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Das Schicksal der „URSULA SCHULTE"

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In der Emder Zeitung berichtete 1996 EZ-Mitarbeiter Gerd Redenius im Rahmen einer Serie über Ereignisse aus der Seefahrt über Begebenheiten, die sich mit Menschen verbinden, die in Emden ihre Heimat haben.

Hier: Das Schicksal der „URSULA SCHULTE".


Seit der 1967 erfolgten Ablieferung von der Lübecker Flender-Werft an die Reederei Schulte & Bruns war die URSULA SCHULTE fast zehn Jahre lang regelmäßiger Gast im Emder Hafen. Eingesetzt wurde der 252,5 Meter lange und 35,2 Meter breite Bulkcarrier überwiegend in der Erzfahrt von Brasilien, Liberia und Norwegen nach Emden, Rotterdam und Amsterdam. Nach dem Zusammenbruch von Schulte & Bruns lag das Schiff einige Zeit beschäftigungslos im Jarssumer Hafen, bevor es Ende 1977 von der Hamburger Reederei F. Laiesz wieder in Fahrt gebracht wurde. Das Schiff wurde in „PROTEKTOR“ umbenannt. 1982 nach Panama ausgeflaggt, kehrte es drei Jahre später unter Laiesz-Regie und deutscher Flagge zurück und wurde schließlich an die in Singapur ansässige Alfred C. Töpfer-Schifffahrtsgesellschaft veräußert. Seit 1989 fuhr die frühere URSULA SCHULTE mit einer asiatischen Crew unter der Billigflagge Singapurs für die Wallem Shipmanagement Ltd. In Hongkong.

Als 33 Männer ihr Seemannsgrab fanden

Vor fünf Jahren, am 14. Januar 1991, elektrisierte eine Schreckensmeldung Emder Schifffahrtskreise und Seeleute aus dem gesamten ostfriesischen Raum: Der Massengutfrachter PROTEKTOR - die ehemalige URSULA SCHULTE der Emder Reederei Schulte & Bruns - wird im Nordatlantik vermisst! Eine groß angelegte Suchaktion unter Leitung der kanadischen Küstenwache wird gestartet, nachdem der Kapitän des unter Singapur-Flagge fahrenden Bulkcarriers nach einem Wassereinbruch im Schiff einen Notruf abgesetzt hatte. Danach riss die Funkverbindung ab.

Schwerer Orkan

Wie die kanadische Coastguard seinerzeit der Versicherungsgesellschaft Lloyd's in London mitteilte, tobte zum Zeitpunkt des Unglücks im Seegebiet östlich der kanadischen Insel Neufundland ein außergewöhnlich schwerer Orkan mit Winden, die in der Spitze Hurrikanstärke erreichten. Die mehrtägige intensive Suche nach Überlebenden des Schiffsunglücks, an der sich neben Suchflugzeugen der kanadischen Küstenwache auch US-Flugzeuge und mehr als ein Dutzend Handelsschiffe beteiligten, blieb erfolglos.

Von den 33 Besatzungsmitgliedern der PROTEKTOR fehlte jede Spur. Im Verlauf der mehrtägigen Suchaktion wurde lediglich ein Rettungsboot gesichtet, das jedoch wegen extrem hohen Wellengangs und dichten Schneetreibens nicht identifiziert werden konnte.

Zum Zeitpunkt des Unglücks befand sich die frühere URSULA SCHULTE mit rund 80.000 Tonnen Eisenerz beladen auf dem Weg von dem an der St. Lorenz-Mündung gelegenen kanadischen Erzverladehafen Port Cartier via Ärmelkanal nach Schweden. Anzunehmen ist, dass der 252 Meter lange Frachter rund 220 Seemeilen südöstlich von Cape Race (Neufundland) gesunken ist. 33 Seeleute fanden dort im sturmgepeitschten Nordatlantik ihr Seemannsgrab.

Unweit der Stelle, wo die PROTEKTOR auf dem Meeresboden liegt, ereignete sich im Jahre 1912 eine Schiffskatastrophe, die bis auf den heutigen Tag unvergessen ist: Auf seiner Jungfernreise von Southampton nach New York kollidierte der englische Passagierdampfer „TITANIC“ (46.000 BRT) mit einem Eisberg und riss 1.517 Menschen mit in die Tiefe.

Mit dem Verlust der URSULA SCHULTE wurden auch Erinnerungen wach an eine dritte Schiffstragödie, die sich 1952, zwei Tage vor Weihnachten, ebenfalls im berüchtigten Nordatlantik ereignete. Damals war der kurz zuvor von den Rheinstahl Nordseewerken gebaute und ebenfalls in Emden beheimatete Frachter „MELANIE SCHULTE“ unweit der Hebriden den Naturgewalten zum Opfer gefallen. 33 Seeleute blieben damals auf See.

Die Nachricht vom Totalverlust der URULA SCHULTE wurde seinerzeit im gesamten ostfriesischen Raum mit großer Bestürzung und tiefer Anteilnahme aufgenommen. Insbesondere für die ehemaligen Besatzungsmitglieder des Schiffes war der Untergang unerklärlich, zumal der Frachter auch als PROTEKOR unter der Billigflagge Singapurs weiterhin den Sicherheitsbestimmungen des Germanischen Lloyds unterlag.

Ein einziges Rätsel

„Nur die Verkettung unglücklicher Umstände kann zum Untergang des Schiffes geführt haben“, mutmaßte seinerzeit der frühere Kapitän der URSULA SCHULTE, Arnold Buss aus Warsingsfehn, in einer ersten Stellungnahme. Auch fünf Jahre danach bleibt der Totalverlust des Massengutfrachters für den inzwischen pensionierten Fehntjer Kapitän ein „einziges Rätsel“, zumal die Seetüchtigkeit des 80.000-Tonners zu keiner Zeit ein Thema gewesen sei.

Auf der URSULA SCHULTE war Arnold Buss Kapitän


Pensionierter Seefahrer lebt heute in Warsingsfehn.

Arnold Buss, Jahrgang 1922, entstammt einer alten Seefahrerfamilie. Mit 14 Jahren hatte er zum ersten Mal Schiffsplanken unter den Füßen. Auf der in Warsingsfehn beheimateten Tjalk „ANNA“ arbeitete er sich im Laufe seiner vierjährigen Fahrzeit vom Schiffsjungen zum Matrosen empor. Nach Abschluss der Steuermannsschule in Leer landete der frischgebackene nautische Offizier von der Marine dienstverpflichtet im April 1945 auf der legendären „KAP ARKONA“. Mit Flüchtlingen und verwundeten Soldaten überfüllt, absolvierte das Schiff mehrere Reisen von Gotenhafen und Hela nach Kopenhagen, bevor es Ende April 1945 wegen Brennstoffmangels in der Neustädter Bucht vor Anker gehen musste. Anfang Mai dann wurde das Hamburg-Süd-Schiff von britischen Bombern zerstört. Von den rund 7.000 an Bord befindlichen KZ-Häftlingen verloren die meisten ihr Leben. Von 1950 bis 1953 war Arnold Buss als 3. und später als 2 Offizier auf dem unter schwedischer Flagge fahrenden Torrydecker „VINDÖ“ der Stockholmer Reederei Rex Bolaget beschäftigt: 1956 machte er sein Kapitänspatent auf der Seefahrtschule Leer.

Von Februar 1954 bis zum Zusammenbruch der Reederei Ende 1977 fuhr der Fehntjer Kapitän auf verschiedenen Frachtern der Emder Reederei Schulte & Bruns, davon fast drei Jahre als Kapitän auf dem im Atlantik vor der Küste Kanadas verschollenen Massengutfrachter URSULA SCHULTE. Arnold Buss lebt heute als Pensionär in Warsingsfehn.


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