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IV.

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Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg zum Hundetraining. Heute endlich würden wir in die Praxisarbeit einsteigen und nicht stundenlang trockenen, uninteressanten Stoff büffeln. Ich sah mich schon mit Bingo über die Felder hinter dem Mann her hetzten, den wir fangen sollten. „Heute wird der Lehrgang richtig gut“, rief ich Bingo zu, der auf der Rückbank vor sich hindöste. „Heute werden wir die Praxis kennenlernen. Freust du dich schon?“ Bingo antwortete mir nicht, vermutlich hatte er mich nicht einmal verstanden, doch das war mir egal. Ich jedenfalls freute mich.

Die Fahrzeuge vor der Scheune, in der der Lehrgang stattfand, sagten mir, dass alle Lehrgangsteilnehmer schon eingetroffen waren und ich wieder als letzter kam. Ein Blick auf die Uhr am Armaturenbrett beruhigte mich aber, ich war pünktlich und sogar noch fünf Minuten vor der Zeit.

Aus der Scheune drang mir durch die offene Tür Gekläff und Stimmengewirr entgegen. Es klang so, als wäre da drinnen eine Hundeparty im Gange. Mit Disziplin hatte das allerdings wenig zu tun.

„Ah der Herr Lärpers“, hörte ich die Dicke durch den Lärm hindurch rufen. „Da sind sie ja endlich. Immer auf die letzte Minute! Ich sage immer: Pünktlichkeit, Pünktlichkeit und noch einmal Pünktlichkeit!“

Ich nickte und rief ihr zu, dass ich ja pünktlich erschienen sei und es noch nicht einmal zwei Uhr war. Doch irgendwie ging das in dem Lärm, den die Hunde machten, unter. Ich sah mich um. Der Jugendliche mit dem kurzen Haarschnitt tippte wieder auf seinem Smartphone herum. Neben ihm auf der schmalen Bank döste ein Mops vor sich hin und ich konnte beobachten, dass ihm das Atmen schwerfiel. Neben dem Rentner lag ein Husky auf dem Boden und beobachtete drei kleine weiße Hunde, die ich als Malteser identifizierte, die miteinander spielten und den Lärm hier verursachten. Ihre Frauchen standen beieinander und unterhielten sich lautstark, nahmen von ihren Hunden aber keine Notiz.

„Bitte, meine Herrschaften, setzen sie sich.“ Die Dicke mit den gelben Haaren versuchte sich Gehör zu verschaffen, was ihr bei den drei Frauen nicht so richtig gelingen wollte. Dann holte sie aus und haute mit der flachen Hand auf das Pult.

Der Jugendliche mit dem Smartphone zeigte keinerlei Reaktion und ich erkannte, dass er Ohrhörer trug. Die drei Frauen blickten erschrocken auf und es wurde still. Sogar die kleinen, weißen Hunde hörten für eine Sekunde mit dem Lärm auf. Der Mops fuhr erschrocken hoch und fiel von der Bank, neben der er sich aber direkt wieder zusammenrollte und weiterdöste. Bingo ließ ein leises Knurren hören und ich setzte mich auf die mir nächstliegende Bank. Auch die Frauen nahmen endlich Platz, ließen ihre Hunde aber weiter herumtollen.

„Ich freue mich“, fing die Dicke mit erhobener Stimme an, um den Lärm der Hunde zu übertönen, „sie heute zum zweiten Kurstag bei unserem Mantrailing Lehrgang begrüßen zu dürfen. Mein Name ist Sophie Fengeler und ich bin die Leiterin der Hundeschule ‚Lucky Buddy‘. Die Hundeschule ‚Lucky Buddy‘ ist zertifiziert und führt Kurse in Verhaltens- Alltags- Leinen- und Mantrailing durch. Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags von neun bis zwölf und von fünfzehn bis siebzehn Uhr.“ Nach diesen einführenden, aber unnötigen Worten, sah sie sich Beifall heischend in dem Raum um, fuhr dann aber fort: „Wir werden heute mit der Praxis beginnen und einige einfache, aber grundlegende, Befehle an den Hunden kennenlernen. Doch zunächst einmal wollen wir jetzt den Lehrgangsstoff vom gestrigen Tag repetieren.“

Ich sah die dicke Frau entgeistert an, während sie mit monotoner Stimme über Duftmoleküle, DNA und all die Dinge sprach, bei denen ich ihr gestern schon nicht zugehört hatte. Nach gut eineinhalb Stunden hob sie lächelnd den Kopf. „So, damit haben wir die wichtigsten Grundlagen über das Mantrailing wiederholt. Ich danke ihnen für die gute Mitarbeit.“ Sie kam hinter ihrem Pult hervor und watschelte auf den Ausgang zu. „Bitte folgen sie mir zu unserem Übungsgelände, wo wir uns der Praxis widmen werden.“ Die dicke Sophie verschwand durch die Tür im Scheunentor und die drei Frauen folgten ihr, wobei sie sich lautstark unterhielten und ihre Malteser auf den Armen hielten. Jetzt erkannte ich, dass die Hunde bunte Schleifchen auf dem Kopf trugen. Der Rentner wurde von seinem Husky durch den Raum gezogen und hatte Mühe dem kräftigen Tier zu folgen. Nur der Jugendliche tippte weiter seelenruhig auf dem Handy herum und jetzt - da es in dem Raum etwas ruhiger geworden war - vernahm ich ein leises Schnarchen, das von dem Mops stammte.

Ich grinste und tippte dem Jungen auf die Schulter. Erschrocken fuhr er hoch und sah mich fragend an. „Wir müssen nach draußen“, erklärte ich und nutzte meine Hände zur Zeichensprache. „Der Lehrgang findet jetzt draußen statt.“

Der Kurzhaarige zog einen Stöpsel aus dem Ohr. „Wat hasse jesacht?“

„Ich sagte, dass der Praxisteil draußen stattfindet“, wiederholte ich und der junge Mann nickte. Dann sah er sich suchend um, nahm die Leine seines Hundes und zog ihn zur Tür.

Ich folgte den beiden kopfschüttelnd und nahm mir vor, den Jungen später zu fragen, warum er ausgerechnet mit einem Mops an diesem Lehrgang teilnahm. Aber das könnte ich ebenso gut auch die drei Frauen fragen. Und ob der Rentner den Husky zur Suche nach verschwundenen Personen würde motivieren können, erschien mir doch höchst zweifelhaft. Der Mann hätte sich besser einen Schlitten besorgen sollen. Oder - in unseren Breitengraden mit dem wenigen Schnee - vielleicht einen kleinen Wagen mit Rädern, den der Hund hinter sich herziehen konnte.

Die Gruppe stand mitten auf einem grasbewachsenen Feld und Sophie Fengeler blickte mir mit hochrotem Kopf und grimmiger Miene entgegen. „Herr Lärpers!“, rief sie mir schon von weitem entgegen. „Ich muss sie erneut zur Pünktlichkeit aufrufen. Pünktlichkeit und Disziplin. Das habe ich ihnen doch schon erklärt! Wenn sie weiter den Unterricht stören, dann muss ich sie leider aus dem Kurs entfernen.“

Bingo knurrte leise und zum Glück konnte nur ich es hören. Die Malteser balgten sich neben ihren Frauchen und liefen anschließend im Kreis um sie herum, wobei sie ständig bellten. Der Husky zog den Rentner hinter sich her und schnüffelte an jedem Grashalm, hob dann sein Bein und wanderte zum nächsten Grasbüschel. Der alte Mann folgte ihm ziemlich hilflos und sah sich immer wieder nach Sophie Fengeler um. Sie entfernten sich zusehends von der Gruppe, doch dann änderte der Hund abrupt die Richtung, fand eine Stelle, an der das Gras nicht ganz so hoch stand und verrichtete sein großes Geschäft.

Der dicken Gelbhaarigen war das nicht entgangen und sie kreischte mit schriller Stimme: „Die doggy bag, sie müssen die doggy bag benutzen!“ Dann wandte sie sich an uns und fügte hinzu: „Das gilt übrigens für sie alle. Vergessen sie auf keinen Fall, die Hinterlassenschaften ihrer Hunde zu entsorgen! Und nun stellen sie sich bitte in einem Halbkreis zu mir auf“, befahl sie und sah mich an. „Nachdem Herr Lärpers sich endlich ebenfalls bequemt hat, zu uns zu stoßen, begrüße ich sie zum Praxisteil unseres Lehrganges. Mein Name ist Sophie Fengeler und ich bin die Leiterin der Hundeschule ‚Lucky Buddy‘. Die Hundeschule ‚Lucky Buddy‘ ist zertifiziert und führt Kurse in Verhaltens- Alltags- Leinen- und Mantrailing durch. Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags von neun bis zwölf und von fünfzehn bis siebzehn Uhr.“

Ich stöhnte. Ging es hier nicht um dieses dämliche Zertifikat, auf das Bernd so viel Wert legte, würde ich sofort die Brocken hinschmeißen. Doch ich biss die Zähne zusammen und wartete auf das, was nun kommen würde.

„Ich gehe davon aus, dass ihre Hunde die grundlegenden Befehle kennen, trotzdem möchte ich ihnen diese noch einmal ins Gedächtnis rufen.“

Ich beobachtete, wie der Husky den Rentner an der Leine hinter dem Rücken der dicken Sophie über das Feld zog und wieder seine Duftmarken setzte. Eigentlich musste dem Hund doch schon längst das Wasser für so zahlreiche Aktionen ausgegangen sein und nur noch heiße Luft kommen. Der Rentner zerrte an der Leine, brachte aber nicht die Kraft auf, den Husky zu bewegen.

Die dicke Sophie blickte in die Runde und fuhr mit ihrer gewohnt monotonen Sprechweise fort: „Kann mir jemand sagen, mit welchem Befehl sie ihren Hund anweisen, sich hinzusetzen?“

Die drei Frauen sprachen alle gleichzeitig und durcheinander. „Sitz!“, gab eine von sich. „Hinsetzen“, die nächste. „Platz“, kam eine weitere Antwort und ich musste grinsen.

„Ja, Herr Lärpers?“, fauchte die Gelbhaarige mich an. „Das scheint sie ja sehr zu belustigen. Ich bekomme allmählich den Eindruck, dass sie diesen Kurs nicht ernst genug nehmen. Was gibt es denn so Lustiges, dass die ständig grinsen müssen?“

Ich dachte daran, dass ich mir längst schon abgewöhnt hatte, Bingo Befehle zuzurufen - es sei denn, es war nicht anders möglich - und mit dem Malinois eher nonverbal kommunizierte. Eine kleine Bewegung meiner Hand genügte und der Hund reagierte sofort entsprechend.

„Nun, Herr Grinselärpers, was sagen sie denn zu ihrem Hund, wenn er sich hinsetzen soll?“

Plötzlich war es totenstill, selbst die Malteser hielten in ihrer Rauferei inne. Alle Augen richteten sich plötzlich auf mich, nur der Rentner wanderte weiter hinter seinem Hund her und umkreiste uns dabei.

„Herr Lärpers reicht, Frau Fengeler.“ Ich fing an mich zu ärgern. Diese Frau ging mir mächtig auf den Geist und erneut dachte ich daran, den ganzen Krempel hier hinzuschmeißen. „Nichts.“

„Was nichts?“, grunzte sie und sah mich irritiert an. „Wie meinen sie das, Herr ... Lärpers?“

„Nichts, ich sage nichts“, gab ich von mir und bemerkte, wie die drei Frauen sich gegenseitig angrinsten. Selbst der Jugendliche hatte aufgehört, auf seinem Smartphone herum zu tippen.

„Dann wird es aber Zeit, dass sie ihren Hund richtig erziehen, Herr Lärpers. Ich denke einmal, dass sie in einem Grundlagenkurs besser aufgehoben wären. Wir wollen hier Mantrailing betreiben und da ist es wichtig, dass die Hunde schon gewisse Grundvoraussetzungen mitbringen. Wenn sie aber nicht einmal die einfachsten Befehle kennen ...“

Sie ließ offen, was sie damit meinte, überlegte einen Moment und wandte sich an die drei Frauen. „Genau, meine Damen. ‚Sitz‘. Der klassische Befehl, wenn ihr Hund sich hinsetzen soll. Disziplin und Pünktlichkeit sind die Grundpfeiler des Mantrailing.“

Ich wartete darauf, dass sie wieder über die Öffnungszeiten ihrer Hundeschule dozieren würde, doch die dicke Sophie schwieg und betrachtete wohlwollend die kleinen Malteserhunde, die wie wild um ihre Frauchen herumsprangen.

Ich spürte, dass ich noch etwas sagen musste. „Natürlich kennt Bingo ‚Sitz‘.“

Sophie Fengeler sah mich skeptisch an. „Das sagen sie jetzt nur, um nicht aus dem Kurs zu fliegen“, meinte sie schließlich. „Dann lassen sie ihren Hund doch einmal sitzen!“

Bingo, der bereits neben mir saß und das Geschehen mit wachen Augen beobachtete, gab ein leises Knurren von sich. Ich dachte daran, dass lediglich ein kleiner Wink von mir genügte und der Malinois würde sich mit Freuden auf die dicke Gelbhaarige stürzen und sie zerfleischen. Ein Grinsen schlich sich in mein Gesicht.

„Wieso grinsen sie denn schon wieder so penetrant? Was ist nun, beherrscht ihr Hund den Befehl?“

„Aber Bingo sitzt doch schon“, gab ich zu bedenken. „Warum sollte ich ihm befehlen, sich hinzusetzen, wenn er doch schon sitzt? Das macht doch keinen Sinn.“

Sophie Fengeler stöhnte vernehmlich. „Dann lassen sie ihn doch aufstehen und wieder hinsetzen!“

Ich schüttelte den Kopf. „Frau Fengeler wir sind hier doch nicht im Zirkus. Es wäre vielleicht sinnvoller, wenn sie endlich zum Thema kommen könnten.“

In diesem Moment sauste wieder der Rentner an der Leine hinter ihr vorbei und plötzlich hatte ich die Nase voll. Wieso hackte die Gelbhaarige ständig auf mir herum, während keiner der Hunde hier auch nur ein Minimum an Erziehung und Disziplin zeigte? Die einzige Ausnahme bildete da der Mops des Stoppelhaarigen, der im Gras lag und selig schlummerte.

Ich beugte mich zu Bingo herab, löste seine Leine und meinte leise zu ihm: „Sorg doch bitte für ein wenig Ordnung. Fang mit dem Husky an!“

Bingo schien mich verstanden zu haben, oder ihm war das Theater selbst schon zuwider, jedenfalls hatte ich noch nicht ganz ausgesprochen, als er an der dicken Sophie vorbeistürmte und Sekunden später den Rentner überholte. Erneut herrschte plötzlich Totenstille, lediglich der spitze Aufschrei der Dicken war zu hören. Bingo sprang dem Husky, der gerade erneut sein Bein hob, in die Seite und brachte den schweren Hund zu Fall.

„Oh mein Gott, der Hund tötet meinen Husky“, schrie der Rentner entsetzt auf und die drei Frauen kreischten.

Bingo stand über dem Husky und knurrte bösartig, dann ließ er ihn aufstehen und trieb Hund samt Herrchen zu unserer Gruppe. Nachdem der Rentner und sein Tier neben mir standen, ließ Bingo noch einmal ein Knurren hören und der Husky setzte sich gehorsam auf seinen Hintern.

Der Malinois brauchte nichts weiter zu tun und ich sah ihm an, dass er am liebsten die Malteser auch noch aufgemischt hätte, doch die betrachteten ihn ängstlich und einer nach dem anderen setzte sich neben sein Frauchen in das Gras. Bingo trat neben mich und ließ sich mit einem zufriedenen Grunzen nieder, behielt aber den Husky und die Malteser im Auge.

„Es geht mir um das Zertifikat, Frau Fengeler“, erklärte ich nach dieser Aktion, die die Dicke mit aufgerissenen Augen verfolgt hatte. „Mein Chef besteht darauf, dass ich ihm diese Urkunde vorlege und bis sie sich in meinem Besitz befindet, werde ich an ihrem Kurs teilnehmen müssen. Ob sie nun wollen, oder nicht. Und jetzt fangen sie endlich an, damit wir es bald hinter uns haben!“

Sophie Fengeler rang nach Luft und Worten, dann keuchte sie: „Sie dürfen ihren Hund nicht von der Leine lassen, der ist ja gemeingefährlich.“ Sie sah den Rentner an: „Hat er ihren Liebling gebissen? Geht es dem Husky gut?“

Der Rentner war immer noch von der Wanderung aus der Puste, nickte aber. „Alles in Ordnung ...“, keuchte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Ich warf einen unauffälligen Blick auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass der Kurs in wenigen Minuten enden würde. Erleichtert atmete ich auf.

Die dicke Frau mit dem unvorteilhaften Kurzhaarschnitt nickte und warf ebenfalls einen Blick auf ihre Uhr. „Oh, wie die Zeit verfliegt“, meinte sie daraufhin und in ihrer Stimme klang Erleichterung mit. „Ich danke ihnen für die Teilnahme und freue mich darauf, sie morgen wiederzusehen. Bitte seien sie pünktlich!“ Dann fixierte sie mich: „Herr Lärpers, darf ich sie noch kurz in mein Büro bitten?“

Ich nickte und konnte mir vorstellen, was nun auf mich zukam. Nach dieser Aktion hier wäre ein Rausschmiss nur logisch. Während die anderen Kursteilnehmer zu ihren Autos gingen und um Bingo und mich einen großen Bogen machten, folgte ich mit dem Malinois an meiner Seite der Dicken zu dem Bauernhaus. Als ich einen Blick zurück auf die Wiese warf, sah ich den Jugendlichen mit seinem Smartphone dort immer noch stehen.

Ich hielt mitten im Schritt an. „Einen Moment bitte“, bat ich die Gelbhaarige ebenfalls stehen zu bleiben. Dann nickte ich Bingo zu und wies mit dem Kopf auf den jungen Mann, der die Welt um sich herum vergessen zu haben schien.

Bingo stürmte los, kam neben dem Stoppelhaarigen zum Stehen und stupste ihn mit der Schnauze am Bein an. Erschrocken sah der von seinem Handy hoch, bemerkte, dass er alleine auf der Wise stand und blickte auf Bingo, der aber schon wieder zu mir unterwegs war. Rasch hob der junge Mann seinen Hund auf den Arm und folgte uns.

„So, jetzt können wir“, lächelte ich die Dicke an, als Bingo wieder neben mir stand.

„Herr Lärpers“, begann Sophie Fengeler, als wir in einem kleinen Büro in dem Bauernhaus standen. „Ich möchte sie nicht aus dem Kurs werfen, jedoch ...“ Sie überlegte, was sie sagen wollte, dann atmete sie tief durch. „Wenn es ihnen so sehr auf das Zertifikat ankommt, dann bin ich bereit, es ihnen auszustellen. Den Lehrgangstoff haben wir ja in der Theorie zur Genüge durchgenommen und ich bin sicher, dass sie anhand des Gelernten auch selbständig in der Lage sein dürften, Praxisübungen durchzuführen. Falls sie also einverstanden sind, fertige ich jetzt die Bescheinigung aus, womit der Lehrgang für sie dann endet. Wäre das in ihrem Sinne?“

Ich nickte und Bingo ließ ein freudiges Fiepen hören. Ich war mir sicher, dass er ebenfalls mit dieser Lösung einverstanden war. Ebenso wie Bernd, der dem Oberstaatsanwalt die Urkunde würde vorlegen können. Und vermutlich auch die Sicherheitschefin des Flughafens Claire Rouyer, der ich fortan dann ganztätig zur Verfügung stehen könnte.

Alles in allem eine Win-Win Situation, die alle zufriedenstellen dürfte.

Wenige Minuten später ratterte der Tintenstrahldrucker los und die dicke Sophie überreichte mir die Urkunde. „Herzlichen Glückwunsch zum bestandenen Lehrgang“, lächelte sie erleichtert und gab mir zum Abschied sogar die Hand.

Im Wagen zog ich mein Handy hervor und wählte Bernds Nummer. Sekunden später meldete sich mein Freund auch schon. „Jonathan. Nett von dir zu hören. Meinen Glückwunsch zu der Aktion am Flughafen heute Vormittag. Das war gute Arbeit und diesmal gab es sogar keine Toten.“

Ich nickte. „Danke Bernd. Aber das war reiner Zufall. Dank Bingos Spürnase fiel mein Verdacht auf die drei Herren und als ich sie überprüfen wollte, zogen sie ihre Waffen. Das Sicherheitskonzept am Flughafen muss unbedingt überarbeitet werden.“

Bernd lachte leise. „Deswegen haben wir ja dich dorthin geschickt. Ich denke aber, du hast mich nicht angerufen, um mit mir darüber zu plaudern?“

„Nein, das weniger. Bist du noch eine Weile im Büro, ich muss kurz mit dir sprechen.“

„Ich bin im Studio. Lässt sich das nicht am Telefon klären? Geht es um den Mantrailing Lehrgang?“

„In gewisser Weise. Warte einfach auf mich. Ich muss dir auch etwas zeigen.“

„So geheimnisvoll? Du findest mich im Schießstand, Jonathan. Bis gleich.“ Er unterbrach das Gespräch und ich betrachtete zufrieden die Urkunde, die in einer Klarsichthülle steckte. Da sollte noch jemand behaupten, Jonathan Lärpers wäre kein Überflieger.

Bernd befand sich in der Waffenkammer neben dem Schießstand und überprüfte die dort lagernden Waffen. Ich wusste, dass er das regelmäßig machte, um sichergehen zu können, dass sie sich stets in einem einwandfreien Zustand befanden. Mein Freund reichte mir die Hand und umarmte mich kurz. „Das muss ja wichtig sein, wenn du nach Feierabend noch mit mir sprechen willst.“

„Ist es auch. Außerdem bin ich morgen früh ja wieder am Flughafen.“ Ich zog die Urkunde hervor und reichte sie ihm.

Band blickte auf das Papier, sah mich kurz an und überlegte. „Es hat Ärger gegeben, nicht wahr?“, schlussfolgerte er schließlich. „Der Lehrgang dauert doch eigentlich noch eine Weile, doch du hast schon nach zwei Tagen bestanden? Was war los, Jonathan.“ Er betrachtete das Zertifikat von allen Seiten. „Und erzähl mir keinen Scheiß. Zumindest scheint es sich hierbei nicht um eine Fälschung zu handeln.“

„Fälschung?“ Ich tat entrüstet. „Traust du mir wirklich zu, dass ich eine Urkunde fälschen würde?“

Bernd legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mir in die Augen. „Nein, natürlich nicht, Jonathan. Also, was ist schiefgelaufen?“

Ich seufzte. Ich würde schonungslos bei der Wahrheit bleiben müssen, denn Bernd besaß die Eigenschaft, mich zu durchschauen. Oder er war in der Lage Gedanken zu lesen, was aber auf das Gleiche herauskam. „Der Lehrgang war ein Witz“, erklärte ich. „Die Hundetrainerin scheint mir nicht wirklich für den Umgang mit Tieren geeignet zu sein und bei den Lehrgangsteilnehmern handelte es sich um eine bunt zusammengewürfelte Truppe von Hausfrauen, einem Rentner, sowie einem Jugendlichen, dessen Interesse mehr seinem Smartphone, als dem Unterricht galt. Allerdings bestand der theoretische Teil lediglich aus einem heruntergeleierten Monolog und anschließend erhielten wir die Informationen noch einmal als Fotokopien. Da habe ich in unserer Bibliothek oben bessere und umfangreichere Unterlagen gefunden.“

Ich machte eine kurze Pause und blickte auf Bingo, der sich von meinem Freund den Kopf kraulen ließ. Bernd nickte und bedeutete mir, fortzufahren.

„Das eigentliche Fiasko aber waren die Hunde. Kein einziger von denen zeigte auch nur das geringste Maß an Erziehung. Der Junge hatte einen Mops bei sich, bei dem Rentner bin ich mir nicht sicher, ob er seinen Husky mitgebracht hatte oder es vielleicht doch umgekehrt war und die drei Frauen traten allesamt mit Malteserhunden an. Tja und dann ...“

„Was dann?“, forschte Bernd und hielt mit dem Kraulen des Hundes inne.

„Dann kam der Praxisteil, bei dem uns die Hundetrainerin ernsthaft Befehle wie ‚Sitz‘ beibringen wollte, während die Hunde wie wild herumgetollt sind.“ Ich musste lächeln, als ich an den Mops dachte. „Lediglich der Mops von diesem Jungen lag die ganze Zeit ruhig im Gras und schlief. Der Husky hatte den Rentner an der Leine spazieren geführt und als die Trainerin, wenn ich sie überhaupt so nennen sollte, mich auch noch als Sündenbock auserkoren hatte, wurde es mir zu bunt.“

Jetzt blickte Bernd mich interessiert an und um seine Mundwinkel spielte ein Lächeln. „Und? Was ist dann passiert? Hast du die Hunde erschossen?“

Ich sah meinen Freund entsetzt an. „Natürlich nicht, Bernd.“

„Hätte ich auch nicht gedacht. Das war nur ein Witz, obwohl ... zuzutrauen wäre es dir ja.“

„Na danke. Nein, ich habe lediglich Bingo von der Leine gelassen und gebeten, ein wenig für Ordnung zu sorgen. Und das hat er dann auch gemacht. Als dann endlich alle schön ordentlich und ruhig vor der Hundetrainerin standen, war allerdings die Stunde auch schon wieder um.“

„Und dafür hast du das Zertifikat bekommen?“ Bernd blickte skeptisch auf Bingo und mich. „Das war alles?“

„Nun ja, eigentlich schon. Bingo knurrte lediglich ein wenig böse und alle, einschließlich dieser tollen Hundetrainerin, hatten Angst vor ihm. Und wohl auch vor mir“, fügte ich leise hinzu.

„Und um dich loszuwerden, überreichte sie dir dann das Zertifikat“, folgerte mein Freund und ich sah, dass er keine Spur böse auf mich war. „Du meinst also, diese Hundeschule sollte man nicht weiterempfehlen?“

„Auf keinen Fall. Zumindest nicht, wenn man Wert auf eine seriöse Ausbildung legt. Das Geld für den Lehrgang kann man sich sparen.“

Bernd nickte. „Okay. Aber wenigstens haben wir das Zertifikat. Das wird dem Oberstaatsanwalt Eberson mit Sicherheit genügen. Wie aber steht es mit euren tatsächlichen Kenntnissen? Glaubst du, Bingo wäre in der Lage, Menschen aufzuspüren? Und könntest du alle entsprechenden Schritte durchführen?“

„Ja. Bingo hat jetzt schon bei diesen Drogen gezeigt, dass er sein Handwerk versteht. Ich hatte geplant, mit ihm das Aufspüren von Menschen zu üben und zu sehen, wie er sich dabei anstellt. Ich muss nur noch jemanden finden, den der Malinois noch nicht kennt.“

„Gut, Jonathan. Das kann Frank übernehmen. Ich werde mit ihm sprechen, wie seine Auftragslage momentan ist und ob er nächste Woche vielleicht Zeit hat.“

„Frank Behrmann?“, fragte ich und mein Freund nickte. Bei Frank handelte es sich auch um einen der Adrenalinjunkies, die lieber für Bernd im Personenschutz arbeiteten, als dass sie ihrem ursprünglichen Beruf nachgingen. Frank Behrmann durfte sich Professor Dr. phil. nat. habil. nennen - was immer das auch heißen mochte - und hatte an der Universität Duisburg zum Professor für Elektrische Netze promoviert. Jetzt beschützte er allerdings lieber irgendwelche Prominenten oder jagte Verbrechern hinterher. Und verbat sich mit seinem komplizierten Titel angeredet zu werden. Ich freute mich schon darauf, den schlaksigen Mann mit den schulterlangen Haaren wiederzusehen.

„Super“, freute ich mich. „Das ist genau der richtige Partner für diese Mantrailingaufgabe.“

„Ich werde das arrangieren“, versprach Bernd. „Du kannst dann selber alles mit ihm besprechen. Aber achte darauf, dass Bingo bei dem Gespräch nicht anwesend ist.“

„Auf jeden Fall, du kannst dich auf mich verlassen.“

Wir verabschiedeten uns und ich bestätigte Bernd, dass ich morgen früh pünktlich am Flughafen sein würde. Immerhin wollte ich einige Änderungen für das Sicherheitskonzept mit Claire Rouyer besprechen.

In dem Moment, als Bingo und ich den Raum verlassen wollten, rief Bernd mich noch einmal zurück. „Noch etwas, Jonathan. Ich habe für morgen Vormittag ein Meeting mit Birgit und Christine angesetzt, bei dem es um einige neue Aufträge geht. Da aber jetzt dein Lehrgang fortfällt, werde ich den Termin auf morgen Nachmittag verlegen, so dass du auch dabei sein kannst. Das wäre mir ganz lieb, damit du auch auf dem Laufenden bist, falls du irgendwo einspringen musst.“

Ich nickte. „Gut, das wäre machbar, obwohl ich eigentlich den ganzen Tag am Flughafen bleiben wollte, falls das möglich wäre.“

Bernd schüttelte den Kopf. „Das geht leider nicht, Jonathan. Unsere Vereinbarung mit dem Flughafen sieht vor, dass du lediglich bis zum Mittag dort aushilfst. Die Zeit würde nicht vergütet werden und ich glaube auch nicht, dass die Sicherheitschefin es von ihrem eigenen Budget bezahlen würde. Die Mittel des Flughafens sind ohnehin sehr knapp bemessen. Außerdem steht jetzt fest, dass der Auftrag lediglich auf diese Woche beschränkt ist. Was immer du dort ändern willst, nutze die kurze Zeit, die dir bleibt. Und sei morgen bitte pünktlich um fünfzehn Uhr im Planungsraum.“

Ein wenig enttäuscht hob ich verstehend die Hand. Jetzt, da der Job am Flughafen anfing Spaß zu machen, endete er auch schon wieder mit Ablauf dieser Woche.

Allerdings war mir auch klar, dass ich nicht jeden Tag dort irgendwelche Drogenschmuggler auffliegen lassen würde ...

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