Читать книгу Paul - Juliane Baldy - Страница 12

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Mutter. Sie klopft. Sie klopft nie. Zumindest hat sie lange nicht mehr geklopft. Gott, sieht die scheiße aus.

»Morgen, Großer. Ich muss zur Ulrike.«

»Okie.«

»Kann sein, dass ich erst morgen wiederkomme.«

»Okie. Alles in Ordnung?«

Ich mach mir echt Sorgen. Nein, Sorgen ist übertrieben, ich mach mir keine Sorgen um meine Mutter, aber sie sieht irgendwie fertig aus. Nicht so kater-fertig. Eher es-ist-was-Schlimmes-passiert-fertig.

»Sicher. Nur das mit Ulrike ist nicht so einfach, aber auch nicht wirklich schlimm. Frauenkram. Weißt du. Ich erzähls dir ein andermal.«

Ein andermal. Das kenn ich noch von früher. Als ich so war. Aber mittlerweile bin ich ja wohl kein Kind mehr. Und dass Ulrike so was ist wie meine Jungs, hab ich auch schon längst geschnallt. Ein andermal. Als ob ich Bock hab, mit Mutter über Frauenkram zu labern. Nope. Kopfkinostopp.

Mega nice. So richtig sturmfrei wär schon fett. So definitiv über Nacht weg. Das wär mal so ein Abend, wo man steilgehen könnte. Ich denk an Ida online. Und an Franzi offline. Aber sobald ich an Ida online denke, kann ich mir Franzi offline gar nicht vorstellen und fühl mich voll mies. Wenn ich aber andersrum anfange und mir Franzi offline vorstelle, vollkommen real, hier auf dem Sofa, dann ist Ida ganz weit weg. Irgendwie.

Online oder offline, Sofa ist fett. Ich häng selten hier ab. Das ist eigentlich Mutters Reich, außerdem sieht man die Haustür von hier aus und das macht mich dann immer ballaballa. Nicht, dass ich komischen Kram mache. Auf dem Sofa. Aber ich hasse das, wenn sie einfach reinkommen kann. Jede Sekunde. Keine Ahnung, warum. Vielleicht ist das ein Trauma. Einzelkind. Oder so. Ich muss mal mit Ida drüber texten. Bestimmt hängt die den ganzen Tag am Strand. Plopp. Fuck. Franzi.

SIE: Was geht ab?

ICH: Wollt grad Pizza bestellen.

SIE: Cool. Ich komm rum.

ICH: Klaro.

SIE: Hälfte Thunfisch-Spinat, andere Hälfte Schinken-Artischocken. Bisschen scharf. Wichtig! Nur bisschen. Wenn du Knoblauch nimmst, ich auch, aber nur, wenn der flüssig ist und nicht in Stücken, dann nicht.

Warum. Ich hab echt kein Plan. Weil Ida weit weg hockt. Und ich überhaupt nicht weiß, wohin das läuft. UND ich sturmfrei hab. UND ich weiß, dass Franzi morgen die Biege macht. Es gibt also wirklich NICHTS, was dagegen spricht, mit Franzi ne Pizza halb Fisch halb Dings zu snacken.

»Cooles Haus. Hast du ne Fluppe?«

»Klaro. Müssen aber raus.«

Mutter hat immer Stangen auf Vorrat. Lässt sie sich aus Polen mitbringen.

»Wohnt ihr hier schon immer?«

»Klaro.«

Cooles Haus. Ich weiß nicht. Bude halt. Die Neuenkirchners grillen. Und glotzen. Das stört mich voll. Wie der da mit seiner Sauerstoffflasche. Was soll denn die Franzi denken. Dass wir hier betreutes Wohnen haben. Oder was.

»Lass reingehen. Die nerven.«

Wenn ich die Nacht lüfte, passt das schon für Mutter.

»Was hast du vor, dass du nicht beobachtet werden möchtest?«

Ganz plötzlich, zack, von einer Sekunde auf die andere, ist sie wieder wie aufm Stuhü. Macht so auf porno. Irgendwie. Aber ich bleib cool.

»Ich kann die nur nicht ab. Das ist alles. Nimm den Aschenbecher mit. Kannst drinnen rauchen.«

Und sie. Bleibt da und, was, zieht sich aus. Auf der Terrasse. Ich glaub es nicht. Voll der Billofilm. Wenn das die Neuenkirchners. Zum Glück hat sie einen Bikini drunter. Ich denk nur, ist ja voll normal, okie, wenn wir einen Pool hätten. Vielleicht. Aber auch ohne. Man kann ja mal Bikini. Im Garten. Im Sommer. Aber WIE sie es macht. Sie rekelt sich so billo. Und dann diese Kippe. Gleich sagt die Neuenkirchner bestimmt, dass der Alte nicht so glotzen soll. Und dann. Ich mein, es tanzen ja nicht ständig halb nackte Girls hier rum.

»Komm rein.«

»Warum?«

Was brüllt die so.

»Geht die Spießer nichts an, wer hier ist.«

»Was?«

Mann, das kann man wirklich leiser.

»Weil. Weiß nicht. Komm doch mal. Jetzt.«

Endlich. Sie kommt rein. In Zeitlupe. Aber sie kommt rein.

»Willst mich küssen?«

Jetzt flüstert sie. Und tatscht wieder an meiner Brust rum. Sie geht ganz schön ran, und ich denk nur, scheiß drauf. Das denk ich.

Der Pizzamann klingelt. Ich streif mir die Shorts über. Ist ein geiles Gefühl. So ich kann die Tür leider nicht ganz aufmachen. Da liegt ein nacktes Girl auf dem Sofa. Sorry.

Wir snacken. Franzi hat keine Patte für die Pizza rausgerückt. Und sich mein T-Shirt übergezogen. Das stört mich. Sag aber nichts.

»Säuft deine Alte?«

»Nein. Aber vielleicht ist im Kühlschrank noch ein Sekt. Ich schau mal.«

Ich geh so langsam wie möglich. Logisch. Es war schon nice. Nur jetzt. Jetzt wär ich gern allein. Liebe ist nur Mädchenkram, auch wenn mir schon klar ist, dass man auf manche einfach richtig steht. Und bam. Die Pumpe. Die Pfoten. Ida. Wenn ich ehrlich bin, hab ich mir sogar währenddessen vorgestellt, wie es wäre, wenn ich mit ihr. Jetzt. Wahrscheinlich fühl ich mich deshalb so. So komisch. Wenn ich jetzt sage, dass ich nichts zu trinken habe, geht sie. Vielleicht. Oder sie geht nur was holen. Ich könnte Mutters ganzen Alkvorrat aus der Garage anschleppen und sie so schnell wie möglich mega dicht machen. Okie. Dann könnte es aber sein, dass sie gar nicht mehr in der Lage ist zu gehen und hier bis morgen früh rumhängt. Suboptimal. Suboptimal ist auch so ein Wort. Cool bleiben. Anti Konflikt. Ein Sekt. Und sie ist weg.

»Marie fragt, was wir machen.«

Alarmstufe Rot. Marie fragt, was WIR machen. Scheiße, Mann. Franzi würde wahrscheinlich auch bleiben, wenn Mutter da wäre. Hier. Jetzt. Abkühlen, Mann. Es sind Ferien. Das wird sich legen. Morgen fährt sie.

»Sie kommen mal rum.«

Panik.

»Meine Mutter kommt voll früh wieder. Ich kann jetzt echt keine Aktion reißen. Hier. Jetzt.«

Ich Fuchs.

»Mach dich locker. Wir chillen nur.«

Ich bin zu gut erzogen, um sie einfach rauszuwerfen. Ich mein, wir haben eben. Da kann ich schlecht sagen, Ciao Baby, ich melde mich.

Danke, Mutter.

Marko. Und Marie. Hier. Jetzt. Auf Mutters Sofa. Abgefahren. Wenn ich aus der Nummer schon nicht rauskomme, mach ichs mir halt nett. Mein T-Shirt riecht nach Franzi. Egal. Trink ich halt. Marko hat Tequila dabei. Am Anfang machen wir das mit Salz und Zitrone. Mutter kann nicht ohne Zitronen, Zitronen müssen immer da sein. Irgendwann trinken wir den einfach so. Aus Mutters Sektgläsern. Das letzte Mal, dass ich mich so richtig abgeschossen habe, war im Trainingslager. Ich musste die ganze Busfahrt reihern. Da war ich nicht der Einzige. Ganz schönes Chaos war das damals.

Telefon. Klingelt.

Das kann nur Oma sein. Oder Opa. Oder Mutter. Niemand sonst ruft auf Festnetz an.

»Alles gut, Großer?«

Mutter. Logisch.

»Klaro.«

Wie ich das hasse. Großer. Aber ich halt die Klappe. Hört ja zum Glück keiner.

»Hast du Besuch?«

Fuck.

»Die Jungs.«

»Schön. Also gehts dir gut, ja?«

»Klaro.«

Ich versuch, so wenig wie möglich zu lallen. Hab schon ganz schön einen im Tee.

»Ich bleib über Nacht. Bei Ulrike. Pass auf dich auf, Großer.«

»Klaro.«

Das klang nach Krankenhaus. Keine Ahnung, warum. Ich kann nur Krankenhaus denken. Plötzlich. Aber nicht lange, Franzi ist schon wieder an mir dran. Marie dreht eine Tüte, Marko sucht nach Essbarem.

Wenn ich ehrlich bin, find ich den Abend mega. Nicht mega so wie unersetzbar, phänomenal oder so. Mega im Sinne von hätte ich nicht gedacht. Dass mir das gar nicht auf den Sack geht mit denen. Und ich hab STURMFREI.

Es klingelt. Diesmal an der Tür. Alex und Co. Echt jetzt. Franzi. Die Bitch.

»Kann losgehen!«

»Hey.«

Was soll ich auch sagen. Franzi, Mann.

»Hey! Der Loser sagt, Mutti säuft nicht, aber die bunkert Vorrat in der Garage.«

Franzi ist so eine. Nicht nur, dass sie mich Loser nennt, sie patscht da mit ihren Händen an Alex’ Brust. Einfach so. Als wär das voll normal. Wie das weitergeht, weiß ich ja. Ich versuch einfach, sie loszuwerden.

»Hey. Losers Alte hat grad angerufen. Sie kommt früher heim. Wir müssen die Party verschieben.«

Das hilft nicht.

»Hosenschisser. Deine Alte wird sich freuen. Reife Frauen stehen auf mich.«

Franzi haut ihm keine runter. Oder so. Sie macht nur weiter an ihm rum.

»Knackige Girls aber auch.«

Alex ist der Boss, ich niemand. Marie. Mit Marko verschwunden. Bitte nicht in Mutters Bett. Und BITTE nicht in meins. Dann klingelt es wieder. An der Tür. Ein paar Girls. Ich kenne sie nicht, sie interessieren mich nicht. Ich will einfach nur weg. Kann diese Gurken aber nicht alleine in der Bude lassen. Also bleibe ich. Und trinke. Ich bleibe. Und trinke. Ich schau nach, wo Marko und Marie sind. In der Garage. Okie. Ich will eigentlich sofort wieder gehen, aber ich kann nicht. Weggucken. Wie bei nem Autounfall. Marie sieht mich. Rastet voll aus.

»Assi! Arschloch! Gehts noch? Verpiss dich!«

Ich wehr mich nicht. Ich versuch es erst gar nicht. So mit meiner Garage. Und so.

Mir ist kotzübel. Ich verzieh mich in mein Zimmer. Ich bin fähig, Entscheidungen zu treffen. Ziemlich kluge Entscheidungen. Ich tue so, als wär ich nicht da. Plopp. Scheiße. Nicht in dem Zustand. Ich hätte die Pfoten vom Rechner lassen sollen.

IDA: Hey! Da bist du ja!

ICH: Sorry! Hab grad Besuch! Paar Kumpels! Morgen?

Was will die eigentlich. Ich kann nur noch in Zeitlupe tippen.

IDA: Okay.

Schnell zu das Ding. Hoffentlich hat sie nichts gemerkt.

Franzi. Steht da. In meinem Zimmer.

»Alex ist Nachschub holen. Voll sorry. Wirklich. Küss mich mal.«

Klaro. Kann ich. Trösten ist erlaubt. Bin voll am Schwanken. Ist egal. Ihr sowieso. Sie will gar nicht mehr rummachen, Ida. Sie will echt nur so in den Arm genommen werden. Sie tut mir leid. Voll der Kitsch, Mann. Ist das Kitsch. Ich bin zu dicht, um jetzt so mit Buchstaben. Komisch. Irgendwie. Nicht wegen Franzi oder Alex. Mann, ich bin so ein Mädchen. Traurig. Irgendwie wirklich wegen mir. An Ida will ich jetzt nicht denken. Wenn ich an sie denke, wird mir ganz schlecht. Ich darf nicht an sie denken, jetzt. Ich umarme Franzi fester. Trost. Was für ein Ding. Ich glaube, wir trösten uns gegenseitig. Irgendwie. Nein. Das ist das Wort. Irgendwie. IRGENDWIE ist das Wort dieses verkackten Abends. Und dann denk ich irgendwie. Irgendwie ist das auch gar nicht so verkackt. Nur Ida darf ich das nicht texten. Obwohl Ida bestimmt die Einzige auf dem ganzen Planeten ist, die das verstehen würde jetzt. Irgendwie.

Paul

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