Читать книгу Mond über Beton - Julia Rothenburg - Страница 14
ОглавлениеMeine Geschichte hat zwei Väter.
Meine Väter: zwei weiße Männer. Saßen nachts in einem Zimmer, saßen tags in einem Zimmer, zwei Freunde vielleicht, es spielt keine Rolle. Wer gemeinsam so ein Kind zeugt, ist bald schon nicht mehr befreundet.
Ich war ein Wunschkind. Die Zeitungen schreiben heute etwas anderes, schreiben, ich sei schon hässlich zur Welt gekommen, oder tot, meine Väter: zwei Männer, die mit Bauklötzen spielten wie stumpfsinnige Kinder, die ihre Allmachtsfantasien in Papier gossen und dann in Beton, die sich dachten, sie wüssten, wie man Häuser schafft. Wie Menschen leben.
Aber zu Beginn: Man wollte mich, man lobte mich, man liebte mich. Man applaudierte, als sie mich präsentierten. Es waren viele Zuschauer gekommen, im Dezember 1970 in die Kneipe »Die kleine Weltlaterne«. Es wurde noch geraucht damals, die Luft war trübe, dazwischen glimmende Augen und Zigarettenenden. Man schrieb Artikel, in denen meine Geburt verkündet wurde. Man wartete auf mich, freudig. So war das.
So war das wirklich.
Aber das Happy End blieb aus. Die Vorfreude hat sich selbst gegessen und ist am Beton erstickt.
Ich wurde zu spät geboren.