Читать книгу Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band - Julius von Voss - Страница 4
Erstes Buch
Viertes Capitel.
Alexandrien
ОглавлениеNun ging es nach dieser großen Stadt mit platten Dächern und runden Moscheen. Nicht wenig waren die Bürger ob des unerwarteten Einspruches der Europäer bestürzt. Sonst hatten sie sie wohl auch in ihrer Mitte gesehn, doch in geringer Zahl, demüthig entweder auf den Handel, oder Notizen zu Reisebeschreibungen ausgehend, in morgenländische Kleider gesteckt, und den Namen Christenhund, ohne eben die Justiz zu überlaufen, hinnehmend. Nun brachten sie aber Waffen, und da ist der Europäer allen Nationen überlegen. Und das macht allein die Cultur, die zu einer glücklichen Schwäche führt, in welcher es nothwendig wird, sich so lange nach Kraft in der Kunst umzusehn, bis man sie findet.
Die Soldaten lagen in Alexandrien auf den Straßen umher, ein sehr beschwerlicher Zustand, wo man eine Hitze von 26 Graden duldet. Der Stab und die mitgenommenen Gelehrten wurden blos in die Häuser mehrerer Europäer gelegt.
Ring traf jenes Loos, und er wünschte daher sehnlich, daß man bald tiefer ins Land dringen mögte.
Eines Tages wanderte er mit Floren eine Gasse hinauf, um den großen Obelisk zu sehen. Plötzlich rief sie ein sehr wohlgekleideter junger Muselmann. Verwundert sehen sie auf, und entdecken in der schönen Kleidung den Sklaven Coraim aus Malta, der ihnen erzählte: wie er an der Küste freigelassen worden, und seinen Vater, der bei seiner Abreise ein Wasserträger gewesen, als einen Richter der höheren Klasse angetroffen hätte. Ein nicht seltener Gebrauch im Morgenlande, plötzlich aus dem Staube zu erheben, den man wenigstens bisweilen auch in der Christenheit nachahmen sollte. Es käme so der nüchterne Sinn in die hohen Regionen, der dort oft ganz ausstirbt.
Coraim blieb aber nicht bei den nackten Freudenbezeugungen stehen, sondern nöthigte sie in das elterliche Haus. Die Truppen wurden bei keinen Türken einquartirt, daher auch das Innere ihrer Haushaltung nicht gefährdet war.
Coraims Vater, indem er hörte, der Frank und die Frankin hätten seinem Sohne auf dem Schiffe Gutes erwiesen, zeigte sich sehr bereit zur Erwiederung, und ließ dabei vielen orientalischen Luxus schimmern von welchem beide nicht wenig eingenommen waren, und in manchem Stücke, den europäischen ihm nachsetzten.
Man trennte nach der Landessitte Ring und Floren. Letztre wurde in den Harem zu den Weibern des Ali (so hieß Coraims Vater) geführt.
Ring wurde zuförderst durch ein Bad gelabt, das ihm an und für sich nach vielen Beschwerden würde höchst willkommen gewesen seyn, wie vielmehr bei einem Raffinement, das London und Paris nicht kennen.
Das Badgebäude bestand aus drei hintereinandergelegenen großen Zimmern. Das erste, Burani genannt, war prachtvoll und mit Marmor gepflastert. An der Mauer lief eine Erhöhung hin, mit kostbaren Teppichen bedeckt. In der Mitte stand ein Brunnen. Die Diener luden den Gast ein, hier die Kleider abzuwerfen.
Aus diesem Zimmer oder Saale gelangte er in ein zweites, das Wustami hieß. Hier fanden sich viele Becken von Stein, rund und länglich, etwa zwei Schuh im Durchmesser, in welchen sich zwei Röhren mit messingnen Hähnen zu warmen und kaltem Wasser öffneten. Am Fuße derselben standen metallene Becher, um das Wasser auf die Badenden zu gießen. Schöne Blumen dufteten aus artig gearbeiteten Vasen.
Von diesem mittleren Gemache, wurde Ring in das innerste, das in dem Morgenlande den Namen Dschuani führt, gebracht. Es war durch eine Kuppel von oben erleuchtet. Ein dämmerndes Licht brach durch gemalte Fensterscheiben in die heitre Rotunde. Sie war geheizt, um den Badenden in Schweis zu bringen, doch merkte man das bei dem allmähligen Uebergange nicht. Auch sind die Oefen in solchen Bädern theils unter dem Fußboden angebracht, theils ihre Röhren in die Wände vertheilt. Das Thermometer pflegt etwa in dem ersten Gemache auf 60, im zweiten auf 80 und 90, und im letzten gegen 100 Grad zu stehen.
Wohlriechende Dünste umgaben ihn, während er in der wollüstigsten Hingebung auf einem Kissen ruhete. Der Badeknecht erschien nach dortigem Gebrauch, und fing seine Glieder gleichsam an, zu kneten. Nachdem sie durch dies Drücken und Streichen erweicht waren, zog jener einen wollnen Handschuh an, und reinigte die Haut völlig. Die Fußsohlen rieb er mit Bimsstein ab. Hierauf führte er Ring in ein Cabinet, goß ihm parfümirten Seifenschaum über das Haar, wickelte ihn dann in gewärmte Tücher, und führte ihn durch einen Seitengang, in welchem die Hitze nach und nach abnahm, in das erste Zimmer.
Hier fühlte er sich wie zu einem neuen Leben erwacht. Alle Sinnen schienen ihm feiner, alle Empfindungen süßer geworden.
Floren brachten junge Mädchen während der Zeit in das Weiberbad, einen sehr niedlich ausgezierten Saal, in dessen Mitte ein ziemlich großes Marmorbassin befindlich war, rund mit köstlichen Blumen und Spezereigesträuchen umstanden, deren Töpfe so in den Boden verborgen waren, daß es schien, hier wäre alles gewachsen. Kristallhelles Wasser rieselte in dem Bassin, und der Sand des Grundes schien übersilbert, wie Caligula die Gerste übergolden ließ, welche sein Leibpferd bekam. Nachdem Flore entkleidet, und mit Essenzen parfümirt war, erschienen die türkischen Weiber, alle jung, schlank und reizend, denn die älteren ziehen sich meistens von solchen Parthien zurück.
Alles stieg nun in das Bassin hinab, und kostete die Fülle der Erfrischung. Wie viel enthüllte Schönheiten! Welche Freiheit! Wie glücklich müßte sich der Mann fühlen, dem es vergönnt wäre, in das Heiligthum zu dringen! Aber nach Florens Behauptung ging es nicht ganz unschuldig zu, und sie, obwohl einst in dem berühmten Pallaste wohnhaft, den der Herzog von Orleans erbauen ließ, fand doch manche Szene anstößig.
Nachher ging es zur Tafel. Ring wurde in einen Saal des Gartenhauses gebracht, der nach Norden zu offen war, um die abkühlende Luft von daher zu genießen. Er war mit prächtigen Stoffen tapezirt. Längs den Mauern waren kleine Nischen angebracht, in denen porzellanene und silberne Gefäße standen. Auf dem Boden lagen Teppiche von Brokat. Am anderen Ende des Saales sahe man ein Kabinet, das auf mehreren Seiten offen war, in welchem zwei große Springbrunnen Kühle verbreiteten.
Der Tisch war mit Brokatstücken von mehreren Farben bedeckt. Am Ende desselben prangte ein silberner Schenkstuhl mit schönen kristallenen Flaschen und Silbergeschirr angefüllt. Sorbet fand sich hier für die Muselmänner, und Cyper und andre hitzige Weine für die Christen.
Flüssige und trockne Confituren machten das erste Gericht, als Ingwer, Muskatnüsse, Orangen in Geleen, Marzipan. In viereckigen Schüsseln von lakirtem und vergoldetem Holze, wurden diese Leckereien aufgetragen, die immer ein Dutzend kleiner Tellerchen enthielten. Jeder Gast bekam eine dieser Schüsseln vor sich zur Auswahl, und treffliche Liqueure wurden dazu herumgereicht.
Nach diesem Gerichte nahm man die Brokatdecken ab, und legte Tischtücher von feinem Musselin auf. Die Europäer bekamen Messer, Löffel und Gabel. Befremdend war es diesen (denn ohne Ring hatte Coraim noch mehrere Franzosen geladen) nun eine Menge Salate erscheinen zu sehn. Sie bestanden aus Rosinen, Aepfeln und andern Früchten von feinem Geschmack, mit Weinessig und Zucker. Rettige und Zwiebeln lagen darum, eine sonderbare Mischung, die aber gegen das Erwarten nicht widerlich schmeckte. Das Brot bestand aus ganz dünnen Reiskuchen.
Jetzt folgten zwei große silberne Schüsseln mit harten Eiern und Lämmernieren, über welche eine scharfe Sauce gegossen war. Ferner zwei andere große Schüsseln mit zwei Dutzend gebratnen Tauben, und noch zwei andre mit zwölf Schöpskeulen. Bald nachher kamen gebratene Capaunen, Fische, Eier, Geflügel, Consommees, Bouillons, Ragouts, gefüllte Gurken, in außerordentlicher Mannigfaltigkeit. Zugleich wurden vor jeden Gast zwei porzellanene Schaalen mit Sorbet gesetzt, der beinahe einen Punschgeschmack hatte.
Zuletzt kam endlich der Pilau, das bekannte morgenländische Gericht, in zehn großen Schüsseln auf mehrere Art zubereitet. Man sah weissen, rothen, gelben und veilchenblauen, mit Limonen, Zucker, Safran, Granaten, Maulbeeren, Orangen u. s. w. Während der ganzen Mahlzeit wurde eine Tafelmusick aufgeführt, die allein den Europäern nicht gefiel.
Nachdem die Tafel etwa drei Stunden angehalten hatte, und jedermann gesättigt schien, gab endlich der Wirth das Zeichen zum Aufstehen, und führte die Gäste in das luftige Nebenkabinet. Hier fanden sie ein herrliches Desert von Konfekturen, trockenen und frischen Früchten, Caviar, Pasteten u. s. w. Sie hatten unter andern fünf Sorten von Weintrauben, und Melonen von grüner, rother, gelber und blauer Farbe. Hierzu wurden süße und äußerst starke Weine gegeben, welche freilich nur allein für den Gaumen der Europäer hatten bestimmt seyn sollen, allein in der Freude nahm auch ein Moslem nach dem andern ein dargebotenes Glas. Desto munterer wurde die ganze Gesellschaft.
Zwerge, Taschenspieler und Mährchenerzähler traten nunmehr auf, die Gäste durch allerhand Spiele und Erzählungen zu belustigen. Coraim erinnerte Ring an jenen Tag, wo er ihm die Geschichte der Isabelle mitgetheilt hatte. Hier dachte Ring erst wieder daran zurück, und fragte, ob man denn keine Nachricht von dem Mädchen erhalten hätte?