Читать книгу Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre ….. Band 3 - Jörn Kolder - Страница 3

Planungen

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Frieder Bergmann hockte in seinem Büro vor dem Computer und googelte seit geraumer Zeit „Hausbooturlaub“. Er hatte seiner Büroleiterin mitgeteilt, dass er absolute Ruhe für die Ausarbeitung eines neuen Strukturkonzeptes benötigen würde und jegliche Störung zu unterbleiben hätte, schließlich stünde eine enorme Denkarbeit vor ihm, in zwei bis drei Stunden wäre er dann wieder zu sprechen. Frau Ludwig war genau die richtige Person für sein Vorzimmer, denn sie tat alles Notwendige, um Bergmanns Wünsche zu erfüllen und so war er sich absolut sicher, dass nicht einmal ein Anruf der Bundeskanzlerin zu ihm durchgestellt werden würde. Er hatte auch festgelegt, dass weder sie noch ein anderer sein Büro ohne vorherige telefonische Voranmeldung betreten dürfte, man müsse ja bedenken, dass er äußerst vertrauliche Unterlagen bearbeite. Bei der Einrichtung seines Arbeitsraumes hatte Frieder Bergmann im vorigen Jahr vollkommen freie Hand gehabt und die üppige Fläche in ein durchaus wohnliches Zimmer verwandelt.

Zuallererst war es ihm wichtig gewesen seinen Schreibtisch mit dem Computer so zu platzieren, dass er den Blick ungestört auf die Tür richten konnte und ihm niemand über die Schulter und somit auf seinen Monitor blicken könnte. Das entsprang damals der Überlegung, dass er nach einer gewissen Einarbeitungszeit womöglich viel freie Zeit zur Verfügung haben würde und er sich demzufolge öfter mal im Internet tummeln könnte, überrascht werden wollte er natürlich nicht. Sein Arbeitsplatz befand sich ergonomisch perfekt parallel zur Fensterfläche, so dass sich Bergmann an einem optimal beleuchteten Display erfreuen konnte und keinerlei Blendungen auftraten. Selbstredend hatte er dem IT-Verantwortlichen auf den Zahn gefühlt und sich scheinbar wissbegierig über den Datenschutz des Amtes erkundigt und dabei erfahren, dass die Adressen der besuchten Webseiten auf den Servern eine Weile archiviert würden. Das passiere aber keineswegs mit dem Hintergrund einer Überwachung der Mitarbeiter sondern sei allgemein so üblich. Erst wenn ein begründeter Verdacht des Missbrauchs des Internets vorliegen sollte könnte man darauf zurückgreifen. Bergmann beschloss, einen Testballon steigen zu lassen.

„Also mal angenommen, ich surfe auf einer Pornoseite, dann haben Sie mich doch bestimmt am Schlafittchen“ fragte er den Mann nervös lachend.

„Natürlich, der Server filtert die besuchten Seiten nach bestimmten Begriffen. Wenn Sie zum Beispiel, nun …..“

„Zieren Sie sich nicht, wir sind doch erwachsene Menschen“ ermunterte Bergmann den Mann.

„Nun, wenn Sie „Ficken“ oder „Bumsen“ oder so was in der Richtung eingeben sehe ich das natürlich, wenn Sie aber „Autopflege“ oder „Urlaub“ aufrufen ist das nicht relevant und die IP Adresse wird lediglich kurzzeitig archiviert.“

„Ich verstehe das jetzt so“ fragte Frieder Bergmann scheinbar naiv „ich bin mal angenommen Taubenzüchter und sehe mir auf Arbeit diverse Seiten zu diesem Thema an. Da ich ganz verrückt nach Informationen bin verbringe ich Stunden im Netz, kann ich dann auffliegen?“

„Eigentlich nicht, durch die Filterung geht das im allgemeinen Datenrauschen unter und keiner bekommt etwas mit. Nur die verfänglichen Begriffe sind gefährlich.“

„Das heißt also, wenn keiner der Mitarbeiter oder der Vorgesetzten etwas mitbekommt ist die Sache sicher?“

„Genau.“

Frieder Bergmann legte sein Gesicht in Falten und mimte den Nachdenklichen.

„Kann man das nicht anders handhaben, ich meine, besser und tiefer überwachen?“

„Technisch schon, aber dem steht der Datenschutz entgegen.“

„Und Sie schauen ab und an mal auf die besuchten Adressen und wer sich dort rumgetrieben hat?“

„Darf ich nicht“ sagte der IT Mann „wie gesagt nur bei Vorliegen eines Verdachtsfalls.“

„Also ich muss sagen, das gefällt mir nicht“ bemerkte Frieder Bergmann stirnrunzelnd und scheinbar empört „es kann doch nicht sein, dass sich jemand statt seinen Aufgaben nachzugehen stundenlang irgendwelche Sachen im Internet ansieht. Da lass‘ ich mir was einfallen.“

„Das wird nicht einfach werden“ meinte der IT Mann „der Betriebsrat hat da auch ein Wörtchen mitzureden und schließlich gilt immer die Unschuldsvermutung. Ich denke, dass wir mit der jetzigen Regelung gut fahren und ich kann mir schließlich nicht den ganzen Tag über die Mühe einer unbegründeten Überwachung machen, komme so schon kaum über die Runden hier alles am Laufen zu halten. Die Seiten die Sie aufrufen werden übrigens nicht registriert, schließlich sind Sie ja der Amtsleiter und bei dem Stress den Sie haben ist dem Betriebsrat bewusst gewesen, dass Sie möglicherweise schnell mal was nachsehen oder erledigen müssen. Übrigens, ein mich unterstützender Mitarbeiter wäre nicht schlecht.“

„Tut mir leid, mein lieber Herr Richter“ antwortete Frieder Bergmann offensichtlich bedrückt „das Budget, Sie verstehen sicher. Ich würde Ihnen liebend gern helfen aber selbst mir sind die Hände gebunden. Aber ich schätze Ihre Einsatzbereitschaft sehr, haben Sie vielen Dank für Ihr Engagement. Vielleicht ist irgendwann mal eine Prämie drin.“

Der Mann strahlte, er drückte Frieder Bergmann die Hand und verließ den Raum.

Bergmann hatte genug erfahren, es gab für ihn also einen Freibrief der unbegrenzten Internetnutzung.

Bei der Einrichtung des Dienstzimmers hatte Geld keine Rolle gespielt und die teure Schrankwand und die edle Sitzgruppe sahen sehr repräsentativ aus. Ein ziemlich großer Fernseher hing an der Wand, er befand sich in idealer Blickrichtung von der Ledercouch aus in der Frieder Bergmann öfter Platz nahm.

„Wer als Funktionsträger nicht auf dem Laufenden bleibt bekommt schnell ein Problem“ hatte er diese Ausstattung begründet und im Verlaufe der Zeit war er von der anfangs noch disziplinierten Begrenzung auf bestimmte Sendungen abgewichen, wenn ihm langweilig wurde schaute er sich jetzt schon einmal eine Tiersendung oder eine Talkshow an. Rechts von der Couch stand auf einen Sideboard ein Aquarium. Dieses war kein Wunsch Frieder Bergmanns gewesen sondern stammte aus dem Nachlass seines Vorgängers. Notgedrungen hatte er sich mit dem Glasbecken angefreundet und nach einiger Zeit fand er sogar Gefallen daran, die Zierfische zu beobachten. Dazu kam, dass ihm der vorherige Amtsleiter eine absolut funktionierende Behörde hinterlassen hatte (weswegen Frieder Bergmann das Aquarium an seinem Platz ließ), was Bergmann aufgrund des Durcheinanders in den verschiedenen Bereichen nicht für möglich gehalten hatte. Natürlich hatte er selbst Anteil an dieser positiven Entwicklung gehabt, denn kurz nach seinem Amtsantritt hatte er auf einer Mitarbeiterversammlung folgendes verkündet:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen,

natürlich kenne ich das Sprichwort „Neue Besen kehren gut“ aber Sie alle wissen, dass ich sozusagen ein Gewächs unseres Hauses bin. Ich bin hier groß geworden wenn man so sagen will und beziehe das nicht ausschließlich auf meine berufliche Entwicklung. Viele von Ihnen kenne und schätze ich seit Jahren und Sie haben alle mein Wort, dass es unter meiner Leitung zu einer Weiterentwicklung unserer Behörde kommen wird. Wir müssen effizienter werden, schneller, bürgernäher. Lassen Sie uns gemeinsam an diesen Zielen arbeiten. Das heißt auch, dass ich die strengen Hierarchien aufbrechen werde. Ja, ich meine mehr Eigenverantwortung in den Referaten. Warum soll ich als Amtsleiter alles reglementieren, wenn ich über solche hervorragenden Fachleute wie Sie verfüge die die Dinge allein klären können. Ich sehe meine Rolle als Strategieentwickler und Vordenker und dazu brauche ich Ihre Unterstützung. Geben Sie mir Zeit und Freiraum für die Entwicklung kreativer Ansätze, folgen Sie meinen Gedanken und setzen sie um. Dann wird uns alles gelingen!“

Nachdem der tosende Beifall abgeebbt war fuhr Bergmann fort:

„Als Sofortmaßnahme lege ich fest, dass der lange Behördenöffnungstag am Donnerstag abgeschafft wird. Diesen Anachronismus habe ich auf den Prüfstand gestellt und bin zu der Auffassung gelangt, dass wir andere Wege gehen müssen. Ich habe ein Arbeitszeitmodell entworfen das vorsieht, dass Sie Ihre Arbeitszeiten flexibel gestalten können, Stunden ansparen, Stunden verbrauchen können, je nach Bedarf. Als Kernarbeitszeit habe ich für den Publikumsverkehr 10 bis 17 Uhr am Dienstag und Mittwoch festgelegt, alles andere kann flexibel gestaltet werden. Wir werden die ersten sein, die die Behördenarbeit auf elektronischem Wege so rationalisieren, dass die Bürger immer weniger zu uns kommen müssen. Ich bin bereits in Verhandlungen mit einem renommierten Softwareanbieter und dessen Produkte werden Ihre Arbeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, erheblich vereinfachen. Machen Sie mit bei der Modernisierung unseres Amtes, wir wollen die Nummer 1 in Deutschland werden! Für weitere Anregungen steht Ihnen mein Büro jederzeit offen, es sei denn, wichtige Arbeiten beschäftigen mich. Kommen Sie auf mich zu, ich bin für Sie da.“

Die Belegschaft erhob sich geschlossen und applaudierte heftig, Frieder Bergmann schritt durch die Reihen und grüßte jovial nach links und rechts, wenn er ein bekanntes Gesicht erblickte drückte er der Frau oder dem Mann die Hand. Bergmann war sicher, dass er seine Leute soweit motiviert hatte, dass der Laden eigentlich von ganz allein und ohne größeres Zutun seinerseits laufen würde. Das bestätigte sich eindrucksvoll, denn die Berge der Unterschriftenmappen, die ihn bei seinem Amtsantritt bald erschlagen hatten, schrumpften spürbar. Entscheidungen fielen jetzt in den Referaten und Frieder Bergmann wachte – da er die Struktur und die Abläufe im Haus ja selbst gut kannte – nur noch sporadisch über den Gang der Dinge. Tatsächlich fühlten sich die Mitarbeiter ernst genommen und deren neue Arbeitsfreude strahlte auch auf die Begegnungen mit den Bürgern aus, erste begeisterte Leserbriefe in den städtischen Zeitungen las Bergmann mit Wohlgefallen. Er gab dieser positiven Entwicklung einen nochmaligen Schub indem er über seine Büroleiterin die Information streuen ließ, dass er sich zwar weit aus dem Fenster lehnen aber dennoch aus dem Budget des Amtes Geld für ein Mitarbeiterherbstfest zur Verfügung stellen würde. Das Konzept für die Veranstaltung erarbeitete er selbst und wollte seinen Leuten zeigen, dass er auf der einen Seite bodenständig, auf der anderen aber keineswegs ein staubtrockener und verknöcherter Beamter wäre, er würde sich an diesem Abend ausgesprochen locker geben. Das richtige Podium dafür wäre eine Lokalität die urige Küche bot und von irgendwelchem Mittelalterkram umrahmt wurde – also der bodenständige Part. Der Knaller des Abends sollte der Auftritt von zwei Stripteasetänzern und vier gut gebauten und minimalistisch bekleideten Kraftsportlern werden, schließlich sollten beide Geschlechter seiner Mitarbeiter etwas von der Sache haben.

Der Abend begann verheißungsvoll, denn Frieder Bergmanns Eröffnungsrede trug zur guten Stimmung erheblich bei, weil er charmant, witzig und humorvoll dienstliche Belange mit kleinen Anekdoten vermischte und viele Lacher produzierte. Genauso hatte er auftreten wollen: der fachlich hochqualifizierte Amtsleiter, der aber fest auf dem Boden und im Leben stand und dem nichts Menschliches fremd war. Natürlich war ihm klar, dass er sich an diesem Abend an den Tischen seiner Mitarbeiter blicken lassen musste und bald nach dem Essen pendelte er von Gruppe zu Gruppe. Das in der Gaststätte angebotene und in 1-Liter Humpen servierte Bier hatte sagenhafte 11,5 Prozent Alkoholgehalt und nachdem Frieder Bergmann schon zweimal von seinem Leuten eingeladen worden war verspürte er eine leichte Benommenheit. Auch die ihm wenig später angebotenen Schnäpse konnte er nicht ausschlagen, so dass er in relativ kurzer Zeit 2 Liter Bier und ungefähr 4 Schnäpse intus hatte. Beschwingt rauchte er vor der Gaststätte eine Zigarette und unterhielt seine Mitarbeiter mit schon unsicherer Zunge indem er jetzt Witze erzählte. Frau Hauswald aus dem Referat IV stand mit in der Runde und Bergmann richtete seine glasigen Augen verstärkt auf sie, denn die 30jährige Frau war eine Augenweide. Es war warm an diesem Herbstabend und Manja Hauswald trug einen kurzen Rock und eine weit ausgeschnittene Bluse (die einen üppigen Busen mehr schlecht als recht verbarg), blondes Haar fiel ihr wallend über die Schultern. Bergmann gab sich wie ein Gockel und brillierte mit treffsicheren Analysen zur Eurokrise, verwies auf seinen österreichischen Verdienstorden und behauptete einen Ruf aus dem Kanzleramt zu haben, man wolle ihn dort wohl im Stab der Bundeskanzlerin haben, aber er sei unentschlossen, denn mit den politischen Ränkespielen könne er wenig anfangen, lieber sei er eben direkt am Menschen (und starrte Manja Hauswald dabei beziehungsvoll an). Wieder an seinem Tisch ließ er sich noch ein Bier bringen und mit einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass in Kürze der Auftritt der Tänzerinnen stattfinden sollte. Bergmanns Tisch stand direkt vor der kleinen Bühne und erwartungsvoll drehte er seinen Stuhl in diese Richtung. Das Bühnenpodest hatte eine Abmessung von gut 5 Meter Breite und 3 Meter Tiefe, ein Stuhl stand in der Mitte, links und rechts waren Lautsprecherboxen und Scheinwerfer aufgebaut. Eine Minute vor der vereinbarten Zeit kam Musik vom Band, die Beleuchtung der Gaststätte wurde gedimmt und die Bühnenscheinwerfer gingen an. Zwei junge Frauen schlängelten sich zwischen den Tischen durch und betraten die Bühne, beide waren nur mit wenigen Sachen bekleidet, aufwendig geschminkt und besaßen – wie zu erwarten – sagenhafte Figuren. Die linke Brünette war recht klein und schlank, die rechte Blonde größer und auch wesentlich üppiger. Frieder Bergmann ließ seine Blicke zwischen den Frauen wandern, Mann, waren das scharfe Geräte! Als die Tänzerinnen begannen die ersten Kleidungsstücke abzuwerfen kochte die Stimmung unter den Männern hoch, noch verschämte Laute waren zu hören und als die beiden nur noch in Slip und BH dastanden rief ein Mutigerer von hinten: „Ausziehen!“. Frieder Bergmann konnte seine Augen nicht von den Frauen lassen, gleich mussten die letzten Hüllen fallen und er war gespannt auf das Aussehen der blanken Brüste. Die Frauen waren Profis genug die Spannung noch weiter zu steigern und als eine von ihnen den BH abnahm verdeckte sie die Brüste mit den Händen, die andere – die Blonde - behielt den BH an. Enttäuschte Stimmen wurden laut, Bergmann erhob sich leicht schwankend und machte beschwichtigende Zeichen in die Tiefe des Raumes hinein (er stand mit dem Rücken zur Bühne), im nächsten Moment wurde er von hinten gepackt und auf die Bühne gezogen.

Die Blonde drehte Bergmann den Rücken zu und raunte: „Los, mach das Ding schon auf.“ Frieder Bergmann öffnete den Verschluss nach einigen misslungenen Versuchen, dann zog die Frau den BH herunter und drückte ihn Bergmann in die Hand, sie selbst ließ jetzt den Blick auf ihre Brüste zu. Bergmann stand im gleißenden Scheinwerferlicht leicht schwankend und wie debil grinsend auf der Bühne, um seinen Leuten aber etwas zu bieten schwang er den BH wie ein Lasso um seinen Kopf und ließ ihn nach einigen Runden los, er verschwand im Raum. Irgendwo stürzten Gläser um, wahrscheinlich rangelten ein paar Männer um das Kleidungsstück. Die beiden nunmehr barbusigen Frauen drängten Bergmann auf den Stuhl und stellten sich links und rechts neben ihn, die Blonde ließ ihre großen Möpse direkt vor seiner Nase pendeln und die Brünette hielt ihm ihre Apfelbrüste ganz nah vor das Gesicht. In der Gaststätte herrschte jetzt ungeheurer Trubel, die Leute die weiter hinten saßen waren aufgestanden um besser sehen zu können.

„Anfassen“ brüllte ein angetrunkener Mann.

„Na los“ zischte die Blonde Frieder Bergmann zu „pack‘ zu, aber vorsichtig.“

Bergmann zog seine Hände nach oben und griff sich die vollen Brüste, da er aber durch den Alkohol enthemmt war und nicht sensibel genug vorging und die massigen Titten wohl zu kräftig knetete stieß ihn die Blonde unwirsch zurück und er kippte mitsamt dem Stuhl krachend um. Bergmann rappelte sich hoch und sah, dass die beiden Frauen noch einmal ihre Glocken schwingen ließen und dann von der Bühne verschwanden. Er selbst riss seine Hände hoch und winkte in die Menge, dann verzog er sich wieder an seinen Tisch und trank gierig aus seinem Bierhumpen. Langsam legte sich der Aufruhr im Lokal, die Leute unterhielten sich und warteten auf den nächsten Höhepunkt. Bergmann sah sich um, überall erkannte er fröhliche Gesichter, der Abend lief perfekt und mit seinem Bühnenauftritt hatte er bewiesen, dass er auch den schönen Dingen des Lebens aufgeschlossen gegenüber stand und nicht im Geringsten verklemmt war. Als er erneut durch die Reihen streifte erntete er anerkennende Blicke und Kommentare, auch musste er wieder Schnaps mittrinken.

Noch stand der Auftritt der Kraftsportler auf dem Programm und die Frauen kicherten, als vier kräftig gebaute Männer – nur mit Badehosen bekleidet – auf die Bühne kamen. Ohne lange zu zögern warfen sich die Männer in Posen und präsentierten ihre eindrucksvollen Muskeln, die schmachtenden Blicke der Frauen hingen an den eingeölten Körpern. Frieder Bergmann hatte es so eingerichtet, dass er wie zufällig jetzt am Tisch von Manja Hauswald in der Nähe der Bühne saß und mit seiner Mitarbeiterin plauderte. Das kostete ihn etwas Mühe, denn eigentlich war er schon fast so voll wie eine Haubitze und seine Aussprache war mittlerweile ziemlich undeutlich geworden. Dennoch hing Manja Baumann an seinen Lippen und Bergmann fühlte sich in seiner Mehrfachfunktion als Amtsleiter, verständnisvoller väterlicher Vorgesetzter und wagemutiger Entertainer sauwohl. Seine Gesprächspartnerin schielte aber immer öfter an ihm vorbei, denn die Männer zogen jetzt ihre Show ab indem sie die Muskeln ballten, sich gegenseitig emporhoben und andere Dinge veranstalteten. Einige offensichtlich stark angetrunkenen Mitarbeiterinnen von Bergmann hatten sich vor der Bühne postiert und riefen lautstark „die Hosen runter“ und andere Anzüglichkeiten, als einer der Männer so tat als wollte er aus der Hose steigen kreischten sie begeistert auf. Bergmann wusste genau, dass die Kraftsportler sich laut Vertrag (schließlich hatte er ihm für das Amt unterschrieben) natürlich nicht entblößen würden, aber die außer Rand und Band geratenen Frauen erklommen jetzt die Bühne und rückten den Kraftsportlern auf die Pelle. Für die wäre es ein Leichtes gewesen sich dem Ansturm mit Gewalt zu erwehren, aber sie konnten kaum auf die Frauen einprügeln sondern versuchten sie behutsam von der Bühne zu drängen. Die wild gewordenen Frauen ließen nicht locker und als eine einem der Kraftsportler kurzerhand in die Hose griff schubste er diese mit Schwung von sich weg. Da sich mittlerweile fast alle weiblichen Angestellten um einen Blick auf die Männer bemühten herrschte vor der Bühne ein unglaubliches Durcheinander und die zurückgeschubste Frau prallte auf die anderen Nachdrängenden. Sie ging zusammen mit zwei, drei anderen zu Boden und nun kam es zu chaotischen Zuständen an dieser Stelle, so dass sich Frieder Bergmann zum Eingreifen veranlasst sah. Schwankend erhob er sich und bewegte sich zur Bühne, dort versuchten die Kraftsportler sich Luft zu verschaffen und gingen notgedrungen rabiater gegen die Frauen vor. Um eine weitere Eskalation der Situation zu verhindern wollte Frieder Bergmann ein Machtwort sprechen, aber er kam nicht mehr dazu. Einer der Kraftsportler, an den sich bereits drei Frauen anklammerten, war jetzt so in Rage geraten, dass er wild mit seinen Armen herumfuchtelte und unglücklicherweise mit einer weit ausholenden Bewegung Frieder Bergmanns linkes Auge traf. Dieser verspürte (durch die Wirkung des Alkohols) momentan keinen Schmerz, wurde aber durch den Schlag nach hinten geschleudert und stürzte in die rechts auf der Bühne aufgebauten Lautsprecherboxen, nahm auch gleich noch sämtliche Scheinwerfer mit und schlug mit dem Hinterkopf polternd auf dem Bretterboden auf. Vollkommen panisch bahnten die Kraftsportler sich jetzt einen Weg durch die kreischende Menge und verschwanden aus der Gaststätte. Langsam löste sich das Menschenknäul auf und als der Blick auf die Bühne wieder frei war sah man den hingestreckten Frieder Bergmann dort liegen. Manja Baumann rannte zu ihm hin, dann rief sie:

„Einen Arzt, schnell!“

Die schnell eingetroffene Notärztin wedelte die Luft vor Frieder Bergmanns Mund zur Seite, dann sagte sie:

„Der hat einen harten Schädel, das sieht mir eher nach einer handfesten Alkoholvergiftung aus. Wir nehmen ihm mal lieber zur Beobachtung mit ins Krankenhaus.“

Frieder Bergmann erwachte mit einem Brummschädel und einem üblen Gefühl im Magen. Er konnte sich noch daran erinnern, dass er in der Gaststätte auf die Bühne ging, aber dann fehlte ihm die Erinnerung. Zweifellos lag er jetzt in einem Krankenhausbett, denn neben ihm erkannte er einen bandagierten Mann. Dieser starrte ihm direkt in die Augen und sagte giftig:

„Ich hätte dich umbringen können, erst hast du dich hier etliche Male ausgekotzt und dann geschnarcht wie verrückt. Ich hab‘ die ganze Nacht kein Auge zu gemacht!“

„Tut mir leid“ erwiderte Bergmann schwach „ich bin krank.“

„Besoffen bist du“ höhnte der andere „du warst voll wie tausend Ritter.“

Im nächsten Moment öffnete sich die Tür und eine Schar von weiß gekleideten Personen fiel in das Zimmer ein. Ein kleinerer korpulenter Mann baute sich vor dem Bett Frieder Bergmanns auf, ließ sich eine Kladde reichen und studierte etwas, die anderen Weißkittel hielten sich im Hintergrund. Als er den Blick wieder hob und Bergmann ansah lag Verachtung in seinen Augen.

„Der Anwärter auf den Thron des Spritkönigs“ sagte er sarkastisch und wandte sich seinem verschüchterten Fußvolk zu „die Werte stimmen?“

„Ja, Herr Chefarzt“ beeilte sich ein jüngerer Mann zu versichern „absolut.“

„3,87 Promille, so was hatten wir noch nicht“ sagte der Chefarzt und fragte Frieder Bergmann „schon mal beim Psychologen gewesen?“

„Wieso“ antwortete Bergmann vorsichtig.

„Weil Ihr Trinkverhalten auf eine psychische Störung hindeutet.“

„Wir hatten eine Betriebsfeier.“

„So, und das bedeutet hoch die Tassen? Was sagen denn Ihre Vorgesetzten dazu?“

„Ich bin der Amtsleiter.“

„Noch besser, Sie sind ja ein schönes Vorbild für Ihre Leute.“

„So was ist mir noch nie passiert“ sagte Frieder Bergmann kläglich „ich bin dauernd zum Trinken eingeladen worden.“

„Und da kann man nicht nein sagen“ höhnte der Chefarzt „als Vorgesetzter sollten Sie wohl genug Charakterstärke dafür haben. Wird heute Mittag entlassen“ legte er fest „kein Verdacht auf Gehirnerschütterung, seinen Kater soll er zu Hause auskurieren.“

Der Mann neben Bergmann wurde schnell abgefertigt, dann verließen die Leute das Zimmer.

„Au Backe, der war aber stinkig“ meinte Bergmanns Nachbar „und was war mit der Gehirnerschütterung?“

„Mir hat einer einen Schlag aufs Auge verpasst, das sieht man doch wohl. Und dann bin ich auf den Boden gestürzt. Die Übelkeit muss von der Gehirnerschütterung kommen!“

Es klopfte, dann öffnete sich die Tür und der Personalrat Naumann (der Frieder Bergmann den Kauf des Jaguars empfohlen hatte), Manja Naumann und seine Büroleiterin Christa Ludwig traten ein. Naumann wickelte Blumen aus dem Einschlagpapier und sagte:

„Lieber Herr Bergmann, ich soll Ihnen die besten Genesungswünsche der Belegschaft überbringen. Alle sind begeistert, wie Sie sich für Ihre Mitarbeiterinnen in die Bresche geworfen haben. Es ist einfach unglaublich wie diese Kraftsportrüpel mit Ihnen umgegangen sind, sollen wir eine Klage gegen diese miesen Typen anstrengen?“

„Nein, lassen Sie nur“ erwiderte Bergmann „ich will die Sache nicht an die große Glocke hängen, ich kann heute noch nach Hause.“

„Sie wissen gar nicht was Ihnen Ihr beherztes Auftreten für Sympathien eingebracht hat“ schwärmte Manja Baumann „Sie haben sich wie ein echter Kerl verhalten (sie errötete), also ich meine wie eine Führungspersönlichkeit.“

„Nun, ich konnte halt nicht anders“ antwortete Bergmann geschmeichelt „und morgen bin ich wieder im Dienst, die Pflicht ruft.“

„Kommt nicht in Frage“ sagte Frau Ludwig „Sie müssen sich erst auskurieren, ich habe in Ihrem Kalender nachgeschaut, Sie haben keinen einzigen Termin in den nächsten Tagen.“

„Das sehe ich auch so“ fuhr Personalrat Naumann fort „Sie sind als Spiritus Rektor so extrem wichtig für unsere Behörde, dass Sie unbedingt erst wieder in Form sein müssen.“

„Na gut, dann komme ich in 3 Tagen wieder“ schlug Bergmann vor.

„Und wenn es 10 werden, das spielt keine Rolle. Es ist einstimmiger Wille der Mitarbeiter, die Lücke die Sie jetzt hinterlassen, mit besonderem Einsatz zu schließen“ versprach Manja Baumann.

„Ich danke Ihnen vielmals“ presste Frieder Bergmann gerührt heraus „ich bin doch noch ganz schön angeschlagen wie ich gerade merke. Ich melde mich, wenn ich wieder dienstfähig bin.“

Als seine Besucher das Zimmer verlassen hatten sah in sein Bettnachbar freudig an.

„Du bist der Bergmann vom Amt 3, der Chef?“

„Hm, ja.“

„Weißt du, ich war vorige Woche dort und bin ganz hervorragend behandelt worden, wie ein wichtiger Kunde. Vor einem Jahr ging es dort noch ganz anders zu. Bist du für diese Änderungen verantwortlich?“

„Ja.“

„Und deine Leute scheinen dich ja richtig zu mögen, du bist wohl n richtig gutes Vorbild?“

„Scheint so.“

„Weil du so viel arbeitest, dich niemals schonst?“

„Genau.“

Nach einer Woche zu Hause betrat Frieder Bergmann wieder seine Behörde und die Mitarbeiter standen geschlossen im Foyer, um ihn zu begrüßen.

„Haben Sie vielen Dank für diesen Empfang“ sagte er „aber bitte halten Sie mich nicht länger auf, bei mir muss extrem viel Arbeit liegengeblieben sein. Ich werde mich jetzt erst einmal durch diese Unmengen an Akten durcharbeiten.“

Er ging in sein Büro.

„Nein, mehr ist es nicht“ erklärte seine Büroleiterin dem verdutzten Bergmann und schaute auf eine Unterschriftsmappe „Ihre Strukturänderungen zeigen Wirkung, die Referate handeln jetzt selbstständig. Das ist doch gut so, da haben Sie den Kopf frei für weitere Vorschläge und ich werde Ihnen natürlich den Rücken freihalten.“

Frieder Bergmann zeichnete 2 Vorlagen ab, dann recherchierte er weiter, wie die Sache mit dem Hausboot ablaufen könnte.

Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre ….. Band 3

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