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Kapitel 13

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Die untergehende Sonne warf lange Schatten, als Yal sein Haus verließ. Der Wind trug ihm den Geruch der Torffeuer von Halfyd-Send, dem größten Dorf von Findward, zu. Die Ansiedlung war um die Königsburg, Halfyd-Arn, erbaut worden und mit einer Befestigungsmauer gesichert, die schon vielen Anstürmen standgehalten hatte. Findwards Lage am Meer und sein natürlicher Hafen hatte immer wieder die Herrscher der Nachbarreiche zu Eroberungsversuchen des eigentlich kleinen Landes verleitet, obwohl es von der Seeseite so gut wie uneinnehmbar war. Seit Edryc Treleyon von Berinward, der dem Fürstengeschlecht des gleichnamigen Nachbarreiches angehörte, die Erbin von Findward zur Frau genommen hatte, herrschte allerdings Frieden.

Perwyn Treleyon, sein Bruder, Herr über das etwa dreimal so große Berinward, hatte gleich zwei Vorteile aus dieser Verbindung gezogen: Findward würde früher oder später ganz in die Hände seiner Familie fallen, denn es sah nicht so aus, als würden der Verbindung Edrycs mit der Königin von Findward jemals Kinder entsprießen. Außerdem war sein seltsamer jüngerer Bruder versorgt und damit vom Hof Berinwards entfernt.

Yal interessierte sich nicht besonders für die Politik der Menschen, aber da er zu Edrycs bevorzugtem Gesprächspartner geworden war, hatte er notgedrungen viele Einzelheiten von dessen unglücklicher Familiengeschichte mitbekommen.

Yal stieß die Luft aus. Keine Annehmlichkeit ohne Opfer! Auch diesmal würde sein Abendessen wohl mit den krausen Gedanken und Launen des Herrschers von Findward gewürzt sein.

Er raffte seinen langen, schwarzen Umhang und ging mit geschmeidigen Schritten den Pfad hinab, der zum Dorf führte. Kurz hielt er inne und sah noch einmal zurück zu seinem kleinen Refugium. Er war König Edryc dankbar, dass er ihm das leerstehende Häuschen geschenkt hatte. Es brauchte nicht viel, um ihn zufrieden zu stellen. Ein Dach über dem Kopf und ein Bett, um darin zu schlafen. Und einen Badezuber. Regelmäßige Bäder waren ihm zur Gewohnheit geworden, seit er sich in Findward niedergelassen hatte. Die Wärme des Wassers ließ ihn seine düsteren Gedanken wenigstens für ein Weilchen vergessen. Und noch immer war ihm das nasse Element vertrauter, als man es bei einem Feuermagier vermuten mochte. Aber auch seine Zerrissenheit war ihm beinahe zur Gewohnheit geworden. Er dachte nicht mehr viel darüber nach, warum ihn so gegensätzliche Elemente wie Feuer und Wasser beinahe gleichermaßen anzogen und warum er nach wie vor Erdmagie einsetzte, um zu heilen.

Der schmale Pfad mündete in eine breite Sandstraße, die direkt nach Halfyd-Send führte. Die Landschaft lag still und verlassen vor ihm. Jetzt, kurz vor Sonnenuntergang, waren die Bauern, die untertags ihre Felder bestellt hatten, in ihre Hütten zurückgekehrt. Der Geruch der frisch umgepflügten Erde erfüllte die Luft.

Yal wunderte sich über das Gefühl von Freiheit, das er mit einem Mal zu spüren glaubte. Er blieb stehen, horchte in sich hinein. Kein fremder Gedanke, der sich in seine stahl, keine flüsternde Stimme, die ihm Befehle gab. Varruk hatte wohl Wichtigeres zu tun, als seinen Diener zu beaufsichtigen.

Ein glühender Pfeil schoss mit einem Mal durch seinen Kopf.

TÖTE IHN! ICH BEFEHLE ES DIR!

Messerscharf drangen die Worte in sein Inneres, ließen ihn zittern. Dunkelheit wallte vor ihm auf, nahm ihm jede Sicht. Yal kniff die Augen zusammen, riss sie wieder auf, aber es half nicht.

Er war blind.

Panisch tastete er um sich, nahm jetzt feurige Schemen wahr, zuckende Flammen, eine brennende Gestalt, die sich vor ihm wand.

Nimm die Steine! Er ist ein Verräter!

Nein! Das – das kann ich nicht! Verlange das nicht von mir!

Das war seine eigene Stimme, verzerrt vor Angst.

Hitze jagte durch ihn, er brannte. Flammen tanzten auf ihm, er roch sein eigenes Feuer. Beißender Gestank nach verkohlten Haaren und Fleisch.

NIMM DIE STEINE!

„NEIN!“

Sein eigener Schrei holte Yal zurück in die Wirklichkeit. Benommen starrte er auf die Umgebung, auf die vertrauten Hügel und auf die Straße, die sich hell im letzten Licht der Sonne abzeichnete.

Eine Vision. Oder eine Erinnerung. Kehrte sein Gedächtnis zurück, jetzt, da Varruk ihm einen Augenblick der Freiheit gegönnt hatte?

Wenn ja, wäre es besser gewesen, nichts zu wissen.

Ein Schaudern überlief ihn und hastig eilte er weiter. Das Bedürfnis, die schützenden Mauern von Halfyd-Send zu erreichen, wurde übermächtig, aber er war zu ausgelaugt, um mit Hilfe von Feuermagie zu reisen. Außerdem boten Mauern vor dieser Art von Heimsuchung ohnehin keinen Schutz.

Yal atmete erleichtert auf, als die Befestigungsanlage von Halfyd-Send und die Umrisse der Königsburg vor ihm erschienen. Wuchtig thronte der Herrschersitz von Findward auf einer leichten Anhöhe über den Häusern des Dorfes. Halfyd-Send zählte an die zehntausend Seelen, denn selbst in Friedenszeiten suchten viele den Schutz der befestigten Anlage.

Yal mied meist den Weg durch das Dorf, den die Bewohner von Halfyd-Send gingen, um zur Burg zu gelangen. Nur ungern setzte er sich ihrer Neugier aus. Er benutzte einen Geheimgang, der von der Landseite der Burganlage durch eine Pforte in der Mauer direkt in die Gemächer des Königs führte.

Zuerst musste er allerdings die armseligen Unterkünfte der Tagelöhner passieren. Ihre Hütten drängten sich wie ein Haufen frierender Schafe an die Befestigungsmauer. Viele Bauern, deren Höfe zu klein waren, um sie ernähren zu können, siedelten sich hier an. Da sie die Schutzgebühren nicht bezahlen konnten, die der König von seinen Untertanen verlangte, bekamen sie keine Unterkunft im Dorf selbst. Die meisten von ihnen arbeiteten gelegentlich für einen Hungerlohn auf den Feldern mit. Um überleben zu können, fristeten sie ihr Dasein mit Diebstählen und anderen Delikten. Die Versuche, sie zu vertreiben, waren bis jetzt fehlgeschlagen. Sie kamen immer wieder.

Yal achtete nicht auf die scheuen Blicke, die ihm zugeworfen wurden. Die meisten Menschen hatten Angst vor ihm. Es gab keinen Grund dafür, er tat niemandem etwas zuleide. Doch sein Aussehen und vor allem seine zurückhaltende Art trugen ihm nicht gerade die Zuneigung der Bevölkerung ein. Außerdem hegten alle menschlichen Wesen eine tiefe, ursprüngliche Abneigung gegen seine Rasse.

Er hielt unwillkürlich den Atem an, als der Gestank nach faulendem Fleisch, altem Schweiß und Urin in seine Nase drang und war froh, als er endlich die Pforte erreichte und das menschliche Elend hinter sich lassen konnte.

Sorgfältig schloss er das Tor. Er befand sich jetzt in einem kleinen Hof, der von hohen Mauern umgeben war.

Die tief stehende Sonne warf ihre letzten Strahlen auf das graue Gemäuer und ließ es in zärtlichem Licht erglühen. Es war wie ein Abschiedsgeschenk des heutigen Tages, eine Ahnung von kommenden warmen Frühlingszeiten und linderte die Schrecken seiner Erinnerungen, die er noch immer spürte.

Yal überquerte den Hof mit raschen, lautlosen Schritten.

Eine weitere Tür führte in einen Gang, der nur spärlich von dem Licht erhellt wurde, das durch Schlitze in der Mauer fiel. Muffig riechende Luft umwehte ihn. Mit der Gewandtheit des häufigen Besuchers eilte er den Gang entlang durch die Dunkelheit, bis er an eine Tür aus dicken Eichenbohlen gelangte. Er klopfte und trat ohne eine Antwort abzuwarten ein.

Yal blinzelte in der plötzlichen Helligkeit, die ihn empfing. Der Geheimgang führte in den Lieblingsraum des Königs, ein Erkerzimmer, das nach Westen lag. Die hohen Glasfenster boten einen atemberaubenden Blick auf den Sonnenuntergang. Rote Glut übergoss die wuchtigen Möbel aus Bergeiche und ließ die vergoldeten Schnitzarbeiten leuchten.

König Edryc Treleyon stand mit dem Rücken zu ihm am Fenster. Eine große, massige Gestalt, dunkel gegen den feuerroten Himmel. Bei Yals Eintreten drehte er sich um. „Ah, Yal Rasmon. Schön, Euch zu sehen.“ Er machte eine weit ausholende Handbewegung. „Und eine würdige Kulisse für Euer Erscheinen, Feuermagier.“

Yal lächelte und deutete eine Verbeugung an. „Wie ich sehe, geht es Euch besser. Ihr habt Euer Lager verlassen.“

Der König seufzte schwer. „Was bleibt mir auch anderes übrig? Ich kann mich meinen Pflichten nicht entziehen. Auch wenn ich es nur den merkwürdigen Plänen meines Bruders zu verdanken habe, dass ich Herrscher von Findward bin, muss ich doch alles für das Wohl meines Volkes tun.“

Yal atmete innerlich auf. Edryc hatte offensichtlich seinen Anweisungen Folge geleistet und den Heiltrank regelmäßig zu sich genommen. Das bedeutete, dass der Herrscher von Findward zumindest für einige Zeit seine Stimmungsschwankungen unter Kontrolle hatte.

„Darf ich Eure Wunde sehen?“, meinte Yal sanft.

Der König starrte ihn einen Augenblick lang durchdringend an, dann schob er den Ärmel seiner seidenen Tunika hoch. Der Verband, den Yal selbst vor zwei Tagen angelegt hatte, war nachlässig um den Unterarm des Königs geschlungen.

„Es tut immer noch weh. Es heilt nicht. Könnt Ihr nichts dagegen tun?“ Edrycs Stimme klang plötzlich weinerlich.

„Ihr hättet die Bandagen nicht abnehmen sollen.“ Yal löste die Streifen vorsichtig. Die untere Schicht war steif von geronnenem Blut.

„Aber ich musste doch nachsehen. Ich habe nichts mehr gespürt, mein Arm war wie taub. Es hätte doch sein können, dass der Dolch vergiftet war.“ Edryc seufzte. „Als ich die Schmerzen fühlte, wusste ich, dass alles in Ordnung ist, versteht Ihr?“

Tränen schossen in Edrycs graue Augen. Yal sah den Ausdruck kindlicher Angst in ihnen und in einer unbewussten Geste des Trostes legte er dem großen Mann die Hand auf die Schulter.

„Hätte Hylweth geweint, wenn ich gestorben wäre? Wohl kaum. Sie verachtet mich und ich kann es ihr nicht einmal verdenken“, sagte der Herrscher von Findward bitter.

Yal begutachtete den Unterarm des Königs. Es sah tatsächlich so aus, als hätte Edryc in der kaum verheilten Wunde gestochert, um sie neu aufbrechen zu lassen. Der König verletzte sich des Öfteren selbst und hatte es wohl auch diesmal getan. Yal hatte versucht, die Gründe dafür herauszufinden und Edrycs Gedanken gelesen. Normalerweise war es nicht schwierig, dies bei Menschen zu tun, sie verfügten über keinerlei magische Abwehr dagegen und meistens merkten sie es nicht einmal. Aber der König von Findward war in der Tat ein sehr seltsamer Mensch. In seinem Kopf herrschte ein wirres Durcheinander von Gedanken und Stimmen. Yal hatte Bilder gesehen, die Entsetzen und Abscheu in ihm auslösten.

Ein kleiner Junge, von seinem Bruder grausam misshandelt. Tagelang eingesperrt in finsteren Kellerräumen, von Ratten und Ungeziefer bedrängt.

Flehen und Schluchzen, das schließlich verstummte, einer lethargischen Stille Platz machte.

Später die Ausbildung zum Krieger. Auch hier herumgestoßen, ein unerwünschter Balg, Prügelknabe, Ziel der derben Soldatenspäße.

Keine Verteidigung, nur stummes Erdulden, im Bewusstsein, schuld an allem Unglück zu sein.

Yal hatte seither nie mehr versucht, in die Gedanken des Herrschers von Findward einzudringen. Er konnte nicht viel für ihn tun. Es gab Tränke, um Edrycs Schlaflosigkeit zu lindern, Mixturen, um seine Stimmungsschwankungen ein wenig auszugleichen. Zuwendung und Aufmerksamkeit, um seine Anfälle von panischer Angst und seine Einsamkeit erträglicher zu machen.

Aber keine Heilung von einer furchtbaren Vergangenheit.

„Hylweth hat mich nicht einmal angesehen“, lamentierte Edryc gerade. „Dabei habe ich ihr gesagt, wie sehr ich leide.“

Yal nickte abwesend. Dass die Königin ihren Gemahl mit Nichtbeachtung strafte, war nicht nur ihm bekannt. Von Liebe war aber ohnehin niemals die Rede gewesen, als diese Verbindung eingegangen worden war. Es machte alles nur noch schlimmer.

„Ich werde Euch heilen, so gut ich es vermag. Aber Ihr müsst den Verband tragen. Die Wunde ist gewiss nicht vergiftet.“

Yal hielt seine Hand über die aufgebrochene Narbe und murmelte einen Heilspruch. Milde Wärme entströmte seinen Fingern. Sie sorgte dafür, dass die Schmerzen so weit verschwanden, dass er die blutenden Stellen vorsichtig auswaschen konnte. Er gab dem Wasser eine Prise von getrocknetem Blutkraut bei. Es würde die Wunde verschließen und den Heilungsprozess beschleunigen – sofern Edryc nicht wieder Dummheiten machte.

„Ich gebe Euch noch einen leichten Schlaftrunk, dann werdet Ihr Eure dunklen Gedanken vergessen“, sagte Yal lächelnd, während er die Wunde abdeckte.

Der König starrte mit gerunzelter Stirn auf seinen frisch verbundenen Arm.

„Wurde ich in der Schlacht verwundet? Es muss dieser Unhold gewesen sein, der mich verfolgt hat.“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist seltsam. Ich vergesse so vieles. Und manchmal weiß ich nicht, was Wahrheit und was nur ein Hirngespinst ist. Ich bin krank, das ist gewiss. Und es wird immer schlimmer. Ein Fluch liegt auf mir, ganz bestimmt. Ich habe mein Unglück verdient. Es wäre besser, ich würde mein trostloses Leben beenden.“

Ein Schauder überlief Yal. Schon des Öfteren hatte der König solche Gedanken geäußert. Er würde wohl die Zusammensetzung des Heiltranks ändern müssen, um Edryc wenigstens ein bisschen helfen zu können.

„Ich danke Euch, Feuermagier. Ich werde Euch für Eure Dienste gut belohnen.“

Yal verneigte sich mit einem leichten Lächeln. „Eine Abendmahlzeit wäre als Entlohnung ausreichend genug.“

Der König entließ ihn mit einem gnädigen Winken seiner Hand. „Geht einfach in den kleinen Speiseraum, dort bekommt Ihr, was Ihr wollt. Ich werde mich vor der Abendmahlzeit noch ein wenig ausruhen.“

Yal verließ die Gemächer des Königs. Auf der Treppe begegnete ihm ein junger Mann, der ihn mit finsterem Blick musterte und grußlos in den Gang einbog, der zu den Gemächern der Königin führte. Er wurde begleitet von zwei weiteren Männern, einer von ihnen ein wahrer Hüne mit kahlgeschorenem Kopf, der andere wirkte daneben unauffällig und schmächtig, obwohl auch er den gestählten Körper eines Soldaten hatte. Ihre Gesichter zeigten keine Gefühlsregung. Yal wich ihnen mit einer eleganten Bewegung aus.

Die drei Männer waren Gäste aus Berinward. Anthos, der dritte Sohn Perwyns und Neffe Edrycs und seine Leibgardisten. Der junge Mann war vor einigen Monden an den Hof von Halfyd-Arn gekommen. Böse Zungen munkelten, dass Perwyn einen Aufpasser geschickt habe, um seinen Bruder zu kontrollieren, aber dafür eignete sich dieser Junge wohl nicht. Es gab allerdings auch Gerüchte, dass Anthos schon als Nachfolger für Edryc bestimmt war. Er hätte auf jeden Fall altersmäßig besser zu der Königin gepasst, die gerade achtzehn Sommer zählte. Die Gesetze für die Thronfolge in Findward waren ziemlich kompliziert, aber ein gemeinsames Kind des Herrscherpaares hätte ohne Zweifel den Frieden noch für längere Zeit gesichert. Allerdings war die Verbindung Hylweths mit Edryc noch immer kinderlos, obwohl sie seit mehr als vier Sonnenumläufen ein Paar waren.

Yal seufzte in Gedanken. Dem Reich standen wohl unruhige Zeiten bevor.

Er betrat den vom König genannten Speiseraum, ein weiteres Erkerzimmer, das ein Stockwerk unterhalb der Gemächer des Herrschers lag. Die Sonne war untergegangen und die Nacht starrte ihn durch die Glasfenster an. Die Kerzen waren noch nicht entzündet worden, aber Yal empfand die Finsternis als wohltuend.

Er setzte sich auf einen der gepolsterten Stühle mit den hohen, geschnitzten Lehnen und betrachtete abwesend die polierte Platte des Tisches. Zu viele Gedanken kreisten durch seinen Kopf und er war froh über diesen Augenblick der Ruhe.

Er spürte sie, bevor sie den Raum betrat. Eine frische, leicht salzige Brise, den Geruch von Meerwasser.

„Ah, Yal Rasmon!“ Die Überraschung war deutlich aus ihrer Stimme zu hören.

Er hob den Kopf und starrte die Frau an, die mit fließenden Bewegungen auf ihn zu schwebte. „Herrin des Wassers? Was führt Euch hierher – ein Antrittsbesuch beim Herrscher von Findward?“

Lalana lächelte. „Eigentlich nicht. Ich wollte mit Euch sprechen, Feuermagier.“

Yal hob die Augenbrauen. „Woher wusstet Ihr …?“

„Eine überflüssige Frage, mein Lieber. Seit ich aus Ranasor zurückgekehrt bin, achte ich auf alle Eure Schritte.“

Eine leichte Gänsehaut überflog ihn. Das Glitzern in Lalanas Augen sagte ihm, dass sie seine Reaktion sehr wohl bemerkt hatte. Trotzdem versuchte er, sein Unbehagen zu überspielen.

„Eigentlich reicht mir Varruk schon als Aufpasser“, meinte er leichthin.

„Varruk? Oh, ich denke, der hat momentan anderes zu tun. Wisst Ihr eigentlich schon, dass Sel Dragmon und Syluva Karamon verschwunden sind?“

Eine heiße Flamme schoss durch Yals Herz. „Verschwunden?“

„Ja. Varruk wird sich wohl nach weiteren Anwärtern für den Weisen Rat umsehen müssen.“

Wirre Gedanken kreisten in Yals Bewusstsein. Varruk – er hat sie beseitigt. Sie waren immer anderer Meinung als er.

Lalana musterte ihn aufmerksam. „Denkt Ihr? An Eurer Stelle würde ich das sofort vergessen.“

Yal starrte sie erschrocken an.

Die schöne Wassermagierin lächelte. „Keine Angst, ich werde Euch nicht verraten. Mir liegt sehr viel daran, dass Ihr am Leben bleibt.“ Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. Yal zuckte leicht zusammen, als er die Kälte ihrer Finger spürte.

Der eindringliche Blick, mit dem Lalana ihn ansah, nahm ihn gefangen. „Ihr müsst das Abbild von Myn Fantrix finden“, flüsterte sie. „Es ist Madryls Vermächtnis.“

Das Leid in ihren Augen machte ihn betroffen. „Ich werde mein Bestes tun“, sagte er und wollte sich von ihr lösen. Ihr Griff verstärkte sich. Kälte strömte in ihn, eine Kälte, die starr machte und jeglichen Willen ausschaltete.

„Sagt es mir“, zischte Lalana. „Wer hat Madryl getötet? Wart Ihr es?“

Eisige Nadeln stachen durch seine Haut, brannten sich in ihn. Noch immer starrte er in ihre Augen, in blaues, lähmendes Eis. Seine Gedanken trugen ihn fort, entwischten ihm.

Dunkelheit.

Feurige Zungen, die über einen bewegungslosen, zusammengesunkenen Haufen leckten. Brenne Verräter!

Drängendes, klirrendes Flüstern.

Sagt es mir! Wer war es? Den Namen!

Eine schwache Flamme flackerte in seinem Inneren auf.

Lasst mich. Ich kann nicht.

Die Flamme wurde größer, breitete sich in ihm aus, erfasste ihn zur Gänze, verdrängte die Kälte.

„Nein!“ Yal riss sich los, eine Feuerzunge raste aus seinen Händen auf Lalana zu.

Die Wassermagierin taumelte zurück, streckte abwehrend die Hände aus, ein Wasserstrahl löschte das Feuer.

Yal beobachtete sie, schwer atmend.

Lalana erholte sich schnell von ihrer Überraschung. „Ihr seid stark, Yal Rasmon“, sagte sie spöttisch. „Aber es wäre besser, Ihr würdet Euch nicht gegen mich stellen.“ Sie drehte sich um und rauschte hinaus.

Yal starrte ihr nach, zu erschöpft und verwundert, um etwas zu denken. Er versuchte, das flaue Gefühl zu ignorieren, das sich in ihm ausbreitete. Sich Lalana zur Feindin zu machen, war bestimmt genauso unklug, wie Varruks Kontrolle entfliehen zu wollen.

Wie er es auch drehen und wenden mochte – es sah nicht gut aus für ihn.

Aber immerhin – es war nicht Varruks Kraft gewesen, die Lalana abgewehrt hatte. Er selbst, seine eigene Magie, hatte es geschafft, sich der Kraft der Wassermagierin zu entziehen.

Diener des Feuers

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