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ОглавлениеSCHICKSAL
Kapitel 3
La Ràpita, Mallorca, dritte Woche im Oktober
Der Hinflug war ohne nennenswerte Komplikationen verlaufen. Sie starteten abends zwar eine halbe Stunde später als geplant, aber das war durchaus noch im Rahmen, dachte Marlene, als sie die vielen Passagiere sah, die im Warteraum genervt vor sich hinlümmelten, da ihr Flug nach Miami gestrichen worden war und sie bis zum folgenden Tag auf einen Ersatzflug würden warten müssen.
Ulrike hatte beim Start und beim Landeanflug die Hände in beide Lehnen gekrallt und meist mit geschlossenen Augen in ihrem Sitz geklebt. Auf Marlenes diverse Versuche, sie mit einem Gespräch abzulenken, hatte sie nur einsilbig reagiert.
Später, als sie vor dem Fließband auf ihre Koffer warteten, hatte sie ihr erklärt, dass sie in Gedanken „Die Glocke“ von Schiller heruntergeleiert habe, mehrmals. Auf Marlenes verblüfftes „Waaas?“ sagte sie schulterzuckend: „Irgendwie musste ich mich doch von meiner Flugangst ablenken, und Gedichte aufsagen funktioniert bei mir immer!“
Marlene überlegte fieberhaft, ob sie sich auch nur an den ersten Vers erinnerte, gab aber nach „Festgemauert in der Erden steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muss die Glocke werden!“ ernüchtert auf.
Nachdem sie ihre Koffer geholt hatten, gingen sie zur Autovermietung. Marlene hatte für eine Woche einen Kleinwagen vorbestellt. Sie nahmen ihn in Empfang und fuhren in östlicher Richtung an der Südküste entlang. Nach kurzer Zeit erreichten sie bereits La Ràpita. Der kleine Ort war kein Touristenmagnet und wirkte jetzt, kurz vor halb neun abends, recht verschlafen.
Marlene bog in eine enge Auffahrt ein und hielt vor einem weißen Haus mit blau gestrichenen Holzläden an den Fenstern. Neben dem Eingang standen Kübel mit Zitronenbäumchen, und ein ausladender Gummibaum streckte sein Blätterdach über den gepflasterten Weg.
Die Rezeption in der kleinen Empfangshalle war nicht besetzt. An einem Pinboard neben dem Schlüsselkasten hingen Grußkarten von zufriedenen ehemaligen Gästen aus vielen Ländern.
Marlene drückte auf die Klingel am Tresen und wartete.
Kurz darauf kam eine stämmige junge Frau mit dunkelblonden Locken aus der Tür nebenan. „Bonita! Da bist du endlich!“ Sie schloss Marlene ungestüm in die Arme, dann hielt sie sie von sich weg. „Du hast abgenommen und deine Haare sind kürzer – steht dir gut!“
Sie hatte sich am letzten Schultag die Haare bis auf Schulterlänge schneiden lassen und ihnen einige rote Strähnchen verpasst; seither sah sie etwas älter als eine Abiturientin aus.
Petra begrüßte Ulrike, dann zeigte sie ihnen ihre Zimmer. Marlene hatte es vorgezogen, Einzelzimmer reservieren zu lassen. Sie hatte sich daran gewöhnt, allein zu schlafen, und vermutet, dass es Ulrike so auch lieber war.
„Ihr habt die beiden Zimmer unter dem Dach, das Bad müsst ihr euch teilen.“ Petra stellte Ulrikes Koffer auf das französische Bett mit der fröhlichen gelben Baumwolldecke. „Wenn ihr ausgepackt habt, wartet auf der Terrasse Pablos Kanincheneintopf auf euch und zur Feier eurer Ankunft hat er eine Flasche guten Roten geköpft!“
~~~
Am nächsten Morgen zog Marlene Shirt und Jogginghose an und ging hinunter zum Strand. Ein flotter Spaziergang am Meer, bevor weiter vorne die ersten FKKler den Strand bevölkerten, war für sie der beste Start in den Tag. Abends zuvor hatten sie mit Petra und Pablo und einigen Gästen bis weit nach Mitternacht auf der Gartenterrasse gesessen und geplaudert.
Pablo war ein netter Kerl, der ihre Schwester verwöhnte, wo er nur konnte. Wehmütig dachte sie an Tom. Petra war im letzten Jahr fülliger geworden, aber das schien weder sie noch Pablo zu stören; sie waren verliebt wie eh und je. Petra liebte das Essen und genoss die Köstlichkeiten, die Pablo zauberte, offensichtlich ganz ohne Reue.
Als Marlene nach dem Duschen die Terrasse betrat, blinzelte sie. Sie lag um diese Zeit am Vormittag voll in der Sonne, was aber bei 20 Grad durchaus angenehm war. Ulrike saß bereits an einem der runden Tische und unterhielt sich mit einem Ehepaar, das abends wieder zurückfliegen würde.
Marlene nahm sich ein Glas stilles Wasser und von dem starken Kaffee, den sie in Frankreich und Spanien so gern trank. Zur Feier des ersten Urlaubstages genehmigte sie sich zwei Brötchen, eines mit spanischem Schinken, auf das zweite strich sie dick Petras selbst gemachte Pfirsichmarmelade. Sie spürte, wie die Anspannung der letzten Wochen allmählich nachließ und einer angenehmen Wohlfühlstimmung wich.
Ulrike schien das ähnlich zu empfinden. Nachdem die beiden Hamburger auf ihr Zimmer gegangen waren, um zu packen, legte sie die Beine auf den einen Stuhl, schloss die Augen und seufzte ab und zu. „Ach, ist das schön! Kein Regen, keine Arbeit, keine Schule, keine lärmenden Kinder. Das Leben kann manchmal so leicht sein …“ Sie blickte sich um. „Vor dem Frühstück bin ich ein bisschen durch die Gassen geschlendert. Irgendwie wirkt hier alles so friedlich und gelassen; ich glaube, ich könnte mich hier wohlfühlen, auf Dauer meine ich.“
Schmunzelnd steckte Marlene sich eine Gauloise an. „Du musst es wie Petra machen: Verlieb dich in einen Mallorquiner und bleib hier!“
Sie bauten ein paar „Ach-Wenn-Doch-Nur“-Luftschlösser und beschlossen nach einer Runde schwimmen im Meer faul auf einem der bequemen Liegestühle im Hotelgarten zu dösen. Sie steckte die Kopfhörer ihres MP3-Players in die Ohren und ließ sich von Beethovens Neunter wegtragen. Später begann sie, ein Buch zu lesen, das nichts mit ihrem Unterricht zu tun hatte.
Nach diesem faulen ersten Tag setzten sie sich am nächsten Morgen in ihren Mietwagen und fuhren gemütlich nach Nordosten, an der Küste entlang. Von Portocristo aus konnte man Ausflüge zu den beiden Tropfsteinhöhlen in der Nähe und diverse Bootstouren buchen. In beiderseitigem Einvernehmen gesellten sie sich jedoch nicht zu den Touristenmassen, die diese Muss-Ausflüge mitmachten, sondern bummelten stattdessen am Hafen entlang, vorbei an Restaurants, Bars und kleinen Souvenirläden, und suchten sich dann, um der regen Betriebsamkeit zu entgehen, in einer der Seitenstraßen eine ruhige Bodega, in der sie Tapas aßen.
Nach einem Café Solo fuhren sie zurück, wo nur anderthalb Kilometer südlich die eindrucksvollen Coves del Drach lagen. Da schlossen sie sich dem Strom der anderen Touristen an und schlenderten durch die kühlen Kammern, vorbei an bizarr geformten Stalakmiten und Stalaktiten, die seit über hundert Jahren bewundernde Blicke auf sich zogen. Am Ende lag ein unterirdischer See. Sie starrten hinab auf das spiegelglatte Wasser, während aus unsichtbaren Lautsprechern klassische Musik ertönte.
Unweit der Höhlen führte ein Weg sie zum Acuario de Mallorca, in dem sie exotische Fische betrachteten. Das erfrischende Bad im Meer vor dem Abendessen spülte Staub und Schweiß weg, und Marlene stellte freudig fest, dass bereits eine leichte Bräune Gesicht und Arme schmückte.
Am Vormittag des folgenden Tages saß sie für zwei Stunden am Empfang. Danach schlossen sie das Hotel-Restaurant und fuhren mit Petra und Pablo nach Port d’Andratx an der Südwestküste, wo auf der Yacht von Pablos bestem Freund eine fröhliche Feier anlässlich der Verlobung der beiden stattfand.
Marlene und Ulrike fühlten sich wohl unter den Spaniern, es herrschte eine heitere Stimmung. Spät abends fuhren sie zusammen mit einem von Pablos Cousins, der ihn an den nächsten Tagen in der Küche vertreten würde, nach La Ràpita zurück.
Die beiden Frauen hatten die Fahrt in vollen Zügen genossen.
Im Hafen lag ein Motorboot neben dem anderen, eine Yacht dümpelte dicht an der nächsten, die Bucht war übersät mit Booten und Schiffchen diverser Couleur. Die weiße Yacht, die Pablos Freund gehörte, hatte etwa zwanzig ausgesuchte Gäste, nur enge Freunde und Verwandte, beherbergt. Es gab kühle, bunte Cocktails mit und ohne Alkohol, Tapas und andere kleine Häppchen mit Hummer, Huhn und Garnelen, und der Sekt floss in Strömen. Lachen und fröhliches Geplauder auf Spanisch, Deutsch und Englisch füllte die Luft und perlte an der Bordwand ins hellblaue, klare Wasser.
Und die Aussicht war ein absolutes Highlight gewesen!
Sie waren ganz gemütlich an der Steilküste mit den grün bewachsenen Hängen entlanggetuckert. Zunächst vorbei an Port d’Andratx mit seinen teuren Boutiquen, die Kleidung und Accessoires von Prada, Gucci, Dior und anderen bekannten Labels führten.
Dazwischen unzählige Cafés, Bars und Restaurants, die eng an eng die Strandpromenade säumten. Lässig gekleidete Männer und Frauen in coolen Outfits, Reiche und Schöne, etliche sogenannte Promis und solche, die sich dafür hielten, fläzten gemütlich auf den bequemen Stühlen oder bummelten selbstbewusst die Promenade am Meer entlang.
Weiter im Westen dann wechselten Strandbuchten sich mit Felsen ab, auf den Hängen Villen wie aus dem Bilderbuch: weiß, orange, beige; prächtig anzusehen, mit üppigen Gärten und großen Pools; einer absoluten Luxusvilla, die man für viel Geld mieten konnte: eine offene Terrasse mit Pool zum Meer hin, das Dach darüber geformt wie eine Möwe im Flug. Und über allem ein strahlend blauer Himmel mit kleinen Wölkchen, der Sorglosigkeit und Müßiggang versprach.
Als sie wieder in La Ràpita ankamen, stellten Marlene und Ulrike verträumt fest, dass sie gegen einen Freund, der Besitzer einer stolzen, weißen Yacht in Port d‘Andratx war, absolut nichts einzuwenden hätten.
~~~
Am nächsten Morgen kroch Marlene um sechs verschlafen aus dem Bett, zog sich an und genehmigte sich einen starken Kaffee und ein Croissant, bevor sie um sieben Uhr zur Rezeption ging.
„Du wirst nicht viel zu tun haben“, hatte Petra prophezeit. „Die beiden Schweden aus Zimmer fünf reisen vormittags ab, aber es haben sich keine neuen Gäste angemeldet.“
Das war Marlene ganz recht, auch wenn für sie die Tätigkeit als Empfangsdame eine neue Erfahrung gewesen wäre.
So verbrachte Marlene einen ruhigen Morgen und las in ihrem Roman weiter. Um elf checkten die Schweden aus, danach setzte Ulrike sich für ein Stündchen an die Rezeption, damit Marlene in Ruhe etwas zu Mittag essen konnte.
Jetzt saß sie seit einer knappen Stunde wieder hinter dem Tresen, als die Glocke an der Eingangstür bimmelte. Überrascht sah sie auf.
Zwei Männer kamen herein. Der eine war hager und groß, der andere von mittlerer Statur. Er war schlank, hatte dunkelbraune, kurz geschnittene Haare und ein offenes, sympathisches Gesicht.
Marlene stand auf und fragte auf Spanisch, ob sie ihnen helfen könne, worauf Letzterer sie schüchtern anlächelte und in gebrochenem Spanisch mit französischem Akzent fragte, ob sie noch ein Zimmer für ihn und seinen Freund hätte.
Marlene sah in zwei dunkelblaue Augen und verlor sich in ihren Tiefen. Dann besann sie sich und schaltete automatisch auf Französisch um. „Vorhin wurde ein Zimmer frei, aber es ist erst in etwa einer Stunde bezugsfertig. Vielleicht lassen Sie Ihre Koffer hier und gehen an den Strand oder etwas trinken. Durch den Gang hier rechts kommen Sie in den Hotelgarten, dort ist eine kleine Bar.“
Die Franzosen lächelten. „Wie weit ist es bis zum Strand?“, fragte der große.
„Sie überqueren die Straße vor dem Hotel, wenden sich halb links und gehen die Gasse hinunter. Nach etwa 150 Metern sind Sie dort.“ Sie schob Anmeldeformular und Kugelschreiber zu ihm. „Wenn Sie sich bitte hier eintragen würden.“
Während der große das Formular ausfüllte, sah der kleinere zu Marlene und lächelte sie an. Der Blick seiner Augen war so intensiv, dass sie glaubte, in diesem Meerblau zu versinken.
Die Frage des anderen holte sie in die Wirklichkeit zurück. „Wie lange ist das Zimmer frei?“
Sie rief die Buchungsdatei auf. „Heute ist Mittwoch. Sie können das Zimmer bis Montag haben.“
„Bon, das reicht, wir fliegen am Sonntag zurück.“
„Möchten Sie das Zimmer vorhersehen?“
Der Mann mit den blauen Augen schüttelte den Kopf. „Nein, das wird nicht nötig sein.“
Marlene stockte der Atem. Seine Stimme, männlich und samtig zugleich, hüllte sie ein wie ein Chiffontuch, das sich schützend um ihren Körper schlang.
Der andere schob ihr das ausgefüllte Formular hin. „Dann bis später!“ Er drehte sich zu seinem Freund um. „Gehen wir zum Strand, Victor?“
Der Angesprochene nickte, lächelte Marlene noch einmal zu und ging widerstrebend hinaus.
Marlene starrte den beiden hinterher. Victor. Er hieß Victor. Sie nahm das Formular zur Hand. <Albert Fornaux> hatte sich mit Adresse und Ausweisnummer eingetragen. Er wohnte in Avignon. Sie setzte sich seufzend und begann, die Daten im PC zu erfassen, als Ulrike in ihrem bunten Strandkleid und einem roten Strohhut auf dem Kopf hereinmarschierte.
„Wer waren denn die beiden Typen, die gerade herausgekommen sind? Ich habe sie hier noch nicht gesehen.“
„Sie haben in das Zimmer eingecheckt, das vorhin frei wurde.“
Ulrike nahm den Hut ab, schüttelte ihre langen blonden Haare und fuhr sich mit der Hand durch. „Der Große ist attraktiv, der könnte mir gefallen!“
„Findest du?“ Marlene sah wieder die blauen Augen des anderen vor sich und hatte den Klang seiner sonoren Stimme im Ohr.
„Woher kommen sie?“
„Südfrankreich; der Große heißt Albert und wohnt in Avignon.“
„Oho … Franzosen, nicht schlecht!“ Ulrike grinste schelmisch.
~~~
Um vier löste die Aushilfskraft Marlene ab; sie ging in ihr Zimmer und legte sich aufs Bett. Bevor sie einschlief, ging sie in Gedanken noch einmal die paar Minuten durch, in denen die Franzosen eingecheckt hatten.
Ich habe mich benommen wie ein pubertierendes Gör, dachte sie verärgert. Dass ein fremder Mann sie so verunsichern konnte, dass sie buchstäblich weiche Knie bekam, war ihr noch nie passiert.
Um halb sieben klingelte ihr Wecker. Sie duschte, zog sich an und sah dann in der Küche nach, ob Manolo allein zurechtkam. Marta war dort, um ihm zur Hand zu gehen und alles lief, wie es sollte. An der Rezeption saß Ulrike.
„Marlene, ich gehe in die Küche und hole dir etwas zu essen. Manolos Huhn mit Rosmarin in Weißweinsauce ist eine Offenbarung!“
Marlene setzte sich und sah zum Schlüsselbord; die Nummer fünf hing nicht mehr dort, also waren die Franzosen wohl zurückgekommen.
Ulrike kam mit einem gut gefüllten Teller und einem Glas Weißwein. „Marta bedient. Außer den Franzosen sind nur die beiden Belgier im Speisesaal, die anderen Gäste essen heute wohl außerhalb. Das heißt, du kannst hier bald Feierabend machen.“
Marlene aß genüsslich von dem Huhn. „Lecker!“
Ulrike legte den Kopf schief. „Vielleicht können wir an die Bar im Garten gehen, was meinst du? Die Franzosen sind bestimmt auch dort.“
Marlene grinste. „Dieser Albert scheint es dir wirklich angetan zu haben, was?“
„Ja, er sieht echt gut aus. Er trägt eine beige Leinenhose und ein lässiges weißes Hemd darüber. Am Ausschnitt sieht man schwarze Brusthaare.“
Marlene verschluckte sich vor Lachen. „Du hast ihn dir aber genau angesehen!“
„Er ist ja auch ein Hingucker!“
Victors Augen tauchten wieder vor Marlene auf. „Du hast recht, heute Abend ist hier wohl nichts mehr los, einen Absacker an der Bar haben wir uns verdient. Geh du schon mal vor, ich bleibe noch bis um acht, dann komme ich nach.“
Ulrike nahm ihre Handtasche, betrachtete sich in dem kleinen runden Spiegel über der Sitzgruppe, fuhr mit der Zunge über ihre Lippen und ging dann Hüften schwingend auf die Tür zu, die zum Speisezimmer führte. „Dann nehme ich doch mal diesen Weg, damit Albert weiß, wo er mich findet.“
Marlene sah ihr schmunzelnd hinterher. War das wirklich die sonst so bieder wirkende Ulrike, die sie kannte? Sie hatte sich die Haare gewaschen und gestylt, so dass sie in großen Bahnen locker auf ihre Schultern fielen. Ihre schlanke Gestalt steckte in einem nachtblauen Sommeranzug, und nicht zum ersten Mal dachte Marlene, dass ihre Freundin eine attraktive Frau war, der man ihr Alter wahrlich nicht ansah.
Das brachte sie auf eine Idee. Sie sah auf dem Anmeldeformular nach: Albert war 1963 geboren, also sieben Jahre jünger als Ulrike. Wie alt Victor sein mochte? Sie schätzte ihn jünger als Albert, obwohl er viel ernster wirkte. Sie konnte es kaum erwarten, bis die verbleibenden zwanzig Minuten vorbei waren, die sie noch hier ausharren musste.
Aber als es dann endlich acht Uhr war, war Marlene inzwischen so aufgeregt, dass sie ihren ganzen Mut zusammennehmen musste, um nicht feige in ihr Zimmer zu schleichen und sich unter der Bettdecke zu verkriechen.
Wieso benehme ich mich so kindisch, schalt sie sich. Ich bin für ein paar Tage in Urlaub und werde mich mit einer Freundin und zwei weiteren Urlaubern unterhalten, kein Grund also überzureagieren.
Am Ausgang zum Garten blieb sie stehen. Die drei saßen an dem Tisch vor der Bar. Ulrike und Albert lachten gerade, Victor saß still lächelnd dabei. Es war dunkel, nur der schwache Schein der nahen Laterne warf kleine Lichtreflexe auf ihre Gesichter.
Marlene atmete tief durch, dann schlenderte sie scheinbar lässig hinaus. Victor hob den Kopf, stand auf und deutete auf den Stuhl neben sich. Sie lächelte ihn an, blieb aber stehen. „Kann ich euch noch etwas zu trinken bringen?“, fragte sie in die Runde.
„Nein, setz dich, ich übernehme das!“ Ulrike stand auf. „Im Kühlschrank der Bar steht ein fruchtiger Weißer, auf den haben wir uns gestürzt. Magst du auch?“
Marlene nickte. Ihr war völlig egal, ob sie Wein oder Motorenöl trank. Victors Nähe ließ ihren Puls höherschlagen, ohne dass sie hätte sagen können, wieso eigentlich. Sie setzte sich.
„Wir haben schon gehört, dass Sie hier nicht im Hotel angestellt sind, sondern auch Ihren Urlaub verbringen. Wie lang vertreten Sie Ihre Schwester noch?“ Albert lächelte sie fragend an.
„Morgen Mittag müsste sie zurück sein.“ Marlene schaute Victor an. „Und Sie sind heute auf Mallorca angekommen?“
„Nein, wir sind bereits seit Sonntag auf der Insel. Wir waren in den Tramuntanabergen im Westen. Es ist wunderschön dort. Kennen Sie diese Gegend?“ Er wandte ihr sein Gesicht voll zu und während sie antwortete, betrachtete sie ihn genauer.
Sie hätte ihn nicht als gutaussehend bezeichnet. Sympathisch, ja. Aber auf der Straße wäre sie an ihm vorbeigegangen, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Doch seine blauen Augen, die jetzt im Dunkeln fast schwarz wirkten, zogen sie magisch an. Das schmale Gesicht mit der hohen Stirn wirkte ernst, so als trüge er die Last der halben Welt mit sich herum.
Ulrike stellte ein Glas vor Marlene hin und goss aus einer bauchigen, grünen Karaffe ein. „So, Süße, entspann dich und genieße!“
~~~
Zwei Stunden später dämmerte Marlene in einen wohligen Schlummerschlaf hinüber, den der Wecker am Donnerstagmorgen mit einem lauten „Di-di-di-did“ abrupt und viel zu früh unterbrach. In Shirt, Weste und Jogginghose kroch sie gähnend zum Strand hinunter; eine halbe Stunde am Meer würde ihr jetzt guttun.
So früh am Morgen war es noch empfindlich kühl. Sie zippte ihre Weste zu und stapfte bis vor an die Wasserkante. Die Wellen kräuselten sich und liefen im seichten Sand in flachen Rundbögen aus. Sie streckte einen Fuß hinein; es war richtig kalt. Die Hände in den Westentaschen vergraben, lief sie zunächst langsam, dann immer zügiger durch den feuchten Sand, das Gesicht dem frischen Wind zugewandt. Dunkle Wolken jagten am Himmel entlang, so als müssten sie einen imaginären Termin einhalten.
Ihre Gedanken kehrten zum vergangenen Abend zurück.
Er war ein einziger Genuss für die Sinne gewesen. Ein Windlicht in einem Keramikkerzenhalter mit gelben, braunen und orangefarbenen Mosaiksteinchen. Die Kerzenflamme, die sich in Victors dunklen Pupillen spiegelte wie die untergehende Sonne im Meer.
Der kühle Chablis, fruchtig auf der Zunge und leicht im Gaumen; die grünen Weinkelche mit den hohen Stielen, überhaucht von einer dünnen Eisschicht. Salami- und Schinkenscheiben mit Gemüsesticks und Knoblauchdip auf einer mit bunten Blumen bemalten Keramikplatte, die Marta ihnen gebracht hatte. Daneben ein Korb mit festem, würzigem Landbrot und ein rotbraunes Schälchen mit grünen und schwarzen Oliven.
Von irgendwoher die sanften Klänge einer Gitarre, die mal klagende, mal lebensfrohe Melodien in die Nacht schickte. Der frische Geruch von Lavendel, vermischt mit dem exotisch—süßen Aroma der Bougainvilleas.
Alberts Anekdoten, Ulrikes perlendes Lachen, Victors Stimme, samtig und kehlig, tief und melodiös. Und seine Hände – den Stil des Glases umfassend, beim Sprechen gestikulierend, kurz auf ihrem Arm, als er sie etwas fragte. Stark, klein, schlank, kurze schwarze Haare an der Kante des Handrückens; Vertrauen erweckend, warm, beschützend, so als könne man sich ihnen ohne Vorbehalt ausliefern.
Und immer wieder seine Augen: je nach Stimmung und Lichteinfall stahlgrau bis schwarz, dunkel- oder eisblau mit einem türkisfarbenen Ring um die Iris, wie die Farbe des seichten Wassers an der Strandbucht weiter vorne, wenn sie von der Sonne beschienen wurde.
Nach zwanzig Minuten kehrte sie um; sie wollte noch einen Moment im Sand sitzen und aufs Meer hinaussehen. Sie lief auf die größere Düne zu, hinter der der Steg in den Ort hineinführte, und stutzte. Saß dort etwa schon jemand? Sie ging zögerlich weiter, als eine Gestalt am Fuß der Düne sich erhob.
„Es hat dich wohl auch schon früh aus dem Bett getrieben?“ Victor.
Erleichtert ließ sie sich neben ihm nieder. „Ich bin zwar noch viel zu müde, um schon aus den Federn kriechen zu wollen, aber mein Dienst beginnt bald. Und ich liebe es nun einmal, am Strand entlangzulaufen. Die beste Zeit dafür ist morgens.“
Wie sie, sah er hinaus aufs Meer. „Ja, am Morgen, wenn alles still ist und keine lärmenden Menschen einen in den Alltagssog hineinziehen, mit den immer gleichen Problemen, Vorgängen und Sorgen, die uns in einen unruhigen Abend hineinkatapultieren, der einem ähnlichen Tag vorausgeht.“
Sie schaute ihn direkt an. „Das war das Echo meiner Gedanken. Dir geht es auch nicht so gut, oder?“
Er nickte. „Nicht wirklich, nein. Vielleicht nehme ich auch manches zu schwer. Aber dieses ständige Zeitfüllen und Terminen nachzujagen macht mich mürbe. Man rennt dem Leben und seinen Träumen, wenn man sie denn noch hat, hinterher, überfrachtet mit dem täglichen Einerlei und ist nicht fähig, aus diesem Teufelskreis zu entkommen.“
„So empfinde ich das auch meist.“
Er sah sie von der Seite her an. „Erinnerst du dich noch an deine Träume?“
Marlene schaute wehmütig vor sich hin. „Vor einem Jahr hätte ich dir geantwortet, dass ich kurzfristig eine gute Prüfung absolvieren und danach unterrichten wollte. Zumindest so lange, bis ich meinen Freund heiraten würde und Kinder bekäme. Weiter dachte und wünschte ich mir nichts. Naja, irgendwann einmal noch einige schöne Flecken dieser Welt erkunden, das auch.“ Sie malte geistesabwesend mit einem Stöckchen Kreise und Linien in den Sand. „Inzwischen bin ich Lehrerin und habe mich von meinem Freund getrennt, weil er mich betrogen hat. Seither stolpere ich durch die Tage und versuche, mich nicht unterkriegen zu lassen.“
Nachdenklich sah Victor sie an, dann nickte er. „Mein Alltag!“
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Um die Mittagszeit kam eine strahlende, braungebrannte Petra hereingestürmt. „Hola, Bonita!“ Sie erzählte begeistert von dem Segeltörn, den Pablo und sie am Tag zuvor unternommen hatten, dem traumhaften Wetter und der herrlichen einsamen Bucht, in der sie einen Nachmittag allein verbracht hatten. Die beiden Schwestern steckten die Köpfe zusammen, klönten und lachten.
„Übrigens, im Februar heiraten wir!“ Auf Marlenes erstaunte Nachfrage erklärte sie den Grund für einen Hochzeitstermin im Winter. „Im Dezember kommen wir nach Speyer, im Januar müssen wir renovieren und im März beginnt bereits die nächste Saison. Also bleibt uns für Flitterwochen nur der Februar.“
„Das ist blöd, um diese Zeit hab ich keine Ferien“, maulte Marlene enttäuscht.
„Aber über Karneval hast du doch vier Tage am Stück, oder? Am Freitag sind wir auf dem Standesamt, am Samstag ist die kirchliche Trauung und danach wird gefeiert!“ Sie sah auf ihre Uhr. „Bonita, mach, dass du wegkommst und genieß deine Restferien!“
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Die beiden Frauen und die Franzosen hatten am Abend zuvor beschlossen, diesen Nachmittag gemeinsam in Palma zu verbringen. Sie parkten den Mietwagen in der Garage unterhalb des Parc de la Mer, direkt unter der Kathedrale. Dann bummelten sie an der Uferpromenade auf La Seu zu.
„Seht mal da vorne: ein Performancekünstler!“ Ulrike wies auf eine Gestalt auf einer umgedrehten Kiste. Auf dem Vorplatz der Kathedrale stand er, ganz in Silber gekleidet, selbst Gesicht und Hände waren silbern bemalt. Sie blieben eine Weile vor ihm stehen und beobachteten ihn.
Wie eine Statue stand er da, er zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Er schaute in Richtung Hafen, eine Hand beschirmte seine Augen, so als suche er etwas am Horizont.
Ein kleines Mädchen kam hergerannt und starrte ihn mit offenem Mund an. Unvermittelt neigte er sich zu ihr hinunter und strich ihr lächelnd über die Wange. Als er seine Hand zurückzog, hielt sie einen bunten Lutscher. Er gab ihn ihr und nahm dann wieder seine Position ein. Die Kleine starrte perplex auf das Zuckerwerk in ihrer Hand und dann wieder auf ihn.
Victor lächelte vergnügt, dann sah er zu Marlene. Auch auf ihren Zügen lag ein Schmunzeln. Ihre Blicke trafen sich und während die Zeit für eine Sekunde stehenblieb, sah er Marlene mit einem kleinen Mädchen an ihrer Hand. Beide lächelten ihn glücklich an.
Dann war der Moment vorbei und vor ihm stand wieder die Frau, die er tags zuvor kennengelernt hatte und die seitdem nicht mehr aus seinen Gedanken weichen wollte. In einer für ihn untypisch spontanen Geste streckte er ihr seine Hand hin und gemeinsam liefen sie zu Albert und Ulrike, die bereits zum Südportal der Kathedrale weitergegangen waren.
Sie streckten die Hälse nach oben, als ihre Blicke an den mächtigen Strebepfeilern hinaufwanderten. Dann schlenderten sie um die Kathedrale herum und betraten sie vom Nordportal her.
Marlene war schon zweimal hier gewesen und doch stockte ihr jetzt wieder der Atem, als sie das mächtige Kirchenschiff betrat. La Seu galt zu Recht als eine der größten und schönsten gotischen Kirchen Europas.
Sie ging langsam das Hauptschiff entlang auf den Hochaltar zu. Die Fensterrose darüber zog sie magisch an. Wenn die Sonne schien, so wie jetzt, wirkte das Rundfenster, als stünde es in Flammen, und die roten, grünen und goldenen Motive leuchteten besonders intensiv. Bei ihrer ersten Führung hatte sie erfahren, dass dieses Fenster aus dem vierzehnten Jahrhundert einen Durchmesser von über zwölf Metern hatte.
„Es ist das größte gotische Kirchenfenster der Welt“, flüsterte Victor neben ihr.
„Es ist wunderschön.“
Marlene wollte diesen Anblick länger genießen. Sie setzte sich auf eine der vorderen Holzbänke und ließ Blick und Gedanken schweifen. Vom Rundfenster über den Baldachin von Gaudí und den Altar über die schlanken Steinpfeiler zu den Seitenschiffen, wo das Mädchen von zuvor an der Hand ihres Vaters entlanghüpfte.
Wo wohl ihre Mutter war? Marlene dachte an ihre Eltern zu Hause, die in ihrem üblichen Alltagstrott gefangen waren, während sie in der lichtdurchfluteten Kathedrale im herbstwarmen Süden saß. Sie empfand ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, dass sie eine enge Bindung zu beiden hatte; dass sie mit ihnen immer über alles reden konnte, wenn sie wollte, und dass sie sich blind auf sie verlassen konnte.
Wie selbstverständlich stand Tom vor ihrem inneren Auge. Auch ihn hatte sie für einen Menschen gehalten, dem sie vertrauen konnte. Sie hatte sich in ihm getäuscht. Die bittere Gewissheit trieb ihr Tränen in die Augen, und plötzlich war die heitere Gelassenheit, die sie zuvor empfunden hatte, wie weggeblasen. Es tat immer noch weh, an ihn und die verlorene, gemeinsame Zukunft zu denken.
Eine bleierne Trauer senkte sich auf ihre Schultern und drückte sie auf die harte Kirchenbank. Mit zugeschnürter Kehle saß sie da und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die sich dennoch unaufhaltsam ihren Weg nach draußen bahnten; aus ihrem Herzen, ihrer Seele, ihrem verletzten Stolz, dort, wo die Verwundung am tiefsten saß, strömte die bittere Trauer aus ihr heraus.
Nach einer Weile trocknete sie ihr Gesicht und sah sich nach den anderen um. Victor saß einige Reihen hinter ihr am Rand zu einem der Seitenschiffe hin. Auch er sah so aus, als habe etwas ihn tief berührt. Sein Gesichtsausdruck war traurig und er wirkte, als sei er in Gedanken meilenweit weg.
Marlene ging langsam zum Ausgang, wo Ulrike und Albert schon warteten.
Vorbei am Rathaus und Santa Eulalia, einer Kirche mit Mariensäule auf dem Doppelportal, schlenderten die vier zur Plaza Mayor, wo sie sich unter einer der zahlreichen Arkaden in einem Straßencafé niederließen. Bei Café Solo und Cortado beobachteten sie müßig Mallorquiner und Touristen, die vorbeihetzten und –bummelten, auf der Suche nach freien Plätzen in einem der Cafés.
Marlenes tiefe Traurigkeit war einer leisen Wehmut gewichen, an der sie längst nicht mehr so schwer trug wie an ihrem Liebeskummer, den sie monatelang unter ihrer unbekümmerten Fassade in sich herumgetragen hatte. Sie fühlte sich seltsam befreit.
Albert brach das Schweigen. „Normalerweise hab ich’s nicht so mit Kirchen, aber La Seu hat mich beeindruckt.“
Ulrike nickte. „Mich auch. Die alten Mallorquiner haben da ein wunderschönes Monument geschaffen. Ich glaube nicht, dass die Architekten heutzutage etwas so Erhabenes bauen könnten.“
„Obwohl sie über ausgereiftere technische Mittel verfügen als die Menschen damals“, fügte Albert an.
Marlene trank von ihrem Espresso und steckte sich eine Gauloise an. „Ich finde La Seu auch jedes Mal wieder bezaubernd, obwohl ich eigentlich solch große Kirchenbauten nicht so gerne mag. Mich zieht es eher in Kapellen und kleine Dorfkirchen; dort ist die Atmosphäre irgendwie reiner.“
„Dann solltest du dir unbedingt die kleine Kapelle südlich von Inca ansehen. Wie heißt sie noch gleich?“ Albert zog die Stirn kraus. „Sant Irgendwas. Ich habe sie vor Jahren durch Zufall entdeckt, als ich mich verfahren habe. Sie gehört zu einem Gutshof. Die Decke ist übersät mit hunderten von Muscheln. Ich fand das kitschig, aber es soll Menschen geben, die so etwas mögen.“ Sein amüsierter Blick wanderte zu Victor, der die Augenbrauen hochzog.
„Ich, zum Beispiel.“
„Ich auch!“, stimmte Marlene zu.
„Nee, oder?“ Ulrike verdrehte theatralisch die Augen. „Ihr wollt da aber nicht auch noch hin? Ich hab heute genug Kultur gesehen. Mir ist jetzt allmählich nach einem leckeren Abendessen zumute!“
Marlene sah sie belustigt an. „Klingt gut, aber wir könnten doch Morgen zu dieser Kapelle fahren. Petra oder Pablo kennen sie bestimmt.“
Albert und Ulrike sahen alles andere als glücklich aus und so wurde die Planung für den folgenden Tag erst einmal verschoben. Da ihnen der Sinn nach frischem Meeresgetier stand, aßen sie auf dem Rückweg in einem urigen Fischrestaurant in Colònia de Sant Jordi, in dem Marlene schon öfter war, gegrillten Fisch, Hummer und Krabben und spülten alles mit einem spritzigen mallorquinischen Weißen hinunter.
Sie waren eine fröhliche Runde und Marlene beobachtete, dass Albert und Ulrike immer heftiger miteinander flirteten. Sie war sich ganz und gar nicht sicher, ob die beiden den Abend mit diesem gemeinsamen Essen beschließen würden und dachte, wie gut, dass Ulrike und ich getrennte Zimmer haben.
Schließlich landeten sie noch im Hotelgarten, wo Pablo und Petra sich zu ihnen gesellten und von ihrem Kurztrip an der Westküste schwärmten. Irgendwann flüsterte Ulrike Marlene ins Ohr: „Ich glaube, wir sollten den morgigen Tag getrennt verbringen. Abends treffen wir uns zu einem Abschiedsessen wieder hier. Okay?“ Sie zwinkerte Marlene spitzbübisch zu.
Sie grinste. „Schon verstanden. Viel Spaß euch beiden!“
Bald darauf brachen Albert und Ulrike zusammen auf. Er legte den Arm um ihre Hüften und sagte leise etwas, woraufhin sie keck lachte.
Marlene sah den beiden nach und dachte, ich gönne es ihr, aber ich könnte nicht einfach so mit einem Mann, den ich erst seit kurzem kenne und attraktiv finde, in die Kiste steigen, ohne daran zu denken, ob oder wie es weitergeht. Für mich macht Sex ohne Liebe keinen Sinn. Seufzend trank sie von ihrem Wein und erhaschte dabei Victors Blick. Er schien ähnlichen Gedanken nachzuhängen wie sie.
Auf Marlenes Nachfrage, ob Pablo die kleine Kapelle kenne, nickte er. „Sí, sí, das ist Sant Josep! Sie ist sehr romantisch und in schöner Landschaft gelegen. Ich zeige sie euch morgen auf der Karte.“
Da Marlene auch an diesem Tag sehr früh aufgestanden war, verabschiedete sie sich bald, nachdem Victor und sie sich zum Frühstück verabredet hatten. Petra ging auch zu Bett; Pablo und Victor waren in ein Gespräch über die Unterschiede zwischen mallorquinischem und französischem Wein vertieft.