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4. Pädagogik als Wegbereiter zu einem zufriedenen und selbstbewussten Menschen


Jedes Kind lernt vor allen Dingen durch Nachahmung. Hervorragend ist, dass Eltern im Normalfall immer die erste Bezugsperson sind und auch während der Entwicklung des Kindes für dieses weiter den Götter-Status einnehmen. Das bedeutet, dass zunächst alles, was Eltern dem Kind beibringen oder ihm vermitteln wollen, akzeptiert wird. Eltern bleiben Vorbilder und leben dem Kind entsprechend die eigenen Verhaltensweisen vor. Daher ist weniger die Art der Erziehung wichtig als das Erziehungsmuster und die Kommunikation selbst.

Wenn Eltern viel schreien und schimpfen, wird auch das Kind höchstwahrscheinlich ähnlich aggressiv agieren und mit Situationen und Begegnungen umgehen. Dieses Verhalten wird früh geprägt und trägt zu weiteren Schwierigkeiten bei. Dagegen ist eine ruhige und ausgeglichene Reaktion im liebevollen Umgang miteinander deutlich besser, ohne an Autorität zu verlieren.

Es gilt nicht, das eigene Verhalten komplett zu ändern, sondern vielmehr authentisch zu bleiben. Auch das Verstellen bringt nichts, da Kinder wesentlich mehr durchschauen, als die Erwachsenen annehmen. Sind Eltern jedoch selbstbewusst und bestimmend, wird auch das Kind ähnliche Verhaltensmuster entwickeln, besonders wenn positive Werte vermittelt werden. Dennoch ist es alles andere als einfach, sich auf ein Kind einzustellen und an der Erziehung auch selbst zu wachsen. Viele Menschen verändern sich durch die Geburt ihrer Kinder. Das hängt mit der Verantwortung zusammen, aber auch mit der Neuumstellung der gesamten Lebenssituation. Wie das Kind müssen entsprechend auch Eltern lernen, die mentale Einstellung zu verändern und anzupassen und die Rolle als Elternteil anzunehmen und zu lieben.

Das hat die Pädagogik ins Leben gerufen, denn Erziehung ist und bleibt natürlich auch eine Wissenschaft. Die Pädagogik dient theoretischen Ansätzen in der Kindsführung und ist damit eine Art Grundpfeiler für die gesamte Bildung und Erziehung von Menschen. Erzieherische Maßnahmen haben entsprechend immer eine pädagogische Einflussnahme auf die Entwicklung von Kindern, wobei auch das Denken und Handeln mit einbezogen werden.

Eine Erziehung wird immer von gesellschaftlich und sozial beeinflussten Erziehungsnormen bestimmt und erfolgt dann im Rahmen von Konzepten, Methoden und Zielen. Vermittelt werden innerhalb der Erziehungsmaßnahmen alle moralischen und sozialen Werte, begleitet durch eine Charakterbildung, durch die später erfolgende Gesundheits- und Sexualerziehung.

Die Verantwortung, sich überhaupt mit der Erziehung auseinanderzusetzen, ist noch gar nicht so alt. Theoretisch begründet wurde das Thema erst so richtig im 19. Jahrhundert, wo eine gewollte und geplante Erziehung mehr und mehr angestrebt wurde. Vorher gab es keine spezielle pädagogische Ausrichtung. Den Begriff „Pädagogik“ gibt es z. B. erst seit dem 18. Jahrhundert und war zu dieser Zeit noch eine Disziplin aus Theologie und Philosophie. Auch die Erziehungswissenschaft selbst ist ein moderner Begriff, der verstärkt dann erst im 20. Jahrhundert verwendet wurde.

Ziel der Pädagogik oder Erziehungswissenschaft ist es, durch Beobachtung und Analyse Maßnahmen entwickeln zu können, die helfen sollen, die Selbstbestimmung und Mündigkeit des Kindes zu fördern. Daneben kam sogar die Antipädagogik auf, eine Philosophie, die nachzuweisen versuchte, dass Erziehung für Kinder und Jugendliche ein manipulativer oder sogar entmündigender Vorgang ist, und das völlig unabhängig vom eigentlichen Erziehungsstil. Die Antipädagogik war entsprechend darauf ausgerichtet, das Machtgefälle zwischen Eltern und Kindern ganz aufzuheben.

Aus diesen Reformen entsprangen dann auch die antiautoritäre Erziehung oder die negative Erziehung im Sinne von Jean-Jacques Rousseau. Diese Richtung diente dazu, Kindern zu vermitteln, dass der Mensch von Natur aus gut ist, und Eitelkeit, Habgier und Konkurrenzdenken zu reduzieren. Rousseau entwickelt sein Konzept der negativen Erziehung in seiner bekannten Schrift „Emile oder über die Erziehung“. Hier ging es um den natürlichen Umgang mit der Voraussetzung einer guten Natur und guten Menschenseele, wobei die Anlagen des Kindes natürlich gefördert werden sollten. Rousseau ging davon aus, dass Fehlentwicklungen und Laster durch schädliche Gesellschaftseinflüsse bedingt waren.

Der Grund hierfür war, dass Menschen immer danach streben, sich mit anderen zu vergleichen und sie nachzuahmen. Lebt die Gesellschaft entsprechend falsche Werte vor, werden sie ohne Hinterfragung übernommen und weitervermittelt. Dadurch prägen sich auch die schlechten Angewohnheiten aus.

Zu Rousseaus Zeiten führte diese menschliche Neigung zu verderblichen Leidenschaften, die er mit der negativen Erziehung verhindern wollte, gerade auch, weil wenig Hoffnung bestand, die Gesellschaft voller Feigheit, Neid, Habgier und Eitelkeit zu verändern. Rousseau bestand darauf, dass es die Aufgabe der Pädagogik sei, diese Einflüsse zu verändern und beim Kind günstig in eine positive Richtung zu lenken. Nur so war für ihn eine gesunde Entwicklung möglich.

Für ihn musste die erste Erziehung daher negativ sein, weniger Tugend und Wahrheit fördern als vor Irrtum und Laster bewahren. Heute gilt der Ansatz natürlich als Erziehungsutopie, gerade auch darum, weil Kindern eine unabhängige Urteilsbildung fern von gesellschaftlichen Einflüssen ermöglicht werden sollte, was kaum umsetzbar ist, wenn nicht der Freiraum, das Geld und die Zeit dafür zur Verfügung stehen. Rousseau hat dennoch den Weg dafür bereitet, sich intensiv mit den Erziehungsmaßnahmen und gesellschaftlichen Richtlinien auseinandersetzen zu müssen. Er selbst hat in der Erziehung eigenartig versagt, zumal er seine Kinder in ein Waisenhaus gab, auch wenn der Ausgang Armut war. Das zeigt, wie leicht ein theoretisches Konzept entwickelt und wie schwierig es dagegen ist, dieses auch gekonnt in der Praxis umzusetzen.

Für die Antipädagogik wiederum dienten Vordenker wie Max Stirner, William Godwin, Erich Mühsam oder Pierre-Joseph Proudhon. Die geforderten Veränderungen im Bereich der Pädagogik und Erziehung waren natürlich anarchistische Auflehnungsprinzipien gegen das Bestehende. In Amerika kam im 20. Jahrhundert sogar eine Kinderrechtsbewegung auf, die die konventionelle Erziehungswissenschaft als schwarze Pädagogik verurteilte. Und immer bestand gleichzeitig der Versuch, zwischen Pädagogik und Antipädagogik zu vermitteln. Gerade in den 60er und 70er Jahren setzte dann auch eine intensive und kritisch geleitete Debatte über Erziehungsmaßnahmen ein, aus der die autoritäre Erziehung zunächst als Sieger hervorging und überwiegend eine Umsetzung fand. Bestimmung, Kontrolle, Zucht und Strafe, Lob und Belohnung sollten das Kind gesellschaftlich und sozial vorbereiten. Dass so etwas bei der Vielzahl an Menschen und Charakteren dann auch negative Auswirkungen hatte, konnte die Zeit verdeutlichen.

Der moderne pädagogische Ansatz ist nicht mehr auf reine Disziplin, Zucht und Ordnung ausgelegt, sondern verbindet Erziehung mit Spiel und Freude, mit gesetzten Freiräumen und Zuwendung. Das Ziel jeder Erziehung sollte es sein, dass sich das Kind zu einem selbstständigen und unabhängigen, sich selbst bewussten und eigenständig denkenden Menschen entwickelt. Dabei ist jede einzelne Phase prägend und bestimmt die Verfassung und Individualität mit. Der Einfluss des sozialen Umfelds und eine in diese Richtung gelenkte Ausbildung des Kindes hat dabei erste Priorität.

Die richtige Erziehung gibt es nicht - eine Schadensbegrenzung

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