Читать книгу Mr.Spencer und die mörderische Witwe - Julie Bloom - Страница 7
Оглавление3. Kapitel
London
„Helena! Komm sofort her und bring mir meine Brille.“
Helena verdrehte die Augen und holte die verdammte Brille, um den Wunsch ihres alten und dahinsiechenden Noch-Ehemanns zu erfüllen. Helena war nun dreißig Jahre alt und bereits zum vierten Mal verheiratet. Sie war eine dunkelhaarige Schönheit von schlanker Statur, und das wusste sie. Sie hätte vermutlich jeden in London haben können. Helena machte sich aber nichts aus Liebe und unrealistischen Hoffnungen. Sie dachte praktisch, und das bedeutete in ihrem Fall, sich einen sehr alten und wohlhabenden Ehemann zu suchen und abzuwarten, bis er endlich dahin ging. Helena wollte im Grunde unabhängig von einem Mann leben, und musste sich zuvor aber ein kleines Vermögen aneignen, um später ohne einen Ehemann an ihrer Seite, überleben zu können. Dank ihrer Schönheit war dieser Weg ein Leichtes für sie. Andererseits ging es ihr manchmal wirklich gewaltig auf die Nerven, die Wünsche ihrer alten Greise von Gatten zu erfüllen. Wenigstens hatte sie bis jetzt noch mit keinem von ihnen das Bett teilen müssen. Bei diesem Gedanken schüttelte es Helena regelrecht. Sie war bei ihrer Auswahl stets darauf bedacht gewesen, auf ein extrem hohes Alter der potenziellen Ehemänner und auf einen möglichst schlechten Gesundheitszustand zu achten, damit dies niemals ein Thema werden würde. Denn das hätte sie sicherlich nicht durchgestanden. Aber hier und da mit den alten Greisen zu speisen, ihnen vorzulesen oder sonstige Gefallen zu tun, das war für sie durchaus machbar. Immerhin hatte sie dadurch die Aussicht auf ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben als Witwe vor sich.
Dies sollte nun auch der letzte Ehemann für sie sein. Nach seinem Ableben, und weil er glücklicherweise keine leiblichen Kinder hatte, wäre sie reich genug, um bis ans Ende ihrer Tage in Frieden leben zu können. Das alte, muffige Haus würde sie verkaufen und sich irgendetwas eigenes Hübsches anschaffen, wenn sie dann frei und unabhängig wäre.
Die Aussicht darauf beflügelte Helena, und sie erfüllte ihre Aufgabe, dem alten Mann seine Brille zu bringen, gleich mit viel mehr Fürsorge und Hingabe.
Helena wusste, dass sie aufgrund ihrer Geschichte in den gehobenen Kreisen der Gesellschaft bereits als die berechnende und skrupellose Witwe verschrien war. Das war ihr aber herzlich gleichgültig. Sollte doch jeder von denen vor seiner eigenen Türe kehren. Sie war bestimmt nicht die Einzige, die bei der Auswahl eines Ehemannes pragmatisch und praktisch dachte. Also was war dabei? Die alten Männer hatten in ihren letzten Tagen noch eine hübsche, junge Frau an ihrer Seite, die sie zudem auch noch freundlich bediente, und sie bekam im Gegenzug dazu einen großen Haufen Geld. Helena fand daran nichts verkehrt und stand voll und ganz zu ihren Entscheidungen.
Warum Helena sich nie wieder dauerhaft an einen Mann binden wollte, wusste sie. Ihre Mutter war an einer schweren Krankheit verstorben, als Helena gerade einmal acht Jahre alt gewesen war. Sie und ihre Eltern waren nicht sehr reich gewesen, dennoch hatten sie der guten Gesellschaft Londons angehört. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte ihr Vater zu trinken begonnen und beinahe ihr komplettes Hab und Gut verspielt. Dennoch war es ihnen irgendwie gelungen, zu überleben und durchzukommen. Helenas Vater war dann an seiner eigenen Trinkerei gestorben, als Helena neunzehn Jahre alt gewesen war.
Für sie hatte es keinen großen Unterschied gemacht, denn sie hatte sich die vergangenen zehn Jahre im Grunde selbst großgezogen. Eine Bedienstete war ihr und ihrem Vater geblieben, die sich zumindest um Helenas körperliches Wohl gesorgt, und ihr mitunter auch mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte. Es war eine etwas ältere Frau ohne eigene Familie gewesen. Sie hatte Helena stets den Rat gegeben, sich niemals von einem Mann abhängig zu machen. Man würde nur enttäuscht werden, hatte sie ihr ständig eingebläut. Und ihrer eigenen Erfahrung zufolge, hatte Helena dem leider nur zustimmen können.
Als sie mit neunzehn Jahren, nach dem Tod ihres Vaters, nun alleine dagestanden war, hatte sich Helena einen Plan für ihre Zukunft überlegen müssen.
In ihrem Elternhaus hatte sie nicht bleiben können, da es sofort nach Vaters Tod, aufgrund dessen enormer Schulden, verpfändet worden war. Helena war also von einem Tag auf den anderen, mit einer kleinen Menge Geld, das ihr Vater Zuhause in einem Beutel versteckt gehalten hatte, alleine dagestanden.
Gott sei Dank war Helena schon immer sehr einfallsreich gewesen. Sie hatte ihre wenigen Sachen gepackt, den Geldbeutel genommen und sich eine vorübergehende Bleibe gesucht. Für ein paar Wochen hatte sie sich in einer nahe gelegenen Gaststätte ein Zimmer gemietet. Ihr Geld hätte aber nicht mehr sehr lange gereicht, also hatte Helena schnell handeln müssen.
Eines Abends hatte sie ihr schönstes Kleid angezogen, ihr einziges Ballkleid, und war auf den nächstbesten Ball gegangen. Zum Glück war sie auch ohne Einladung eingelassen worden. Helena hatte vermutet, dass sie diesen Umstand ihrer überaus willkommenen Schönheit zu verdanken hatte.
Jedenfalls war ihr schnell klar geworden, dass keiner der gut aussehenden, jungen Männer sie ohne jegliche Mitgift heiraten würde. Da hatte Helena einen sehr alten, wackeligen Greis in einer Ecke des Ballsaals entdeckt, ihren ersten Ehemann. Mit ihm war sie gerade einmal drei Monate verheiratet gewesen, bevor er von ihr gegangen war. Immerhin hatte er in den letzten Wochen seines Lebens noch sehr glücklich über Helenas Gesellschaft gewirkt.
Leider war er aber mit vier Kinder gesegnet gewesen, und somit war Helena fast nichts von seinem Erbe übrig geblieben.
Daraus hatte sie gelernt, als sie sich wenig später auf die Suche nach Ehemann Nummer zwei gemacht hatte. Viel Zeit war ihr dafür leider nicht geblieben, sie hatte nicht einmal das volle Trauerjahr einhalten können, um nicht plötzlich mittellos dazustehen. Zudem hatte der älteste Sohn ihres ersten Ehemannes auch das Stadthaus, indem sie diese wenigen Monate mit dem uralten Mann gewohnt hatte, für sich beansprucht.
Somit war Helena gezwungen gewesen, sich schleunigst auf die Suche nach ihrem nächsten Gatten zu machen. Diesmal war es einfacher, weil sie durch die Verbindung mit ihrem ersten Ehemann, weitere Einladungen zu diversen Bällen erhalten hatte.
Und ungefähr so, war das Ganze noch drei weitere Male passiert. Zwar war keine Ehe so kurz gewesen, wie ihre erste, aber viel länger als drei Jahre hatte es keiner von ihnen gemacht.
Ihr aktueller Ehemann allerdings, Gatte Nummer vier, erwies sich als äußerst zäh. Helena war nun schon das vierte Jahr mit ihm verheiratet und sehnte sein Ende herbei. Manchmal schämte sie sich regelrecht dafür, solche Gedanken zu hegen. Er war ihr aber mitunter wirklich lästig und hatte ständig irgendwelche Wünsche an seine junge Gattin. Nach wie vor war Helena aber dankbar, dass es zumindest keine körperlichen Forderungen waren, denn das hätte sie nicht geschafft. So sehr sie sein wirklich beachtliches Erbe auch haben wollte.
In Anbetracht dessen, war sie aber durchaus bereit, noch einige Zeit länger seine Befehle und Wünsche zu ertragen, und hielt sich stets ihr Ziel vor Augen, selbstbestimmt und alleine, in Reichtum zu leben.
Helena atmete tief ein und aus. Sie schnappte sich die alte Brille vom Regal und schlug den Weg zurück in das Schlafgemach von Robert, ihrem Ehemann, ein.