Читать книгу Das weibliche Genie. Hannah Arendt - Julia Kristeva, Julia Kristeva - Страница 11

1. Eine »derart exponierte« Biographie

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Bevor wir die wichtigsten Etappen der Erkundung des Begriffs des Lebens bei Arendt nachvollziehen, sollen einige Hauptmomente ihres Lebens evoziert werden, so wie die Biographen es wiedergeben.10

Wie sie 1930 Jaspers schrieb, handelt es sich bei diesem Leben um eine »exponierte« Existenz, die in der Tat Hannah Arendt derart zu bedingen scheint (wir werden auf den Sinn dieser »Bedingung« zurückkommen, wie sie in der Vita activa definiert ist), daß sie – Leben und Werk ineinander verzahnt – eine »Objektivation« oder ein »Knotenpunkt« des »Lebens« wird.

Hannah Arendt, 1906 in Linden bei Hannover geboren, ist die Tochter von Paul Arendt und Martha Cohn. Die Arendts sind eine »alte Königsberger Familie«, wie die Philosophin in ihrem Fernsehinterview von 1964 mit Günter Gauss erwähnt.11 Als reformierte Juden und Bewunderer von Hermann Vogelstein, einem der berühmtesten Führer der liberalen jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, zeigen sie sich gegenüber den Zionisten kritisch, empfangen jedoch Kurt Blumenfeld, den künftigen Vorsitzenden der deutschen zionistischen Organisation. Er wird mit der kleinen Hannah bei ihrem Großvater Max spielen und sie in der Bejahung ihrer jüdischen Identität bestärken. Jacob Cohn, der Großvater mütterlicherseits (im heutigen Litauen geboren), machte aus dem Familienunternehmen die bedeutendste Firma für den Import russischen Tees nach Königsberg (vorher war der englische Tee marktführend). Unter den Cohns gab es viele »großzügige und sensible« Witwen, wie die Großmutter Fanny Spiero-Cohn, zweite Frau Jacobs, die sich gern slawisch kleidete und Deutsch mit russischem Akzent sprach.

Paul Arendt arbeitete als Ingenieur mit einem in Alberta erworbenen Diplom in einer Gesellschaft für elektrische Ausrüstungen; Martha studierte Französisch und Musik während eines dreijährigen Aufenthaltes in Paris. Beide hegten Sympathien für die deutschen Sozialdemokraten und teilten die Goetheschen Ideale der deutschen Bildungselite. Die jüdische Identität war auf natürliche Weise in der Familie gegenwärtig, während die christliche Kultur durch Ada, das Kindermädchen, das sich um Hannah kümmerte, eindrang. Von Geburt ihrer Tochter an führen die Arendts ein Heft Unser Kind, das ihre Entwicklung festhält und in dem sich die scharfsinnigen Bemerkungen von Martha, der aufmerksamen Mutter, der nichts entgeht, herausheben: Als Einjährige »liebt es Hannah sehr, wenn es lebhaft um sie herum zugeht«; Mit anderthalb ist es »in der Hauptsache […] ihre Sprache die sie sehr geläufig hersagt. Versteht alles.«; mit zwei Jahren gibt es für die musikalische Mutter eine Enttäuschung, Hannah »singt nun zumeist falsch, leider!!«; aber mit drei kann sie sprechen, und zwar »nun so ziemlich alles, wenn auch für Fernstehende nicht ganz erkennbar« (schon Philosophin?). Sie ist »ausserordentlich lebhaft immer in Eile u. Bewegung, sehr zutraulich, auch zu ganz fremden Leuten«; mit sechs »lernt [sie] leicht und ist augenscheinlich begabt, rechnet ganz besonders gut.«12

Dieses Glück währte nicht lange, es wurde schnell getrübt durch den körperlichen Verfall Paul Arendts, der an Syphilis erkrankt war. In seiner Jugend zugezogen, lange stabilisiert, verschlimmert sich die Krankheit zwei Jahre nach der Geburt seiner Tochter und erreicht 1911 eine dramatische Phase mit Verletzung, Ataxie und Paresie (eine Art Demenz). Paul Arendt muß seine Arbeit aufgeben, die Familie läßt sich in Königsberg nieder, wo er ins Krankenhaus kommt. Der Großvater Max heitert diese traurigen Stunden während der Spaziergänge mit seiner Enkelin durch seine Kunst des Erzählens auf; und wenn man später im Werk der Philosophin eine Apologie des erzählten Lebens, bios / Biographie, finden wird, dem sie das biologische und stumme Leben, zoe, entgegenstellt, wird man sich an die erzählerische Magie eines anderen Vaters erinnern, der Hannah an das Leben band, während Paul Arendt seinen unerbittlichen Verfall erlebte.

1913: Max stirbt im März, Paul im Oktober. Martha notiert in Unser Kind, daß Hannah von diesem doppelten Ableben nicht berührt wird. »Bis sie mir gelegentlich erklärt, man müsse an traurige Dinge so wenig wie möglich denken, es hat doch keinen Sinn dadurch traurig zu werden. Und das ist so recht bezeichnend für ihre grosse Lebensfreudigkeit […] Sie nimmt das als etwas Trauriges für mich auf. Sie selbst ist unberührt davon. […] Sie ist auch bei der Beerdigung dabei u. weint, ›weil so schön gesungen wird‹…«13

Naivität des kleinen siebenjährigen Mädchens? Oder bereits ein Leben, das sich im Denken entfaltet und weiß, daß es möglich ist, entsprechend seinem Willen zu denken: an traurige Dinge – davon ist abzuraten – oder lieber an Lieder? Wenn ich im Denken bin, fehlt mir nichts? Man kann dies in der Tat annehmen, wenn man die Reflexionen ihrer Mutter liest: »Nun denkt sie auch wieder an ihren lieben Opa u. spricht von ihm lieb u. mit warmem Ton, aber ob er ihr fehlt? Ich glaube es kaum.«14 Ist das Denken nicht die einzige Art und Weise, mit den Toten zu leben, sie nicht zu verlieren und die Trauer zu transzendieren? Wir werden die Spur dieses frühreifen Ausweichens vor dem Tod dank eines Denkens, dem nichts fehlt, im impliziten Streit Hannah Arendts mit dem »Sein-zum-Tode« Heideggers wiederfinden. Ohne sich der Tragik des Todes zu entziehen, eröffnet sie neue Perspektiven, um den gemeinsamen Raum des Erscheinens zu denken: Bindungen, Teilung, Handeln.

Doch die Ruhe währt nur ein Jahr: Mit dem großen Krieg und der sexuellen Entwicklung des sehr jungen Mädchens beginnen die Ärgernisse. Hannah ist nicht mehr ganz so fröhlich, informiert uns Unser Kind; ihre quer wachsenden Zähne erfordern eine Zahnregulierung, unter der sie leidet; ihre schriftlichen Arbeiten sind nicht mehr so ausgezeichnet wie sonst, und selbst im Mündlichen ist sie schwächer – womit alles gesagt ist! Sehr leicht verletzbar, von launenhafter Stimmung, ist sie sogar »ungehorsam und rüpelhaft«! Das Ganze vor dem Hintergrund wiederkehrender kleiner Krankheiten: Fieber, Husten, Nasenbluten, Kopf- und Halsweh. Die Pubertät hat offensichtlich eingesetzt, und Hannah gelingt es noch nicht zu entscheiden, ob sie so robust wie … ihr Vater sein wird. »Könnte sie nicht ihrem Vater ähneln!« notiert Martha. Das wird schon kommen!

Eine harmlose Bemerkung des kleinen achtjährigen Mädchens (wir befinden uns im Jahre 1914) verrät die männliche Identifizierung, die sich abzeichnet: »…wenn uns jetzt ein Kind geboren wird, dann kennt es auch nicht seinen Vater«15, sagt Hannah ihrer Mutter. Seltsame Worte! Hinter dem Begehren zu wissen, woher die Kinder kommen, und seine Eltern zu erkennen, um dabei von ihnen anerkannt zu werden, ist in diesen Worten Hannahs die Auseinandersetzung zwischen den beiden Frauen und ihr Begehren nach dem abwesenden Mann erkennbar – Begehren, diesen Mann zu haben, Begehren, dieser Mann zu sein. Und das Fragen nach ihrem Platz zwischen den beiden Frauen: Wenn wir ein Kind machen würden, wer wäre der Vater? Da Paul und Max tot sind, wo ist der Mann? Wer ist der Mann? Du? Ich? Ein Fremder? Existiert der Mann? Wer kann erkennen, wer kann wissen? Wer kann uns – mir – ein Kind machen? Du? Ich? Niemand? Wenn uns jetzt ein Kind geboren wird, würde es seinen Vater nicht kennen: Wer ist der Vater? Eine intensive Komplizenschaft, die den Mann »erfaßt«, taucht zwischen den beiden Frauen auf, dermaßen, daß das »Paar« Mutter / Tochter 1927 den fünfundzwanzigsten Jahrestag des … Paares Martha / Paul feiert. Hannah ist zu diesem Zeitpunkt einundzwanzig Jahre alt und arbeitet an ihrer Dissertation in Heidelberg.

1920 heiratet Martha Martin Beerwald, einen Geschäftsmann, Witwer und Vater zweier Töchter, Clara und Eva. Die Beziehung Hannahs zu dieser Schwiegerfamilie und insbesondere zu ihrem Schwiegervater ist, wie man sich vorstellen kann, stürmisch. Sie entzieht sich durch eine ausgesprochene Neigung zu »wilderen Eskapaden«16: jugendliche Version des Lebens, wo Begehren und Freundschaft sich vermengen? Eine glühende Freundschaft verbindet sie mit Anne Mendelssohn, Nachfahrin des Komponisten Felix Mendelssohn (Enkel von Moses Mendelssohn, Haupt der gesellschaftlichen und kulturellen Emanzipation der Juden in der Zeit der Aufklärung) und Freundin von Ernst Grumbach. Fünf Jahre älter als sie, hört dieser junge Mann die Vorlesungen von Heidegger und überträgt auf Hannah seine Begeisterung für den glänzenden Marburger Professor. Anne ist es, die einige Jahre später ihrer Freundin die seltenen Ausgaben der Schriften von Rahel Varnhagen schenkt, deren »Leben« Hannah Arendt schreiben wird.

Mittlerweile sind die zahlreichen Freunde von der intellektuellen Lebhaftigkeit und der Gelehrsamkeit Hannahs beeindruckt. Doch gerät sie in Streit mit einem Lehrer ihrer »Luisenschule« und wird von dort verwiesen! Wie immer ergreift die Mutter ihre Partei, die unruhige Schülerin wird das Abitur als freie Kandidatin ablegen, was ihr 1924 (ein Jahr vor ihrer Klasse) so glänzend gelingt, daß sie die Goldmünzen mit dem Abbild des Herzogs Albrechts I. von Preußen erhält.17 Nachdem Anne nach Allenstein gegangen ist, wird Hannah die Freundin von Ernst Grumbach: Dies ist Anlaß zu heftigem Klatsch, aber auch – immer wieder das Leben! – zum Schönerwerden und Sich-Entfalten. Und das mit Zustimmung ihrer Mutter – die Hannah Arendt im Interview mit Gauss als eine »spezifisch jüdische Menschlichkeit« verkörpernde Person beschreibt, mit ihrem »Außerhalb-aller-gesellschaftlichen-Bindungen-Stehen« sowie »völliger Vorurteilslosigkeit«.18 Wir werden auf den Arendtschen Gedanken eines »Akosmismus« des jüdischen Volkes zurückkommen, der frei ist von Territorien und politischen Begriffen und als Kontrapunkt zu diesem Mangel »eine besondere Wärme« entwickelt, die allerdings nach der Gründung des Staates Israel vom Verschwinden bedroht ist.

In Berlin stößt die sich leidenschaftlich für Kierkegaard interessierende Theologiestudentin schnell auf eine Aporie: »Ich hatte dann nur Bedenken, wie man das denn nun macht, wenn man Jüdin ist. Und wie das vor sich geht?«19 Sie entscheidet sich, alles Interessante zu hören, was in den Universitäten des Landes an Philosophie gelehrt wird: daher Marburg und Heidegger (1889–1976). »Das Gerücht sagte es ganz einfach: Das Denken ist wieder lebendig [sic] geworden, die totgeglaubten Bildungsschätze der Vergangenheit werden zum Sprechen gebracht, wobei sich herausstellt, daß sie ganz andere Dinge vorbringen, als man mißtrauisch vermutet hat. Es gibt einen Lehrer; man kann vielleicht das Denken lernen […]; die Vorstellung von einem leidenschaftlichen Denken, in dem Denken und Lebendigsein eins [sic] werden«, befremdet einigermaßen. »Dies Denken, das als Leidenschaft aus dem einfachen Faktum des In-die-Welt-geboren-seins aufsteigt und nun ›dem Sinn nachdenkt, der in allem waltet, was ist‹, kann so wenig einen Endzweck […] haben wie das Leben selbst.«20

Begeistert und sprudelnd vor Lebendigkeit verliebt sich Hannah, »die Grüne« genannt – sie trug oft ein schönes Kleid dieser Farbe –, in den Professor, der seinerseits leidenschaftlich angezogen wird durch ihre Schönheit und die Tiefe ihres Denkens. Die geheime Idylle beginnt im Februar 1924; Hannah ist achtzehn Jahre alt, Martin Heidegger fünfunddreißig. Der vor kurzem publizierte Briefwechsel von Hannah Arendt und Heidegger ergänzt das polemische Buch von Elzbieta Ettinger und ermöglicht es, die Kraft dieser Verbindung nachzuvollziehen, der nur noch ihre eigene Unmöglichkeit gleichkommt.21 Heidegger, mit Elfriede verheiratet – einer dynamischen Frau mit nationalsozialistischer Gesinnung und dabei einigermaßen »feministisch« – und Vater von zwei Söhnen, hat keineswegs die Absicht, sich scheiden zu lassen. Dennoch beseelt eine intensive Leidenschaft den Professor. So kann man folgenden Absatz in einem Brief aus der Hand Heideggers vom 13. Mai 1925 lesen:

»Diesmal versagt sich mir alle Rede – und ich kann nur weinen, weinen – und das Warum hat auch keine Antwort – und versinkt – vergeblich wartend – im Danken und Glauben. […] Und Deine große Stunde – wo Du eine Heilige wirst – wo Du ganz offenbar wirst. Die Linien Deines Gesichtes sich straffen – gedrängt von der inneren Kraft einer – Sühne, die Dein Leben trägt. Kind – daß Du das kannst – und darin ehrfürchtig und groß geworden bist. Der Ehrfurcht erschließt sich das Leben – und gibt ihm Größe.«22

Codiertes Ritual der heimlichen Treffen; Entfernung Hannahs nach Heidelberg, wo sie – aus offensichtlichen gesellschaftlichen und deontologischen Gründen – unter der Leitung von Karl Jaspers, Korrespondent und Freund Heideggers, an ihrer Doktorarbeit schreibt; die Komplexität dieser Beziehung verzehrt die Studentin. Verletzt, jedoch stolz, verteidigt sich die junge Muse, so gut sie kann. Sie schützt sich hinter einem Schild von Freunden und Liebhabern: Hans Jonas, Zionist; Erwin Löwensohn, Essayist und expressionistischer Schriftsteller; Benno von Wiese, der Nationalsozialist wird und nach dem Krieg als herausragender Professor deutsche Literatur an der Bonner Universität lehrt; und Günter Stern, den sie 1929 heiratet. Günter Stern ist ebenfalls Schüler Heideggers und arbeitet an einer Dissertation über die Philosophie der Musik, die ihm die Kritik Theodor Adornos einträgt, bevor das Vordringen des Nationalsozialismus sich für seine Universitätslaufbahn als fatal erweisen wird.

Heidegger tut so, als ob er nicht versteht, daß diese Verteidigungsstrategie ein glühender Appell an seine ausschließliche Liebe ist, die ihr zu gewähren für ihn nicht in Frage kommt. Die künftige Philosophin gibt sich daraufhin jener Melancholie hin, die sie bereits in »Traum«, »Müdigkeit« und »Adieu« (1923–1924) ausgedrückt hatte, Gedichte, die auf ihre Beziehung mit Ernst Grumbach anspielten. 1925 schickt Hannah Heidegger ein Selbstporträt in Die Schatten, dem im folgenden Jahr weitere Gedichte folgen. In der dritten Person und in Heideggers Vokabular verfaßt, versuchen diese Verse, ihre Angst zu zähmen, ihre Gefühle der Fremdheit und Entfremdung in der Welt ebenso wie das bittere Bewußtsein ihrer Andersartigkeit. Eine grausame Angst, eine schreckliche Phobie – »In diesem Zustand überfiel die Hingestreckte die Angst vor der Wirklichkeit, diese sinn- und gegenstandslose, leere Angst, vor deren blindem Blick alles Nichts wird, die Wahnsinn, Freudlosigkeit, Bedrängung, Vernichtung bedeutet […] mit fast sachlich abwägender Erwartung irgendeiner Roheit […] es sei sie versuchte in gefügiger Freundlichkeit sich anzuschmiegen, blass und farblos und mit der versteckten Unheimlichkeit eines über den Weg huschenden Schattens« –, kaum moduliert von der Eitelkeit der Liebenden, die befürchtet, wegen ihrer erotischen Geschichte könnten die anderen denken, daß sie »hässlicher und gewöhnlicher wurde bis zur Stumpfheit und Zuchtlosigkeit«.23

Die Niederschrift der Vita der Rahel Varnhagen kommt gerade recht: Indem sie sich in dieser Biographie entwirft, indem sie das Leben einer anderen enttäuschten Liebhaberin erzählt, einer assimilierten Jüdin, die schließlich zur »bewußten Paria« wird, und indem sie an ihre Ursprünge anknüpft, scheint Hannah Arendt einen kathartischen Akt zu vollziehen, wenn nicht gar einen selbstanalytischen. Parallel und dank des Einflusses von Kurt Blumenfeld und seiner zionistischen Freunde wird sie sich des Ernstes der politischen Situation in Deutschland bewußt und schließt sich schrittweise dem Lager des Widerstandes an: In Berlin beteiligt sie sich an der Rettung von Regimegegnern, hilft im Frühjahr 1933 Kommunisten, übernimmt einen Auftrag der Deutschen Zionistischen Vereinigung, wird von der Polizei verhaftet und kann – wie durch ein Wunder – fliehen. Im August 1933 verläßt sie schließlich Deutschland, um mit ihrer Mutter nach Frankreich zu gehen.

In diesem Frühjahr 1933 löst Martin Heidegger als Rektor der Universität Freiburg seinen sozialdemokratischen Vorgänger ab, der entlassen wird, weil er sich geweigert hatte, jene Mitteilung zu plakatieren, die den Juden die Lehre verbietet. Heidegger glaubt, die Kultur zu retten, wenn er diese »Rettung des Seins«, für die ursprünglich allein seine philosophische Meditation zuständig war, auf das nationalsozialistische Projekt und den Kult des Volkes überträgt.

Hannah hatte sich 1929 verheiratet, ihre Beziehungen zu Martin brachen 1930 ab.24 »Daß Du jetzt nicht kommst – ich glaube, ich habe verstanden«, hatte sie ihm im April 1928 geschrieben. »Der Weg, den Du mir zeigtest, ist länger und schwerer als ich dachte. Er verlangt ein ganzes Leben.« Hannah erklärt sich bereit, diesen Weg der Einsamkeit zu gehen, da er ihr »die einzige Lebensmöglichkeit« zu sein scheint. Für sie heißt Leben Heidegger lieben: »Ich hätte mein Recht zum Leben verloren, wenn ich meine Liebe zu Dir verlieren würde.« Ohne das gewöhnliche Deine Hannah beendet sie ihren Brief wie folgt: »Und wenn Gott es gibt / Werd ich Dich besser lieben nach dem Tod.«25

Hannah Arendt wird dieses Versprechen halten, dessen Sinn sich in und mit der Zeit wandeln wird: Zunächst engagiert sie sich im politischen Kampf und in einer Reflexion, die keine Gemeinsamkeiten mit der philosophischen Arbeit Heideggers aufweist; im letzten Teil ihres Lebens schließt sie sich seinen grundsätzlichen Überlegungen in wachsamer, vielleicht auch ironischer, aber ganz sicher divergierender Nähe an, was sie dazu führt, eine echte Dekonstruktion des Denkens des Seins durchzuführen. Man könnte sich fragen, ob nicht eine gewisse weibliche Abhängigkeit, im Sinne einer unterwürfigen Passivität, diesen Weg heimlich begleitet. Tatsächlich distanziert sich Arendt nach dem Krieg deutlich von Heidegger26, den sie für die Entlassung Husserls an der Universität Freiburg verantwortlich macht – ein Irrtum, den Jaspers im Briefwechsel korrigiert.27 Sie legt Wert darauf, diesem mitzuteilen, daß sie ohne Einschränkung die Pathologie der Person Heidegger und sein Desinteresse an ihrem Werk, dem Werk einer Frau, verurteilt: »Mir hat immer geschienen, daß Heidegger in dem Moment, wo er seinen Namen unter dies Schriftstück zu setzen hatte, hätte abdanken müssen. Für wie töricht man ihn auch halten mag, diese Geschichte konnte er verstehen. […] kann ich nicht anders, als Heidegger für einen potentiellen Mörder zu halten. […] Nichts als törichte Lügnereien, mit einem, wie mir scheint, ausgesprochen pathologischen Einschlag.«28 »Ich habe ihm gegenüber mein Leben lang gleichsam geschwindelt, immer so getan, als ob all dies nicht existiere und als ob ich sozusagen nicht bis drei zählen kann, es sei denn in der Interpretation seiner eigenen Sachen; da war es ihm immer sehr willkommen, wenn sich herausstellte, daß ich bis drei und manchmal sogar bis vier zählen konnte. Nun war mir das Schwindeln plötzlich zu langweilig geworden, und ich habe eins auf die Nase gekriegt. Ich war einen Augenblick lang sehr wütend, bin es aber gar nicht mehr, bin eher der Meinung, daß ich es irgendwie verdient habe – nämlich sowohl für Geschwindelt haben wie für plötzliches Aufhören mit dem Spiel.«29

Dennoch besucht sie ihn 1950 und auch 1952. Sie führen erneut einen Briefwechsel, und von 1967 an bis zu seinem Tod 1975 begibt sich Arendt jedes Jahr nach Deutschland, um Heidegger zu sehen. Seine Briefe zeigen ihn gerührt und besonders beeindruckt durch die Beziehung, die er zwischen Hannah Arendt und Elfriede Heidegger, seiner Gattin, zu fördern sucht. Nachdem er an die Rolle seiner Frau Elfriede bei der Errichtung seiner Arbeitsstätte, der »Hütte«, erinnert hat und sich auf das neue vorausgesetzte – gewünschte – Verstehen zwischen Elfriede und Hannah bezieht, schreibt Heidegger am 8. Februar 1950: »So mag der gewordene Einklang künftig eingetönt werden in den warmen Ton der Holzwände dieser Stube. Ich bin froh, daß Dein Herdenken sich jetzt im Einblick in diese Werkstatt und durch ihren Ausblick auf die Wiesen und Berge bewegen kann.«30

Einen Monat später, am 19. März 1950, kommt Heidegger auf Hannahs ersten Besuch nach dem Krieg zurück: »Ich wußte dies, als ich Dir am 6. Februar wieder gegenüber stand und ›Du!‹ sagte. Ich wußte, daß jetzt für uns ein neues Wachstum beginne, aber auch die liebende Mühe, alles in ein offenes Vertrauen zu pflanzen. Wenn ich Dir sage, daß meine Liebe zu meiner Frau jetzt erst wieder ins Klare und Wache gefunden, so danke ich es ihrer Treue und ihrem Vertrauen zu uns und Deiner Liebe.«

Heidegger beschwört Hannah, sich seiner Gattin zu nähern: »Ich brauche ihre Liebe, die still die Jahre hindurch alles getragen hat und zu wachsen bereit geblieben ist. Ich brauche Deine Liebe, die, in ihren frühen Keimen geheimnisvoll gewahrt, das Ihre aus ihrer Tiefe bringt. So möchte ich auch eine stille Freundschaft zu Deinem Mann im Herzen nähren, der Dir in diesen leidvollen Jahren Gefährte wurde.«31 Zu dieser Idylle zu viert kommen die Landschaftsklischees, die die deutsche Erde feiern: »Denke, Hannah, wenn die große Stadt allzu rasend an Dir reißt, an die steilen Tannen, die auf den winterlichen Bergen vor uns in die leichte Luft der mittäglichen Höhe ragten.«32

Das grüne Kleid ist jetzt plötzlich braun. Am 12. April 1950 betont der treu sein wollende Liebhaber in seltsamer Weise die Symbolik der … braunen Farbe und ihrer erdhaften Konnotationen, wobei er das Wiederfinden in Freiburg mit ihrer ersten Begegnung fünfundzwanzig Jahre zuvor in Marburg in Zusammenhang bringt: »Als Du beim ersten Wiedersehen in Deinem schönsten Kleid auf mich zukamst, schrittest Du gleichwohl für mich durch die vergangenen fünf Jahrfünfte. Hannah – kennst Du das Braun eines frisch umgepflügten Ackers im Lichte der Abenddämmerung? Alles überstanden und zu allem bereit. Für jenen Augenblick des Wiedersehens bleibe Zeichen mir Dein braunes Kleid. Dieses Zeichen werde uns immer zeigender.«33

1969 veröffentlicht Arendt »Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt«, einen Text, der »den Wind seines Denkens« und seiner Gefahren lobt, jedoch unter der Hommage den Hinweis auf den skandalösen Kompromiß von Denkern wie Platon und Heidegger mit Tyrannen und Diktaturen kaum versteckt. Im Lauf der Jahre bemüht sich Arendt, das Denken Heideggers in den Vereinigten Staaten zu verteidigen und bekannt zu machen. Sie widersteht den gegen ihn gerichteten Angriffen und entwickelt ihr eigenes Werk in enger Beziehung zu dem ihres Lehrers: »…es […] schuldet Dir in jeder Hinsicht so ziemlich alles«, schreibt sie ihm anläßlich der Vita activa34, und auf einem getrennten Blatt, das sie nicht abschickt, heißt es: »Re Vita activa: / die Widmung dieses Buches ist ausgespart. / Wie sollte ich es Dir widmen, / dem Vertrauten, / dem ich die Treue gehalten / und nicht gehalten habe, / Und beides in Liebe.«35 So wie sie zuvor die »Falle« des »Fuchses« befragte.36

Treu und untreu: So entdecken wir sie, ihrer intellektuellen Erfahrung folgend. Als Kontrapunkt zur Einsamkeit des Daseins entwickeln die Schriften von Arendt ein Denken des Lebens und der Tat, das bescheiden scheinen mag, verglichen mit dem Ruhm des Seins in seiner Lichtung. Nichtsdestotrotz bleibt das Arendtsche Abenteuer kühn verglichen mit den Sackgassen des »professionellen Denkers« und seines »Werkes«, wenn diese wagen, sich der Pluralität der Welt zu stellen.

Im Augenblick jedoch befinden wir uns im Jahre 1933: Das Leben der jungen Philosophin verschmilzt mit der Geschichte ihres Volkes und der Völker des zwanzigsten Jahrhunderts, ohne daß Hannah aufhört, die Existenz einer begehrenden, ihre Leidenschaften erzählenden Frau zu führen. Sie gesteht sie indirekt, wenn sie von den Leidenschaften Rahels37 berichtet. Schließlich werden sie Teil einer einzigartigen Mischung von Selbstverleugnung und Sublimierung in ihrer Meditation der conditio humana. Ihre intellektuelle Erfahrung offenbart sich schlicht als durchdachtes Leben, das heißt als durch die Arbeit, das Werk und vor allem das Handeln der Biologie entrissenes Leben, in dem jene höchste Form der menschlichen Existenz – das plurale und unvollendete Denken – gipfelt: wenn, und nur wenn es in einer vielfältigen und widersprüchlichen Welt geteilt wird. »Die Welthaftigkeit der Lebewesen bedeutet, daß kein Subjekt nicht auch Objekt ist und als solches einem anderen erscheint, das seine ›objektive‹ Wirklichkeit gewährleistet.« Und in Vom Leben des Geistes schreibt sie, daß die »Mehrzahl […] das Gesetz der Erde« sei.38

Arendt begegnet Heinrich Blücher (1899–1970) zu Beginn des Frühlings 1936 in Paris. Man kann beim Lesen ihrer Skizze des Porträts von Leo Jogiches, des Gefährten von Rosa Luxemburg, erraten, wie sie ihn wahrnimmt: »In Rosa Luxemburgs Augen war er entschieden masculini generis, was für sie von großer Bedeutung war. […] in einer Ehe ist es nicht immer einfach, die Gedanken der einzelnen Partner auseinanderzuhalten.«39 Schwer einzuordnen, war Blücher nacheinander: Kommunist, Spartakist, verhinderter Revolutionär, Freund von Kurt Blumenfeld, zionistischer Parteigänger, ohne Jude zu sein. Die Biographen stimmen jedenfalls darin überein, ihn als einen Anarchisten zu definieren. Zweimal verheiratet, bevor er Hannah heiratet, Autodidakt mit weiter politischer und künstlerischer Bildung, wird dieser Drahtzieher – ein Beruf, den er gern in seinen Ausweisen angab – in den Vereinigten Staaten Philosophieprofessor. Blücher – »masculini generis« – vervollkommnete die politische Bildung Hannahs, indem er ihr Marx und Lenin zu lesen gab, aber vor allem erlaubte er ihr, ihr Gefühlsleben zu stabilisieren und sich ganz dem Denken zu widmen, doch stets in Kontakt mit der Welt des Lebens, wie der Briefwechsel40 der beiden Liebenden, die bald Ehegatten sein sollten, zeigt. Fand der strippenziehende Bohemien einen Gleichklang mit dem kleinen überschwenglichen Mädchen von vor dem Tod ihres Vaters? Unser Kind erzählt, daß sie zu ihrem sechsten Geburtstag ein Puppentheater bekommen hatte. Das kleine Mädchen hatte ein so kompliziertes und leidenschaftliches Schauspiel erfunden, daß es mit einem Tränenausbruch endete!

Heinrich Blücher war überaus vielseitig und einfallsreich – eine Zeitlang war er Assistent des von Adler beeinflußten Psychoanalytikers Fritz Fränkel gewesen und rühmte sich, eine depressive Hysterikerin ohne irgendeine Interpretation geheilt zu haben: Er hatte einfach das Bett, von dem die Kranke sich angeblich nicht erheben konnte, mit Kerosin übergossen und angezündet. Ebenso wirksam gelang es Blücher, wie es scheint, die berühmten morgendlichen Melancholien von Hannah zu heilen, die einst ihre Mutter in Angst versetzten: Er achtete überhaupt nicht auf sie, sondern schlief skrupellos weiter. Die Krankheit als Erpressung der Mutter: Blücher machte sich nichts vor. Wie man weiß, hat Hannah Arendt indessen die Psychoanalyse zeit ihres Lebens verachtet …

Arendt gelingt es, nach fünf Wochen aus dem Lager von Gurs zu fliehen, in dem sie gemeinsam mit den »Ausländern deutscher Herkunft« interniert war, worauf sie Blücher 1940 in zweiter Ehe heiratet. Der fehlende Mann, dessen »Schatten« die Kindheit und Jugend der jungen Hannah verdunkelte, ist endlich wiedergefunden. Fremd, Fremder: Nicht-Jude, Deutscher und Proletarier, war das nicht die Voraussetzung, sie nicht zu erdrücken, die Entfaltung ihrer eigenen Männlichkeit, aber auch ihrer wahren Weiblichkeit zu ermöglichen?

»… ich habe immer gewußt – schon als Gör –, daß ich wirklich nur existieren kann in der Liebe. Und hatte gerade darum solche Angst, daß ich einfach verloren gehen könnte. […] als ich Dich dann traf, da hatte ich endlich keine Angst mehr […] Immer noch scheint es mir unglaubhaft, daß ich beides habe kriegen können, die ›große Liebe‹ und die Identität mit der eigenen Person. Und habe doch das eine erst, seit ich auch das andere habe. Weiß aber nun endlich auch, was Glück eigentlich ist.«41 Die Liebe und das Vertrauen lösen die archaische Angst auf, die Hannah seit dem Tod ihres Vaters gefangenhielt und die das Verhältnis mit Heidegger keineswegs erleichterte, sondern vielmehr verschärfte. In einer Mischung aus schamhafter Zurückhaltung und Aufrichtigkeit drückt Hannah Arendt ihr sinnliches und persönliches Aufblühen aus, worauf der Liebende antwortet: »Ich habe Dir gezeigt, was Glück ist? Ich mache Dich glücklich wie Du mich? Denn Du bist doch mein Glück, also habe ich Dir etwa Dich gezeigt? Du wurdest die Du bist? Ich auch. Ich habe Dich also, mein Kleines, aus einem Mädchen zum Weib gemacht? Wie wunderbar – wie habe ich das bloß gemacht, denn ich wurde ja erst durch Dich richtig zum Mann.«42 Ein Jahr zuvor hatte er zärtlich seine Achtung ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht: »Ja, natürlich sollst Du mir alles zumuten, was Du Dir zumuten kannst, und sollst mich so behandeln, wie Du Dich behandelst – nur sollst Du Dich eben etwas besser behandeln; das aber will ich wenigstens tun: Dich etwas besser behandeln als Du Dich selbst. Bedaure mich nicht wegen der 10 Jahre usw. Ich weiß, was ich habe und was Du als Frau bist und weiter sein und weiter werden wirst, laß das doch mich beurteilen, denn was kannst Du davon schon wissen.«43 Und sie: »Und bei der Liebe der andern, die mich für kalt erklärten, dachte ich immer: habt ihr’ne Ahnung, wie gefährlich das ist und für mich wäre.«44 Oder er, wiederum die beiden Seiten seiner Frau hervorhebend: »So habe ich beides, ich habe Dich so unabhängig und frei, wie ich Dich als Mensch mag, und ich habe Dich so abhängig, wie ich Dich als Weib will.«45 Trotz mütterlicher Mißbilligung – oder gerade deswegen? – ist Hannah überglücklich: Dem wunderlichen Blücher gelingt es, Geliebter, Freund, Gatte, Bruder und Vater zu sein. Als er stirbt, wünscht sich Hannah für ihn, der nicht Jude war, ein Begräbnis mit Kaddisch.

Frei und unabhängig gründen Blücher und Arendt die Beziehung auf ihre sexuelle und intellektuelle Autonomie und zugleich auf eine tiefe Übereinstimmung. Stets betonen sie, wie glücklich diese Wahl ist, ungeachtet ihrer Gefahren und Schwierigkeiten. Trotzdem verletzen die Frauenbeziehungen Blüchers Hannah, der es jedoch gelingt, sich zu beherrschen und an das Wesentliche zu halten. »Meine Schöne, welches Glücksgeschenk, ein Gefühl zu haben, von dem man so stark fühlt, daß es das ganze Leben lang hält und sich nicht ändern wird, es sei denn, daß es noch zunimmt.«46 Oder auch: »Nun noch ein Hauptgrund für meine Liebe: Unsere Ansichten über die großen Fragen des Lebens sind immer die gleichen. Es gibt keine Differenzen zwischen uns. So ist es, und so wird es bleiben.«47

Das Exil verstärkt noch diese Übereinstimmung und erklärt das Bedürfnis Hannahs, sich hinter den »vier Wänden« des Paares zurückzuziehen: » Stups – um Gottes willen die vier Wände, die Du bist.«48 »Glaub mir, mein Herz, die Weiber können nur in einer Ehe leben.«49 Und Blücher, der nie schreibt, gibt diese schöne Definition vom Paar, zögernd, ironisch, aber nichtsdestotrotz überzeugt: »als magische Formel meine Definition der Ehe […]: die Ehe verdoppelt alles. Es ist eine wahrhaft lebendige Formel, denn sie enthält genau soviel Ernst und Ironie wie das Leben selbst. Wer möchte wohl ein einfaches Leben leben, wenn er ein doppeltes haben kann, und andererseits, wer glaubt denn, er könne so etwas wirklich wagen? […] eines ist richtig. Hat man einmal angefangen, doppelt zu leben, so halbiert einen die Trennung. Du hast keine Ahnung, und auch ich hatte keine richtige, wie du mir fehlst. Es gab diesmal keine Freude am Alleinsein, nicht einen Tag lang. […] Einsamkeit, wie wir sie uns gegenseitig garantieren, und Einsamkeit, in der wir uns gemeinsam der Welt gegenüber befinden mögen – beide Arten sind auf der stillschweigenden Grundlage der Zweisamkeit errichtet.«50

Vom Verhältnis zwischen Hannah und dem Weisen von Todtnauberg erfuhr Blücher erst spät, vermutlich nach dem Krieg, als Heidegger des Nazismus angeklagt wurde. Blücher scheint die Intensität der Beziehung unterschätzt zu haben, es sei denn, der »Drahtzieher« hielt vorgetäuschte Gleichgültigkeit für eine notwendige List, damit das Paar fortdauern und Hannah die Konfrontation mit dem Denken Heideggers gut zu Ende führen könne, die sie so beschreibt: »ich bin eindeutig denen beigetreten, die jetzt schon einige Zeit versuchen, die Metaphysik […] zu demontieren.«51

Allerdings hatte ihre Art »beizutreten« nichts von Unterordnung. Hannah war keineswegs gehorsam und behauptete sich in allen möglichen vielfältigen Handlungen, auf diese Weise ihr anderes Denken und Urteilen betonend, besonders und vor allem gegenüber Heidegger. Die Forderung nach Singularität schien ihr der Gipfelpunkt des menschlichen Lebens zu sein (sie führte sie auf Duns Scotus zurück, den sie häufig und mit Nachdruck herausstellte), ohne sie jedoch irgendwann als Forderung nach weiblicher Differenz zu formulieren.

Leidenschaft für Politik und Vorliebe für das Erscheinen als Sonnenseite der Persönlichkeit Arendts seit ihrer Geburt entfalten sich also im Kontakt mit Blücher. Zwischen der Einsamkeit des weisen Philosophen, der sich in der Geschichte irrt (Heidegger), und dem Feuer des ungestümen Komödianten, der sich in der Politik irrt, wobei er allerdings die Authentizität eines Lebens in Aufruhr sichtbar macht (Blücher), beschränkt sich Hannah nicht darauf, zu wählen oder nur zu vermischen. Sie war auch die Schöpferin dieser Gefährten des Körpers und des Geistes, wenigstens was deren Für-sie-Sein betrifft. Heinrich, der »Professor« in Politik, hat viel von der philosophischen Tiefe und der Lebensgenauigkeit seiner Frau gelernt: Ihre Briefe bezeugen diesen gegenseitig bereichernden Dialog. Im Gegensatz dazu läßt die geringe Begeisterung – wenn nicht das Widerstreben – Heideggers, die Arbeiten von Arendt zu lesen, vermuten, daß der »Denker von Gewerbe« keinen Nutzen aus den Fragen seiner jungen Schülerin zog. Dennoch offenbart die Veröffentlichung ihres Briefwechsels zum Ende ihres Lebens einigen intellektuellen und politischen Austausch: Hat der Weise von Todtnauberg nach dem Krieg die gesellschaftliche Stellung seiner Geliebten aus der Zeit vor dem Nazismus zynisch ausgenutzt? Brauchte Arendt diese Nähe zum Denken Heideggers, um ihr Denken in eine wesentliche Tradition zu verwurzeln, um ihr Denken ein- und abzugrenzen? Wie es auch sei, Hannah Arendt konstruiert ihr originelles Denken »dazwischen«, wie auf einer griechischen Agora oder auf einer dieser Theaterbühnen, wo der Zuschauer urteilt, aber auch improvisiert und am Stück teilhat, indem er es nachschafft: zugleich Abstand und Teilhabe am Handeln.

Viele Zeitgenossen bezeugten ihre Verführungskraft als Frau – die einen in den New Yorker Salons, die sich abfällig über die Weimar Flapper äußerten; andere, wie Hans Jonas, der es bewunderte, daß seine Freundin in den Genuß der Aufmerksamkeiten kam, die Männer Frauen vorbehalten, und dabei zugleich eine der Frauen mit dem größten Geist unseres Jahrhunderts war. Weder »Denkerin« (Definition, die dem entspräche, was das Teil dem Ganzen ist) noch »Person« (der Begriff ist geschlechtslos), sondern »Frau«, betont Jonas.52 Dennoch äußert sich Arendt über die Lage der Frauen nur, wenn sie dazu gedrängt wird: Ist sie femininer als die Feministinnen, wie man oft behauptete? Sie sah keinen Anlaß, die »Sache« der Frauen zu unterstützen. Wenn man sie darauf aufmerksam machte, daß der Beruf des Philosophen zumeist von Männern ausgeübt wird, begnügte sie sich damit, zu antworten: »Es könnte ja durchaus sein, daß eine Frau einmal eine Philosophin sein wird…«, wobei sie hinzufügte, daß nicht sie gemeint sei, da sie sich »keineswegs als Philosophin« fühle und auch nicht in den Kreis der Philosophen aufgenommen worden sei. Sie sah die »politische Theorie« als ihren »Beruf« an, wenn sie sich nicht gar als »politische Journalistin« betrachtete.53 »Es sieht nicht gut aus, wenn eine Frau Befehle erteilt. Sie soll versuchen, nicht in solche Positionen zu kommen, wenn ihr daran liegt, weibliche Qualitäten zu behalten. […] Das Problem selber hat für mich persönlich keine Rolle gespielt«54, erklärt sie jenen, die darauf bestehen, daß sie sich zum Emanzipationskampf der Frauen äußere.

Doch ebensowenig, wie es ihr darum geht, Befehle zu geben, geht es ihr darum, sie entgegenzunehmen. Die passive Fügsamkeit, die manche als »feminin« qualifizieren, charakterisiert bei Eichmann während des Prozesses in Jerusalem jene Abwesenheit des Denkens, deren anderer Name »Banalität des Bösen« ist. Ist es diese hinnehmende Pseudo-Weiblichkeit, die Arendt bei dem Nazi erkennt, wenn sie feststellt, daß er, ohne völlig unintelligent zu sein, in banaler und lächerlicher Weise gedankenlos ist? Daß er nicht selbst niederträchtige Befehle gegeben hat, sondern sich damit begnügte, sich diesen zu unterwerfen und sie weiterzugeben? Sollte Eichmann eine Art Nicht-Mann, eine Art falscher Frau sein: ein Hanswurst? »Ich habe sein Polizeiverhör, 3600 Seiten, gelesen und sehr genau gelesen. Und ich weiß nicht, wie oft ich gelacht habe; aber laut! […] Ich würde wahrscheinlich noch drei Minuten vor dem sicheren Tode lachen.«55

Wenn es aber weder das Erteilen von Befehlen noch deren Ausführung, weder die Ausübung eines Einflusses, noch die Unterwerfung unter diesen ist, was definiert dann eine Frau? »Wissen Sie, wesentlich ist für mich: Ich muß verstehen. Zu diesem Verstehen gehört bei mir auch das Schreiben. Das Schreiben ist, nicht wahr, Teil in dem Verstehensprozeß. […] Und wenn andere Menschen verstehen – im selben Sinne, wie ich verstanden habe –, dann gibt mir das eine Befriedigung wie ein Heimatgefühl.«56 Hinter der Bescheidenheit dieser Haltung der »Verstehenden« verbirgt sich ein großer Reichtum an Bedeutungen. Die Verstehende – Mit-Nehmende57 wartet ab, akzeptiert, empfängt: Offener Raum, läßt sie sich bewohnen, berührt sie, geht sie mit (cum-, com-), Matrix des gelassenen »Sich-gehen-lassens« (Heidegger betont die Gelassenheit), das sich befruchten läßt. Aber die Mit-Nehmende nimmt auch: Sie wählt, entreißt, knetet, verformt die Elemente, sie eignet sie sich an und erschafft sie neu. Gemeinsam mit den anderen, aber kraft ihrer eigenen Wahl, ist die Mit-Nehmende jene, die einen Sinn entstehen läßt, dort, wo der Sinn der anderen, verwandelt, zu lesen ist. An uns ist es, diesen Denkprozeß in actu zu entziffern, der sich konstruiert-dekonstruiert.

Kann man von einem Werk sprechen? Gewiß. Unsere akademischen und Verlagsgewohnheiten bezeichnen ohne den Schatten eines Zweifels Hannah Arendt als Autorin eines Werkes (eines politischen?, philosophischen?, femininen? Lassen wir die Frage im Moment offen.), und zwar eines der wichtigsten Werke des Jahrhunderts. Der schneidende Stil, die Knappheit, das Tempo, die gewaltige, sich dennoch niemals erschöpfende Gelehrsamkeit ihrer Schriften wurden anerkannt; Wiederholungen und die Heterogenität ihres Stils haben die Spezialisten aller möglichen Richtungen provoziert; doch vor allem durch ihre Verankerung in persönlicher Erfahrung und im Leben des Jahrhunderts machen diese Texte weniger den Eindruck eines Werkes als den eines Handelns. Die unbestreitbare Besonderheit von Hannah Arendt offenbart sich hier: Sie feilt nicht aus, noch vollendet sie, ebensowenig wie ihr Diskurs über dem Kampfgetümmel schwebt. Die Verstehende greift den Ball im Fluge auf, befragt die »Fakten«, führt den Dialog mit den sichtbaren oder versteckten »Autoren«, steht in ständiger Wechselwirkung mit den anderen, und mit sich selbst zu allererst. In diesem polemischen Labyrinth beraubt sich das Denken vielleicht einer zugespitzten Reinheit, doch dies, um besser mit den vorangegangenen Erinnerungen (im Plural) in Einklang zu stehen und auf den Weltenlauf einzuwirken.

Ein Foto vom Ende der fünfziger Jahre gibt meiner Ansicht nach das verwirrendste Bild der »Verstehenden«. Die Anspannung zu durchdringen (Heidegger sagt: durchschauen, Durchsichtigkeit), an das Licht des Tages zu bringen, gibt ihrem Gesicht einen männlichen Ausdruck und eine ironische Gier. Dabei bleiben das erobernde Lächeln und der Blick von einer flüchtigen Sanftheit erleuchtet, die ebensosehr Vertrauen wie Komplizität ausdrückt und vermittelt. Doch die Reife und der intellektuelle Kampf haben das junge liebliche Mädchen mit den langen Haaren, das mit achtzehn seinen Marburger Platon verführt hatte, verschwinden lassen. Selbst die Jungenhafte mit der Zigarette, die mit konzentriertem Profil die Aufmerksamkeit der Zuhörer einer Vorlesung in New York 1944 herausforderte, ist plötzlich rigoros erstarrt.

Hannah Arendt verabscheute die Berühmtheit, aber sie zelebrierte immer wieder das Erscheinen und das Schauspiel: Sie hätte sicher nichts dagegen gehabt, daß man den Spuren nachgeht, die ihre Erscheinungen hinterließen. Angesichts dieses Fotos (vgl. Anhang, Abb. 4) kehrt die ewige Frage wieder: Was ist eine Frau? Ist sie allein das »Phallus-Girl«, das Aufrichten eines weiblichen Modells, das die phallische Lust der Männer anheizt und das Psychoanalytiker, ohne zu zögern, in der verführerischen Frische des »schönen jungen Mädchens« von 1927 (Abb. 1) und von 1933 (Abb. 2) entziffern würden? Um so mehr, als eine Verführerin, insbesondere wenn sie denkt, selten frei ist von den Zweideutigkeiten des Androgynen.58 Ist sie die Mutter unserer Träume mit den freigebigen Brüsten, die magische Kompensatorin unserer Frustrationen – in allererster Linie der oralen? Zwar finden wir Hannah im ersten Bild wieder, doch im zweiten scheint sie sich verweigert zu haben. Oder ist sie endlich die »Verstehende« (Abb. 4), deren Bild die Frauenmagazine, die über »Ihre Schönheit« wachen, eher in die Flucht jagen würde? Ihr Gesicht drückt bis zur Karikatur die Härte des Kampfes aus, die sie dazu brachte, zu verstehen. Ohne dieses angespannte Engagement bleibt der Geist irrealisiert, unsichtbar; aber wenn er erscheint, zieht sich die Weiblichkeit – wie das Sein? – zurück, und von den beiden Geschlechtern besetzt allein das männliche, ohne sich zu genieren, die Bühne. Im Aushandeln ihrer psychischen Bisexualität bietet das Bild Hannah Arendts Ende der fünfziger Jahre das Zeugnis einer virilen Entfaltung. Wir werden darin weder eine irreführende Maske sehen, die dazu bestimmt ist, die Integration einer Frau in einen Männerberuf zu erleichtern, noch einfach die unbewußte Wahrheit einer Homosexuellen, die sich als solche nicht kennt. Aber der notwendige Weg dieses Denkens in actu, dieses gedachten Handelns, ist bei Arendt ein Synonym des Lebens.

10Vgl. Elisabeth Young-Bruehl, Hannah Arendt – Leben, Werk und Zeit, Frankfurt am Main 1996, und die Monographie von Sylvie Courtine-Denamy, Hannah Arendt, Paris 1994

11Vgl. Hannah Arendt, »Was bleibt ist die Muttersprache« (Fernsehinterview mit Günter Gauss 1964), in: dies., Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk, hg. v. Ursula Ludz, München, Zürich 1996, 3. Aufl. 1998, S. 44-70

12Ebd., S. 50-52

13Ebd., S. 57

14Ebd.

15Ebd., S. 62

16Ebd., S. 68

17Vgl. ebd., S. 75-76

18Ebd., S. 64

19Ebd., S. 53

20Hannah Arendt, »Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt«, in: dies., Menschen in finsteren Zeiten, a. a. O., S. 174-177. Hannah schrieb diesen Text fünfundvierzig Jahre später, nach wie vor Denken und Leben identifizierend, wie sie es seit ihrer Jugend und in ihrer Beziehung zu Heidegger getan hat. Vgl. in diesem Sinn auch ihren weiter unten zitierten Brief an Heidegger vom April 1928.

21Vgl. Elzbieta Ettinger, Hannah Arendt – Martin Heidegger. Eine Geschichte, München, Zürich 1995, 3. Aufl. 1998, sowie den Briefwechsel zwischen Hannah Arendt und Martin Heidegger, Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse, aus den Nachlässen hg. v. Ursula Ludz, Frankfurt am Main 1999

22Dokument 15, in: Hannah Arendt, Martin Heidegger, a. a. O., S. 30

23Hannah Arendt über Rahel Varnhagen, zit. nach Elisabeth Young-Bruehl, a. a. O., S. 96-97

24Vgl. Elzbieta Ettinger, a. a. O., S. 41

25Brief vom 22. April 1928, Dokument 42, in: Hannah Arendt, Martin Heidegger, a. a. O., S. 65-66

26Vgl. ihren Artikel »What is Existenz Philosophy?«, in: Partisan Review, Nr. 13, 1946

27Vgl. Brief Nr. 40 vom 9. Juni 1946, in: Hannah Arendt, Karl Jaspers, a. a. O., S. 79-80

28Brief Nr. 42 vom 9. Juli 1946, ebd., S. 84

29Brief Nr. 297 vom 1. November 1961, ebd., S. 494

30Dokument 47, in: Hannah Arendt, Martin Heidegger, a. a. O., S. 74

31Dokument 55, ebd., S. 89-90

32Ebd., S. 90

33Dokument 57, ebd., S. 95

34Brief vom 28. Oktober 1960, Dokument 89, ebd., S. 149

35Ebd., S. 319

36»Heidegger sagt, ganz stolz: ›Die Leute sagen, der Heidegger ist ein Fuchs.‹ Dies ist die wahre Geschichte von dem Fuchs Heidegger: / Es war einmal ein Fuchs, dem gebrach es so an Schläue, daß er nicht nur in Fallen ständig geriet, sondern den Unterschied zwischen einer Falle und einer nicht-Falle nicht wahrnehmen konnte. […] Er baute sich eine Falle als Fuchsbau, setzte sich in sie, gab sie für einen normalen Bau aus (nicht aus Schläue, sondern weil er schon immer die Fallen der anderen für deren Baue gehalten hatte), beschloß aber, auf seine Weise schlau zu werden und seine selbst verfertigte Falle, die nur für ihn paßte, zur Falle für andere auszugestalten. Dies zeugte wieder von großer Unkenntnis des Fallenwesens: in seine Falle konnte niemand recht rein, weil er ja selbst drin saß. […] Also verfiel unser Fuchs auf den Einfall, seine Falle schönstens auszuschmücken und überall klare Zeichen zu befestigen, die ganz deutlich sagten: kommt alle her, hier ist eine Falle, die schönste Falle der Welt. […] Wollte man ihn im Bau, wo er zu Hause war, besuchen, mußte man in seine Falle gehen. Aus der freilich konnte jeder herausspazieren außer ihm selbst. Sie war ihm wort-wörtlich auf den Leib geschnitten. Der fallen-bewohnende Fuchs aber sagte stolz: So viele gehen in meine Falle, ich bin der beste aller Füchse geworden. Und auch daran war etwas Wahres: niemand kennt das Fallenwesen besser, als wer zeitlebens in einer Falle sitzt.« (Dokument A 5 des Denktagebuches von Hannah Arendt, August oder September 1953, in: Hannah Arendt, Martin Heidegger, a. a. O., S. 382-383)

37Hannah Arendt, Rahel Varnhagen – Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik, München, Zürich 1990

38Hannah Arendt, Vom Leben des Geistes. Das Denken. Das Wollen, hg. v. Mary McCarthy, München, Zürich 1998, S. 29-30

39Hannah Arendt, »Rosa Luxemburg«, in: dies., Menschen in finsteren Zeiten, a. a. O., S. 63-64

40Hannah Arendt, Heinrich Blücher, Briefe 1936 bis 1968, hg. v. Lotte Köhler, München, Zürich 1999

41Brief von Hannah Arendt an Heinrich Blücher vom 18. September 1937, in: ebd., S. 83

42Brief von Heinrich Blücher an Hannah Arendt vom 19. September 1937, ebd., S. 84-85

43Brief von Heinrich Blücher an Hannah Arendt vom 12. August 1936, ebd., S. 44

44Brief von Hannah Arendt an Heinrich Blücher vom 18. September 1937, ebd., S. 83

45Brief von Heinrich Blücher an Hannah Arendt vom 4. August 1941, ebd., S. 130

46Brief von Heinrich Blücher an Hannah Arendt vom 31. Oktober 1939, ebd., S. 99

47Brief von Heinrich Blücher an Hannah Arendt vom 4. Dezember 1939, ebd., S. 106

48Brief von Hannah Arendt an Heinrich Blücher vom 8. Februar 1950, ebd., S. 208

49Brief von Hannah Arendt an Heinrich Blücher vom 25. Mai 1958, ebd., S. 471

50Brief von Heinrich Blücher an Hannah Arendt vom 15. Dezember 1949, ebd., S. 176-177

51Hannah Arendt, Vom Leben des Geistes, a. a. O., S. 207

52Vgl. Sylvie Courtine-Denamy, a. a. O., S. 19

53Hannah Arendt, »Was bleibt ist die Muttersprache«, a. a. O., S. 44

54Ebd., S. 46

55Ebd., S. 62. Vgl. auch Liliane Weissberg (Hg.), Rahel Varnhagen. The Life of a Jewess, by Hannah Arendt, Baltimore (John Hopkins UP), S. 25

56Hannah Arendt, »Was bleibt ist die Muttersprache«, a. a. O., S. 46-47

57Julia Kristeva interpretiert hier vom französischen comprendre – verstehen aus, das sich auch als com-prendre – mit-nehmen deuten läßt. Wir versuchen, es im Deutschen nachvollziehbar zu machen. (Anm. d. Übers.)

58Im Laufe der Kontroverse anläßlich der Reportage über den Eichmann-Prozeß beschwert sich Arendt über ihre Kritiker der Zeitschrift Aufbau: »…denn der ›Aufbau‹ hat mich unter anderem auch dessen beschuldigt, was die Freudianer den Penisneid nennen.« Vgl. Brief Nr. 356 an Gertrud Jaspers vom 12. August 1964, in: Hannah Arendt, Karl Jaspers, a. a. O., S. 598. Die Auseinandersetzung, obschon »erheiternd« (ebd.), traf sie an einem empfindlichen Punkt.

Das weibliche Genie. Hannah Arendt

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