Читать книгу LOST AND FOUND - K. Krista - Страница 4
ZWEI
ОглавлениеEndlich zu Hause, was für ein Tag.
Eigentlich hatte ich vor meinen Geburtstag ganz gemütlich zu verbringen und dann steht Silvia schon kurz nach dem Frühstück auf der Matte und entführt mich nach München zur Kofferversteigerung.
Was es nicht alles gibt.
Ich habe noch nie von einer solchen Veranstaltung gehört.
Gut Fahrradversteigerungen, das kenne ich, aber Koffer? Ohne vorher auch nur entfernt zu ahnen, was sie überhaupt enthalten. Aber ich muss zugeben, irgendwie hat es auch Spaß gemacht. Sicher ich würde dafür kein Geld ausgeben, aber wer´s mag.
Mein ersteigerter Koffer ist jedoch sein Geld wert.
Ich bin ja kein Experte auf dem Gebiet, aber das es sich bei dem Stück, um ein außergewöhnlich schönes und teures handelt ist klar. Die Innenseiten sind mit einem sehr eleganten Seidenstoff ausgeschlagen und haben mehrere Fächer mit Reißverschlüssen, wie mir erst jetzt, bei gründlicher Betrachtung, auffällt. Alles sehr aufwendig und edel verarbeitet. Ich befühle den angenehm seidigen Stoff und registriere überrascht, dass sich in einem der Fächer etwas befindet. Neugierig öffne ich den Reißverschluss und entnehme ihm eine sehr schön gestaltete Kladde. Ich schlage sie auf und gleich auf der ersten Seite steht in einer sauberen, gut lesbaren Schrift.
Mein Tagebuch
Wow, das ist ja spannend.
Eigentlich wollte ich zeitig zu Bett gehen, da ich mich morgen früh auf eine kleine Wanderung begeben möchte. Ich habe mir ein paar Tage frei genommen und habe vor, an dem schönen Flüsschen Wertach, Richtung Landsberg, einfach los zulaufen.
Mal sehen, wie weit ich in vier Tagen komme.
Gespannt nehme das Tagebuch mit ins Bett und stelle beim Durchblättern fest, dass es Einträge aus knapp drei Jahren enthält. Meine Neugierde ist geweckt und ich kann nicht umhin, sofort mit dem ersten Eintrag zu beginnen.
Sonntag
06.Jan.1980
Mein liebes Tagebuch,
heute möchte ich dir gerne erzählen, warum ich Prostituierte wurde und nicht, wie als kleines Mädchen erträumt – Tierpflegerin, oder Tierärztin.
Gleich vorweg, um Träume muss man kämpfen, die fallen einem nicht so einfach beim Nichtstun in den Schoß.
Ja, du hast mich durchschaut, ich habe mich fürs Nichtstun entschieden.
Wie und warum entscheidet man sich dafür zur Hure, Prostituiert, Nutte zu werden?
Gute Frage, schwierige Antwort.
So genau erinnere ich mich gar nicht mehr.
Bin da einfach so hineingeschlittert, na ja, das ist ein bisschen zu einfach gedacht.
Wenn ich zurückblicke, begann alles mit der Trennung von meinem Freund. Wie in vielen anderen Beziehungen auch, war nach einigen Jahren des Zusammenlebens irgendwann die Luft raus und er tat mir den Gefallen fremd zu gehen.
Frauen spüren so etwas!
Wenn sie es nicht spüren, oder ehrlicher ausgedrückt, sich nicht dazu äußern, also keine Konsequenzen ziehen, dann, weil sie sich dazu entschlossen haben, es nicht zu sehen, aus welchen Gründen auch immer, oft sind finanzielle Aspekte, oder Abhängigkeitsverhältnisse, dafür verantwortlich.
Für mich war das ein Glücksfall, denn mal ganz ehrlich, welcher Mann gibt sich mit dem Trennungsgrund – Wir haben uns auseinander gelebt - zufrieden?
Ich habe in meinem Leben keinen kennen gelernt.
Männer brauchen nachvollziehbare, einfache Gründe für eine Trennung. Fremdgehen, oder sich gleich einem neuen Mann zuwenden, das sind Aussagen mit denen Männer etwas anfangen können. Dass man sich nichts mehr zu sagen hat, nur noch nebeneinander her lebt, ist für einen Mann kein ausreichender Grund für eine Trennung.
Das war also meine Ausgangssituation.
Vom Freund getrennt, die Firma in der ich arbeite hat Konkurs angemeldet und wird gerade abgewickelt. Mir steht die ganze Welt offen.
Nun hätte vielleicht die eine oder andere Frau im Hinblick auf eine drohende Arbeitslosigkeit ihr Geld gespart. Doch ich machte mir keine Gedanken darüber, wie es beruflich weiter gehen sollte, steckte mir die gesparten 1500 DM ein, setzte mich ins Auto und fuhr los.
Mein Traumziel – Italien.
Vielleicht sollte ich noch kurz erwähnen, dass ich nach der Trennung von meinem Freund, wieder bei meiner Mutter eingezogen bin, mir somit, über Wohnung und Miete keine Gedanken machen musste.
Eigentlich wollte ich ja nicht allein in den Urlaub fahren, aber keine meiner Bekannten oder Freundinnen wollten allein – also nur zwei Frauen allein – in den Urlaub nach Italien fahren. Ende der 70iger, Anfang der 80iger Jahre, ist es nicht üblich, als Frau allein in den Urlaub zu verreisen. Außer vielleicht in einen Cluburlaub, die Hotelanlagen nicht verlassend, wohl behütet durch die Veranstalter, wenn überhaupt, dann nur in Gruppen unterwegs.
Richtig lächerlich wird es eigentlich erst, wenn man weiß, dass ich an den Gardasee und nicht etwa in den Irak wollte, aber gut, dann eben allein, ich freute mich und genoss bereits die Fahrt nach Italien in vollen Zügen.
Am Gardasee angekommen lief zunächst alles super.
Da es erst Anfang Juni war, gab es keine Probleme ein Hotelzimmer zu finden. Eine günstige Unterkunft war schnell gefunden, da ich vorhatte, ein paar Wochen hier zu bleiben, schied eine Luxusunterkunft schon mal aus. Ich wollte solange hier bleiben, bis mir das Geld ausgeht. Die Arbeitsstelle war futsch, ich musste auf niemanden Rücksicht nehmen und in Deutschland wartete nichts und Niemand auf mich.
Ich sah einer wunderbaren Zeit entgegen.
Bereits am zweiten Tag lernte ich zwei Italiener, die hier am Gardasee leben kennen, den Inhaber und den Teilhaber eines ortsansässigen Motorboothandels.
Nun muss ich kurz erwähnen, dass ich kein Kind von Traurigkeit bin, soll heißen, ich bin, was das Sexuelle angeht sehr freizügig und habe viel Spaß dabei.
Die Jungs waren ganz nach meinem Geschmack und so dauerte es nicht lange und wir vertrieben uns die Zeit mit Motorboot fahren auf dem Gardasee, sowie mit diversen gegenseitigen sexuellen Gefälligkeiten, vorsichtig ausgedrückt.
Ich weiß ja, wie prüde du bist, mein liebes Tagebuch, deshalb versuche ich mich vorsichtig und gewählt auszudrücken.
Die Typen hatten richtig viel Kohle und hielten mich aus, allerdings beschränkte sich das „Aushalten“ bis dahin, rein aufs Essen gehen.
Was sich jedoch sehr bald ändern sollte.
Ich kann nicht unerwähnt lassen, dass Beide verheiratet waren und sich deshalb unsere Aktivitäten lediglich auf die Zeit von morgens bis in den Spätnachmittag beschränkten. Die Abende verbrachte ich allein in diversen Bars oder Diskotheken.
So kam es dann leider auch, dass ich eines Abends – stark angetrunken – meine Handtasche in einer dieser Lokalitäten verloren hatte, oder sie wurde mir gestohlen, ich kann das bis heute nicht nachvollziehen.
Nun wäre allein die Tatsache einer verlorenen gegangen Tasche schon ärgerlich genug gewesen, da ich aber meinem Hotelzimmer, bzw. dem Personal nicht traute und Mangels eines Tresors, meine gesamte Barschaft mit mir herumtrug, war diese auch weg. Ich war von jetzt auf gleich, nicht nur ohne Papiere, sondern auch ohne einen Pfennig Geld unterwegs.
Was tun?
Ob ich wollte oder nicht, ich musste wenigsten das Geld für eine Tankfüllung auftreiben, damit ich wieder nach Hause komme. Das Hotelzimmer hatte ich Gott sei Dank für die ganze Woche im Voraus bezahlt.
Ich sprach also meine beiden Liebhaber an und erzählte ihnen von meinem Missgeschick. Sie lachten mich zunächst nur aus, nicht weil ich meine Tasche verloren hatte, sondern weil sie dachten ich belüge sie und wollte nur an ihr Geld.
Lange Rede kurzer Sinn, ich konnte sie davon überzeugen, dass ich tatsächlich so blöd war, mir die Tasche mit all meinen Habseligkeiten klauen zu lassen, bzw. sie verloren hatte.
Zu meiner großen Überraschung fragten mich die Beiden, ob ich noch länger hier bleiben möchte.
Natürlich wollte ich das.
Nichts wollte ich weniger, als bereits nach knapp einer Woche wieder bei meinen Freunden auf der Matte stehen und ihnen erzählen zu müssen, warum ich so schnell wieder aus dem Urlaub zurück bin. Damit hätte ich all den Bedenken, die diese zu meiner Reise hatten, Recht gegeben. Diese Peinlichkeit wollte ich mir wirklich ersparen.
Die Beiden quartierten mich in ein anderes Hotel ein, bezahlten die Vollpension und gaben mir auch ein paar Lira Trinkgeld. Nicht so viel, dass ich hätte große Sprünge machen können, aber ein oder zwei Getränke an einer Bar waren drin.
Zu allem Übel gab auch noch mein Auto den Geist auf, die Lichtmaschine war hinüber und ich musste damit in die Werkstatt. Einerseits froh darüber, dass die Beiden dies für mich übernahmen und natürlich auch bezahlten, andererseits aber auch langsam genervt, als sie mir mitteilten, dass die Reparatur wohl ein bis zwei Wochen dauern könnte.
Inzwischen war es mir mit den Beiden schon langsam langweilig geworden, es ist schon etwas anderes, wenn man aus Spaß mit jemandem die Zeit verbringt, als wenn es zur Pflicht wird, bzw. man abhängig ist.
Sicher die Jungs waren immer noch süß und ich war ihnen auch dankbar, aber mein Plan war, das lächerliche Taschengeld ein paar Tage zu sparen, die Reparatur abzuwarten und dann einfach in den Wagen zu springen und nach Deutschland abzuhauen.
Schon deshalb, weil einer der beiden Männer immer seltsamer wurde.
Ich kann mich leider nicht mehr sicher an seinen Namen erinnern, ich glaube, er hieß Mario, sein Auftreten wurde immer dominanter, er wollte mir vorschreiben, wie ich meinen Tag zu verbringen habe, mit wem, oder mit wem ich nicht verkehren durfte und viele Einschränkungen mehr.
Kurz gesagt, er machte mir langsam Angst.
Eines Nachmittags, meine beiden „Gönner“ waren geschäftlich unterwegs, saß ich an der Standpromenade in einem Lokal und schlürfte gelangweilt einen Kaffee, als sich ein älterer Herr an meinen Tisch setzte. Nicht ohne, vorher höflich und in ausgezeichnetem Deutsch nachzufragen, ob dies gestattet sei.
Er hieß Stelio und war mir sofort sympathisch.
Wir kamen sehr schnell ins Gespräch.
Er informierte mich darüber, dass ich ihm bereits seit längerer Zeit aufgefallen wäre und warnte mich davor, mich näher auf meine beiden Begleiter einzulassen.
Daraufhin erzählte ich ihm, wie nah ich mich bereits eingelassen hätte und nun nur noch auf eine Gelegenheit warte, die Biege zu machen, mir aber das nötige Kleingeld und momentan auch noch das Fahrzeug dazu fehlte, da es immer noch in der Reparatur war.
Stelio lud mich zum Essen ein und ich erzählte ihm im Laufe des Nachmittags was ich seit meiner Ankunft, hier am Gardasee, erlebt hatte. Noch bevor ich von ihm wusste, dass er vor seiner Rente als Polizist gearbeitet hatte, fasste ich Vertrauen zu ihm und war sehr dankbar, als er sich anbot, mir zu helfen.
Bedauernd erklärte er mir, dass er nur über eine kleine Rente verfüge, er mir deshalb nicht finanziell unter die Arme greifen könne, wenn ich jedoch keine Problem damit hätte, mit Männern gegen Bezahlung zu schlafen, könnte er einiges für mich arrangieren.
Sofort läuten alle Alarmglocken in mir, hatte ich es hier mit einem Zuhälter zu tun?
Doch bei genauer Betrachtung – was hatte ich zu verlieren und irgendwie musste ich an Kohle kommen, wollte ich irgendwann hier weg. Ich habe Spaß am Sex, also setzte ich alles auf eine Karte und konfrontierte ihn deshalb damit, dass ich nur unter zwei Einschränkungen dazu bereit wäre.
Punkt eins, ich behalte das verdiente Geld komplett für mich.
Punkt zwei, ich gehe nur mit Männern ins Bett, die mir gefallen.
Er erklärte mir schnell, dass ich ihn völlig falsch verstanden hätte.
Erstens möchte er von diesem Geld nichts haben und zweitens könnte ich mir die Männer selbstverständlich aussuchen. Er eröffnete mir, dass er hier am Gardasee unzählige Geschäftsmänner, darunter auch Ärzte kenne, die ich mir vorher ansehen könnte und erst dann, wenn sie mir gefallen und ich mit ihnen schlafen möchte, das Geschäft zu Stande kommt.
Ich sollte noch erwähnen, dass ich wirklich sehr auf den südländischen Typ Mann stehe. Ich liebe ihren Umgang mit Frauen, die Art und Weise wie sie Frauen hofieren, turnt mich richtig an. Die Aussicht darauf, mit gut aussehenden Männern, guten Sex, in tollem Ambiente haben zu können, lockte mich mehr, als das Geld.
Es folgten ein paar wunderbare Wochen.
Stelio hielt Wort und führte mir, ohne finanzielle Hintergedanken, viele gutaussehende Geschäftsmänner zu, mit denen ich neben einem super Verdienst auch noch richtig Spaß hatte. Ich verdiente locker zwischen zwei – bis dreitausend DM im Monat, für mein Alter völlig ausreichend, um mir das sorglose Leben zu finanzieren, welches ich immer erträumt hatte.
Nicht, dass du, mein liebes Tagebuch jetzt denkst, ich hätte für dieses Geld viel getan, ganz im Gegenteil. Ich suchte mir wöchentlich ein oder auch mal zwei Männer aus, die dann umgerechnet zwischen 400 und 500 DM bezahlten und den Rest der Zeit machte ich Urlaub, genoss mein Leben und lernte immer mehr Einheimische kennen.
Wodurch es dann leider immer wieder zu Streitigkeiten mit Stelio kam, denn entweder gibt es am Gardasee nur Verbrecher, oder ich hatte einfach ein Händchen dafür, mir die falschen Leute auszusuchen.
Ich erinnere mich noch daran, wie ich Lucio Galli kennen lernte.
Nein mein liebes Tagebuch, diesen Namen habe ich nicht erfunden, der Typ hieß wirklich so.
Stelio schäumte vor Wut, als er davon erfuhr.
Lucio stünde der Mafia nahe, tobte er und wollte mir verbieten, mich mit ihm zu treffen. Dabei war der Typ einfach nur scharf und als er mich auf eine Party bei ihm einlud, konnte und vor allem wollte ich nicht absagen.
Dass es sich dabei um eine Sex Party handelte, hätte er zugegeben, vorher erwähnen können, aber was soll`s, nun war ich schon mal da. Es gab Koks in rauen Mengen, die anwesenden Männer und auch die Frauen waren einfach nur erste Sahne.
Später erfuhr ich dann, dass die Frauen Prostituierte aus Verona waren.
Die Party war eine Wucht, Stelio tobte.
Ich dachte schon, dass er mich nicht mehr sehen möchte, mit der Zeit beruhigte er sich aber wieder und ich blieb weiterhin am Gardasee. Ohne Stelio hätte ich keine Verdienstmöglichkeit mehr gehabt, ich hätte nach Hause fahren müssen.
Vielleicht war Stelio auch deshalb so sauer, weil indirekt er es war, über den ich Lucio kennen lernte, denn er war es, der mich mit Antonella, der Schwester von Lucio bekannt gemacht hatte, nicht ohne Hintergedanken, wie ich sehr schnell feststellen sollte.
Antonella war lesbisch und wie mir schnell klar wurde, sehr von mir angetan.
Kein Kind von Traurigkeit, war ich auch nicht abgeneigt, mit dieser zugegeben, ausgesprochen rassigen Italienerin etwas anzufangen.
Nicht rot werden, mein liebes Tagebuch, ich sagte schon, dass ich sexuell sehr freizügig und experimentierfreudig bin.
Unsere gegenseitige Zuneigung, von meiner Seite aus, reines sexuelles Interesse, blieb auch Stelio nicht lange verborgen und er bat mich, bzw. uns, bei unserem Liebesspiel zusehen zu dürfen. Kurz überrascht von dieser Bitte, erfüllte ich ihm den Wunsch jedoch, als er mir eröffnete, dass er impotent sei und es bereits Jahre her wäre, dass er bei einer Frau gelegen habe.
Außerdem war ich ihm, meiner Meinung nach, auch einfach etwas schuldig.
Nicht zu Letzt hatte ich ihm mein sorgenfreies und ehrlich schönes Leben hier am Gardasee zu verdanken. Nicht nur, dass er mir eine fast unerschöpfliche Geldquelle eröffnet hatte, er zeigte mir in den Monaten, in denen ich am Gardasee war, ganz Norditalien. Wir verbrachten sehr viel Zeit zusammen, so fuhren wir oft nach Venedig, die Stadt, in der er Sprachen studiert hatte. Deshalb sprach er so ein ausgezeichnetes, fast akzentfreies Deutsch. Er zeigte mir die Stadt, wie sie wohl kein Tourist je zu sehen bekommt. Meine Begeisterung für die Stadt hielt sich allerdings in Grenzen, von der schönen Kulisse und den geradezu lächerlich vielen Kirchen mal abgesehen, haben wir immer wieder Tage erwischt, an denen die Kanäle wie Kloaken gestunken haben. Oder ich bin einfach nur ein Kulturbanause, wie auch immer, Venedig war für mich keine Reise wert.
Wir verbrachten viel Zeit in Padua auf der Pferderennbahn, wovon ich sehr fasziniert war, obwohl ich nur sehr wenig Geld für Wetten einsetzte. Allein das Ambiente gefiel mir sehr. Ich bin kein Spieler, deshalb erlag ich der Faszination dieser Location nicht, begleitete Stelio aber immer gern, da er mich für seinen Glücksbringer hielt.
Er gewann immer wenn ich anwesend war.
Ferner unternahmen wir Touren in die nahe gelegenen Berge, oder machten einen Abstecher nach Verona, wo wir ausgezeichnete Speiselokale besuchten, oder einfach unter dem Balkon der Julia standen und uns über die Touristen amüsierten, die völlig hingerissen von dieser Kulisse waren.
Wie ich damals erfahren konnte, ist es tatsächlich so, dass auch impotente Männer einen Orgasmus bekommen können, es kommt nur keine Flüssigkeit heraus und es dauert sehr lange. Stelio sah Antonia und mir zu, wie wir uns liebten und onanierte dabei. Er war sehr glücklich und ich fand es schön, ihm eine Freude machen zu können.
Antonella verliebte sich leider in mich und wurde sehr anhänglich.
Mir hat der Sex mit ihr sehr viel Spaß gemacht, aber ich bin keine Lesbe, mir fehlte nach einiger Zeit das Maskuline und so war ich sehr froh, dass Stelio, wegen des Treffens mit ihrem Bruder Lucio, so sauer auf mich war und mir den Kontakt mit Antonella verbot. Eine Klasse Ausrede um aus der Beziehung auszusteigen.
Ziemlich feige im Nachhinein betrachtet, aber so war es einfacher und Antonella hielt sich, zu meiner Überraschung auch strickt an das Kontaktverbot.
***
Die Wochen vergingen wie im Fluge, inzwischen war es bereits Mitte August und der Gardasee wurde überschwemmt von Touristen. Unzählige Frauen darunter, die sich ihre Liebesdienste nicht bezahlen ließen.
Meine Einnahmequelle schwand dahin.
Es wurde immer schwieriger für Stelio, geeignete Partner für mich zu finden. Nach wie vor, war ich doch ziemlich wählerisch, was die Auswahl meiner Sexualpartner betraf.
Langsam keimte in mir der Gedanke auf, wieder nach Deutschland zurück zu kehren, wenigstens für die nächsten Wochen, solange der Touristenansturm anhält, als Stelio mir den Vorschlag unterbreitet, einem deutschen Hotelier, der jedes Wochenende hier in seinem Ferienhaus verbringt, Gesellschaft zu leisten.
Rückblickend war das die nächste Stufe auf meiner „Karriereleiter“ zur Prostituierten.
Beginnend damit, nur mit Männern meiner Wahl ins Bett zu gehen. Vorwiegend charmante, attraktive Geschäftsmänner, stehe ich nun vor der Entscheidung, meine Zeit und meinen jungen Körper, einem wenig ansehnlichen Herrn zu überlassen.
Gustl war sein Name, ein Hotelier aus Heidelberg, der erst vor kurzem seine Frau verloren hatte und mit einem Freund, jedes Wochenende am Gardasee verbrachte.
Wenn dir, mein liebes Tagebuch, der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß ein Begriff ist und du dir diesen in Blond vorstellen könntest, dann hast du einen ungefähren Eindruck von seinem Aussehen.
Zunächst weigerte ich mich entschieden, diesen Mann auch nur kennen zu lernen, Stelio bat mich jedoch eindringlich, mich wenigsten einmal auf ein Essen mit ihm zu treffen und rückblickend darauf, was er alles für mich getan hat, willigte ich dann doch widerstrebend ein.
Gustl war dann auch, abgesehen von seinem wenig ansprechendem Äußeren, ein vollkommener Gentleman und überraschend angenehmer Gesprächspartner. Zeit mit ihm zu verbringen, erschien mir auf einmal nicht mehr als ein so großes Opfer, obwohl ich anfangs die Bezahlung immer noch für viel zu gering hielt. Da ich mit meinem potenziellen Sexpartnern nie über Geld sprach, regelte dies Stelio für mich. Ausgemacht waren 500 DM für einen Tag Gesellschaft mit Übernachtung.
Viel zu wenig meines Erachtens, aber gut, ich wollte mir die Sache ansehen.
Wahrscheinlich wollte ich dies Leben auch einfach noch nicht loslassen und lies mich deshalb darauf ein. Wieder zurück nach Deutschland zu fahren, war noch keine Option.
Überraschenderweise wurden die Wochenenden mit Gustl zu meinen Highlights am Gardasee. Nicht nur, weil er über das schnellste und teuerste Rennboot auf dem gesamten See verfügte. Er holte mich morgens an einem beliebigen Bootssteg ab und die Leute reckten die Hälse um einen Blick auf das Boot zu erhaschen. Ich war Stolz wie Oskar und genoss die bewundernden Blicke, der Leute, die mich dabei beobachteten, wie ich über den Steg stolzierte und das Boot bestieg.
Gustl war auch ein äußerst liebevoller, intelligenter und charmanter Mann. Er hatte Stil, war weltoffen und stellte seinen Reichtum, den er ohne Zweifel hatte, niemals zur Schau.
Wir verbrachten wunderbare Tage auf dem Wasser, nur unterbrochen von sündhaft teureren Besuchen in seinem Lieblingsrestaurants.
Die Nächte waren ausgesprochen stressfrei, Gustl war ebenfalls impotent.
Er begnügte sich damit, meine Füße in hohen Schuhen zu bewundern, sozusagen ein Fußfetischist, was ich damals jedoch noch nicht wusste, mich zu streicheln und was tatsächlich auch vorkam, mich oral zu befriedigen.
Im Nachhinein leicht verdientes Geld, zugegeben nicht mehr so viel wie zu Beginn, aber für mich völlig ausreichend, da ich über Stelios Beziehungen, ein sehr günstiges Hotel bezogen hatte und von den früheren Aktivitäten noch genug Geld übrig war.
An eine Rückkehr nach Deutschland war nicht zu denken.
Dachte ich.
Leider hatte ich die Rechnung ohne Stelios, unkontrollierte Wutanfälle, gemacht.
Mir war in den letzten Wochen immer wieder aufgefallen, dass Stelio ein ausgesprochener Choleriker war. Es kam vor, dass er von jetzt auf gleich, wegen einem nichtigen Anlass, einen solchen Wutanfall bekam, dass er kaum wiederzuerkennen war und es kam wie es kommen musste.
Eines Tages meldete sich Gustl bei mir und erklärte, dass er zwar dieses Wochenende wieder am Gardasee wäre, er sich jedoch nicht mit mir treffen könne, da er Bekannte dabei hätte, die so kurz nach dem Tod seiner Frau nichts von mir wissen dürften.
Ich verstand das sehr gut und hatte damit kein Problem, anders Stelio.
Er schäumte vor Wut - warum auch immer.
Bis heute ist mir nicht klar, warum er so unbedingt darauf bestand, dass ich mir das nicht gefallen lassen dürfte. Ich sollte an der Anlegestelle seines Bootes auf Gustl warten und mich nicht abspeisen lassen.
Als ich dies energisch verweigerte, brach zwischen uns ein böser Streit aus, der damit endete, dass ich ins Hotel fuhr, meine Koffer packte, mich mit einem Taxi nach Verona fahren lies und im nächsten Zug, Italien den Rücken kehrte.
Ich habe Stelio nie wieder gesehen.