Читать книгу Ordo Templi Magica - Karin Bachmann - Страница 10
Kapitel 5
ОглавлениеGrauenvolle Minuten lang wehrte sich das Mädchen, bis es kraftlos zusammensackte. Eiskaltes Wasser berührte ihren am Boden liegenden, nackten Körper und sie schrie auf. Der Wasserstrahl war hart und sie kauerte sich in Embryohaltung zusammen, versuchte sich zu schützen, indem sie die Arme um ihren Körper schlang. Doch der Strahl hatte kein Erbarmen.
Paul hatte inzwischen eine große Kanne mit Kaffee geleert und schleppte sich mehr schlecht als recht in die Universität. Er war schon sehr spät dran und deswegen war er nicht erst in das Lehrerzimmer gegangen, sondern gleich in den Hörsaal. Hier standen fast alle Studenten in einem Pulk zusammen und hatten sehr ernste Gesichter. Was war denn nun schon wieder passiert? Paul trat hinter sein Pult und setzte seine helle Ledertasche ab, als die Studenten ihn gleich umringten.
„Haben Sie es schon gehört? Es fehlt schon wieder ein Mädchen!“, sagte Tim, ein schwarzhaariger, aufgeweckter Junge.
„Nein!“, Paul zögerte, „wisst ihr mehr darüber?“
„Gabi aus der Parallelklasse ist verschwunden!“
„Sie wollte zu Ursels Geburtstagsparty kommen und ist nicht aufgetaucht!“
„Vorgestern war ich noch mit ihr zusammen!“
Alle sprachen durcheinander. Paul musste erst mal wieder Ruhe in die Klasse bringen und bat: „Nehmt doch bitte eure Plätze ein!“
Nach einigen Minuten räusperte sich Paul und sagte: „Es ist wirklich sehr schlimm, was hier im Moment passiert!“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort.
„Für die Mädchen unter euch ist es sicher auch enorm schwierig, ich empfehle euch, geht nirgends alleine hin, sucht euch immer eine Begleitung! Ich will euch keine Angst machen, aber mir scheint, es ist das Beste, vorsichtig zu sein! Möchte noch jemand etwas dazu sagen?“ Paul schaute sich im Hörsaal um, die meisten schauten betroffen, doch es meldete sich niemand mehr. Paul seufzte.
„Nun, dann wollen wir versuchen, uns auf den Unterricht zu konzentrieren! Wir machen bei den Ausgrabungen in Ägypten weiter …“
Am späten Nachmittag, Paul hatte gerade einige Klausuren korrigiert, klingelte es an seiner Tür. Es war Kommissar Bruckner, er bat um ein Gespräch. Paul führte ihn ins Wohnzimmer und bot dem Kommissar etwas zu trinken an, was dieser dankend annahm. Der Kommissar schaute sich in Pauls Wohnzimmer um und fühlte sich gleich wohl. Die gemütliche Couch lud mit den bunten Kissen zum Faulenzen ein, und die helle Wohnzimmerwand aus Buchenholz war mehrfach unterbrochen durch Regale, die das Ganze auflockerten. Überall waren Bücher verstreut, nicht wenige standen in den Regalen und lagen in mehreren Stapeln auf dem Tisch. „Setzten Sie sich doch, Herr Bruckner!“, bat Paul. Der Kommissar legte seinen Mantel über die Lehne eines Sessels und setzte sich seufzend.
„Was führt Sie zu mir?“, fragte Paul neugierig.
„Leider keine angenehme Aufgabe!“, sagte der Kommissar.
„Viel lieber würde ich mich privat mit Ihnen unterhalten und dabei ein schönes Bierchen trinken, aber nun ist wieder ein Mädchen verschwunden. Sie haben es sicher schon gehört?!“ Paul nickte.
„Ja, ich habe es von den Studenten gehört. Die Mädchen haben inzwischen alle Angst aus dem Haus zu gehen, was ich gut verstehen kann. Viele von ihnen leben in Studentenwohnheimen und sind weit weg von ihrem zu Hause, andere haben das Glück, bei ihren Eltern zu wohnen, aber die Angst geht um. Ich habe den Mädchen empfohlen nirgendwo alleine hinzugehen.“ Der Kommissar nickte bedächtig.
„Ist wohl eine gute, erste Sicherheitsmaßnahme, aber auf Dauer kann es natürlich nicht so weitergehen. Der eigentliche Grund meines Hierseins ist sehr ernster Natur. Sie sagten mir, dass Sie sich in den Orden einschleusen würden, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gäbe?“ Paul nickte bestätigend.
„Ich vermute, dass die vermissten Mädchen in engem Zusammenhang mit dem Orden stehen, in dem auch Andrea fast umgekommen wäre. Und Sie, als Archäologe und Geschichtslehrer, haben den besten Durchblick, was die Rituale und das Drumherum betrifft. Sie können meinen Vorschlag natürlich ablehnen, das ist Ihr gutes Recht, doch ich möchte Sie bitten uns und den Mädchen zu helfen.“
Paul nahm einen großen Schluck Mineralwasser aus seinem Glas und seufzte.
„Ich sehe auch keine andere Möglichkeit, und ich vermute genauso wie Sie, dass die Mädchen durch die Organisation des Ordens verschwinden.“
„Bedenken Sie alles in Ruhe, Sie wissen, in welche Gefahr Sie sich begeben! Auch würden Sie Ihren Unterricht sicherlich einige Zeit vernachlässigen müssen. Ich möchte jedoch niemanden einweihen, vor allem nicht die Schulleitung. Es ist schon so schwer genug, dass nichts davon an die Presse kommt.“
„Ja, da haben Sie recht, je weniger davon bekannt wird, desto einfacher werden die Nachforschungen sein!“, antwortete Paul.
„Wenn Sie sich dafür entscheiden“, fuhr der Kommissar fort, „sollten Sie bedenken, dass Sie ganz alleine auf sich gestellt sind. Sie werden kaum eine Möglichkeit finden, um mit mir in Kontakt zu treten. Wir vermuten, dass einige Mitglieder des Ordens in der Universität ihre Spitzel haben, oder sogar im Hörsaal sitzen, um die einzelnen Mädchen auszukundschaften. Deswegen dürfen wir niemandem vertrauen! Ich gebe Ihnen bis morgen Bedenkzeit!“
Paul wollte schon spontan Zusagen, doch der Kommissar war schon aufgestanden und ging an die Tür. Er winkte ab und sagte nur:
„Morgen komme ich wieder vorbei!“
Dann war er auch schon verschwunden.
Paul verbrachte eine weitere schlaflose Nacht, er erwog das Für und Wider. Doch im Grunde seines Forscherherzens war er schon mitten in der Planung. Er überlegte sich, wie er zu diesem Orden vorstoßen könnte, ohne Verdacht zu erwecken, und wie er von diesem Orden aufgenommen werden könnte. Am liebsten würde er eine winzige Kamera mitnehmen, doch durfte bei ihm nichts gefunden werden, was ihn auffliegen lassen konnte. Einige Male stand er wieder auf und tigerte durchs Schlafzimmer, doch irgendwann in den frühen Morgenstunden hatte er sich für den Einsatz entschieden, und danach konnte er endlich einschlafen.
Heute war Samstag und es fand kein Unterricht statt. Die Klingel seiner Haustür riss Paul aus dem Schlaf und total übernächtigt tapste er zur Tür, um zu öffnen. Der Kommissar begrüßte ihn im Vorbeigehen und steuerte auf seine offene Küche zu.
„Ich habe ein paar frische Brötchen mitgebracht!“, war sein aufgeräumter Kommentar.
„Ich mache schon mal Kaffee, während Sie sich duschen und anziehen!“ Paul war ziemlich verdattert, vielleicht lag es auch an seinem noch sehr langsam arbeitenden Gehirn. So fragte Paul:
„Habe ich etwas verpasst?“
Der Kommissar lächelte und meinte:
„Sie haben sich doch schon dafür entschieden, oder täusche ich mich?“ Paul nickte müde. Zufrieden brummend setzte der Kommissar die Kaffeemaschine in Gang.
Bei einem knusprigen Brötchen und einer herrlich duftenden Tasse Kaffee waren Pauls Lebensgeister wieder geweckt. Auch die ausgiebige Dusche hatte dazu beigetragen.
Er war gespannt, was Kommissar Bruckner ihm mitteilen wollte.
„Wir brauchen einen unverdächtigen Mittelsmann, Paul, ich darf Sie doch Paul nennen?“ Paul nickte.
„Ich bin Hans! Also, um zur Sache zu kommen, haben Sie eine Idee, wie wir das handhaben könnten? Vor allem sollten Sie absolutes Vertrauen zu dieser Person haben!“ Da Paul sich in der vergangenen Nacht schon viele Gedanken darüber gemacht hatte, brachte er auch gleich seinen Vorschlag an.
„Das Einzige, was an meinem Plan nicht gelingen könnte, wäre, dass Melissa nicht mitmachen möchte. Das könnte ich ihr allerdings auch nicht verdenken.“
Hans klopfte Paul auf die Schulter und meinte: „Eine gute Idee, ich mache mir keine Sorgen, bei ihrem Charme …“ Paul verkniff das Gesicht und zog die Nase kraus.
„Ich möchte sie nicht dazu überreden, sie muss schon freiwillig mitmachen. Vielleicht bringe ich sie dadurch auch in Gefahr!“
Bruckner erhob sich, schüttelte Paul die Hand und wünschte ihm viel Erfolg.
„Passen Sie auf sich auf!“, waren seine letzten Worte, bevor er ging.