Читать книгу Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band - Julius von Voss - Страница 8

Zweites Buch
Drittes Kapitel.
Einlenken von der Abschweifung

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Die Franzosen, welche von den Häuserzinnen ihrer Brüder tragisches Loos beobachtet hatten, geriethen in tiefe Trauer, und fürchteten grauenvoll für das eigne Schicksal. Getrennt, abgeschnitten vom Vaterlande, wenige Hoffnung, neue Verbindungsmittel bald wieder erscheinen zu sehen, und in einem Lande eingeengt, wo man der Feinde viel, und der Anhänger wenige zählte, konnten ihre Aussichten wohl nicht beruhigend sein. Dazu ließ sich fürchten, daß die Engländer nunmehr auch landen und einen Angriff auf Alexandrien machen würden, während des Heeres größter Theil tiefer eingedrungen war, um die Mammelukken zu bekämpfen; mindestens konnten sie in den Hafen dringen und die dort noch liegenden Transportfahrzeuge, von großer Wichtigkeit für den Augenblick, zerstören.

Aber der heroische Geist offenbart sich am edelsten, in den feindlichsten Anfällen der Gefahr. Wenn ihn Verzweiflung umgiebt, tritt er mit neuer Thatkraft hervor, und erbaut den Rettungstempel aus Ruinen.

Der muthige Kleber ließ plötzlich am Gestade Batterien emporsteigen. Ueberall kreuzte sich ihr Feuer. Der Eingang in den Hafen ward unzugänglich, kein Landungspunkt blieb unbewacht von der zeitigen Vorkehrung, worin der denkende Held furchtsam, aber der unverständige Praler sorglos ist.

Der hohe Feldherr, nachdem er erfuhr, was vorgegangen war, rief aus: Wohlan, so sind wir denn zu desto größeren Thaten gezwungen!

Es giebt eine Menge Gründe, womit sich der Mensch über die hereingebrochenen Unglücksfälle zu trösten sucht. Aber mag sie Philosophie oder Religion liefern, Leichtsinn thut dennoch mehr. Dieser glückliche Gemüthszug ward dem Franzosen vor allen Erdensöhnen, darum ist er auch mehr wie alle geeignet, das Widerwärtige zu bestehn. —

Nach einiger Zeit brach eine Truppenabtheilung nach Cairo auf, mit der Ring und Flore zogen. Sie bedienten sich der Esel, Postkutschen kennt man in Egypten noch nicht, wo man in vielen Bequemlichkeiten des Lebens nur wenige Schritte vorrückte. Bei dem allen brachte es der Europäer im angenehm Reisen eben auch noch nicht weit. Nur in Frankreich und England giebt es erträgliche Wege, Rußland und Schweden haben mindestens Anstalten, schnell fortzukommen. Doch in späteren Jahrhunderten wird man kleine Häuschen auf Räder stellen, deren Zimmer nach Art der holländischen Gondeln eingerichtet sind, und worin man sitzen und gehn, schlafen und lesen, schreiben und Clavier spielen kann. Oefen für den Winter, und chemische Küchen dürfen nicht fehlen. Ein lebhaftes Vergnügen wohnt schon in der Vorstellung einer solchen Reise, von einigen hundert Meilen; nichts wird sie übertreffen, als die noch später angelegte Luftpost, die auch das leiseste Stuckern vermeidet.

Es ging durch die Wüste. Die Natur hat die Laune gehabt, in Egypten viele Landstriche mit einer hundertfältigen Fruchtbarkeit auszustatten, dagegen öde, ewig unwirthliche, brennende Sandmeere zwischen die kleinen Elysäen hingeschlängelt. Es scheint, sie fürchtet aus ihrem Charakter zu fallen, wenn sie des Guten zu viel thut, denn die Weltregel will des Schlechten überall daneben. Ein ganz neuer, sonderbar ergreifender Anblick, solche Wüste, dies berichten alle, welche sie sahen. So weit das Auge reicht, eine starre weiße Fläche ohne anmuthigen Wechsel der Gegenstände, ohne erquickende Vegetation, ohne Zeugen des Lebens. Tief ist der heiße Sand, und qualvoll zu durchschreiten. Stürme, dort besonders die südlichen, wirbeln oft ungeheure Staubsäulen empor, die sich, dicken Nebeln gleich, über die geängsteten Pilger breiten. Dann unterscheidet man kaum das Nächste, gleich dem Schnee des Nordens hängt der Sand an den Kleidern, dringt aber weit feiner noch durch. Man athmet Sand, genießt Sand mit den Speisen, muß unaufhörlich die Augen davon reinigen. In einigen seltenen Fällen soll er sogar Caravanen begraben haben. Peinigt nun grimmiger Durst die Pilger, und sind die auf Kameelen fortgeführten Vorräthe erschöpft, so werden sie oft grausam getäuscht, da der Wüste ferner Horizont, mittelst salpetriger Ausdünstungen das vollkommene Bild eines klaren Sees darstellt. Hoffnungsvoll eilen nun die Lechzenden weiter, träumen das süße Labsal der Erfrischung, wie sie dort schöpfen, trinken, die Schläuche wieder füllen, die Glieder im stärkenden Bade erfreuen wollen. Doch sie reisen, und reisen, und erreichen des Sees Ufer nicht. Immer in dem alten Abstand glänzen sie vor ihren Augen. Sie sind schon lange in dem vermeinten Gewässer, da Nähe die Täuschung vernichtet, und sehen es doch immer wieder vor sich, bis sie endlich die Gränze der Wüste erreicht haben, und ein wirklicher Quell, zwischen blumigen Auen ihnen rieselt.

Ring und Flore unterhielten sich viel über ihre Zukunft und die Schicksale, welche sie erwarten dürften. Jener freute sich auf alle die hohen Seltenheiten, die es weiterhin zu sehen gäbe, sprach mit Begeisterung von den alten Königsgräbern, von Thebens Ruinen, die er in Kupfer gesehen, von denen er im Strabo und Herodot gelesen hatte; diese fürchtete die Wuth der Mammelukken, und bezeugte, wie Lessings Just, kein Verlangen, sich von einem Säbel den Kopf spalten zu lassen, wäre er auch mit Diamanten besetzt. Jener meinte, es würde ihm willkommen sein, lebenslang in dem warmen Klima zu wohnen, diese wünschte nur Gelderwerb im Handel, um einst in Frankreich im Wohlstande zu frieren.

Sie gelangten nach einer vierzigstündigen Reise zu jenen zauberischen Gefilden bei Raschid, im Contrast gegen die durchwanderte Oede, um so reicher an entzückender Anmuth. Die Reisfluren wogten üppig, die Reihne dufteten von Blumen, Jasminen rankten sich am Wege hin, die Häuser der Dörfer waren durch Akazien, Datteln und Sykomoren verdeckt, nur die Tempelartigen Moscheen ragten aus dem frischen Grün empor. Die Gärten prangten mit Orangen- Feigen- und Granatbäumen. Fette Heerden weideten im hohen Gras und auf dem majestätischen Nyl wimmelte es von bunten Fahrzeugen. Ueberall rege Geschäftigkeit.

In Raschid ergötzte Floren ein egyptischer Postmeister höchlich. Der Mann hatte einige kleine Briefe zur Bestellung nach mehreren Orten empfangen, und nun stieg er auf seinen Taubenboden, hing verschiedenen der geflügelten Boten die Papierchen um den Hals, und ließ sie durch die Luft ihre Straße ziehn. Es langten auch einige andere an, die Billetdoux, oder was es sein mogte, überbrachten. Warum sucht man das nicht auch in Europa nachzuahmen? Die Geschwindigkeit der Beförderung ist doch angenehm.

Jetzt schifften sich die Reisenden auf dem Nil ein, und fuhren mit einem günstigen Winde gegen den eben nicht reissenden Strom. Flore hatte viel von den Krokodilen im Nil gehört, und wagte daher keinen Finger ins Wasser zu stecken, aus Furcht, eine dieser Rieseneidechsen mögte Appetit darnach verspüren. Man beruhigte sie aber durch den Bericht, daß seit dem Gebrauch des Feuergewehrs die Krokodile sich immer höher hinauf nach Oberegypten zurückgezogen hätten, wie sich überhaupt die gefährlichen Thiere des Landes immer mehr verminderten.

Ein befremdendes Schauspiel zog aller Augen auf sich. Viele Wasservögel schwammen ruhig auf der Fläche dahin. Nicht weit von ihnen wurde man aber mehrere große Kürbisse gewahr, die in den Strom geworfen zu sein schienen. Mancher Vogel nahte unbesorgt der Frucht. Eh man sichs aber versah war er gepackt. In den Kürbissen steckten nemlich Menschenköpfe, die Tauchern gehörten, welche sich dieses listigen Mittels bedienten, die Thiere unter dem Wasser an den Beinen zu erhaschen.

Schöne Landschaft im morgenländischen Charakter zu beiden Seiten der Ufer. Angebaute Terrassen, Kanäle zum Bewässern gegraben, viel Spuren des Fleisses aus dem hohen Alterthum, und merkwürdige Ruinen. Ueberall hing das Auge des Reisenden an ihm neuen Gegenständen.

Doch die Menschen waren zurückstossend. Schmutzige sonnenverbrannte Bauern, arabischer Herkunft, schwärzliche Kopten mit mißgestalteten Gesichtern und struppig krausem Haar. Der Stolz des Europäers regt sich auf, je weiter er gegen Süden reist, weil sich ihm die Bemerkung immerhin lebendiger wieder aufdrängt: nur im Norden habe die Natur menschliche Schönheit erzogen. Das erkennt auch der reiche Afrikaner an, und läßt Mädchen in Georgien und Cirkassien kaufen. Bei dem allen ist dem wahren Neger, eine Schönheit eigner Art nicht streitig zu machen; und in den indischen Kolonien (auch wohl zu London und Paris) zeigt der Weissen Lüsternheit ebenfalls eine Vorliebe gegen eine Haut, welche Poesie mit dem Ebenholz gleichen kann; doch was zwischen den Extremen liegt, kann nur dem rohen eingebornen Sinn gefallen.

Unter der Fortsetzung dieser Fahrt entdeckte man die Pyramiden von Gizah, wiewohl in einer Entfernung mehrerer Meilen. Bergen gleich ragten die Steinmassen empor. Die Sehnsucht, sie in der Nähe zu betrachten, konnte aber noch keine Befriedigung finden.

Endlich erreichte man Cairo, die größte der Städte in Afrika, es sei denn, daß dieses Welttheils noch unbekannte Mitte Oerter von weiterem Umfange birgt.

Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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