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IM TRETBOOT IN SEENOT

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26. JULI, ANN ARBOR, MICHIGAN

Torsten | Ann Arbor liegt an einem Fluss, dem Huron River, und es gibt gar nicht weit vom Stadtzentrum den schönen Gallup Park, wo das Wasser zu einem See aufgestaut wurde. Zu diesem Park sind wir nach dem Frühstück mit Mark gefahren, der heute Spätschicht hatte. Beim Spazierengehen kamen wir nach einigen Minuten an einem Bootsverleih vorbei und wir entschieden uns spontan zu einem kleinen Ausflug auf dem Wasser. Das Wetter war einfach herrlich!

Wir liehen uns einen Wassertreter aus, weil Susanne das so wollte, und Mark nahm ein Kanu. Dass wir uns dann alle Schwimmwesten anlegen sollten, fand ich aber total übertrieben. Ich stieg einfach ohne eine solche auf den Wassertreter. Da hatte ich die Rechnung aber ohne den Angestellten des Bootsverleihs gemacht, der vehement darauf bestand, dass ich meine Weste tragen müsse. Als ob wir kleine Kinder wären … Zuvor hatten wir schon unterschreiben müssen, dass wir den Verleih nicht verklagen würden, falls uns etwas passierte. Beim Fallschirmspringen oder Bergsteigen hätte ich das ja verstanden, aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir beim Wassertreten dem Tod ins Auge sehen würden.

Nun ja, wir stießen dann schließlich in See und anfangs lief auch alles ganz wunderbar. Aber als wir in etwa die Seemitte erreicht hatten und ich gerade meine Schwimmweste ablegen wollte, funktionierte plötzlich das Steuerruder nicht mehr. Irgendwas schien zu klemmen. Für uns bedeutete dies, dass wir uns nur noch im Kreis bewegen konnten. Susanne bekam es mit der Angst zu tun. Auch ich wusste nicht, wie wir es zum Ufer schaffen würden. Schwimmen wollte ich nicht unbedingt. Susanne würde vielleicht sogar ernsthafte Probleme bekommen, denn sie war wahrhaftig keine Wasserratte.

Mark hatte schließlich die rettende Idee: Er schlug mit seinem Paddel kräftig gegen das Ruderblatt und schaffte es tatsächlich, dieses so auszurichten, dass wir zumindest geradeaus und in Richtung Ufer fahren konnten. Wir traten kräftig drauflos und hielten direkt auf einige Leute zu, die dort auf einer Bank saßen und total verdutzt schauten, als ich ins kniehohe Wasser sprang und den Treter mit der schluchzenden Susanne darauf so nah wie möglich ans Ufer zog.

Nachdem ich Susanne geholfen hatte, einigermaßen trocken an Land zu kommen, machten wir uns zu Fuß auf den Rückweg zum Bootsverleih, wo wir uns mit Mark treffen wollten.

Die Leute am Ufer staunten wahrscheinlich nicht schlecht, dass wir den Wassertreter einfach so zurückließen. Ich hatte keine Lust, die Umstände zu erklären – dazu war ich einfach zu sauer. Aber jetzt wurde mir wenigstens klar, warum der Bootsverleih solchen Wert darauf legte, dass alle Kunden eine Schwimmweste trugen und auf mögliche Klagen von vornherein verzichteten. Plötzliches technisches Versagen aufgrund von akuter Materialermüdung schien hier beileibe kein Einzelfall zu sein. Wer weiß, wie viele Wassertreter schon auf dem Grunde dieses Sees ruhten …

Während ich in derartige Gedanken versunken war, hörte ich in einiger Entfernung hinter mir eine Stimme, die irgendwie vertraut klang. Neugierig drehte ich mich um und sah, wie Susanne sich mit einem älteren Herrn im Gras wälzte und schimpfte, während ein anderer Mann und ein kleiner Hund dabei zuschauten. Was war denn da los? Ich begriff erst einmal gar nichts. Der Rentner, der auf Susanne lag, trug Rollschuhe und versuchte vergeblich, wieder auf die Beine zu kommen.

»Nun guck doch nicht so blöd«, rief Susanne, die immer noch ihre Schwimmweste trug, zu mir herüber. »Hilf uns lieber!« Gemeinsam mit dem Hundebesitzer gelang es mir, den Herrn wieder auf die beräderten Beine zu stellen. Er sah etwas mitgenommen aus, rückte aber beherzt seinen Helm zurecht und entschuldigte sich vielmals bei Susanne. Aber eigentlich war es wohl eher ihre Schuld gewesen, dass es zu diesem Zusammenstoß kam. Sie hatte, statt mir zu folgen, mit dem Hündchen gespielt und war dabei in die Bahn des Rollschuh laufenden Senioren geraten.

Zum Glück wurde niemand verletzt! Das wäre auch was gewesen, wenn Susanne, nachdem sie gerade dem Ertrinken entkommen war, nun doch noch im Krankenhaus gelandet wäre – oder wenn der sportliche Opa sich das Genick gebrochen hätte. (Überhaupt, das ist uns heute mehrmals aufgefallen, scheinen ältere Leute hier viel aktiver zu sein als in Deutschland.)

Mark wartete am Bootsverleih auf uns. Sein Rückweg auf dem Wasser war wesentlich kürzer und ereignisärmer gewesen als unserer auf dem Landweg. Er hatte den Leuten vom Verleih schon erklärt, was passiert war und wir bekamen daraufhin ohne Weiteres unser Geld zurückerstattet.

Nach diesem Abenteuer brauchten wir erst einmal eine Stärkung. Deshalb sind wir kurz bei McDonald’s vorbeigefahren. Mark wollte aber nicht anhalten, sondern schnell durch den drive-thru gehen. Damit meinte er den Drive-in. Das gehe viel schneller, sagte er voller Überzeugung. Als wir an der Wechselsprechanlage anhielten, fragte uns Mark, was wir haben wollten.

»Einen Fishmäc und Pommes«, sagte ich. Das hatte ich früher immer gegessen, wenn wir als Studenten zu McDonald’s gegangen waren. Mark lächelte, und als eine Stimme »Welcome to McDonald’s« gesagt hatte, bestellte er anscheinend ein Fischfilet und etwas Französisches.

»Mensch«, dachte ich, »was die hier nicht alles haben!« Ich fragte ihn: »Hast du gerade ein Fischfilet bestellt?« Er lachte: »Nein, dein Fishmäc heißt hier Filet-O-Fish.« »Heißt er doch in Deutschland auch schon ewig!«, meldete sich Susanne vom Rücksitz zu Wort. »Wie soll ich denn das wissen, wir sind doch schon seit Jahren nicht mehr bei McDonald’s gewesen«, gab ich zurück. »Pommes heißen hier übrigens French Fries«, sagte Mark, bevor er sich an Susanne wandte: »Und was möchtest du?«

»Ich nehme einen Ördbörshake«, sagte sie, stolz auf ihr bescheidenes Englisch. »One strawberry milkshake, please«, sagte Mark in Richtung Wechselsprechanlage, während ich mich kaputtlachte. »Öördböörshake!«, imitierte ich Susanne und äußerte den Wunsch nach einem Bier, nachdem ich dieses auf der Leuchttafel mit dem Speise- und Getränkeangebot erspäht hatte. »Na, dich hätte hier auch keiner verstanden«, erwiderte sie trotzig. Damit hatte sie vielleicht recht, aber nicht weil mein Englisch so schlecht war wie das ihre, sondern weil die Sachen hier einfach anders heißen.

Das Bier war dann auch kein Bier, sondern irgendwas Abscheuliches, das wie eine Mischung aus Hustensaft und Geschirrspülmittel schmeckte und das ich einfach nicht hinunterwürgen konnte. Mir blieb nichts anderes übrig: Ich spuckte es aus dem Autofenster. »Stimmt was nicht?«, fragte Mark schmunzelnd, während ich den eben erlebten Geschmacksgau noch verarbeitete und innerlich debattierte, ob ich vielleicht eine jener Biermarken erwischt hatte, die den schlechten Ruf des amerikanischen Bieres begründeten oder ob da jemand was verwechselt hatte. Ich entschied mich für Letzteres, denn so abscheulich konnte nun wirklich kein Bier auf der ganzen Welt schmecken.

»Ich glaube, das ist kein Bier«, sagte ich, vor Ekel zitternd und kaum in der Lage zu sprechen. Mark brach in schallendes Gelächter aus. »Das ist root beer!« Nachdem er sich beruhigt hatte, erklärte er mir, dass das so eine Art Malzbier ist – und dass man damit aufgewachsen sein muss, um es zu mögen. »Das schmeckt ganz lecker mit einer Kugel Vanilleeis drin«, meinte er. Das glaubte er doch wohl selber nicht!

Fettnäpfchenführer USA

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