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VIER

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Inzwischen bin ich in Schwabmünchen angekommen.

Für diese letzte Wegstrecke habe ich ziemlich genau drei Stunden gebraucht, also, Tagesziel erreicht.

Schwabmünchen gehört noch zum Landkreis Augsburg und ist mit ca. 15.000 Einwohnern eine kleine Gemeinde. Auf meiner Suche nach einem Zimmer komme ich am Rathaus vorbei und entdecke daneben zwei weiße, runde Türme durch einen Torbogen in der Mitte verbunden. Ein Ortskundiger klärt mich auf, dass es sich hierbei um die Sehenswürdigkeit „Hexentürmchen“ handelt. Die Türme wurden im 16. Jahrhundert errichtet und führten damals zur bischöflichen Vogtei, die heute allerdings nicht mehr existiert.

Warum sie „Hexentürmchen“ heißen, konnte der Mann mir leider nicht erklären.

In Anbetracht der Tatsache, dass im 16. und auch im 17. Jahrhundert Hexenverbrennungen auch in Deutschland sehr verbreitet waren, nehme ich an, dass dies vielleicht das Tor war, durch welches Hexen zu ihrem Prozess geführt wurden. Eine schreckliche Vorstellung, doch irgendwie müssen diese Türme ja zu ihrem Namen gekommen sein. Ich nehme mir vor, Wikipedia bei Gelegenheit danach zu befragen.

Inzwischen machen sich meine Beine bemerkbar. Noch schmerzen sie nicht, aber sie beginnen langsam über die ungewohnte Beanspruchung zu protestieren, deshalb sehe ich mich um und mein Blick fällt auf eine ansprechende Pension.

Pension Wertachau.

Ein sehr hübsches Haus, viel größer als ich mir meine Unterkunft vorgestellt habe, hoffentlich ist es nicht zu teuer. Da ich jedoch nicht vor habe, weiter durch die Stadt zu laufen und mich einfach nur auf ein schönes Essen, eine Dusche und ein frisches Bett freue, nehme ich mir vor, nahezu jeden Preis zu akzeptieren.

Da ich an einem Wochentag unterwegs bin, klärt mich die Dame an der Rezeption auf, habe ich Glück und sie haben noch Zimmer frei. Für knapp 40 Euro kann ich das Zimmer für eine Nacht mieten. Auf ein Frühstück verzichte ich, da ich sehr früh los möchte und bevor ich nicht mindestens zwei Stunden wach bin, bekomme ich selten ein Frühstück runter.

Nachdem ich die Übernachtung sofort bezahlt habe, die Dame mir den Zimmerschlüssel ausgehändigt und den Weg zum Zimmer gewiesen hat, finde ich dieses auch sehr schnell, werfe meinen Rucksack in die Ecke und lasse mich mit einem lauten Seufzer auf das einladende Bett fallen.

Das Zimmer ist sehr einfach gehalten und wird von einem großen Doppelbett dominiert. Ein Einzelzimmer war nicht mehr zu haben, so erhielt ich, nicht ohne Hinweis, welch Glück ich doch hätte, ein Doppelzimmer zur Einzelnutzung. Der Kleiderschrank ist in die Wand eingelassen und ein kleiner Tisch mit zwei schmalen Sesseln davor, vervollständigen die Einrichtung. Das Bad, beziehungsweise die Dusche und das WC ist sehr klein, aber zweckmäßig und vollkommen ausreichend.

Nach einer langen und ausgiebigen Dusche begebe ich mich erfrischt und bester Laune in den Speisesaal, mein Magen knurrt bereits, da ich seit heute Morgen nichts mehr gegessen habe.

***

Das Essen war einfach köstlich.

Erst überlegte ich kurz, ob ich mich in den, wirklich sehr ansprechenden Biergarten setze, doch da die Sonne langsam im Begriff ist unterzugehen, wird es der Jahreszeit entsprechend, zunehmend kühler und ich habe doch lieber den Gastraum gewählt.

Gesättigt und rundum zufrieden schnappe ich mir meinen Rucksack und will nach meinem Buch greifen, welches ich dachte, eingepackt zu haben. Noch ein paar Seiten lesen und dann früh einschlafen, das ist der Plan.

Zu meiner Überraschung halte ich jedoch nicht den oft gelesenen, aber immer wieder lustigen Terry Pratchett in den Händen, sondern die Kladde.

Das Tagebuch der Prostituierten.

Ich kann mich nicht daran erinnern, es eingesteckt zu haben. Muss es wohl unbewusst am Morgen vom Schlafzimmer in die Küche getragen und beim Packen des Rucksacks verwechselt haben.

Seltsam, aber auch gut, bin sowieso gespannt, wie es weitergeht.

Montag

25.Aug.1980

Gut erkannt liebes Tagebuch,

ich war mit meiner Einleitung noch nicht fertig, aber heute geht es weiter, lehne dich zurück und lausche.

Zurück in Deutschland.

Weiter bei Mutti wohnen und kein Einkommen zu haben, war nach den Monaten in Italien keine Option mehr. Ich hatte das „Dolce Vita“ Italiens nicht nur gerochen, sondern verinnerlicht. Das „süße Nichtstun“, muss man sich selbstverständlich auch leisten können, es war mir ins Blut übergegangen. Ein paar Hunderter waren noch übrig und ich überlegte, wie ich es auch in Deutschland schaffen könnte, mit wenig Arbeit viel Geld zu verdienen.

Kurz zur Erklärung, warum mir finanzielle Unabhängigkeit so wichtig war.

Ich wuchs in eher ärmlichen Verhältnissen auf, für heutige Verhältnisse in sehr ärmlichen. Der Grad der Armut definiert sich heute doch hauptsächlich darin, in welchem Land man lebt. Während ich noch ohne Kinderzimmer und mit Kohleheizung, groß geworden bin, steht heute selbst Sozialhilfeempfängern, eine Dreizimmerwohnung zu, die vom Staat finanziert wird, sobald ein Kind im Haushalt vorhanden ist.

Bitte versteh mich nicht falsch liebes Tagebuch, ich finde es richtig und toll, dass ich in einem Land leben darf, in dem die soziale Absicherung so gut funktioniert.

Ich wollte damit nur aufzeigen, wie sehr sich die Zeiten verändert haben.

Meine Mutter war die Alleinverdienerin, mein Vater Frührentner und mein Schlafplatz war ein Schrankbett im Wohnzimmer. Ich glaube gar nicht, dass es heute noch so etwas zu kaufen gibt. In frühester Jungend formte sich bei mir bereits der Gedanke, später ein besseres Leben zu führen. Mir eine schöne Wohnung mit Zentralheizung und fließend Warmwasser leisten zu können, war der Mindestanspruch.

Was dann auch später dazu führte, keine Lehre zu machen, sondern sofort Geld zu verdienen, obwohl ich, wäre mein Interesse an der Schule größer gewesen, sicherlich einen super Abschluss und eine gute Ausbildung hätte machen können.

O- Ton sämtlicher Lehrer meiner Schulzeit.

So aber begann ich nach einem eher mäßigen Realschulabschluss, meiner Mutter zu liebe, eine Lehre als Schuhverkäuferin. Ein absolut untauglicher Versuch.

Nicht nur, dass dieser Job aber so gar nichts für mich war, landete ich, im Verkauf von orthopädischen Schuhen, eine Horrorvorstellung für ein gerade mal sechzehnjähriges Mädchen.

Nun, lange habe ich das nicht durchgehalten und warf die Ausbildung hin.

Da ich leider noch keine achtzehn Jahre alt war und man in Deutschland bis zu diesem Alter berufsschulpflichtig ist, musste ich ein weiteres Jahr Schule über mich ergehen lassen um die Berufsschulfreiheit zu erlangen.

Dieses Jahr zog ich mit erstklassigen Noten durch, um mir danach sofort eine Arbeitsstelle suchen zu können, was auch geklappt hat. Ich hatte extrem viele Fehlzeiten, da mich diese Schule völlig unterforderte. Die schulischen Anforderungen glichen in etwa jenen einer achten Klasse der Hauptschule und waren mir nicht nur bekannt, sondern auch ohne mich im geringsten anzustrengen zu erreichen. Mein Abschlusszeugnis wies ohne Ausnahme nur Einsen und Zweier auf, gut mit einer lächerlichen Ausnahme.

In Sport hatte ich eine Vier.

Über diese Bewertung amüsiere ich mich heute noch, da ich ein ausgesprochen sportlicher Mensch bin und während meiner gesamten Schulzeit nur Bestnoten in Sport vorweisen konnte. Die schlechte Note war der Tatsache geschuldet, dass ich das zweite Halbjahr zu keiner Sportstunde erschienen war, was dazu führte, dass die Note des ersten Halbjahres, einer Eins, mit der, des zweiten Halbjahres zusammengezählt wurde. Eins plus sechs ergibt sieben, dann wird durch zwei geteilt und aufgerundet.

Vorlas – sportliche Leistung – ausreichend.

Ich kann dich hören, liebes Tagebuch, du verachtest Schulschwänzer.

Lass mich das kurz erklären.

Im ersten Halbjahr schloss sich der Sportunterricht direkt an die anderen Fächer an, im Zweiten war das plötzlich anders. Der Stundenplan änderte sich und die Sportstunde wurde nach hinten verlegt, er fand jetzt nach der großen Mittagspause statt und ich hatte einfach keine Lust, nach der Stunde Mittagspause noch einmal in die Schule zu gehen.

Eine lahme Ausrede, ich weiß, aber so war ich nun mal.

Ich achtete schon früh auf eine ausgeglichene work – live - balance.

Bla, bla, bla, jetzt bin ich völlig vom Thema abgekommen.

Wo war ich?

Ah ja.

Also ich hatte noch ein paar Hunderter übrig und dachte darüber nach, auch in Deutschland meinen Körper zu verkaufen.

Ich hörte mich also um, was nicht so schwer war, da ich in unmittelbarer Nähe eines Lokales aufgewachsen bin, in welchem fast ausschließlich Nutten und Zuhälter verkehrten und mischte mich unter die Leute um mehr über den Job einer Prostituierten zu erfahren.

Überraschenderweise rieten mir sowohl die Nutten, wie auch die Zuhälter weitestgehend von dieser Tätigkeit ab.

Ich wäre nicht der Typ dafür.

Ist ein beschissener Job – frisst auf Dauer deine Seele auf.

Freier sind Arschlöcher und vieles mehr.

Na, rate mal!

Klar konnte mich das nicht abschrecken.

Ich redete mir ein, dass es bei mir ganz anders laufen würde.

Ich freundete mich sehr schnell mit einigen Mädchen und auch mit einem so genannten Zuhälter an, ja ein kleines bisschen verliebte ich mich sogar in ihn.

War auch ein toller Typ.

Die Frauen standen sämtlich auf ihn, hatte den Charme eines „Monaco Franze“.

Sorry – die Serie kennt heute wohl keiner mehr.

Egal, der Mann war toll.

Franz war wohl auch nicht der übliche Zuhälter, wie man sie aus dem Fernseher kennt. Er war charmant, groß, sehr attraktiv, nicht gewalttätig und ging einer geregelten Arbeit nach.

Ist ein Mann bereits dann ein Zuhälter, wenn er mit einer Frau zusammen ist, die auf den Strich geht?

Diese Frage muss wohl jeder für sich selbst beantworten.

Ich lasse also nicht locker und irgendwann hatte ich Franz weich gekocht, er versprach mir, mich in einem Puff unterzubringen. Er klärte mich auf, dass es nicht üblich ist, als Frau allein in Puffs oder ähnlichen Etablissements vorstellig zu werden.

Wie ich sehr schnell feststellen durfte, war es überhaupt eher unüblich, dass eine Frau ohne einen Zuhälter arbeiten möchte.

Als es dann endlich soweit ist, war ich schon sehr nervös.

Es sollte in einen Puff nach Kassel gehen – in den Bienenkorb.

Vorausschickend sollte ich noch erwähnen, dass 1980, ich bin süße 20 Jahre alt, in den Puffs „Falle geschoben“ wird. Das muss man erst einmal lernen, also wird man von einer „Althure“ angelernt.

Kurz zur Erklärung.

Falls du liebes Tagebuch einmal in einen Puff, oder auch „Laufhaus“ genannt, mitgenommen wirst, werden dir Spione in den Türen auffallen. Diese sind dazu gedacht, um nachzuprüfen, ob die Mädchen tatsächlich „Falle schieben“, also die Penisse der Männer nicht einführen.

Du siehst liebes Tagebuch, ich versuche mich gewählt auszudrücken, nicht dass du wieder rot wirst.

Wird ein Mädchen dabei erwischt, dass es keine „Falle schiebt“, fliegt es raus und ihr Zuhälter wird darüber informiert. Tatsächlich wollen die Zuhälter zu dieser Zeit, nichts mit Frauen zu tun haben, welche den Geschlechtsverkehr tatsächlich ausüben, ihn also nicht nur vorzutäuschen.

Na liebes Tagebuch, jetzt hab ich dich überrascht, das hättest du nicht gedacht oder?

Gut, es gibt sicherlich Zuhälter, denen das völlig egal war, aber die schicken dann sicherlich nicht die eigene Frau auf den Strich. Denke das sind dann eher Menschenhändler, die rein nur an den Profit denken, doch solche Männer kenne ich nicht. Die Zuhälter die ich kenne, lassen sich von ihren Frauen ein schönes, faules Leben finanzieren und achten darauf, dass ihr „Mädchen“ nicht zu sehr angefasst wird.

Das ist es also, was man beim „Falle schieben“ tut.

Man täuscht dem Freier vor, dass er in einen eindringt.

Hört sich allerdings leichter an, als es ist.

Ich denke, liebes Tagebuch, dass ich dir die Technik und wie dies überhaupt möglich ist, die Freier so zu hintergehen kurz beschreiben muss, also nicht rot werden, einfach zuhören.

Entgegen der landläufigen Meinung, alle Puffgänger sind abgebrühte Schweine, gut einige sind schon darunter, ist es doch eher so, dass die Herrn sich erst einmal Mut antrinken, bevor sie zu uns kommen. Das Anfassen der Geschlechtsteile einer Hure ist vollkommen untersagt. Wenn er Glück hat, darf er an die Titten, das war es dann aber auch schon.

Die erfolgreichste Strategie einen Freier hinters Licht zu führen, ist Ablenkung.

Diese erreichst du, indem du stöhnst als gäbe es kein Morgen, erzählst ihm wie toll sich sein Penis anfühlt, was für ein herrlicher Liebhaber er ist.

Kurz du ziehst alle Register.

Nicht vergessen, der Freier ist nervöser als du.

Und nun zur Technik.

Ganz wichtig, alle Ringe von den Fingern nehmen und die Hände gut einölen.

Ich schaffe die „Falle“ immer nur wenn ich auf dem Freier sitze, also in Reiterstellung, du musst dem Freier deshalb erst einmal klar machen, dass dies deine Lieblingsstellung ist. Dann fasst du hinter dich an seinen Schwanz und klemmst ihn so geschickt zwischen deine Arschbacken, dass es sich für ihn so anfühlt, als ob er in dir steckt.

Das Öl an den Händen ersetzt dabei die nasse Muschi.

Toller Nebeneffekt – knackiger Po!

Falle schieben“ ist echt anstrengend und stärkt die Muskulatur des Hinterns enorm.

Oh ja, hätte ich fast vergessen, man muss im Intimbereich völlig glatt rasiert sein, spürt der Freier Haare, ist alle Anstrengung umsonst.

Ich komme also in Kassel an.

Werde in die Kunst des „Falle schieben“ eingewiesen und muss noch am selben Abend ran.

Klar habe ich mir vorher Mut angetrunken und sehr schnell festgestellt, dass ich fürs „Falle schieben“ in Missionarsstellung einfach zu blöd bin.

Keine schöne Erfahrung wie du dir sicher vorstellen kannst.

Der Typ erwischt mich beim „Falle schieben, ist sehr verärgert und will sich beschweren. Aus Angst davor sofort wieder aus dem Puff zu fliegen, gehe ich das Risiko ein, mich tatsächlich von ihm vögeln zu lassen.

Geht auch gut, ich bin nicht aufgeflogen, fühle mich jedoch beschmutzt und missbraucht. Dies hier hat so gar nichts mit Spaß zu tun.

Das habe ich mir wirklich anders vorgestellt.

LOST AND FOUND

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