
Auf dem Campingplatz angekommen, freute Lily sich über ihre Spange, und auch Alwin fanden sie in versöhnlicher Stimmung: er auf einem Klappstuhl im Schatten einer mächtigen Pinie. Auf dem Kopf hatte er ein triefnasses Handtuch.
„Dess iss zur Kühlung. Hier iss wieder ei Sauhitz.“
Klara nahm seine Erklärung schmunzelnd zur Kenntnis. Sie wusste aus Erfahrung, dass Alwin einen Kater gerne verleugnete. Dieser hier schien besonders arg zu sein. Normalerweise, bei leichteren Fällen, pflegte er einen Kater mit den Worten zu kommentieren:
„Eines der 15 Gläschen vom Vorabend muss wohl schlecht gewesen sein.“
Sie ging nicht darauf ein, sondern erzählte von ihrem erfolgreichen Einkauf. Die Episode mit dem Lieferwagen erwähnte sie gar nicht.