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SIEBEN
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27.Sept.1980
Hallo liebes Tagebuch,
dass ich bei Erni geblieben bin und eine Beziehung mit ihm angefangen habe, muss ich nicht extra erwähnen, wir kennen uns lange genug und nein, er ist nicht mein Zuhälter.
Wenn du richtig zugehört hast, arbeitet er als Wirtschafter in dem Puff, aus dem ich raus geflogen bin und verdient dort gar nicht schlecht, er ist also nicht auf mein Geld angewiesen und ich habe auch nicht vor, ihm welches zu geben. Im Moment weiß ich nicht recht wohin und Erni dient mir, Ohren zuhalten, als Sprungbrett.
Er hat mich in den letzten Tagen darüber aufgeklärt, dass die Puffs immer weniger werden und sich immer mehr Clubs in den Städten breit machen. Der größte Unterschied zwischen den beiden Etablissement ist, dass in den Clubs richtig gevögelt wird. Soll heißen, wenn du beim „Falle schieben“ erwischt wirst, fliegst du raus und wenn du richtig Pech hast, musst du dem Freier die Kohle wieder geben.
Ist das zu glauben?
Nun, Erni erklärte es mir so, dass die Clubfrauen den Freiern davon erzählten, dass sie in den Puffs beschissen werden, um sie abzuwerben. Daraufhin achten die Freier natürlich darauf, dass ihre Penisse auch wirklich reingesteckt werden. Frauen die im Puff gelernt haben zu arbeiten, verdienen immer weniger, einige wenige, die es sich leisten können, steigen aus und ich fange genau zu dieser Zeit zum „Anschaffen“ an.
Was für ein beschissenes Timing.
Aber gut jetzt ist es nun mal so.
Augen zu und durch.
Samstag
04.Okt.1980
Hallo liebes Tagebuch,
da bin ich wieder.
Erni will mich in einem Club in Mannheim unterbringen.
Ja, du hörst richtig, in einem Club.
Wie ich bereits erwähnte, gibt es immer weniger Puffs in Deutschland, in Stuttgart hatte ich angefragt, aber die sind voll. Laufhäuser, wie man Puffs auch nennt, gibt es fast nur noch in großen Stätten und der nächstliegende wäre das „Drei Farben Haus“ in München gewesen, das ist mir im Moment zu weit. Ich fühle mich bei Erni noch ganz wohl, eine Zeitlang möchte ich schon noch bei ihm bleiben.
Nun ist es so üblich, dass man sich, bevor man in einer Stadt als Prostituierte betätigt, bei der Kripo, Abteilung Sitte, anmelden muss.
In jeder Stadt das Gleiche Prozedere, man meldet sich bei der Kripo und dem Gesundheitsamt an. Im Grunde eine eher lästige, als unangenehme Angelegenheit, da die Beamten der Sitte meist sehr nette Männer sind, anders in Mannheim wie ich heute feststellen durfte. Der Typ wollte mir einfach nicht glauben, dass ich keinen Zuhälter habe. Zu seiner Entschuldigung muss ich hinzufügen, dass es tatsächlich eher unüblich ist, ohne einen Zuhälter zu arbeiten.
Mit allen Mitteln, erst freundlich und mit fortschreitender Zeit immer ungehaltener, versuchte er mich dazu zu bringen, ihm mit zuteilen, für wen ich Anschaffen würde.
Die Krönung war dann, als er mich fragte, wer mich denn nach Mannheim gebracht hätte.
Natürlich war es Erni, was ich ihm allerdings nicht mitteilte, da mir sehr wohl bewusst ist, dass meinem Freund damit – Zuführung zur Prostitution – vorgeworfen werden könnte. Streng genommen könnte nach diesem Gesetzt jeder Taxifahrer, der eine Nutte von ihrer Wohnung zum Arbeitsplatz bringt, dessen beschuldigt werden.
Also antwortete ich dem „netten“ Beamten, dass die Bundesbahn so freundlich war, mich zu befördern. Er lief vor Wut dunkelrot an und verwies mich barsch des Zimmers.
Ich dachte schon er springt über den Tisch und mir direkt an die Kehle. Konnte ich doch genau sehen, dass er es kaum schaffte sich zu beherrschen. Am Ende war ich einfach froh das Revier wieder verlassen zu können.
Nun, der Club hier in Mannheim ist tatsächlich super, die Besitzerin ist gleichzeitig die Wirtschafterin und nachdem ich ihr offen erkläre, dass ich gedenke „Falle zu schieben“, hat sie kein Problem damit, es dürfte sich allerdings kein Freier beschweren, sonst würde ich raus fliegen und „kobern“ wäre sogar erwünscht.
Ich denke, hier kann ich es eine Weile aushalten.
***
Der Prostitutions-Markt wird immer mehr mit Thaifrauen und Russinnen, überschwemmt. Für uns deutsche Mädchen wird es zunehmend schwieriger Geld zu verdienen, da das Neue, das Exotische einen unwiderstehlichen Reiz auf die Männer ausübt. Auch sind die Thais und die Russinnen viel netter, ist zumindest mein Gefühl. Sie führen die Freier nicht vor, ja, sie erzählen ihnen sogar dass sie im Puff nur vorgeführt werden.
Ich habe es selber schon mitbekommen, da ich jedoch nicht schon wieder raus fliegen will, halte ich den Mund. Ich fühle mich hier in Mannheim überraschend wohl und die Freier sind lange nicht so unangenehm, wie die in Kassel, oder gewöhne ich mich langsam an den Job?
Frauen aus dem Puff und den Clubs haben getrennte „Bocktage“, weil sie sich sonst an die Gurgel gehen. Verständlicherweise, wie ich anmerken muss.
Die „Puffnutten“ sind nachvollziehbar nicht sehr begeistert davon, dass die „Clubschlampen“, wie sie „liebevoll“ genannt werden, ihnen das Geschäft versauen und sie sich nach und nach tatsächlich damit abfinden müssen, richtigen Geschlechtsverkehr auszuüben, oder den Job an den Nagel zu hängen.
Von der Warte der Freier aus, sicher eine glückliche Wendung.
Wurden sie doch jahrelang betrogen, aber wurden sie das wirklich?
Sie hatten alle ihren Orgasmus und das war es doch was sie wollten.
Gut, lahme Ausrede.
Aus der Sicht der Prostituierten allerdings……
Versetz dich einmal in die Lage der Huren.
Wenn du an ihrer Stelle wärst, was wäre dir lieber?
Reinstecken oder „Falle schieben“?
Du weißt nicht was ein „Bocktag“ ist?
Mein liebes Tagebuch, ich erkläre es dir gerne.
Als Hure hast du dich in jeder Stadt nicht nur bei der Kripo anzumelden, sondern auch bei dem zuständigen Gesundheitsamt, das weißt du ja inzwischen. Das Amt hält einmal wöchentlich einen Vormittag dafür frei, um alle Nutten der Stadt auf Geschlechtskrankheiten zu untersuchen.
In Mannheim gibt es getrennte Tage für die Frauen aus den Clubs und dem Puff.
Erstaunlich, dass Mannheim überhaupt noch einen Puff hat, das hat mir Erni gar nicht erzählt.
Egal, ich fühle mich hier wohl und solange mich kein Freier erwischt ist alles gut.
Donnerstag
15.Jan.1981
Hallo liebes Tagebuch,
im Grunde hätte ich es hier in Mannheim viel länger ausgehalten, doch als ich heute, nach zwei freien Tagen wieder zurück kam, stand ich vor verschlossener Türe.
Wie ich nach meiner Rückkehr nach Böblingen erfahren habe, hatten andere Clubbesitzer wohl ein Problem mit diesem hier und haben ihn kurzer Hand abgefackelt.
Es wurde gemunkelt, dass einige Zuhälter ein Problem mit einer Frau als Clubbesitzerin hatten. Wenn schon Konkurrenz, dann wenigstens von einem Mann – dummes Machtgehabe, aber so geht es im Milieu manchmal zu.
Diese Branche ist Männer dominiert.
Damit war mein kurzes Gastspiel in Mannheim zu Ende.
Ich musste mir einen neuen Club suchen.