Читать книгу 7 Engel - Karin Waldl - Страница 18
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Kapitel 8
Elina ärgerte sich über die defekte Kaffeemaschine. Trotz unprofessioneller Reparaturversuche, gutem Zureden und schließlich wütendem Gezeter wollte kein Tropfen der koffeinhaltigen Brühe in der Kanne landen. Sie gab auf, dann eben keinen Kaffee zur frühen Morgenstunde. Eine kalte Dusche würde hoffentlich einen ähnlich aufmunternden Effekt haben. Frustriert zog sie in Richtung Badezimmer ab. Bevor Elina zur Arbeit ging, checkte sie noch ihre E-Mails. Sie fand eine von Laurenz in ihrem Posteingang.
Liebe Elina!
Ich habe ein neues Filmprojekt begonnen, das mich den ganzen Tag und die halbe Nacht vereinnahmt. Ich hänge mich voll rein, um nicht ständig an dich denken zu müssen. Im Geiste bin ich immer noch bei dir unter der Weide.
Ich arbeite an einem Western mit dem Titel „The Son of the Sundown“, in dem ich eine wichtige Nebenrolle ergattert habe. Ich spiele den Sohn des Hauptdarstellers, der verzweifelt versucht, seinem Leben einen neuen Sinn zu geben. Sein bisheriges Dasein war gekennzeichnet von Gewalt, Mord und Diebstahl. Er möchte aber seinem Sohn etwas hinterlassen, wodurch er stolz an seinen Vater zurückdenken kann, wenn er einmal tot ist. Der Weg dahin ist lang und steinig. Mehr darf ich dir noch nicht verraten, aber vielleicht ist es besser, du siehst dir den Film später im Kino an. Dann sind wir wieder ein Stück weit verbunden.
Wenn ich meine Sache gut mache und in dieser Rolle brilliere, könnte dies mein Sprungbrett zur ersten Hauptrolle sein. Drück mir die Daumen, dass ich es nicht vergeige. Ich bin nun so nah dran, meinen Traum zu verwirklichen. Wie gerne würde ich diese glücklichen Stunden mit dir teilen.
Dein Laurenz
In Gedanken war sie bei ihm, aber etwas hatte sich verändert, der Schmerz war nicht mehr überwältigend. Das erste Mal hatte sie das Gefühl, sich auf dem Weg der Besserung zu befinden. Das Loch in ihrem Herzen schien von einer dünnen Haut überspannt zu sein, die hoffentlich nicht wieder aufriss, bevor die Wunden ganz verheilt waren. Elina wagte es, vorsichtig daran zu denken, dass die Narben, die irgendwann in ihrem Herzen verbleiben würden, erträglich sein konnten.
Nach einer raschen Antwort begab sie sich pünktlich in die Arbeit. Es war ein wunderschöner Septembertag, Elina schien aus ihrem Dämmerschlaf erwacht zu sein. Sie konnte wieder die Schönheit der Natur genießen, das satte Grün des Sommers fing an, dem Farbenkleid des Herbstes zu weichen. Das Gefühl von Sonnenwärme auf ihrer Haut war angenehm, sie begann wieder, die Welt um sich herum wahrzunehmen.
Elina sperrte den Laden auf, legte ihre Arbeitskleidung an und begann sauber zu machen. Sie hatte noch dreißig Minuten, bis die erste Kundschaft kam. Dann musste alles zur Zufriedenheit der verwöhnten Damen sein.
Heute war Elina dran, den Frühdienst zu machen, aber normalerweise war ihre Chefin Savina Cabello trotzdem schon im Geschäft, um ihr auf die Finger zu sehen. Sie gab ihr keinen Grund, misstrauisch zu sein, es entsprach vielmehr der Natur von Savina, alles kontrollieren zu müssen. Sie war der penibelste Mensch, den sie kannte, aber es störte sie nicht. Elina hatte nicht vor, schlampig zu arbeiten oder gar ihre Chefin zu hintergehen.
Elina machte sich Sorgen, Savina war normalerweise ganz und gar berechenbar, immer zur selben Zeit im Laden. Es war ihr doch nichts passiert? Das passte einfach nicht zu ihr, so spät zu kommen. Vielleicht war es auch nur ein Test, um zu sehen, ob die Mitarbeiterin ihre Sache alleine gut machte. Nein, ihre Chefin wusste, sie konnte sich auf sie verlassen.
„Es wird ihr etwas Unerwartetes dazwischengekommen sein“, beruhigte Elina sich selbst.
Gerade als sie den Satz zu Ende gedacht hatte, erschien Savina in der Tür. Verwirrt schaute sie Elina in die Augen, etwas Sonderbares, unerklärbar Eigenartiges lag in ihrem Blick.
Reflexartig wich die junge Frau ein paar Schritte zurück. „Savina, was ist los mit dir?“, fragte sie besorgt.
„Mein Lebenstraum erfüllt sich. Ich habe die Bestimmung meines Lebens gefunden“, flötete diese überschwänglich und tanzte ungestüm durch den Raum.
„Was redest du, ich dachte, dieser Frisiersalon sei die Erfüllung deiner Träume? Du hast doch so hart dafür gearbeitet und dir alles mühsam erspart.“
Elina musste zur Seite springen, ihre Chefin hätte sie sonst gerammt. Diese ignorierte den Einwurf ihrer Angestellten. Stattdessen kippte sie unachtsam einen Stuhl um.
Während Elina den Sessel wieder aufrichtete, sang Savina Cabello zu allem Überfluss auch noch eine Arie mit ihrer tiefen Stimme. Es hörte sich schrecklich an. Hoffentlich kam jetzt keine Kundin herein, die würde höchstwahrscheinlich an der Schwelle kehrtmachen und Reißaus nehmen.
Endlich hörte Savina mit dem entsetzlichen Hühnergeschrei auf und wandte sich an ihre M itarbeiterin. „Ach, Elina, ich hatte ja keine Ahnung, dass ich ein solches Talent habe, welches verborgen in mir schlummerte“, schwärmte sie in den höchsten Tönen, doch der Ausdruck in ihren Augen war eigenartig.
„Was redest du? Du meinst aber nicht diesen schrägen Gesang von eben? Hast du Alkohol getrunken?“, fragte Elina misstrauisch.
„Nein, ich bin nicht betrunken. Dass ich nicht singen kann, ist mir sehr wohl klar, das war nur ein Ausdruck meiner Freude. Nein, ich war gestern Abend bei einer Zaubershow. Zuerst wollte ich nicht hingehen, ließ mich dann aber doch von einer Bekannten dazu überreden. Gelangweilt und ohne große Erwartungen schaute ich auf die Bühne. Doch als der Vorhang aufging, stand er da, der schönste Mann auf dieser Welt, ein echter Wahrsager. Er verzauberte das ganze Publikum und ganz besonders mich, immer wieder sah er in meine Richtung. Er muss die Magie zwischen uns gespürt haben, denn er bat mich auf die Bühne. Er wusste Dinge aus meiner Vergangenheit, konnte meine Kindheit in Spanien detailgetreu wiedergeben und er sagte mir meine Zukunft voraus. Er flüsterte mir zu, wenn ich mehr wissen wolle, sollte ich nach der Show in sein Hotelzimmer kommen, ich sei etwas ganz Besonderes. Das könne er spüren und bei mir sei sein wissendes Gefühl so stark wie noch nie zuvor.“
„Der wollte dich doch nur reinlegen, ein falsches Spiel mit dir treiben. Das hört sich für mich an wie eine falsche Schlange, die dich zu Untaten verführen möchte. Du hast doch nicht etwa ...“ Elina blieb der Mund offen stehen.
„Wenn du so anfängst, sage ich gar nichts mehr. Ich bin doch nicht von gestern. Ich bin alt genug, um einschätzen zu können, wann etwas ernst und handfest ist und wann nicht. Seit wann hast du so wenig Vertrauen in mich?“ Savina funkelte sie böse an.
Ihre Chefin sollte auf jeden Fall weitererzählen, nur so konnte sie ungefähr einschätzen, was hier gespielt wurde. So rang Elina sich kleinlaut eine Entschuldigung ab, um mehr zu erfahren. Dieser Plan ging auf, auch wenn Savina der Groll über die Rüge noch anzumerken war.
„Du lässt mich jetzt erzählen ohne Unterbrechung. Ist das klar?“
Elina nickte brav. Doch genau in diesem Moment betrat die erste Kundschaft den Laden und die beiden mussten das Gespräch verschieben. Elina wusste, es war gar nicht gut, wenn ihre Chefin sich auf die Wahrsagerei einließ. Wenn sie doch nur mehr Informationen erhalten hätte, doch den ganzen Tag über ergab sich keine weitere Möglichkeit für ein Gespräch. Elina hatte zu wenig Ahnung von solchen Dingen und beschloss, ihre Schwester elektronisch um Rat zu fragen.
Am Abend setzte sie sich mit einer Tasse Tee und Salzgebäck zum Computer und vertraute Ruth ihre Befürchtungen an. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis die Antwort folgte.
Liebe Elina!
Sag deiner Chefin, sie soll die Finger von der Wahrsagerei lassen. Es kann sehr unangenehm werden, wenn man sich mit den bösen Mächten einlässt. Da verbrennt sie sich gehörig die Finger. Punkt und aus, da gibt es keine Grauzone.
Aber was ganz anderes ... Elina, ich freue mich so sehr für dich! Du hast endlich deinen Glauben wiedergefunden. Meine Gebete wurden erhört. Halleluja! Aber nun sollten wir gemeinsam für Savina beten, dass sie keine Dummheiten begeht und sich nicht unnötig in Gefahr bringt. Vielleicht ist dieser Wahrsager nur ein harmloser Scharlatan, der mit Tricks arbeitet. Aber wenn du mich fragst, würde ich es nicht austesten und sofort die Notbremse ziehen. Mehr kann ich dir nicht dazu sagen.
Übrigens bin ich sehr erleichtert über deinen Gemütszustand, man merkt, es geht dir besser. Du machst dir sogar schon Sorgen um andere, was ich im Hinblick auf dich durchaus positiv bewerten kann. Auch wenn es mir für Miss Cabello unendlich leidtut.
Bei mir hat sich auch wieder einiges getan. Ach, könntest du nur hier sein. Mein Leben ist so aufregend, ich würde so gerne alles mit dir teilen.
Stell dir vor, ich durfte im Forscher-U-Boot von Dr. Peter Cetus mitfahren. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Aufwand und Technik hinter einer solchen Unternehmung steckt. Und erst recht die Sicherheitsvorkehrungen, die getroffen werden müssen, sind für einen Laien kaum zu durchschauen. Als es dann endlich losging, war ich in meinem Element.
Es ist faszinierend, so dicht bei den Walen durch das Meerwasser zu tauchen. Es gibt nichts Schöneres auf dieser Welt. Diese Tiere sind grazil und anmutig, von ihnen geht so viel Ruhe aus. Auch wenn man deutlich spürt, welche Kraft ihnen innewohnt. Es war unbeschreiblich, ich weiß gar nicht, wie ich meinen Artikel beginnen soll. Ich könnte eine ganze Zeitung über die Thematik schreiben, so sehr beeindruckt mich die Arbeit der Walforscher.
Peter ist ein sehr charmanter Wissenschaftler, noch nie habe ich mich in der Nähe eines Mannes so wohlgefühlt. Es ist gar nicht leicht, in einem kleinen Unterseeboot den gebührenden Abstand zu wahren. Außerdem hatte ich das erste Mal in meinem Leben das Bedürfnis, genau das nicht zu tun. Stell dir das mal vor! Ich wollte ihn berühren, ich spielte mit dem Gedanken, mich an ihn zu kuscheln. (Was in einem kleinen Unterseeboot natürlich ebenfalls unmöglich wäre!) Als hätte ich meine gute Erziehung und meinen Anstand vergessen.
Du bist die Einzige, der ich das erzählen kann. Glaubst du, ich habe mich in ihn verliebt? Ich träume nachts davon, wie er mich liebevoll ansieht, sein Herz sich nach mir sehnt.
Ich glaube, seine Arbeit ist seine große Leidenschaft. Ich weiß nicht, ob jemand wie ich Platz in seinem Leben hätte. Ach, was spinne ich da vor mich hin? Ich werde mich in Acht nehmen, keine unüberlegten Schritte gehen, die ich anschließend bereuen werde. Ich habe Angst, mich in seiner Gegenwart zum Affen zu machen.
Elina, bitte bete für mich, damit Gott mir den Weg weist, den ich einschlagen soll. Ich hoffe, dass ich dich nicht überfordert habe mit meinen Träumereien. Normalerweise bin ich die nüchterne Realistin von uns beiden.
Ich vermisse dich.
Deine verwirrte Schwester Ruth
Das riss Elina fast vom Hocker. Ruth und verliebt? Ihre konservative Schwester zeigte ernsthaft Interesse an einem Mann? Das erste Mal seit Laurenz’ Verschwinden kam ihr ein echtes Lächeln über die Lippen.