Читать книгу Darkest Blackout - Justin C. Skylark - Страница 5
Prolog
Оглавление«Niemand sollte sich mit Thor Fahlstrøm anlegen. Das geht nach hinten los. Habe ich selbst erlebt.» Dylan Perk
Der Wohnzimmertisch war gedeckt und der Kaffee aufgesetzt. Ihn beschlich eine Art von Aufregung vor dem Besuch, der unabdingbar war. Aber im Gegensatz zu ihrem letzten Treffen hatte er sich vorbereitet.
Schließlich fuhr ein Wagen vor. Ja, sie war es: Emma Lund, Thors Bewährungshelferin. Sie war akkurat in einen kurzärmligen Hosenanzug gekleidet. Die Sonne schien und die Temperatur stieg auf über 20 Grad. Dylan schob lästige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er atmete tief durch, öffnete die Tür und setzte ein Lächeln auf. Emma kam geradewegs auf das Haus zu. Wie gewohnt klemmte eine Akte unter ihrem Arm.
«Hei!», grüßte er, als wären sie beste Freunde. «Takk for sist», bedankte er sich, wie in Norwegen üblich, für ihr letztes Zusammentreffen. «Wundervolles Wetter heute, oder? Wollen wir uns in den Garten setzen?»
Sie blieb auf der Schwelle stehen und sah ihn prüfend an. «Jetzt sag nicht, dass er wieder nicht da ist?»
«Also …» Er geriet ins Straucheln und strich sich unkontrolliert über das Haar. «Die Renovierung in der ehemaligen Kneipe ist voll im Gang. Wir sind wirklich froh, dass er täglich in die Stadt darf.»
Sie zog die Mundwinkel nach unten, stöhnte entnervt, doch enthielt sie sich eines weiteren Kommentars.
«Kaffee ist fertig», berichtete Dylan und zeigte ins Haus, da sie sich nicht dem Garten zuwandte. «Bitte, komm rein. Ich habe Zeit zum Reden.» Er marschierte voran. Sie folgte widerwillig.
«So war es nicht abgemacht. Ich muss mit ihm sprechen.»
Dylan blieb mittig im Raum stehen und rieb die Hände aneinander. «Bitte», flehte er. «Gib ihm noch etwas Zeit.» Er hob die Schultern an. «Thor macht doch, was man von ihm verlangt: Er geht unter Leute, er stellt etwas auf die Beine. Ist doch klar, dass er viel zu tun hat.»
«Er weiß, dass ich komme und trotzdem ist er nicht da», erwiderte sie.
Eine Pause entstand, in der Dylan still nickte. Sie hatte recht. Einmal mehr hatte sie ihr Erscheinen angekündigt und ein weiteres Mal kümmerte sich Thor einen Dreck darum. Er wich den Gesprächen aus. Kein einziges Mal hatte er bislang mit ihr geredet. Ein Ding der Unmöglichkeit. Für sein Führungsverhalten war das alles andere als lobenswert. Dylan konnte von Glück sagen, dass Emma tolerant war und die Tatsache nicht sofort weitertrug. Enttäuscht setzte sie sich aufs Sofa, während er Kaffee ausschenkte.
«Du kannst mir glauben», erklärte er. «Ich gebe mein Bestes, aber auch ich komme kaum an ihn heran.» Er stellte die Kanne ab und nahm ebenfalls Platz. Resigniert verteilte er Waffeln auf ihre Teller. «Ich bin froh, dass er die Eröffnung des Cafés vorantreibt. Thor ist voll und ganz darauf fokussiert – mehr darf ich momentan nicht von ihm verlangen.»
Er sinnierte einen Augenblick, da sie nichts antwortete, sondern konzentriert in den Unterlagen wühlte. Aufrichtig sah er sie an. Er wollte sein Bestes geben. Für Thor und die ganze Angelegenheit.
«Wo waren wir stehengeblieben?», murmelte sie.
Dylan überlegte nicht lange. Bei ihrem letzten Gespräch hatte sich Emma über Thors Großvater Mats und Thors Eltern erkundigt, über ihre Beziehungen zueinander und auch das Verhältnis zu seinem Bruder Arvid hatten sie angerissen «Wir haben über seine Familie gesprochen; darüber, wie er aufgewachsen ist.»
«Ach ja.» Sie klappte die Akte auf den Knien auf und nippte nebenbei an der Tasse Kaffee. Kurz visierte sie das Tattoo an seinem Unterarm, das den Schriftzug ‹Thor› trug. «Ich würde heute gern über seine Persönlichkeit sprechen.»
Dylan nickte, lehnte sich zurück und schlug ein Bein über das andere. «Ja, klar.» Unaufgefordert sprach er weiter. «Er hat schon immer Musik gemacht. Dass er Sänger einer berühmten Black Metal Band ist, weißt du ja. Mit Magnus hat er keine Platte veröffentlicht. Das Debüt platzte mit Magnus Tod, aber mit Erik hat er großen Erfolg gehabt.»
«Ich meine nicht seine Person in der Öffentlichkeit, sondern sein persönliches Wesen.»
«Oh, natürlich.» Dylan schnellte vor, nahm einen Schluck Kaffee und steckte sich eine Zigarette an. Seine Finger zitterten wie so oft. Dass er nicht sinngemäß auf ihre erste Frage geantwortet hatte, beeinflusste sein Denkvermögen. Er kniff die Augenbrauen zusammen und fixierte sie aufmerksam. Nicht noch einmal sollte ihm ein Fehler unterlaufen.
«Wie würdest du Thors Charakter definieren?»
Seine Antwort kam postwendend. «Er ist stark und bodenständig. Er weiß, was er tut. In seinem Leben gibt es eine klare Linie – im Gegensatz zu meinem. Ich bin trockener Alkoholiker und befinde mich in Therapie. Ich nehme Tabletten … Ich habe mich oftmals absolut nicht unter Kontrolle, sagt meine Ärztin und mein Psychiater meint …»
«Wir sprechen über deinen Partner, nicht über dich.»
Er beendete den Blickkontakt und schnippte die Asche der Zigarette in den Aschenbecher. «Oh, sorry, ja, natürlich.»
«Hat er mit Drogen zu tun?»
Wie kam sie auf diese Frage? Benahm er sich verdächtig? Er schüttelte den Kopf.
«Laut Polizeiakte ist er schon zu Jugendzeiten auffällig gewesen und hat seinen Vater krankenhausreif geprügelt.»
Dylan nickte. «Das kann ich sogar nachvollziehen. Ich habe in meiner Jugend Ähnliches erlebt: Man wir nicht akzeptiert, man wird nicht respektiert, weil man anders ist …»
«Thor war damals 15 Jahre. Die Polizei musste den Streit schlichten.»
Dylan winkte ab. «Das hat er seinem Bruder zu verdanken.»
«Er war Anführer einer Gruppe, die satanisches Gedankengut vertrat, und stand in Verdacht, Kirchen angezündet zu haben.»
«Welcher Black Metaller wurde damals nicht verdächtigt?» Dylan grinste.
Emma ging die Fakten in der Akte Punkt für Punkt durch. «Es gab ein paar Jahre später die Verhaftung im Fall Magnus Eidsvag.»
Dylans Gesichtszüge wurden glatt. «Das war allenfalls Tötung auf Verlangen. Thor wurde nach fünf Jahren aus der Haft entlassen!», tönte er und beugte sich vor, schielte auf die Unterlagen. «Es war kein Mord. Das muss da doch stehen?»
Emma listete weiter auf.
«Er ist auch dir gegenüber handgreiflich geworden und wurde verhaftet, aber wegen einer entlastenden Aussage deinerseits wieder freigelassen.»
Dylan nickte. «Ja, weil es ein Unfall war. Ich war derjenige, der ausgerastet ist, ich habe mich verletzt, weil ich diese mentale Schwäche habe … Ich nehme Tabletten, ich bin in Therapie deswegen, ich bin trockener Alkoholiker …»
«Das sagtest du bereits.»
Er biss sich auf die Unterlippe und fiel im Sitz nach hinten. Innerlich mahnte er sich. Wie dämlich ich mich verhalte …
«Thor trifft überhaupt keine Schuld. In keinem Fall.»
«Es gab eine weitere Anzeige von einem Tony Wilson …»
Dylan lächelte gestelzt. «Mein Manager, der dramatisiert alles. Es war nichts passiert, was ich nicht wollte. Die Sache wurde schnell eingestellt.»
Nun sah sie prüfend auf. «Der Angriff auf die Jugendlichen ist allerdings nicht zu leugnen.»
«Thor hat sich nur gerächt, weil sie mich zuerst angefallen haben», erklärte er postwendend.
«Diese Art von Selbstjustiz zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben.»
«Er scheißt auf Gesetze, man kann ihm nichts verbieten», entgegnete Dylan. «Aber wenn man ihn in Ruhe lässt, passiert auch nichts.»
Sie kniff die Augen zusammen und drückte den Stift fest auf die Akte.
«Du kennst Thor nun schon länger», schlussfolgerte sie. «Glaubst du, dass er eine Gefahr für die Bevölkerung ist?»
«Er ist hierhergezogen, um Konflikte zu vermeiden», antwortete Dylan. Nahezu gedankenversunken blickte er aus dem Fenster. Die Sonne schien, eine leichte Brise wehte, die die Bäume hin- und herwiegte. «Er liebt die Natur, hier findet er Ruhe, die er braucht.»
«Du weichst meiner Frage aus», sagte sie und wiederholte eindringlicher: «Glaubst du, dass er gefährlich ist?»
Dylan neigte den Blick. Dass mit Thor Fahlstrøm nicht leicht auszukommen war, wusste er seit dem ersten Moment, in dem er von dem Norweger gehört hatte. Er hatte ihn gefürchtet, er hatte seine Stärke und seine Gräueltaten bisweilen am eigenen Leib miterlebt. Trotzdem hatte er den Kern seiner Seele erkannt und lieben gelernt. Aber ebenso wusste er, dass die meisten Menschen mit seiner Lebenseinstellung nicht klarkamen.
«Seine Eltern haben ihn verstoßen, sie gaben ihm Mitschuld am Tod der Großmutter. Sein Bruder hat ihn bei der Polizei angeschwärzt, er hat gesehen, wie sich Magnus umbrachte, saß fünf Jahre unschuldig im Knast deswegen. Dann die Scheiße mit mir, die Flucht von Bastøy. Er wäre fast gestorben … Das muss man erstmal verkraften.» Dylan lächelte verloren. Irgendwie wollte er standfest wirken, aber während er aufzählte, was Thor alles widerfahren war, stellte sich das altbekannte Unbehagen ein. «Ich frage mich, wie er das macht? Wo landen seine Gefühle?» Planlos schwirrte sein Blick durch den Raum. «Wie wird er damit fertig?» Er hob die Schultern und sah sie fragend an. «Irgendwann wird das Maß voll sein, oder?»