Читать книгу Der Mustang unterm Himbeerbusch - Julia Meumann - Страница 11

..•. Los geht` s! .•..

Оглавление

Unten angekommen stürmte Naseweis aus dem Aufzug. Die kleinen Hufe rutschten auf den glatten Fliesen und Neda fluchte leise, als sie Inga entdeckte. Gerade noch rechtzeitig konnte sie Naseweis hinter die Briefkästen lenken.

„Inga!“, zischte sie leise. Inga, ihre verhasste Nachbarin und Babysitterin mit der Stinktierfrisur und den pink lackierten Klauen-Fingernägeln. In die dunklen Haare färbte sie sich immer eine weißblonde Strähne und band sie dann hinten zu einem strengen Zopf zusammen. Das erinnerte Neda an ein Stinktier, was auch nur zu gut zu der dicken Parfümwolke passte, die Inga ständig hinter sich herzog.

Ingas Absätze klackerten laut, als sie an ihnen vorüber stöckelte und im Aufzug verschwand. Eilig huschten sie zur Tür hinaus. Naseweis schnaubte mehrmals kräftig und schüttelte empört die lange Mähne.

„Ja, ich weiß Naseweis, der Gestank ist schrecklich!“, sie klopfte ihm den Hals und rückte den Rucksack zurück auf ihre Schultern.

Die flache Hand über den Augen blinzelte Neda gegen die Sonne und rief:

„Na, dann los, Naseweis! Hier draußen riecht die Luft nach Sommer und nach Abenteuer und ich habe ein eigenes Pferd!“ Sie konnte ihr Glück kaum fassen.

„Schmetterlinge und Blumen will ich seh'n!“ Neda schnalzte mit der Zunge und das schwarze Pferdchen trabte los.

Lange hielten sie sich noch im Schatten der hohen Himbeersträucher und Neda wurde das Gefühl nicht los, dass Naseweis ein ganz bestimmtes Ziel verfolgte. Im Zickzack trabten sie quer durch die halbe Stadt, vorbei an parkenden Autos, über Hinterhöfe, durch Blumenbeete und Ginsterbüsche.

Bis eine breite, mehrspurige Straße ihren Weg kreuzte. Autos hupten, Fußgänger wechselten geschäftig die Seiten und Neda flüsterte: „Was jetzt? Wie kommen wir da rüber, ohne dass uns jemand sieht? So kleine Leute wie uns sperren die sofort in den Zoo oder in einen Hasenkäfig!“

Doch Naseweis schnaubte nur, wieherte und schüttelte die Mähne. Dann trabte er weiter und verschwand samt der staunenden Neda in einem grauen Betonrohr, das versteckt hinter Ranken und Unkraut, direkt unter der Straße hindurchführte. Es wurde dunkel um sie herum und die Luft roch feucht und modrig. Die kleinen Hufe hallten laut in der hohlen Röhre und Neda legte sich ganz flach auf den warmen Pferderücken. Hin und wieder tropfte Wasser von der Decke, direkt in ihren Kragen oder auf ihren Kopf.

„Iiii-brrr, wie ungemütlich das hier ist!“ Neda fror in ihrem kurzärmeligen Shirt und mit den nackten Füßen. Der Gang schien kein Ende zu nehmen. Aber Naseweis trabte und trabte. Er wusste genau, was er tat.

Immer weiter trabte er, bis ihnen ein so wundervoll duftender Hauch entgegen wehte, dass Neda vor Entzücken laut aufseufzte.

Geblendet vom Licht, spuckte das Rohr sie mitten auf die wunderschönste Blumenwiese aller Blumenwiesen.

„Zuckerhagel und Windbeutel! Naseweis, das ist so wundervoll – wie toll!“ Rot, gelb, blau, rosa, lila, weiß, gefleckt, gepunktet, getupft, fransig, glatt, rund und gekringelt reckten sich die Blüten zwischen den grünen Halmen. Es duftete so warm nach Sommer, nach Heu und nach Blüten.

Naseweis wieherte und machte vor Freude und Übermut einen so großen Satz, dass seine Freundin fast hinten über geflogen wäre. In letzter Sekunde bekam sie noch die lange Mähne zu fassen, da galoppierte er schon los. Quer über die ganze Wiese.

„Hey, Naseweis!“ Die Schmetterlinge flatterten entsetzt zu den Seiten auf. Neda klammerte sich ganz dicht auf seinen Rücken. Sie duckte sich und machte sich so klein, sie nur konnte, um nicht heruntergeweht zu werden. Immer schneller galoppierte Naseweis, mit hoch erhobenem Kopf und wehendem Schweif. Neda spürte, wie er jeden einzelnen Muskel spannte wie einen Flitzebogen und die Gräser und Blüten zischten, und rauschten nur so an ihnen vorüber.

Erst als die Wiese sich lichtete und schließlich an einem von großen Rädern ausgefahrenen Feldweg endete, da wurde Naseweis wieder langsamer. Unruhig hob er den Kopf und wieherte schrill. Nervös tänzelte er auf der Stelle, rannte vor und zurück und riss den Kopf immer wieder hoch in die Luft. Schließlich stoppte er so abrupt, dass Neda mitten auf seinem Hals landete.

Aufgebracht scharrte er mit den Hufen. Neda ließ sich von seinem Rücken rutschen. Mit wackeligen Beinen landete sie in der Staubwolke, die er bereits aufgewirbelt hatte.

Es war also nicht nur ein kurzer Ausflug mit Picknick, den sie hier machten. Das hatte sie sich schon fast gedacht. Naseweis hatte sie genau hier hergeführt. – Aber wieso? – Und warum hatte er plötzlich so eine fürchterliche Angst?

Sie hustete, schob Naseweis zur Seite und untersuchte den Boden. Dann pfiff sie leise durch die Zähne. „Zuckerhagel und Windbeutel! Naseweis, das ist unglaublich! – So viele kleine Hufspuren!“

Der Boden war übersät mit kleinen Abdrücken. Neda blickte hoch in die angstvoll geweiteten, dunklen Pferdeaugen und dann wieder auf das Durcheinander von kleinen Hufen, die sich klar und deutlich auf dem ausgedörrten Lehmboden abzeichneten.

„Die kleinen Pferde müssen kreuz und quer – wild durcheinandergelaufen sein, in kopfloser Panik ...“ Neda erschrak.

„Fast so, als hätte es einen Kampf gegeben.“ Jemand hatte Jagd auf sie gemacht.

Der Mustang unterm Himbeerbusch

Подняться наверх