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• ≈ Edi und
Inga ≈ •

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Leise steckte Neda den Schlüssel ins Schloss. Ihren großen Bruder Edin wollte sie lieber nicht aufscheuchen.

Edin hatte immer nur Gemeinheiten im Kopf. Wenn er nicht gerade ihre Puppen verunstaltete oder ihr Salz in den Kakao streute, dann schüttete er Juckpulver in ihr Bett oder versteckte Reißzwecken zwischen ihren Socken. Eigentlich wurde er von allen nur Edi genannt und Neda machte für gewöhnlich einen großen Bogen um ihn.

KLACK, schnackte das Schloss und die Tür sprang auf. Erleichtert trabte Naseweis in die Wohnung hinein und rettete sich auf den weichen Teppichboden. Neda zog die Tür hinter sich zu und schob das Pferdchen hastig den Flur entlang bis in ihr Zimmer.

Sie hatten es schon fast geschafft, als Edis Stimme hinter ihnen krächzte:

„Hey, Streuner, wieso schleichst 'n so? Schlechtes Gewissen, oder was?“ Neugierig verrenkte er sich den Hals und brummte:

„Auf dem Tisch liegt 'n Zettel von Mama. Du sollst zu Inga. Und im Kühlschrank sind Würstchen.“

Neda schnaubte: „Tiere ess' ich nicht! Dann doch lieber blöde Brüder oder so nervige Nachbarinnen wie Inga, zu denen man geschickt wird, obwohl man es überhaupt nicht will!“ Wütend stampfte sie mit dem Fuß.

„Außerdem brauch ich keinen Babysitter mehr! Ich bin schon fast neun Jahre alt! – und nenn mich nicht Streuner! Ich heiße Neeedaaa!“ Dann schlug sie ihrem Bruder die Tür vor der Nase zu.

„Streuner, Besen, Zickenstreuner ...“, hörte sie Edi von draußen rufen und drehte schnell noch den Schlüssel im Schloss.

Seit sie sich ihre langen, braunen Haare mit der Papierschere abgeschnitten hatte, sagte ihr Bruder nur noch Streuner zu ihr. Als würde es nicht schon reichen, dass sie sich deswegen ständig in der Schule prügeln musste.

Sie hasste es, wenn sich jemand über ihre Haare lustig machte oder sie wegen ihrer Sommersprossen oder wegen ihres großen Mundes ärgerte. Dabei war es wirklich sehr praktisch, einen so großen Mund zu haben!

Beim Schokokuss-Wettessen zum Beispiel war sie die Einzige, die einen Schokokuss komplett mit einem Bissen verschlingen konnte. Doch was nützte ihr das?

Sie schmiss ihre Schulmappe in die Ecke und versetzte ihr einen kräftigen Tritt.

„Verflucht!“ Jetzt würde sie die ganzen Sommerferien mit Edi und Inga verbringen. Und alles nur, weil ihre Mutter mal wieder arbeiten musste und ihr Vater einfach nicht mehr zurückkam, von da her, wo der Pfeffer wächst.

Ständig hatten ihre Eltern sich gestritten. Mal ging es um Geld, dann um Socken, um Butter oder um Toilettenpapier.

Und dann, ganz plötzlich, war ihr Vater einfach verschwunden. Auch seine ganzen Klamotten, die Zahnbürste, der Rasierschaum und die riesigen Turnschuhe, die so groß waren, dass sie kaum in den Schuhschrank gepasst hatten. All das war weg und das, was nicht weg war, hatte ihre Mutter einfach unten neben die Mülltonnen gestellt und behauptet es würde jetzt dorthin gebracht, wo der Pfeffer wächst. Dorthin wo ihr Vater jetzt war.

Irgendwann besuch' ich ihn da, überlegte Neda. Ich mag Pfeffer, auch wenn ich davon immer niesen muss.

Doch wo war jetzt Naseweis? „Naseweis?“ Neda sah sich im ganzen Zimmer um. Da entdeckte sie ihn endlich. Er stand unter ihrem Schreibtisch und versuchte, eine kleine Fliege von seiner Pobacke zu verscheuchen. Die blauen Vorhänge flatterten, der kleine Mustang scheute und streifte den prall gefüllten Papierkorb.

Wie-hie-hie-her, wieherte er erschrocken und schlug ängstlich mit den Hinterbeinen aus. Papierknäule, Locherkonfettis und ein Klebestift flogen hoch durch die Luft.

Neda seufzte. Sie kniete sich hin und hielt ihm ihre ausgestreckte Hand entgegen. „Hooo, alles gut, mein Kleiner. Komm her, komm her zu mir.“

Naseweis schnaubte, dann beschnupperte er sie von Kopf bis Fuß. Seine dünnen, fast durchsichtigen Barthaare kitzelten sie am Ohr und an der Wange. „Hey, das kitzelt!“, kicherte sie.

„Komisch, du riechst so süßlich ... nach Himbeeren! Ja genau, deswegen warst du unter den Sträuchern, du hast Himbeeren gegessen!“ Naseweis schmatzte leise vor sich hin, bei dem Gedanken an die süßen Beeren.

„Ach, du bist bestimmt sehr hungrig.“ Vorsichtig strich sie ihm über den kleinen Kopf. Dann fiel ihr etwas ein. „Warte kurz!" Sie durchwühlte ihre Schulmappe, bis sie einen halb verschrumpelten Apfel herauszog.

„Na bitte! Hier Naseweis, der ist genau richtig für dich.“

Gierig biss er sich durch den runzeligen Apfel und kaute und schmatzte. Der Saft spritzte zu allen Seiten. Neda musste den Apfel ganz fest halten, damit er ihr nicht aus der Hand gerissen wurde.

„Ja, du hast wirklich Hunger.“

Sie strich ihm die Mähne zur Seite und kraulte seine kleine Stirn an der Stelle, an der das Fell sich einmal im Kreis drehte. „Und dein Fell ist so unglaublich schwarz. Nachts bist du bestimmt ganz und gar unsichtbar.“

Sie lächelte, „außer der weißen Sprosse auf deiner Nase natürlich.“ Naseweis nickte, schnaubte und fraß sich weiter gierig durch den Apfel.

Der Mustang unterm Himbeerbusch

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