Читать книгу Mr.Spencer und die mörderische Witwe - Julie Bloom - Страница 10

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6. Kapitel

„Warum beobachten Sie mich die ganze Zeit?“, fragte eine weibliche Stimme hinter Phil, und er hätte vor Schreck beinahe sein Getränk verschüttet. Er stand immer noch am Erfrischungsstand und hatte gerade ein Glas Whisky entgegengenommen. Phil wandte sich um.

„Wer möchte das wissen?“, fragte er geschickt gekontert. Wenn ihm sein Beruf irgendwelche Vorteile eingebracht hatte, dann waren es Wortgewandtheit und Schlagfertigkeit. Er erblickte nun die dunkelhaarige Schönheit, die ziemlich dicht vor ihm stand. Anscheinend wollte sie sich auch gerade eine Erfrischung holen. Außerdem schien sein Gegenüber diese Tugenden ebenfalls zu beherrschen.

„Zuerst möchte ich wissen, wer Sie sind und was Sie von mir wollen“, fragte sie hartnäckig.

Diese Fragen zu beantworten wäre Phil normalerweise leichtgefallen. Doch was wollte er eigentlich von ihr? Konnte er sich das überhaupt selbst beantworten?

„Mein Name ist Phil Spencer, Sohn und inzwischen Bruder des Duke of Kintbury. Und was ich von Ihnen will, kann ich nicht sagen.“

Die dunkelhaarige Schönheit dachte einen Augenblick darüber nach und erwiderte: „Wollen Sie vielleicht mit mir tanzen, Phil Spencer?“

Zu Phils Überraschung lächelte sie nun einladend und gleichzeitig amüsiert, was sie nur noch schöner und attraktiver machte. Plötzlich wusste Phil, was er von ihr wollte. Doch zunächst wollte er wissen, wie ihr Name war.

„Und mit wem habe ich das Vergnügen?“, fragte Phil nun ebenfalls grinsend und beinahe mit seiner gewohnten Gelassenheit, die ihn sonst auszeichnete.

„Helena de Longré, Tochter von Sir Challenger und noch Ehefrau von Robert de Longré. Wollen wir?“

Sie war echt erstaunlich. Einerseits gab sie den Ton an wie ein Mann, andererseits hatte sie ihm gerade erzählt, dass sie verheiratet war? Was suchte sie dann alleine auf einem Ball?

Phil ließ sich von Helena - Helena, was für ein Name - mit auf die Tanzfläche ziehen und erwachte erst wieder aus seinen Gedanken, als er mit ihr in seinem Arm mitten unter den tanzenden Ballgästen stand, und die ersten Takte eines Walzers erklangen.

Phil blickte seiner Tanzpartnerin ins Gesicht, in die Augen, und erkannte zum ersten Mal ihr wahres Wesen. Ihre feinen, aber bestimmten Gesichtszüge. Ihre Anmut, ihre warmherzigen blaugrauen Augen, aber auch ihre Stärke. Sie schien genau zu wissen, was sie wollte. Er konnte in ihrem Blick aber auch das Glitzern eines kleinen, hoffenden Mädchens erkennen. Es erschien alles ein wenig unwirklich für Phil. Wie hatte sich diese Person plötzlich in sein Leben gezaubert? Sie schien ihm sehr ähnlich zu sein, und gleichzeitig das komplette Gegenteil. Er hatte das seltsame Gefühl, Helena schon ewig zu kennen.

„Starren Sie mich nur an, oder wollen wir tanzen?“, fragte sie ihn plötzlich mit amüsiert funkelnden Augen und riss Phil aus seiner Trance.

Phil setzte sich mit ihr in Bewegung und warf einen prüfenden Blick zu Tante Feodora, die ihm nun auch wieder eingefallen war. Sie wirkte schon etwas blasser, es schien ihr aber noch recht gut zu gehen. Phil beschloss, ihr sofort nach diesem Tanz, etwas zu trinken zu besorgen und nach ihr zu sehen.

Doch nun wandte er sich erneut Helena zu.

„Wie kommt es, dass Sie als verheiratete Frau alleine auf diesen Ball kommen?“, wollte Phil wirklich gerne wissen.

„Mein Mann ist bettlägerig und geht auf keine Bälle mehr“, antwortete die schöne Helena kühl und knapp.

Bei dem Gedanken an ihren Ehemann erfror beinahe ihre Mimik. Plötzlich wirkte sie kühl und distanziert.

„Tut mir leid, dass ich gefragt habe. Ich wollte Ihnen nicht die Laune verderben“, erwiderte Phil.

„Wie kommen Sie darauf, mir die Laune verdorben zu haben?“, fragte Helena nun ehrlich verwundert.

Konnte es sein? Kannte Phil sie besser als sie sich selbst? Oder irrte er sich? Das gibt es ja nicht, Phil hatte sich schon seit seiner Schulzeit nicht mehr so verunsichert gefühlt. Was machte diese Frau nur mit ihm?

„Ich hatte es angenommen“, antwortete Phil nun knapp und blickte von Helena fort in den Ballsaal.

„Sie haben ja recht“, gestand Helena plötzlich.

Phil blickte erstaunt zu ihr zurück. Also hatte er sich doch nicht geirrt. Auf seine Instinkte war also immer noch Verlass.

„Dennoch tut es mir leid, Ihnen die Laune verdorben zu haben. Vielleicht gibt es ja etwas, das ich tun könnte, um das wieder zu ändern?“

Helena blickte etwas hoch in die Augen ihres Tanzpartners. Er war ziemlich groß, dass sogar sie, obwohl sie wirklich nicht klein war für eine Frau, zu ihm hinaufblicken musste. Helena konnte sich nicht daran erinnern, schon jemals mit einem derart männlichen und stattlich gebauten Mann getanzt zu haben. Er war keine klassische Schönheit. Er strotze aber vor Männlichkeit und Stärke und war durchaus gut aussehend. Es konnte vermutlich jede Frau nur davon träumen, von diesen starken, muskulösen Armen getragen und gerettet zu werden.

Außerdem gefielen Helena seine braunen, schokoladefarbenen Augen, die warm und verspielt zugleich wirkten. Auch sein dunkles, etwas längeres Haar fand Helena durchaus ansprechend. Dazu hatte er weiße, schöne Zähne und irgendwie sinnliche Lippen, die einladend und verheißungsvoll zugleich waren.

Was war bloß mit ihr los? Solche Gedanken kannte Helena gar nicht von sich selbst. Was löste dieser bis dato Unbekannte mit seinen Blicken bei ihr nur aus. Helena musste sich selbst eingestehen, dass sie zuvor nicht wirklich aufgrund eines Getränks, sondern aus Neugierde auf diesen Mann, den Erfrischungsstand aufgesucht hatte. Sie würde es ihm gegenüber aber niemals zugeben. Doch sie nahm, aufgrund seiner intensiven Blicke zuvor an, dass auch er an ihr interessiert war.

Doch wo sollte das hinführen? Sie war verheiratet, verdammt. Sie hatte ihr Schicksal bereits gewählt und wollte niemals wieder das Risiko eingehen, von einem Mann enttäuscht zu werden. Könnte dieser, der ihr nun gegenüberstand, sie enttäuschen? Nicht, wenn sie es nicht zuließ. Sie verspürte aber eine derart starke, unsichtbare Anziehungskraft, die sie an ihn heranzog. Momentan wusste Helena nicht, wie sie dem widerstehen sollte. Es fühlte sich viel zu vertraut an, in seinem Arm. So, als hätte sie da schon immer hingehört. Alles andere um sie herum und in ihrem Leben, schien ihr nun lästig und überdrüssig. Eigentlich wäre sie jetzt am liebsten alleine mit ihm, mit Phil, auf dieser Welt.

„Helena, ist alles in Ordnung?“, fragte Phil sie nun etwas besorgt. Anscheinend hatte sie zu lange ihren Gedanken nachgehangen und nicht geantwortet. Was hatte er noch gefragt? Ach ja, Phil wollte wissen, ob es etwas gäbe, das er für sie tun konnte, um ihre Laune wieder zu verbessern.

Ja das konnte er. Helena wusste genau, was sie jetzt von ihm wollte. War sie denn nun völlig übergeschnappt? Sie wusste es selbst nicht mehr. Es packte sie innerlich ein ganz starker Drang, fast ein überlebensnotwendiges Bedürfnis, und Helena konnte nicht anders, als dem nachzugehen. Sie hatte plötzlich das Gefühl zu ersticken und innerlich zu explodieren.

Der Walzer neigte sich dem Ende zu. Sie blieben stehen. Phil blickte sie nun erwartungsvoll und neugierig an, und Helena konnte nicht anders.

„Phil, Sie können tatsächlich etwas für mich tun. Kommen Sie mit.“

Helena nahm ihn an der Hand und zog ihn mit sich hinaus auf die Terrasse, die Stufen hinunter in den Garten und weiter auf einen kleinen Pfad. Es war ihr in diesem Moment egal, ob sie irgendjemand zusammen mit ihm sehen würde. Sie brauchte ihn. Was war nur mit ihr los?

„Helena, warten Sie. Wo gehen wir denn hin?“, fragte Phil etwas überrumpelt, aber dennoch sehr freundlich.

Helena blieb stehen. Sie waren nun außer Sichtweite der Terrasse. Es war eine wunderschöne Sommernacht. Die Luft war frisch und roch herrlich nach Blütenduft. Dass ihm, Phil, einmal so etwas auffallen würde, wunderte ihn nun selbst in höchstem Maße.

Helena kam langsam näher auf ihn zu und hielt wenige Zoll vor seinem Gesicht mit dem ihren inne. Sie ergriff seine Rockaufschläge und hielt sich daran fest, während sie zu ihm hochblickte. Sie sah ihn fast flehend an.

Phil nahm sie unwillkürlich an ihren Ellenbogen und blickte ihr tief in die Augen. Hatte er schon jemals so etwas für eine Frau empfunden? Nein. Er wollte Helena festhalten, ihr nahe sein und sie beschützen. Vor allem wollte er sie vor allem, was ihr schaden oder sie bedrücken könnte, bewahren. Für immer. Phil erschrak über seine eigenen Gedanken.

Gleichzeitig packte ihn eine tiefe Leidenschaft und er zog Helena an sich und küsste sie. Er schlang seine Arme um sie und hielt sie fest. Helena ließ nun ihre Hände zu seinem Nacken hinauf wandern und streichelte ihn wild am Hinterkopf. Phil verlor jegliches Gefühl für Raum und Zeit. Es gab nur mehr noch ihn und diese wunderschöne, gleichermaßen starke und zarte Frau, und ihre Münder und Hände. Phil strich ihr über den Rücken und drückte sie noch dichter an sich. Helena stöhnte leise und presste ihren Mund nun noch fester auf den seinen, um den Kuss zu vertiefen. Ihre Zungen fanden und liebkosten sich. Wo sein Verstand geblieben war, wusste Phil nicht mehr.

Plötzlich fiel ihm Tante Feodora wieder ein. Er war schließlich auf diesen Ball gekommen, um auf sie aufzupassen und ihr helfend zur Seite zu stehen.

Langsam löste Phil sich von Helenas Lippen und raunte heiser: „Ich muss zurück in den Ballsaal. Ich werde dort gebraucht.“

Helena öffnete ihre himmlischen Augen, die vor Leidenschaft zu sprühen schienen. Nun mischte sich allerdings Enttäuschung und Skepsis in ihren Blick.

„Wer wartet dort auf dich?“, fragte sie gerade heraus.

„Meine Tante“, antwortete Phil etwas grinsend. War sie etwa eifersüchtig?

Du bist doch diejenige, die einen Ehemann hat, oder etwa nicht?“, fügte Phil noch grinsender hinzu.

Helena ließ von Phil ab, und ihren Kopf und die Schultern etwas hängen.

„Ja, stimmt. Du hast recht. Ich bin wohl die Letzte, die von dir irgendetwas erwarten dürfte.“

Phil kam noch einmal auf Helena zu und nahm ihr Gesicht in seine großen, starken Hände.

„Du darfst alles von mir erwarten“, sagte Phil liebevoll und sah ihr dabei tief in die Augen.

„Es ist nur so, dass ich mit meiner Tante hierhergekommen bin. Sie hat gesundheitliche Probleme und könnte eventuell meine Hilfe gebrauchen.“

Helena nahm Phil an den Handgelenken und blickte ihn etwas erschrocken an.

„Worauf warten wir dann noch. Schnell zurück in den Ballsaal“, sagte sie ehrlich besorgt.

Phil lächelte aufgrund ihrer fürsorglichen Art und zog Helena noch einmal an sich. Überrascht blickte sie zu ihm hoch.

„Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht lieber noch mit dir hier draußen bleiben möchte“, erklärte Phil zärtlich und gab Helena noch einen sanften Kuss.

Für einen Moment verschmolzen sie noch einmal. Dann nahm Phil sie an der Hand und sie eilten schnellen Schrittes zurück zum Haus.

Als sie in Sichtweite der Terrasse kamen, ließen sie ihre Hände los. Dennoch betraten sie gemeinsam den Ballsaal. Phil nahm sich vor, Helena später noch über ihren Noch-Ehemann zu befragen. Was hatte es damit wohl auf sich?

Im Ballsaal angekommen blickte Phil sich nach seiner Tante um. Er fand sie am Rande des Saals, in der Nähe des Platzes, auf dem Helena zuvor gesessen hatte.

Tante Feodora saß auf einem Stuhl und zwei älteren Damen umringten sie. Eine davon hielt ein Glas Wasser in der Hand, die andere fächelte ihr gerade Luft zu. Phil ahnte nichts Gutes und bahnte sich schnellen Schrittes einen Weg, einmal quer durch den Saal. Helena folgte ihm unauffällig.

Bei Tante Feodora angekommen fragte Phil sehr besorgt: „Tante, was ist geschehen? Geht es dir nicht gut?“

„Ihre Tante ist ganz blass geworden und fühlte sich nicht wohl. Wir haben ihr Wasser gebracht und sie zu diesem Sitzplatz geführt. Ich denke, es geht schon etwas besser“, erzählte eine der beiden Matronen.

Phil nickte nur dankbar für diese Erklärung und wandte sich wieder an seine Tante.

„Tante Feodora, es tut mir sehr leid, dass ich nicht gleich zur Stelle war. Brauchst du irgendetwas? Frische Luft vielleicht? Etwas zu essen?“

Tante Feodora tätschelte Phil die Hand und erwiderte: „Danke, mein Junge, aber nein. Der Kreislauf macht mir zu schaffen. Bringe mich bitte einfach nur nach Hause.“

Mit Phils Hilfe erhob sich die Tante, etwas wackelig auf den Beinen, sodass Phil sie mit beiden Händen stützen musste. Da warf Tante Feodora einen Blick an Phils Schulter vorbei und hielt inne. Phil verfolgte ihren Blick und sah Helena einige Fuß hinter sich stehen. Er warf ihr einen entschuldigenden Blick zu und machte sich mit seiner Tante auf den Weg aus dem Ballsaal. Einmal wandte er noch seinen Kopf um und blickte zurück. Helena stand dort, wunderschön, aber verloren wirkend in der Menschenmenge, ehe sie darin verschwand. Phil hatte ein schlechtes Gewissen. Aber was sollte er tun? Er musste sich nun um seine Tante kümmern und sie nach Hause bringen. Er würde Helena schon irgendwie wieder ausfindig machen, um erneut mit ihr sprechen zu können.

Als Helena Phil mit seiner ältlichen Tante sah, flog ihm ihr Herz zu. Wie hingebungsvoll er für sie da war, fand Helena rührend. Es zeigte eine weiche, fürsorgliche Seite, an diesem stattlichen, eher robust wirkenden Mann, die ihn für Helena umso attraktiver machte.

Wie gerne wäre sie diejenige, die an seinem Arm mit ihm nach Hause gehen dürfte. Helena rief sich rasch zu innerer Ordnung. Was hatte sie bloß plötzlich für Gedanken im Kopf? Sie wollte doch niemals ihr Herz und ihr Glück von einem Mann abhängig machen. Sie musste das sofort beenden und wieder vernünftig werden. Sie war nun so kurz vor ihrem Ziel, auf das sie nun seit mehr als zehn Jahren hingearbeitet hatte. Sie konnte doch nicht nur wegen eines unverschämt charmanten und attraktiven Mannes ihre ganzen Pläne über den Haufen werfen. Das wäre entsetzlich. Vielleicht würde sie diesen Phil ja auch nie wiedersehen, nachdem er nun den Ballsaal mit seiner Tante verlassen hatte. Bei diesem Gedanken schnürte sich aber Helenas Herz schmerzvoll zu. Die Wahrheit war, sie wollte ihn wiedersehen. So schnell und so oft wie möglich. Da konnte selbst die kühne Helena sich nichts vormachen.

Mr.Spencer und die mörderische Witwe

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