Читать книгу Der Moment, der alles änderte - Julia Thurm - Страница 14
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Es war 6.30 Uhr am nächsten Morgen, als ich aufstand, mich in die Dusche bewegte und danach mit Spike Gassi ging. Als ich nach Hause kam, setzte ich mich an den Frühstückstisch und diskutierte mit meiner Schwester, wie viele Gründe es gab, um diese Schuluniform nicht tragen zu müssen. Es lief zunächst ziemlich gut für mich. Aber letztendlich saß ich eben doch am kürzeren Hebel.
Und somit fand ich mich mit zusammengebundenen Haaren, ohne Make-up und schwarzen Nagellack, in einer weißen Bluse mit rot karierter Krawatte, einem roten Karorock, der bis zum Knie ging, weißen Kniestrümpfen und schwarzen Lackballerinas vor dem Spiegel wieder. Für einen Emo wie mich war das die reinste Hölle. Die Uniform passte nicht wirklich zu meinen schwarzen Haaren.
Meine Schwester kam in mein Zimmer, um mich zu begutachten. „Gar nicht mal so schlecht. Steht dir“, sagte sie mit einem frechen Grinsen im Gesicht.
„Nicht schlecht? Ich sehe aus wie eine Comicfigur!“
„Wie eine süße Comicfigur, hahaha. Komm jetzt, dein Bus ist gleich da“, bemerkte Christin immer noch grinsend.
Ich nahm meine Tasche und ging zusammen mit ihr die Treppe hinunter. Doch meine Schwester, misstrauisch wie sie war, kontrollierte natürlich, ob ich nicht doch etwas eingesteckt hatte wie Schminke oder Zigaretten. Obwohl ich gar nicht rauchte. Da fuhr auch schon der Schulbus vor.
„Ich wünsch dir viel Spaß und tu, was man dir sagt. Das ist deine letzte Chance. Versau sie dir nicht“, mahnte Christin mich zum Abschied.
„Du kennst mich. Ich kann mich nicht an Regeln halten. Also verspreche ich es dir erst gar nicht.“
„In diesem Fall musst du es aber versuchen, okay?“, bat sie mich noch einmal inständig.
Ich nickte ergeben, dann lief ich aus dem Haus und bestieg den Schulbus, der fast voll war. Alle starrten mich an, als käme ich von einem fremden Planeten. Aber wenigstens konnten sie nichts Negatives über meine Klamotten sagen, schließlich trugen wir alle die gleichen. Außer dass die Jungs eine rote Karohose anhatten und andere Schuhe trugen. Ich marschierte bis ganz nach hinten durch und setzte mich in eine leere Reihe, um dummen Fragen aus dem Weg zu gehen. Bevor wir das Schulgebäude überhaupt betreten durften, wurden wir erst einmal von der Security kontrolliert.
Als ich durchsucht wurde, sah mich die Person komisch an und fragte: „Bist du neu hier?“
„Ja, ich bin neu. Ist mein erster Schultag.“
„Wenn das so ist, ich bin Steve.“ Er war ungefähr 1,90 Meter groß, ziemlich muskulös und Afroamerikaner.
„Hey, ich bin Katie“, erwiderte ich ein wenig verwirrt.
Durch die Kontrolle hatte ich es geschafft, damit war die erste Hürde des Tages überwunden. Doch als ich inmitten des Flurs stand, merkte ich, dass ich nicht mehr wusste, wo es zum Rektoratszimmer ging. Das Gebäude wirkte, wenn viele Leute geschäftig darin herumwuselten, gar nicht mehr so groß und wesentlich unübersichtlicher.
Als ich mich hilflos umsah, legte plötzlich jemand eine Hand auf meine Schulter und ich erkannte Steve hinter mir. „Die Rektorin hat gesagt, ich solle dich zu ihr bringen.“
„Danke, aber den Weg hätte ich sicher irgendwie allein gefunden“, entgegnete ich schnippisch, obwohl das glatt gelogen war.
„Ganz schön vorlaut. Komm einfach mit.“ In diesem Moment machte mir Steve allerdings ein wenig Angst, also folgte ich ihm widerspruchslos.
Als wir das Rektorenzimmer betraten, begrüßte Ms Simpson mich freundlich. „Sehr schön, du hast dich bis jetzt an alle Regeln gehalten. Steve hast du ja bereits kennengelernt. So, hier sind deine Spindnummer und der Code dazu. Und das ist dein Stundenplan. Steve wird dir den Raum für die erste Stunde zeigen. Ich wünsche dir viel Spaß und einen schönen ersten Tag!“ Sie wirkte zu meiner Überraschung sehr entspannt und gelassen.
Als Steve mich anschließend zu meinem Klassenzimmer brachte, konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen: „Wow, was war das denn? Ist die immer so entspannt?“
„Ja, kaum zu glauben, obwohl hier jeder zweite Schüler Mist baut. Deswegen sind auch wir hier.“ Steve deutete auf seine Security-Uniform.
„Wenn hier alle so sind wie ich, hält das niemanden auf“, sagte ich stolz.
„Das werden wir sehen. Also, geradeaus dort vorn ist das Zimmer für deine erste Stunde.“
„Super“, murmelte ich, nun doch etwas nervös und angespannt.
Steve wandte sich um und schritt davon, während ich das Klassenzimmer betrat, wo bereits die anderen „Strafgefangenen“ auf den Unterrichtsbeginn warteten. Wie zu erwarten, wurde ich von allen Seiten schief angestarrt. Da leider nur ein Platz ganz vorne frei war, als ob er auf mich gewartet hätte, setzte ich mich dorthin. Papierflieger und -bälle flogen durch die Gegend. Doch das Feuer wurde abrupt eingestellt, als der Lehrer oder besser gesagt die Lehrerin zur Tür hereinspazierte.
„Guten Morgen, Ms Lampert!“, rief die gesamte Klasse im Chor. Außer mir natürlich, denn ich hatte bis eben nicht gewusst, wie die Lehrerin hieß. Mir war nicht einmal klar gewesen, dass mich eine Frau unterrichten würde.
„Guten Morgen“, erwiderte sie Ms Lampert. Sie war vielleicht 1,70 Meter groß, schlank, hatte blondes langes Haar und trug eine Brille. Ich schätzte sie auf etwa 40 Jahre und sie hatte dieselbe Kleidung an wie Ms Simpson. Also einen langen dunkelblauen Rock, eine hellblaue Bluse und ein dunkelblaues Jackett.
Nun folgte das Unvermeidliche, auf das ich mich schon den ganzen Morgen gefreut hatte.
„Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, haben wir seit heute eine neue Mitschülerin in der Klasse ... ähm ...“ Sie holte einen Zettel aus ihrer Tasche hervor. „Katie Smith.“ Ihr Blick schweifte durch den Raum, bis sie mich ganz vorne entdeckte. „Ah, Katie, würdest du dich bitte kurz vorstellen?“
Hämisches Gelächter brach aus.
„Hier wird nicht gelacht!“, brüllte Ms Lampert ungehalten durch den Raum.
Keiner außer mir hatte sich erschrocken. Das schien die Dame wohl öfter zu machen. Ich war der Meinung gewesen, sie sei liebenswert, gelassen und freundlich. Das stimmte offensichtlich nicht im Geringsten. Nun ja, der erste Eindruck konnte eben auch gewaltig täuschen.