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III.

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‚Eigentlich hört sich Beratertätigkeit für einen internationalen Aviation Airport doch gar nicht schlecht an‘, dachte ich, als ich meinen Kia auf den nahezu leeren Parkplatz neben dem Flughafengebäude parkte. Es war vermutlich noch zu früh für die Hektik des internationalen Reiseverkehrs, doch das würde sich bestimmt im Laufe des Tages ändern. Dann bekämen wir Sicherheitsleute alle Hände voll zu tun.

In der Ankunftshalle herrschte gähnende Leere, lediglich eine Angestellte hinter dem Abflugschalter blickte gelangweilt auf, als Bingo und ich durch die Tür traten. Ein Sicherheitsmann in dezenter Phantasieuniform tat so, als würde er uns nicht beobachten, glotzte sich aber fast die Augen aus dem Kopf, um uns auch ja im Blick zu behalten.

Ich kramte meinen Zettel hervor und ging zielstrebig auf den Abflugschalter zu.

„Guten Morgen“, grüßte die junge Dame, die mich zuvor gelangweilt angeschaut hatte und mir nun ein strahlendes Lächeln zeigte. „Was kann ich für sie tun?“

„Guten Morgen. Mein Name ist Jonathan Lärpers, ich habe einen Termin mit Frau Rouyer. Können sie mir sagen, wo ich ihr Büro finde?“

Die junge Frau nickte und wies auf einen kleinen Gang. „Gehen sie dort lang. Sie können das Büro nicht verfehlen, der Name unserer Sicherheitschefin steht an der Tür.“

Ich wollte gerade in den Gang treten, als der Security-Mitarbeiter mich ansprach. „Hallo, sie. Wo wollen sie hin? Haben sie das Schild dort nicht gelesen, der Bereich ist nur dem Personal zugänglich.“

Ich drehte mich um und bemerkte, dass der Mann die Pistolentasche an seiner Hüfte geöffnet hatte und seine Hand dicht darüber schwebte. Irgendwie kam ich mir vor wie im Wilden Westen. Ich hob beide Hände. „Keine Sorge“, beruhigte ich ihn. „Mein Name ist Jonathan Lärpers, ich habe einen Termin bei Claire Rouyer.“

„Dann können sie mir doch bestimmt auch ihren Ausweis zeigen.“

Ich sah auf meine Uhr. Wenn das hier noch lange dauerte, würde ich zu meinem Termin zu spät kommen. „Kommen sie, junger Mann“, versuchte ich die umständliche Kontrolle zu umgehen. Sie können mich doch zu Frau Rouyer begleiten. Ich habe jetzt keine Zeit, für irgendwelchen Schnickschnack.“ Ich wandte mich um und wollte den Gang bis zu dem Büro der Sicherheitschefin entlanggehen, doch der Sicherheitsmitarbeiter rief mich scharf an.

„Stehenbleiben! Entweder zeigen sie mir jetzt ihren Ausweis oder ich muss sie festnehmen.“

Ich drehte mich erneut um und lächelte ihn an. „Was soll das? Kommen sie doch einfach mit, dann sparen wir uns die Zeit.“

„Nichts da“, grunzte er, „ich darf meinen Posten nicht verlassen. Sie kommen jetzt sofort in die Halle zurück und zeigen mir ihren Ausweis.“

Ich blickte erneut auf meine Uhr und musste an den Ausdruck in Bernds Augen denken. Mir blieb nicht mehr viel Zeit und wenn der Kerl mich jetzt hier aufhielt, kam ich auf jeden Fall zu spät. Drei Minuten noch.

Meine Gedanken rasten. ‚Sei pünktlich‘, hatte mein Freund und Chef gesagt und offengelassen, was geschah, wenn dies nicht der Fall war. Ich musste handeln und das sofort!

Ich befahl dem Malinois, sich hinzusetzen und ging achselzuckend auf den Wachmann zu. Der grinste zufrieden, dass er nun doch noch die Oberhand behielt. „Sie hätten mich zu Claire Rouyer begleiten sollen“, murmelte ich, als ich kurz vor ihm stand. „Dann wäre alles einfacher gewesen.“

Zehn Sekunden später lag der Mann mit auf dem Rücken gefesselten Händen am Boden. Er wollte um Hilfe schreien, doch ich hob den Zeigefinger und schob meine Jacke zur Seite, so dass er meine Waffe sehen konnte. „Keinen Ton, mein Freund, sonst muss ich sie erschießen!“

Als er ängstlich nickte, zog ich ihn auf die Beine. „Sehen sie, jetzt gehen wir doch zusammen zu deiner Chefin“, grinste ich und schob ihn vor mir her. Bingo sah mich fragend an. Als ich nickte, folgte er mir und zog die Leine hinter sich her.

Ich klopfte an die Bürotür, bekam aber kein ‚Herein‘ zu hören. Den Wachmann hatte ich mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Ich würde ihn wieder freilassen, sobald ich in das Büro ging.

Doch auch auf erneutes Klopfen, reagierte niemand. Ich sah mich um, dann drückte ich die Klinke herunter. Nichts. Die Tür war verschlossen. Verdutzt sah ich den Mann an der Wand an. „Ist Frau Rouyer nicht im Haus?“ Ich sah auf meine Uhr. „Wir hatten vor einer Minute einen Termin ...“

Der Security-Mann sah stur geradeaus, sagte aber nichts. Meine Aktion hatte ihn wohl bei seinem Stolz getroffen, doch das war mir egal. Um pünktlich zu sein, ging ich auch über Leichen.

Doch was nützte mir das jetzt? Diese Claire Rouyer befand sich offensichtlich nicht in ihrem Büro. Was sollte ich machen? Ließ ich den Wachmann jetzt frei, dann würde der Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um mich festzunehmen und vielleicht sogar noch die Polizei rufen. Ich entschied, dass wir einfach hier auf Frau Rouyer warten würden.

Fünfzehn Minuten später - der Mann sprach immer noch nicht mit mir, obwohl ich ständig versuchte, ein Gespräch mit ihm zu beginnen, sah ich eine korpulente, dunkelhäutige Frau mit weiß gefärbten Haaren durch den Gang auf uns zu schlurfen. Sie trug in der einen Hand einen Kaffeebecher und in der anderen eine Brötchentüte. Ich hoffte, dass es sich um die Putzfrau handelte, die mir vielleicht etwas über den Verbleib der Sicherheitschefin sagen konnte.

Doch bevor ich die Frau ansprechen konnte, baute sie sich vor mir auf, blickte den Sicherheitsmann an und meinte mit schriller Stimme: „Wer verdammt ist das denn hier? Wen haben sie mir da angeschleppt und wieso haben sie ihren Posten verlassen? Sie dürfen ihren Posten auf keinen Fall verlassen, das wissen sie doch!“

Die Frau bemerkte zum Glück nicht, dass die Hände des Security-Mitarbeiters auf seinem Rücken gefesselt waren, nahm Becher und Tüte in eine Hand, wobei sie etwas Kaffee verschüttete, und schloss die Bürotür auf. Dann warf sie noch einen Blick auf den Wachmann und schüttelte den Kopf. „Also, was ist? Hat der Kerl hier was ausgefressen, oder wieso bringen sie ihn zu mir?“

Der Wachmann stotterte etwas, das nicht zu verstehen war, und während die Dunkelhäutige in dem Büro verschwand, löste ich seine Fesseln.

„Nun bringen sie das Früchtchen schon rein“, donnerte die Dicke und ich betrat den Raum, gefolgt von Bingo und dem Wachmann.

Jetzt, da die Fesseln gelöst waren und er hinter mir in dem Büro stand, schien der Sicherheitsmitarbeiter sein Selbstbewusstsein wiedergefunden zu haben. Ich hörte, wie er seine Waffe aus dem Holster zog. „Der Mann ist bewaffnet“, gab er mit zittriger Stimme von sich und ich spürte, dass seine Waffe auf mich gerichtet war.

„Verdammt“, knurrte ich. „Stecken sie sofort die Pistole weg. Es besteht kein Grund, jetzt Panik zu machen!“

„Hände hoch“, befahl er und seine Stimme sagte mir, dass der Mann mehr Angst, als Vaterlandsliebe hatte. Vielleicht sollte die Security-Firma ihre Leute bei Bernd im Krav Maga Studio ausbilden lassen, dann würde so etwas wie hier nicht vorkommen.

„Stecken sie die Waffe weg“, wiederholte ich. „Sonst ...“

Doch zu einer Erklärung dieses ‚Sonst‘ kam ich nicht mehr, denn Bingo sprang den Mann an, schlug seine Zähne in dessen Arm und die Pistole flog in hohem Bogen auf den Boden. Die dicke Dunkelhäutige mit den weißen Haaren sah mit großen Augen zu, sagte aber nichts und regte sich auch nicht.

Ich verdrehte die Augen. Natürlich konnte Bingo es nicht zulassen, dass sein Herrchen mit einer Waffe bedroht wurde. Ich drehte mich zu dem Wachmann, der mit Tränen in den Augen seinen Arm hielt und leise vor sich hin jammerte. „Entschuldigen sie, aber bedrohen sie mich bitte niemals mit einer Waffe“, riet ich ihm und sah mir den Arm an. Bingo hatte nicht wirklich zugebissen und ich fand lediglich einige kleine Kratzspuren auf der Haut. „Seien sie froh, dass der Hund nicht richtig zugebissen hat. Dann sähe der Arm jetzt anders aus.“ Ich bückte mich nach seiner Waffe, während der Malinois den Wachmann in Schach hielt. Doch der würde ohnehin nicht mehr auf dumme Gedanken kommen.

Ich überprüfte die Pistole, eine Walther P22, die hervorragend gewartet war. Allerdings befand sich im Magazin keine einzige Patrone und auch die Kammer war leer. Ich gab dem Mann die Waffe zurück und schüttelte den Kopf. „Was wollen sie denn damit erreichen? Eine ungeladene Pistole dürfte ziemlich nutzlos sein, wenn es hart auf hart kommt. Sollte ihr Gegner bewaffnet sein, dann wird er sie ohne zu zögern erschießen. Mein Tipp: Entweder die Waffe geladen und einsatzbereit oder lieber gar keine. Denken sie mal drüber nach!“

Der Security-Mann sah die Weißhaarige fragend an, doch die zuckte lediglich mit den Schultern. „Gehen sie wieder an ihre Arbeit“, meinte sie dann mit ihrer schrillen Stimme, die keine Widerworte zuließ. „Und tauschen sie die Pistole gegen einen Schlagstock oder so etwas.“

„Taser“, schlug ich vor. „Und als Ergänzung vielleicht ein kleiner Schlagstock. Allerdings sollten sie mit den Waffen dann auch umgehen können. Und träufeln sie etwas Jod auf ihre Wunden, damit sich die Kratzer nicht entzünden.“

Der Mann nickte, steckte die Waffe wieder ein und sah seine Chefin noch einmal kurz an, bevor er das Büro verließ. Ich wandte mich dem Schreibtisch zu und hielt der Dunkelhäutigen die Hand hin. „Jonathan Lärpers“, stellte ich mich vor. „Wir haben einen Termin.“

Die Frau erhob sich halb und schüttelte meine Hand. „Claire Rouyer. Ich bin hier die Sicherheitschefin.“ Ihre Stimme klang eine Nuance weniger schrill und in ihrem Pfannkuchengesicht machte sich ein Lächeln breit. „Sie müssen schon entschuldigen, aber unsere Mitarbeiter sind unter Umständen etwas ... voreilig. Sind sie wirklich bewaffnet?“

Ich nickte und zog meine Jacke zur Seite, so dass sie das Schulterholster mit meiner Beretta sehen konnte. „Beretta 92 FS“, erklärte ich, „und garantiert geladen.“

Die dicke Dunkle nickte und erhob sich. Dann kam sie langsam um den Schreibtisch herum und betrachtete den Hund. „Und das ist der Malinois“, gab sie überflüssigerweise von sich. „Ganz schön schnell. Allerdings“, sie überlegte einen Moment, „sollte er nicht einen Maulkorb tragen?“

Ich lachte. „Bingo ist eigentlich recht harmlos, wenn keine Gefahr herrscht.“

Als hätte der Malinois das verstanden, erhob er sich und ging auf die Negerin zu, die langsam bis an ihren Schreibtisch zurückwich. Kurz vor der Frau legte Bingo sich auf den Boden und rollte dann auf den Rücken.

„Sie sollten ihm jetzt den Bauch streicheln“, riet ich, während ich Bingo betrachtete. Irgendwie verhielt sich das Tier so ... atypisch.

Die Dicke beugte sich schnaufen herab und streichelte dem Malinois unbeholfen Brust und Bauch. Es war ihr anzusehen, dass sie der Sache nicht recht traute und Angst hatte, Bingo würde plötzlich zuschnappen. Dann erhob sie sich leicht schwankend, hielt sich am Schreibtisch ferst und wackelte zu ihrem Sessel zurück. Seufzend ließ sie sich in die Polster fallen und wischte mit dem Ärmel etwas Schweiß von der Stirn. Anschließend nahm sie den Becher mit dem Kaffee und trank einen großen Schluck des wohl inzwischen kalten Getränks.

„Ich bin im Flughafenbistro aufgehalten worden“, erklärte sie und kramte ein belegtes Brötchen hervor, in das sie anschließend herzhaft hineinbiss. „Eine fachliche Sache ...“ ich konnte sie kaum noch verstehen, nickte aber. „Unser Bistro bietet wirklich alles, was das Herz begehrt“, fuhr sie fort und es klang, als würde ich einen Werbespot der Gastronomie hören. „Frühstück und auch Frühstücksbuffets, leckere Mittagsmenüs und köstliche Snacks.“ Sie nahm einen weiteren Schluck Kaffee und schnalzte mit der Zunge. „Sogar Bier vom Fass können sie dort bekommen. Und bei schönem Wetter ist es ein wahrer Genuss, draußen auf der Terrasse zu sitzen. Die Öffnungszeiten sind von zehn Uhr bis achtzehn Uhr dreißig.“

Ich nickte und fragte mich, ob sich die Frau mehr in diesem Bistro, als hier in ihrem Büro aufhielt. Oder ob sie für jeden angeworbenen Gast Prozente bekam.

Doch noch war ihr Monolog nicht am Ende, denn sie fügte mit einem schiefen Grinsen hinzu: „Als Angestellter hier können sie sogar schon ab neun Uhr dreißig ins Bistro. Ist das nicht toll?“

„Ja, das ist toll“, bestätigte ich. Vielleicht ließen sich ja später ein paar Minuten abzweigen, um dort ebenfalls ein Brötchen zu erwerben. Ob die auch Mettbrötchen anboten? Claire Rouyer widmete sich dem zweiten Brötchen aus ihrer Tüte und ich sah ihr schweigend zu. Es war offensichtlich, dass sie sich in ihrer Frühstückspause nicht stören lassen wollte. Endlich war der letzte Krümel gegessen und der letzte Schluck Kaffee getrunken. Nun würden wir mit unserer Arbeit beginnen können!

Die Schwarze sah mich fragend an und verzog den Mund zu einer Art Lächeln. „Herr ...“

„Lärpers“, half ich ihr aus. „Jonathan Lärpers.“

„Genau“, strahlte sie, als hätte ich in einer Quizshow die richtige Antwort gewusst. „Lärpers. Haben sie eigentlich schon gefrühstückt?“

Ich sah sie an und überlegte, was diese Frage nun wieder bedeuten sollte. Dann nickte ich. „Sicher. Heute Morgen. Warum fragen sie?“

„Dann haben sie aber noch keine zehn Uhr Pause gemacht?“

Ich schüttelte den Kopf. Langsam fing die Frau an, mich zu verwirren. „Normalerweise mache ich vormittags keine zusätzliche Pause“, erklärte ich. Sicherlich gönnte ich mir schon einmal ein Brötchen und einen Kaffee, doch das nur neben der Arbeit. Oder beim Meeting mit Bernd und den anderen, wenn Jennifer uns mit Kaffee und Brötchen versorgte.

„Nun, bei uns steht ihnen eine Pause am Vormittag zu. Und da sie jetzt für uns arbeiten, wollen wir uns doch auch daran halten.“ Sie erhob sich und steuerte auf die Bürotür zu. „Kommen, sie Herr ... Lärpers. Ich zeige ihnen unser Flughafenbistro, dort können wir uns stärken und alles Weitere besprechen.“ Sie lachte. „Ein Arbeitsfrühstück sozusagen. Da kann ich sogar die Kosten absetzen ...“

Das Bistro war wirklich hell und gemütlich eingerichtet. An einigen Tischen saßen ein paar wenige Menschen, die sich an einem reichhaltigen Buffet bedienten. Claire Rouyer wählte für uns einen Tisch in direkter Nähe des Buffets und verschwendete auch keine Zeit, sich dort ausgiebig zu bedienen. „Kommen sie, Herr ... Lärpers“, rief sie mir aufmunternd zu und jetzt klang ihre Stimme wieder laut und schrill. Einige der Gäste sahen sich fragend nach uns um. „Sie müssen sich stärken, bevor wir mit der Arbeit beginnen.“ Sie kehrte mit einem Tablett voller Teller zurück, auf denen sich Brötchen, Rührei, Wurst und Käse, sowie mehrere Schälchen mit Marmelade befanden. „Würden sie mir einen Kaffee mitbringen?“, fragte sie dann und stellte das Tablett an ihren Platz. „Schwarz und den Zucker bitte extra.“ Ich hatte nicht den Eindruck, als sollte ich von den riesigen Mengen etwas abbekommen.

Mettbrötchen fand ich auf dem reichhaltigen Buffet nicht, dafür aber einige mit gekochtem Schinken und welche mit Käse. Auch ihren Kaffee vergaß ich nicht. „Sie wollen ihr Sicherheitskonzept erweitern?“, versuchte ich endlich zum Thema zu kommen und warf einen unauffälligen Blick auf meine Uhr. Ob Claire Rouyer wusste, dass ich heute noch einen Termin in der Hundeschule hatte? Vermutlich nicht.

Die Schwarze nickte und kaute zufrieden. „Ja“, nuschelte sie dann und stopfte Rührei in den Mund in ihrem Pfannkuchengesicht.

„Sie wollen ihre Wachmannschaft um Hunde ergänzen? Dachten sie an Malinois oder Deutsche Schäferhunde, Doggen, Schnauzer oder an was?“

„Ja“, gab sie erneut von sich, wohl weil ihr bei dem vollen Mund nicht möglich war, etwas anderes zu sagen. Ich wartete gespannt auf ihre Antwort, doch Claire Rouyer aß seelenruhig weiter.

„Haben sie denn schon ein Konzept?“, versuchte ich erneut, ein Gespräch in Gang zu bringen. Die Brötchen waren frisch und schmeckten ausgezeichnet, doch eigentlich war ich ja wegen anderer Aufgaben hier.

Diesmal überraschte die Sicherheitschefin mich, indem sie mehr als ein Wort herausbrachte. „Nein“, meinte sie und hielt eine Brötchenhälfte vor ihren Mund, bereit hineinzubeißen. „Dafür sind sie ja da.“

Ich nickte verstehend. „Wie viele Leute haben sie denn hier?“

Claire Rouyer hielt ihren schwarzen Daumen hoch, an dem etwas Marmelade klebte. Mir war nicht sofort klar, ob sie damit anzeigen wollte, dass ihr das Frühstück schmeckte, oder ob sich die Geste auf die Menge ihrer Mitarbeiter bezog.

„Einen?“, fragte ich deshalb nach und sie nickte. „Und wie wollen sie den Hund einsetzen?“, forschte ich weiter. „Drogen, Waffen, Schmuggelware?“

Sie nickte erneut. „Ja.“

Ich seufzte. Wenn die Dicke aß, war mit ihr nicht vernünftig zu reden. Ich würde vermutlich bis nach diesem ‚Arbeitsfrühstück‘ warten müssen, um mehr zu erfahren.

Doch irgendwann kam endlich auch der Moment, an dem sie zufrieden grunzte, sich zurücklehnte und verhalten rülpste. Dann sah sie auf ihre Armbanduhr. „Es tut mir leid, Herr ... Lärpers, aber ich muss wieder an die Arbeit. Essen sie noch in Ruhe auf, wir treffen uns dann hier wieder um zwölf Uhr dreißig zum Mittagessen. Bis dahin wird mein Mitarbeiter, den sie ja schon kennengelernt haben, ihnen alles erklären. Wenn sie nur so gut wären und später das benutzte Geschirr dort hinten auf den Sammelwagen zu stellen?“

Bevor ich noch etwas erwidern konnte, rauschte sie auch schon davon.

Der Sicherheitsmann stand an der gleichen Stelle, wie bei meiner Ankunft. Gelangweilt schweifte sein Blick durch die Ankunfts- und Abflughalle, dann bemerkte er Bingo und mich. Sofort nahm sein Gesicht einen ängstlichen Ausdruck an. Wie sollte der Mann mit einem Hund zusammenarbeiten, wenn er vor den Tieren solche Angst hatte?

„Nichts für ungut“, lächelte ich ihn an und hielt ihm meine Hand hin, die er auch zögerlich ergriff und stellte mich erneut vor, falls er meinen Namen inzwischen vergessen haben sollte. „Jonathan Lärpers. Ich bin als Berater in Bezug auf den Einsatz eines Spürhundes hier. Frau Rouyer meinte, sie könnten mir den Betrieb hier zeigen und mir ihre Aufgaben erklären.“

„Da gibt es nicht viel zu erklären“, gab er leise von sich. „Allerdings sind wir permanent unterbesetzt, deswegen wird ja über den Einsatz eines Wachhundes nachgedacht.“ Er blickte skeptisch auf Bingo, der sich in gebührendem Abstand zu ihm auf den Boden setzte und den Mann nicht aus den Augen ließ. „Müsste der nicht einen Maulkorb tragen?“

„Das hat mich ihre Chefin auch schon gefragt“, bemerkte ich freundlich. „Bingo ist harmlos, so lange sie ihn oder mich nicht bedrohen. Sie haben also nichts zu befürchten. Ich nehme an, bisher hatten sie noch nicht viel mit Hunden zu tun?“

Er schüttelte den Kopf. „Das Thema wurde in der Ausbildung kurz angesprochen, doch eigentlich stand der Einsatz eines Tieres nie wirklich zur Debatte.“ Er seufzte leise. „Mir wäre ein Kollege lieber ...“

Ich verstand ihn und machte mir in Gedanken Notizen. Es war sowieso nicht verständlich, warum hier nur ein Wachmann Dienst tat. Zwar herrschte nicht sonderlich viel Betrieb, doch wenn der Mann zur Toilette musste, befand sich hier niemand mehr, der für die Sicherheit sorgte. Mir war klar, dass auch ein Hund wenig Abhilfe schaffen dürfte.

Plötzlich schoss seine Hand vor und Bingo erhob sich knurrend. Aber der Mann hielt sie mir lediglich hin. „Ich bin der Wolfgang. Wolfgang Nottkens, meine Freunde nennen mich Wolfi.“

Ich ergriff die Hand und schüttelte sie. Bingo ließ sich mit einem leisen Knurren wieder nieder. „Jonathan Lärpers. Oder kurz ‚Jon‘. Wie lange arbeitest du schon hier?“

„Zwei Wochen. Ich war früher Busfahrer, doch unsere Firma ging Pleite. Und als ich keine Stelle bekommen habe, hat mir das Arbeitsamt den Job hier besorgt. Eine Woche Ausbildung und dann ‚Learning by doing‘, wenn du weißt, was ich meine.“

‚Wolfi‘ wurde zusehends gesprächiger und erzählte mir nach und nach Details über den Flughafen und seine Arbeit hier. Als er kurz schwieg, deutete ich auf seine Pistolentasche. „Hast du denn einen Waffenschein für das Ding da?“

Er öffnete die Tasche und zeigte mir, dass sie inzwischen leer war. „Nein. Das war eine Idee von Frau Rouyer. Sie meinte, ich bräuchte keinen Schein, weil die Pistole ohnehin nicht geladen sei. Aber jetzt habe ich die Waffe erst einmal in meinen Spind geschlossen. Du hast mir eine ganz schöne Angst eingejagt.“

„In deinen Spind?“, fragte ich. Das war mit Sicherheit kaum der richtige Ort für eine scharfe Waffe. „Du solltest sie Claire zur Aufbewahrung geben. Das Ding gehört in einen sicheren Safe.“

Wolfgang Nottkens nickte. „Hättest du etwas dagegen, wenn ich das sofort mache? Ich meine ... würde es dir etwas ausmachen, hier solange die Stellung zu halten? Ich muss sowieso mal auf die Toilette ...“

„Kein Problem“, lächelte ich. „Geh ruhig, ich pass hier solange auf.“

„Das kann aber ein wenig dauern“, gab Wolfi zögernd von sich. „Ich muss nämlich mal zur Toilette, wenn du weißt, was ich meine ...“

Ich nickte gönnerisch und Wolfgang Nottkens stürmte erleichtert davon. Hier musste definitiv ein zweiter Wachmann her. Vielleicht ließ sich das mit Claire Rouyer später beim ‚Arbeitsmittagessen‘ besprechen.

Ich blickte durch die Glastür auf den Platz hinter dem Gebäude, wo gerade ein kleines Flugzeug auf seine Parkposition fuhr. Es gab hier also wirklich einigen Flugverkehr und ich schlenderte zu der Angestellten hinter dem Schalter.

Sie tippte auf einer Computertastatur herum, blickte aber auf, als ich vor dem Tresen stand. „Herr Lärpers“, lächelte sie freundlich. „Was kann ich für sie tun?“

Ich zeigte auf das Flugzeug, das jetzt die Motoren herunterfuhr. Es handelte sich um ein zweimotoriges Propellerflugzeug, das ich unschwer als Beechcraft 200 King Air identifizierte. „Herrscht hier eigentlich viel Flugverkehr?“, fragte ich die Dame und fügte zur Erklärung hinzu: „Ich wurde engagiert, um in Bezug auf das Sicherheitskonzept beratend tätig zu sein.“

Die Dame schien ihre Hausaufgaben gemacht zu haben, denn sie nickte wissend. „Ja, ich habe mich über sie erkundigt.“ Sie lächelte entschuldigend. „Verzeihen sie mir, doch ich war neugierig.“

„Das ist schon in Ordnung.“ In Wirklichkeit war ich sogar froh darüber, dass die Angestellte so viel Engagement und Eigenverantwortung zeigte. „Machen sie das immer so?“

„Wenn es meine Zeit erlaubt. Heute haben wir extrem wenig Passagiere, das ist aber nicht immer so. Im Schnitt gibt es hier so um die hundert Starts und Landungen an einem Tag. Da sind viele Geschäftsleute, aber auch Privatpersonen dabei.“

Ich überlegte und nickte. Kein Wunder, dass der Wachmann überfordert war. Die Passagiere verließen die Maschine gerade über eine kleine Treppe und ich zählte drei Männer, die über den Platz auf das Gebäude zukamen. Alle zogen große Koffer hinter sich her. „Wissen sie, woher die Maschine kommt?“

Die Frau tippte auf ihrer Tastatur herum, sah auf den Bildschirm und nickte. „Direktflug vom Flughafen Cluj. Der liegt bei Cluj-Napoca in Rumänen. Angeblich Geschäftsleute.“

Ich wurde hellhörig und hakte nach: „Angeblich?“

Die Dame hinter dem Schalter lächelte ein wenig verlegen und ich meinte sogar, dass eine gewisse Röte ihr Gesicht überzog. „Na ja, schauen sie sich die Leute doch selber an. Irgendwie sehen die nicht wirklich wie Geschäftsleute aus ... Aber das ist nur meine Meinung, entschuldigen sie, wenn ich ein wenig vorschnell urteile.“

„Das ist schon okay“, murmelte ich und besah mir die Männer, die jetzt lachend das Gebäude betraten. Alle drei waren das, was ich als ‚finstere Gesellen‘ bezeichnen würde, doch auch ich wollte nicht vorschnell urteilen. „Werden die Leute bei der Einreise überprüft?“

Die Dame nickte und seufzte. „Sie müssen mir ihre Pässe zeigen“, meinte sie dann, „und ich registriere ihre Ankunft am Computer. Und bei Bedarf kann sie unsere Security kontrollieren, doch das ist noch nie vorgekommen. Wie sie vielleicht schon bemerkt haben, ist die Sicherheitsabteilung hier ständig unterbesetzt.“

„Ja, das ist mir auch schon aufgefallen.“ Ich trat ein wenig zur Seite, als die Männer sich dem Schalter näherten. Sie sprachen laut in ihrer rauen Sprache miteinander und beachteten mich nicht. Offensichtlich waren sie sich sicher, dass sie niemand verstehen konnte und es hatte für mich den Anschein, als würden sie über die Dame hinter dem Schalter schmutzige Witze reißen. Alle drei hielten es nicht für notwendig, die Frau zu grüßen und legten ihre Pässe auf den Tresen, während sie sich gegenseitig angrinsten.

Die Frau schien solche Kunden schon zu kennen, trotzdem lächelte sie weiterhin freundlich und nahm den ersten Ausweis vom Tresen. Rasch tippte sie ein paar Daten in den Computer, dann folgte das nächste Papier. Ich beobachtete die Männer, konnte aber nichts Auffälliges erkennen. Alle drei trugen dunkelgraue Anzüge mit weiten Sakkos und dünne, schwarze Lederhandschuhe, was mir dann doch ein wenig merkwürdig vorkam. Immerhin befanden wir uns mitten im Sommer und draußen herrschten Temperaturen um die fünfundzwanzig Grad Celsius. Es gab also keinen Grund, Handschuhe zu tragen. Doch vielleicht war das so eine Marotte dieser Geschäftsleute und hatte nicht wirklich etwas zu sagen.

Plötzlich stupste Bingo meine Hand mit seiner weichen Schnauze an und gab ein leises Knurren von sich, das mir sehr bekannt vorkam. Dann blickte er auf die Koffer der Männer und knurrte erneut. Ich erinnerte mich daran, wie der Hund sich in der Motorradgarage oder in dem Büro des korrupten Anwalts Maximilian Mürkens verhalten hatte. Dort knurrte er damals ebenso und wies mich damit auf versteckte Drogen hin. Wenn Bingo sich nicht fürchterlich irrte, dann transportierten die Männer in ihren Koffern augenscheinlich Drogen.

Ich wandte mich um und nahm langsam meine Pistole heraus. Bei dem Lärm, den die Männer mit ihrer Unterhaltung machten, war es mir ein Leichtes, die Waffe durchzuladen. Rasch steckte ich sie wieder ein, sah aber zu, dass ich jederzeit schnellstmöglich danach greifen konnte. Ich beugte mich zu Bingo herab und näherte meinen Mund seinem Ohr. „Gib fein acht“, ermahnte ich den Malinois. „Greif nur ein, wenn es gefährlich für mich wird.“

Dann trat ich zu den drei Männern an den Tresen, die gerade auf den letzten ihrer Pässe warteten. „Guten Tag, die Herren“, grüßte ich freundlich. „Sprechen sie unsere Sprache? Darf ich ihre Pässe noch einmal sehen? Lärpers, Flughafen Security.“

Die Angestellte hinter dem Tresen blickte erschrocken auf und hielt mit ihrer Tipparbeit inne. Das Gerede der Männer verstummte plötzlich und sie sahen mich lauernd an.

„Du Ausweis Security?“, ließ sich einer der Männer vernehmen und baute sich breitbeinig vor mir auf. Er überragte mich um einen halben Kopf und war bestimmt doppelt so breit wie ich.

Ich schüttelte den Kopf. „Sorry, aber das ist mein erster Tag hier. Warten sie, ich lasse die Sicherheitschefin kommen.“ Ich wandte mich der Angestellten zu, behielt die drei Männer dabei aber im Auge. Der Rumäne, der mit mir gesprochen hatte, stand weiter lässig da, während die Hände der anderen beiden unter ihre Jacken glitten. „Würden sie bitte Frau Rouyer anrufen und sie bitten, hierher zu kommen? Sie soll auch ihren Ausweis nicht vergessen ...“

Die junge Frau nickte und griff zum Telefon, doch der Anführer der drei Männer schüttelte den Kopf. „Nicht Telefon. Alles gut. Wir gehen, gib Pass zurück.“

Jetzt war es an mir, den Kopf zu schütteln. „Bitte seien sie vernünftig. Dies ist lediglich eine Routinekontrolle.“ Dann verlegte ich mich aufs betteln: „Das ist mein erster Tag heute und ich möchte doch alles richtig machen ...“

„Ist richtig“, grollte der Mann und hielt der Angestellten die Hand hin. „Nix Sorge, alles gut, nix passieren. Jetzt Pass her. Alles schon Kontrolle, nix Ärger.“

Die Frau sah mich fragend an und in ihren Augen stand die Angst. Ich nickte ihr zu und sie gab dem Mann den Pass zurück.

Die drei Männer grinsten sich gegenseitig an und wollten in Richtung des Ausgangs gehen, als ich mich ihnen in den Weg stellte. „Ich würde auch noch gerne einen Blick in ihre Koffer werfen“, lächelte ich sie an. „Zollkontrolle. Haben sie etwas zu verzollen?“

Der Sprecher der Männer sah mich an, als käme ich von einem anderen Planeten. Dann sprach er ein paar Worte auf Rumänisch mit den anderen beiden und alle drei lachten, als hätte ich einen überaus lustigen Witz von mir gegeben.

„Zoll? Was soll Zoll? Ist Witz oder? Du erste Tag Security?“ Er übersetzte wieder für seine Freunde, fügte wohl etwas hinzu und die anderen beiden lachten erneut. Wieder verschwanden ihre Hände unter den Jacken. „Du nicht willst, dass heute ist letzte Tag Security“, fügte er dann drohend hinzu. Ich blickte auf die Männer mit den Händen in ihren Jacken. Wenn sie darunter Schusswaffen trugen, könnte dies hier böse enden. Auch wenn ich verdammt schnell sein würde, gelänge es mir kaum beide auszuschalten, bevor einer von ihnen zum Schuss käme. Dann aber bemerkte ich Bingo, der sich im toten Winkel der Drei heranschlich. Gut, jetzt standen die Chancen schon wesentlich besser.

Ich wollte gerade den Kopf schütteln und den Männern erklären, dass sie den Flughafen nicht ohne Kontrolle verlassen würden, als ich Wolfgangs Stimme vernahm. Ich schwenkte für eine Sekunde den Kopf, dann fixierte ich wieder die Männer. Aber ich spürte, wie mein Gesicht vor Schreck weiß wurde und meine Gedanken überschlugen sich.

Was ich gesehen hatte, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Wolfgang Nottkens, der Arbeitslose mit dem zwei Wochen Lehrgang trat aus dem Gang, der zu den Umkleideräumen führte. In der Hand hielt er die Walther P22, während er über das gesamte Gesicht strahlte. „Jonathan, hey Jonathan“, rief er durch die Halle, „eine Sekunde noch, ich bin gleich wieder bei dir. Ich bring das Ding nur noch schnell zu Frau Rouyer.“

In dem Moment brach die Hölle los.

„Wolfi runter“, schrie ich dem Wachmann zu, konnte aber nicht kontrollieren, ob er auch entsprechend reagierte. Einer der Männer zog eine Pistole mit Schalldämpfer hervor, der andere eine Uzi, ebenfalls mit Schalldämpfer. Sie brauchten wegen der langen Rohre auf den Waffen einige Sekunden und das rettete mir das Leben. Ich hechtete zur Seite und schoss noch, während ich durch die Luft flog. Der Mann mit der Pistole wurde von mir in die Schulter getroffen und stürzte zu Boden. Der andere bekam die Uzi noch in die Waagerechte und gab einen langen Feuerstoß ab. Hinter mir hörte ich Wolfgang aufschreien und ich wusste in dem Moment, dass er sich nicht hatte zu Boden fallen lassen.

Dann verstummte die Waffe, als Bingo seine Zähne in den Arm des Rumänen schlug und böse knurrend an ihm herumzerrte.

Der Sprecher der Gruppe schien nicht mit einer Pistole bewaffnet zu sein, denn er stürzte sich jetzt mit einem großen Kampfmesser auf mich. Ich grinste. Das Ganze war ja glimpflicher abgelaufen, als ich zunächst gedacht hatte. Bis auf die Sache mit Wolfi natürlich. Da ich ihn aber jammern hörte, konnte ich sicher sein, dass er noch lebte.

Der Mann schien den Messerkampf gewöhnt zu sein und zeigte auch keinen Respekt vor meiner Pistole. Er war aber auch so schnell heran, dass ich gar nicht erst zum Schießen kam und mich darauf konzentrieren musste, ihn abzuwehren. Mit einer schnellen Bewegung ließ ich die Beretta wieder im Holster verschwinden, während ich dem Messer auswich, das nur Millimeter an meinem Gesicht vorbeisauste. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Bingo den anderen Kerl inzwischen zu Boden gebracht hatte und drohend über ihm stand. Der Mann wehrte sich nicht mehr, sondern hielt jammernd seine Hände vors Gesicht.

Wieder sauste das Messer auf mich herab und ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Die Kampftechnik des Rumänen erinnerte mich an die Angriffe von Christine, die allerdings weniger im Voraus zu erkennen waren, wie die dieses Gauners. Ich wich mit einer leichten Drehung nach links aus und ließ den Stich ins Leere gehen.

„Ergib dich“, forderte ich den Mann auf. „Ich möchte nicht, dass jemand verletzt wird.“ Einmal abgesehen von denen, die ja schon verletzt waren und jetzt blutend am Boden lagen. In der Ferne vernahm ich schon die Sirene der Polizei. Und vermutlich die eines oder mehrerer Krankenwagen. „Es ist vorbei. Du willst das doch nicht wirklich.“

Aber anscheinend wollte der Rumäne es doch so, denn mit wutverzerrtem Gesicht griff er erneut an. „Du tot, du tot“, rief er dabei und ich überlegte, ob ich mit diesem Theater jetzt direkt Schluss machen sollte, entschied mich aber dafür, ihm noch eine letzte Chance zu geben.

„Wirf das Messer weg und leg dich auf den Boden“, forderte ich ihn auf. „Ansonsten breche ich dir das linke Knie und den rechten Ellbogen.“ Ich überlegte einen Moment und fügte dann lächelnd hinzu: „Und drei Finger der linken Hand, das gehört einfach dazu.“

„Du Schwätzer. Ich beste Mässärkämpfer von ganz Rumänien!“ Er vollführte eine Drehung, die ihn seitlich zu mir brachte und ging in die Hocke, um sofort wieder hochzuschnellen. Sein Kampfmesser hätte mir vom Bauchnabel her den Oberkörper aufgeschlitzt, wenn ich noch da gestanden hätte, wo ich vor einer Sekunde war.

Doch auch ich drehte mich ein wenig zur Seite und mein Fuß krachte mit voller Gewalt von vorne gegen sein linkes Knie. Ich hörte Knochen brechen und der Rumäne schrie gequält auf. Allerdings gab ich ihm keine Gelegenheit zur Besinnung zu kommen und fasste im gleichen Moment seine linke Hand, hebelt sie ein wenig herum, wobei drei Finger brachen und führte einen fürchterlichen Schlag gegen seinen rechten Ellbogen aus. Wieder krachten Knochen und das Messer flog in hohem Bogen davon. Ich brachte den Mann mit einer Hebelbewegung zu Boden und fesselte ihm ohne Rücksicht auf seine Verletzungen die Arme mit einem Kabelbinder auf den Rücken.

Dann wandte ich mich dem Rumänen mit der Pistole zu, der sich jammernd die Schulter hielt. „Du kannst froh sein, dass ich ein so lausiger Schütze bin, wenn ich durch die Luft segle“, erklärte ich ihm und fesselte seine Hände ebenfalls auf dem Rücken. „Eigentlich hatte ich auf deinen Kopf gezielt.“

Bingo sicherte immer noch den dritten Mann und ich konnte mich endlich um Wolfgang kümmern. Der lag mit schmerzverzerrtem und kreidebleichem Gesicht am Boden. Tränen liefen ihm aus den Augen und er sah mich ängstlich an. „Ich sterbe, Jonathan“, wisperte er.

Ich besah ihn mir und entdeckte an seinem rechten Bein die Schusswunde. Ein glatter Durchschuss und wie es schien, waren keine wichtigen Blutgefäße und keine Knochen verletzt. Der Mann hatte mehr Glück als Verstand gehabt. Ich zog meine Jacke aus und knotete die Ärmel um das Bein, so dass die Wunde aufhörte zu bluten.

„Es war schön, mit dir zusammengearbeitet zu haben, Jonathan“, hörte ich Wolfgang keuchen. „Ich verliere zu viel Blut. So etwas habe ich schon einmal in einem Film gesehen. Bitte sag meiner Frau und meiner Tochter, dass ich sie liebe!“

„Das wirst du schön selber machen, Wolfi. An der kleinen Schussverletzung wirst du schon nicht sterben. Also reiß dich zusammen!“ Ich besah mir die Wand hinter ihm, die mehrere Einschusslöcher aufwies und wunderte mich, dass er überhaupt überlebt hatte.

Minuten später stürmten bewaffnete Polizisten in die Halle und wollten sich auf mich stürzen, als ich ihnen meinen Ausweis entgegenhielt. „Jonathan Lärpers“, rief ich. „Flughafen Security.“ Dann erhob ich mich langsam, nahm aber die Hände hoch. Man konnte nie wissen, wie schießwütig die Beamten sein würden und ich hatte einfach keine Lust, mir jetzt noch eine Kugel einzufangen.

Einer der Männer besah sich meine Papiere, zu denen auch mein Waffenschein gehörte und nickte. „Was war hier los?“

Inzwischen standen zwei Polizisten um Bingo und den am Boden liegenden Gangster herum und sicherten die Waffen. Bingo knurrte immer noch und an ihn trauten sie sich nicht heran. Ich gab dem Malinois ein Zeichen, worauf er von dem Rumänen abließ und zu mir trottete. „Saubere Arbeit, Kumpel“, begrüßte ich den Hund und bevor ich Bingo den Kopf tätscheln konnte, ließ er sich vor mir auf den Rücken fallen und streckte alle vier Beine in die Luft. Seufzend kraulte ich ihm Brust und Bauch.

Ein Mann und sein Hund halt.

Mehrere Krankenwagen trafen ein und die Ärzte und Sanitäter kümmerten sich um die Verletzten. Als Wolfgang auf einer Trage zum Ausgang gebracht wurde, lief ich hinter den Sanitätern her. „Moment noch“, brachte ich sie zum Stehen und wandte mich dem Verletzten zu, der wieder etwas Farbe im Gesicht bekommen hatte. Dann kramte ich eine Visitenkarte hervor und steckte sie ihm in die Brusttasche.

„Was war das?“

„Meine Visitenkarte, beziehungsweise die von unserem Krav Maga Studio. Wenn du wieder auf den Beinen bist, solltest du dich dort zu einem Kurs anmelden. Wir lehren Selbstverteidigung und auch den Umgang mit Waffen“, erklärte ich mit einem Augenzwinkern.

Wolfgang winkte schwach ab. „Das brauche ich nicht. Ich kündige.“

„Sag das nicht, Wolfi“, meinte ich und fügte eine Notlüge hinzu: „Du hast dich hervorragend geschlagen. Du wirst einen prima Security-Mann abgeben.“ Das allerdings meinte ich ehrlich. Mit der entsprechenden Ausbildung würde er auch in solchen Situationen entsprechend reagieren können.

Inzwischen hatte die Angestellte auch Claire Rouyer verständigt, die kopfschüttelnd und zitternd gegen den Schalter gelehnt dastand. „Verdammt Jonathan Lärpers“, empfing sie mich und es war das erste Mal, dass sie nicht überlegen musste, wie ich heiße. „Sie sind nicht einmal eine Stunde hier und schon so etwas ...“

„Zufall“, grinste ich und blickte auf die Uhr. Es blieb noch ein wenig Zeit, um die unausbleiblichen Fragen der Polizisten zu beantworten, doch dann wurde es auch schon wieder Zeit für die Mittagspause. „Bleibt es bei unserem Mittagessen? Ich hätte da einige Vorschläge zu machen ...“

In den Koffern befanden sich tatsächlich größere Mengen an Heroin und Kokain und als ein Kriminalbeamter eintraf, den ich nicht kannte, musste ich ihm die ganze Geschichte noch einmal erzählen. Kaum, dass ich mit meinen Erklärungen geendet hatte, rief mich die junge Frau zum Telefon und gab mir ohne ein weiteres Wort den Hörer in die Hand.

„Eberson“, hörte ich den Oberstaatsanwalt ohne Einleitung oder Begrüßung sagen und ich fragte mich, woher er so schnell von dem Vorfall hier erfahren hatte. „Das sind sie Lärpers, nicht wahr?“

Ich bejahte.

„Kaum vor Ort und schon - wieviel? - Tote?“

„Keine, Herr Oberstaatsanwalt. Nur ein paar Verletzte. Insgesamt drei bewaffnete Rumänen mit einem Haufen Drogen. Es ist niemand wirklich zu Schaden gekommen.“ Den Wachmann ließ ich erst einmal außen vor.

Ich hörte, wie Oberstaatsanwalt Eberson lachte. „Nur drei? Gute Arbeit, Herr Lärpers. Ich wusste, dass wir mit ihrer Person die richtige Wahl getroffen hatten. Dass sie aber schon am ersten Tag so eine Aktion hinlegen würden, damit habe ich nicht gerechnet.“

„Zufall“, wiederholte ich meine Worte von vorhin und fügte bescheiden hinzu: „Man tut halt, was man kann.“

Eberson murmelte noch etwas von einem Bericht, den er so bald wie möglich auf seinem Schreibtisch sehen wollte und legte dann auf. Ob Bernd nun auch noch anrufen würde? Doch darauf wartete ich vergeblich.

Stattdessen suchte ich die Sicherheitschefin, die hinter dem Empfangstresen auf einem Hocker saß und sich einen doppelten Cognac genehmigte. „Nun, wie steht’s mit dem Mittagessen?“, fragte ich. In etwas über einer Stunde würde ich schon mit Bingo auf dem Hundelehrgang sein müssen und die Zeit wurde langsam knapp.

„Sie wollen nach all dem hier noch etwas essen? Also, mir ist der Appetit vergangen. Aber gehen sie ruhig, das Essen geht auf mich. Vielleicht komme ich später nach, doch jetzt ...“ Sie zuckte mit den Achseln und führte das Glas mit zittrigen Händen zum Mund.

„Es gibt aber noch einiges zu besprechen“, beharrte ich. „Ich hätte da ein paar Vorschläge, das Sicherheitskonzept betreffend. Allerdings habe ich um vierzehn Uhr noch einen Termin, so dass uns nicht viel Zeit bleibt ...“

Claire Rouyer stöhnte. „Bitte, Herr Lärpers. Lassen sie uns das morgen in aller Ruhe besprechen. Ich muss mich jetzt erst einmal um einen Ersatzmann kümmern. Sie haben noch einen Termin? Schade, ich dachte, sie könnten heute Nachmittag einspringen.“

Ich schüttelte den Kopf. „Leider nicht, den Termin muss ich wahrnehmen.“

Die Sicherheitschefin nickte. „Na gut, dann sehen wir uns morgen früh in meinem Büro. Lassen sie sich das Essen schmecken, Herr Lärpers.“

Das tat ich dann auch und bekam sogar etwas rohes Rindfleisch und eine Schüssel mit frischem, kaltem Wasser für Bingo.

Kaffee - Fahrt

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