Читать книгу Ein verhängnisvolles Wiedersehen - Junia Swan - Страница 5

Prolog

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Sein Blick folgte ihr. Auch wenn sie versuchte, unsichtbar zu sein, er bemerkte sie immer. Es gab keinen Weg an ihm vorbei, kein Versteck, das er nicht finden würde. Mit schrecklicher Gewissheit ahnte Jane, dass sie ihm nicht würde entkommen können, wenn er den Entschluss gefasst hatte, endgültig zuzuschlagen. Alles in ihr zog sich ängstlich zusammen, in Erwartung dessen, was er tun würde. Derweil war es nicht immer so gewesen. Jahrelang hatte James Winterthorne sie keines Blickes gewürdigt, geschweige denn zur Kenntnis genommen, dass sie existierte. Dann war er auf ein Internat geschickt worden und wochenlang nicht heimgekehrt. Wenn er nach Hause zurückkam, war es nur für kurz gewesen. Bei diesen Gelegenheiten war Jane aufgefallen, dass sich der Ausdruck seiner Augen verändert hatte, als gäbe es nichts mehr, was sie nicht schon gesehen hätten. Seine Haltung strahlte Langeweile aus und die Themen, die er besprach, drehten sich um Pferderennen und Frauen. Nicht, dass Jane davon viel mitbekommen hätte, doch hin und wieder verirrte sich ein Wortfetzen in ihre Richtung. Er war ihr mit jeder Begegnung unsympathischer geworden und sie mied ihn, so gut es ging.

Die Jahre waren vergangen, Jane hatte ihren siebzehnten Geburtstag begangen und der Sohn ihres Dienstherren verbrachte die meiste Zeit in London, um Ausschweifungen jeglicher Art zu frönen. Wenn er nicht da war, fühlte sie sich erleichtert. Sie befürchtete, er würde ihre Abneigung bemerken und dies zu Komplikationen führen.

Nun hatte der Sommer Einzug gehalten und die Herrschaftsfamilie beging einen Teil der heißen Monate auf ihrem Anwesen in Dover. In knapp einer Woche wurde sie in Cornwall erwartet. Mitten in die Vorbereitungen für die Ankunft des Earls und seiner Familie, wehte James Winterthornes Stimme von den Stallungen her in Richtung des Kräutergartens, in dem Jane gerade Unkraut jätete. Ihr Herz stockte und sie versteifte sich. Wieso war er schon hier? Die Köchin rief und Jane eilte ins Haus, um von dieser in der Küche herumgehetzt zu werden.

„Der junge Herr ist da und will sicherlich etwas Ordentliches essen“, murmelte die Küchenvorsteherin und rannte wie ein aufgescheuchtes Huhn von einem Regal zum nächsten. In dem Moment betrat die Haushälterin den Raum und befahl Jane, das Zimmer des jungen Winterthorne zu richten. Eine innere Unruhe breitete sich in ihr aus, doch sie wagte nicht, die Anordnung zu verweigern. Wenn sie sich beeilte, würde sie sicherlich mit der Arbeit fertig sein, bevor er seine Räumlichkeiten betrat. So schnell sie konnte, packte sie Lappen und Putzmittel zusammen und eilte in den ersten Stock. Mit beeindruckender Geschwindigkeit zog sie die Schondecken von den Möbeln, schüttelte das Bett auf, bezog es neu und kehrte den Boden. Sie riss die Fenster auf, damit frische Luft ins Innere dringen konnte und die abgestandene Luft vertrieb. Panisch staubte sie die Möbel ab und sortierte die alkoholischen Getränke auf der Kredenz. Dann schaute sie sich prüfend um, entdeckte, dass einer der Stühle einen dunklen, hässlichen Wasserfleck auf der Sitzfläche hatte und griff eilig nach der Politur. Gerade, als sie ihre Arbeit beenden wollte, wurde die Tür geöffnet und jemand betrat den Raum. Sie wusste, wer es war, ohne in seine Richtung sehen zu müssen. Wie es die Höflichkeit verlangte, sprang sie auf, senkte den Kopf und knickste. Es war still im Zimmer, als er sie musterte.

„Wie war noch einmal dein Name?“, fragte Winterthorne mit tiefer Stimme.

„Jane, Mylord.“

„Ach ja, ich erinnere mich, die kleine Jane Whiting. Die gute Tat meines Vaters.“

Die Ironie, die in seinen Worten mitschwang, war nicht zu überhören. Er schlenderte zu einem der Stühle und ließ sich darauf nieder. Ohne ihn anzusehen, wusste sie, dass er sie nicht aus den Augen gelassen hatte.

„Wie geht es deiner Familie?“, wollte er nun wissen.

„Ich höre nicht oft von ihnen, Mylord. Als ich das letzte Mal einen Brief erhalten habe, erfreuten sie sich bester Gesundheit.“

Er lachte leise.

„Du drückst dich überaus gewählt aus, für eine einfache Dienstmagd“, spottete er und ihr schoss Röte in die Wangen.

„Ich bin keine einfache Dienstmagd, wie Ihr wisst!“, entgegnete sie und Wut ballte sich in ihrem Inneren zusammen. Sie hob den Blick und starrte ihn zornig an. Er lachte noch immer und ließ seine Augen aufreizend langsam über ihren Körper wandern. Jane erschauerte vor Unbehagen und senkte erneut den Kopf.

„Hmmm, Lady Jane, lass mich nachdenken“, meinte er und erhob sich. Langsam ging er auf sie zu. „Wie war das noch gleich? Verarmter Adel, derart mittellos, dass die Familie auf der Straße landete und nur, dank freundlich gesinnter Mitmenschen, einen Platz in verschiedenen Haushalten fand. Als, hm, lass mich nachdenken? Ach ja, ich erinnere mich, gemeine Dienstboten.“

Er war ihr nun wirklich nahe und sie konnte seine Präsenz fast körperlich fühlen.

„Ich wundere mich darüber, dass du nach all den Jahren, während derer du nun schon in unseren Diensten stehst, deine Stellung in der Gesellschaft noch immer nicht begriffen hast.“

Mit einer Hand umfasste er ihr Kinn und hob ihren Kopf zu sich empor. Es war als würde ihre Haut durch die Berührung seiner Hände verletzt. Sie hatte keine Möglichkeit, ihm zu entkommen, musste seinen Blick ertragen, der sie bis in ihr Innerstes zu erforschen suchte. Jane erwiderte nichts. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie hatte ihn unnötig herausgefordert.

„Du hast dich zu einem reizenden Mädchen entwickelt, Mylady“, fuhr er fort, ohne sie freizugeben. „Wie du sicherlich bereits erfahren hast, weiß ich schöne Frauen zu schätzen und wenn ich dich so betrachte, muss ich feststellen, dass du auch zu einer herangereift bist. Komm heute Nacht zu mir, Jane!“

Empört versuchte sie sich loszureißen.

„Sicher nicht! Wie könnt Ihr es wagen!“

Er ließ sie los und sie wich, schwer atmend, zurück.

„Ich werde dich bekommen, Mylady. Du hast keine Wahl!“

Plötzlich wandte er sich ab und machte eine abwehrende Geste. „Und jetzt geh! Hast du nichts zu erledigen?“

In großer Hast sammelte Jane all ihre Sachen zusammen und stürzte aus dem Raum. Doch seine Worte und die darin ausgesprochene Drohung, konnte sie nicht mehr abschütteln.

Mit jedem Tag der verging, wuchs ihr Unbehagen. Jane wusste, dass es ihm ernst war und er bekommen würde, was er wollte. Sie räumte gerade die letzten Töpfe an ihren Platz, als die Haushälterin die Küche betrat.

„Seine Lordschaft wünscht ein Bad zu nehmen. Kümmere dich darum, Jane!“

Die Schlinge um ihren Hals zog sich mit einem Ruck zusammen. Trotzdem griff sie nach dem Kessel, füllte und erwärmte ihn. Als das Wasser kochte, rief sie nach einem der Hausdiener und bat ihn, dieses in die Gemächer des jungen Herren zu bringen. Dann eilte sie voraus, um die weiteren Vorbereitungen zu treffen. Sie legte Badetücher und Seife bereit und überwachte das Einschütten des Wassers. Der Diener holte einen weiteren Eimer mit kaltem Wasser und Jane prüfte die Temperatur. Als alles bereit war, klopfte sie an die Tür seiner Gemächer. Er forderte sie auf einzutreten und sie kam seiner Aufforderung zitternd nach. Erschrocken stellte sie fest, dass er bereits entkleidet war und nur noch einen Morgenmantel trug. Unbehaglich sog sie den Atem tief in ihre Lungen.

„Euer Bad ist gerichtet, Mylord.“ Artig knickste sie.

„Ich werde deine Hilfe benötigen.“

Mit einem Blick, der sie zutiefst verängstigte, umfing er ihre Gestalt.

„Das ist nicht meine Aufgabe, Mylord. Ich schicke nach Eurem Kammerdiener.“

Unwillig knurrte er.

„Wenn ich sage, dass es nun deine Aufgabe ist, dann ist dem so.“

Noch bevor sie sich zurückziehen konnte, hatte er ihren Oberarm umfasst und zog sie mit sich in das Badezimmer. Er drückte sie neben der Wanne auf die Knie, dann entledigte er sich des letzten Stückes seiner Kleidung. Jane wandte den Kopf ab, als seine Beine in ihr Blickfeld gerieten. Sie hörte, wie er sich ins Wasser gleiten ließ. Plötzlich fühlte sie seine Finger, die ihr Handgelenk umfassten und ihre Hand ins Wasser tauchten. Er drückte ihr eine Seife in die Hand.

„Wasche mich, Jane!“

Verzweifelt schluckte sie und ihre Kehle schnürte sich vor Kummer zu. Doch sie tat, was er von ihr verlangte.

„Heute, Mylady, wirst du bei mir bleiben“, befahl er, während sie ihm bebend Seife in die Haare einmassierte, um sie zu waschen. „Diese Nacht brauche ich dich.“

„Nein, das werde ich nicht!“

Er machte sich nicht die Mühe, zu antworten. Mit zitternden Händen goss sie Wasser über seinen Kopf, um die Seife auszuspülen. Als sie den Kübel zur Seite gestellt hatte, griff er erneut nach ihr und zog sie näher zu sich heran. Der Wannenrand schnitt ihr unangenehm in die Rippen. Ängstlich erwiderte sie seinen Blick und bemerkte, dass seine Wimpern feucht zusammenklebten – seine Augen wirkten dadurch größer, als sonst. Nässe tropfte von seinem Haar auf seine Schultern und er richtete sich etwas auf, glitt bis zum Bauch aus dem Wasser heraus. Noch bevor sie verstand, was geschah, hatte er sie zu sich in die Wanne gezogen und auf den Schoß gesetzt. Sie kreischte entsetzt auf. In Sekundenschnelle hatte sich ihr Kleid mit Wasser vollgesogen und sie versuchte, sich aus seinen Armen zu befreien, die er um sie geschlungen hatte. Sein Lachen brannte sich in ihr Gedächtnis ein.

„Du bist ganz nass!“ Er rief dies und mimte den Überraschten. „Du solltest dich ausziehen, bevor du dich erkältest!“

„Niemals!“ Jane schnaubte und bemühte sich, das Wasser aus dem Gesicht zu wischen, das bei ihrem Gerangel aufgespritzt war. Plötzlich erhob er sich und ließ sie tiefer in die Wanne sinken. Hoch ragte er neben ihr empor und sie schrie verzweifelt auf, als sich das Zeichen seiner Erregung in ihr Blickfeld drängte. Strampelnd versuchte sie, sich aufzurichten, um aus dieser Falle entkommen zu können. Währenddessen stieg er aus der Wanne und griff nach einem Handtuch. Während er sich abtrocknete, beobachtete er sie dabei, wie sie sich tropfend aufrichtete.

„Du machst ja alles nass“, stellte er, gespielt empört, fest. Dann griff er nach ihr und riss ihr die Kleider vom Leib. Jane wusste, dass sie ihm nicht würde entkommen können, trotzdem kämpfte sie verbissen gegen ihn an. In jener Nacht raubte er ihr nicht nur die Unversehrtheit ihres Körpers, nein, er nahm ihr auch den Seelenfrieden. Die Welt würde von nun an nie wieder die gleiche für sie sein, alles hatte sich mit seinem schrecklichen Übergriff geändert.

Am nächsten Tag, als sie ihm wieder begegnete, tat er, als wäre nichts geschehen. Er machte keine Anstalten mehr, sie noch einmal in sein Bett zu zerren. Es schien, als hätte er sie längst vergessen und Jane war dankbar dafür.

Einige Tage später traf die restliche Familie ein und es gab jede Menge zu tun. Jane war froh, dass die Arbeit sie von ihrem Schmerz ablenkte. Der Sommer verging, die Herrschaft machte sich auf den Weg nach London, um die Saison dort zu verbringen. Übelkeit peinigte Jane und als diese nicht nachließ, schwante ihr, dass sie guter Hoffnung war. Als sie diese schreckliche Neuigkeit verdaut hatte, wusste sie, dass sie nicht länger auf Winterthorne Abbey bleiben konnte. Deswegen verstaute Jane all ihre Ersparnisse sowie die wenigen Habseligkeiten die sie besaß, in einer alten Tasche und verließ am frühen Morgen den Ort ihrer Pein. Sie warf keinen Blick zurück und verdrängte die Gedanken an jene schreckliche Nacht in den hintersten Winkeln ihres Gedächtnisses.

Ein verhängnisvolles Wiedersehen

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