Читать книгу Alles gut, Mama - Karin Weishaupt - Страница 13
8. Tag: Montag, 29. April
ОглавлениеLezama – Bilbao (15 km)
Am nächsten Morgen laden mich Emanuelle und Patrick ein, mit ihnen nach Bilbao zu marschieren. Dafür bin ich durchaus dankbar, denn den Weg allein in diese Großstadt zu finden, stelle ich mir nicht sonderlich prickelnd vor.
Leider liegt zwischen Lezama und Bilbao schon wieder ein Berg, den die beiden als trainierte Profi-Pilger in einem Mordstempo besteigen – ich bilde das Schlusslicht und leide. Warum muss ich hinter denen her hechten? Weil ich so entschieden habe! Komischerweise ist es jedes Mal Patrick, der unverhofft hinter einer Wegbiegung steht und offensichtlich auf mich wartet und dann einen banalen Grund für seine Stopps angibt: Schuhe zubinden, Jacke ausziehen, Jacke anziehen usw. Echt süss – aber irgendwie komisch. Bis Emanuelle mich irgendwann zur Seite nimmt, und mich ganz schüchtern, aber direkt fragt, ob ich ihren Patrick nicht übernehmen möchte – sie müsse am Nachmittag von Bilbao aus nach Hause fahren. Sie habe das auch schon mit Patrick abgesprochen, und er würde gerne mit mir zusammen den Camino weitergehen. Ich stottere sowas wie: ok, wenn er das möchte, wenn ich ihm nicht zu langsam bin, wenn…Sie meint, ich könne auch getrost mit ihm ein Zimmer teilen. Eine klare Ansage vorher würde reichen. Natürlich sage ich ,Ja’ denn ,Nein’ sagen war ja noch nie meine Stärke. Ich versichere ihr, dass ihr Kumpel erst mal gut bei mir aufgehoben ist und ich bestimmt einen würdigen Pilger-Sitter abgeben werde.
In Bilbao angekommen, und nach einer kilometerlangen Wanderung über Asphaltpisten und der vergeblichen Suche nach Wegweisern, stürmen wir mit unseren Schweissfahnen eine Tapas-Bar. Patricks Teller ist für seine Auswahl viel zu klein – mir hat dieses Wettrennen meinem Appetit jetzt einen Dämpfer verpasst…drei Baguette-Scheibchen mit einem undefinierbaren Topping und ein Gläschen Rotwein – das ist wieder mal viel zu wenig! Emanuelle stehen die Tränen in den Augen, als sie sich auffällig überstürzt von uns verabschiedet.
Partnerwechsel vollzogen!
Patrick klappert dann mit einer mir unvorstellbaren Geduld mir zuliebe sämtliche Foto-Läden in der Stadt ab. Ich möchte wissen, was meiner Kamera fehlt. Drei unabhängige Fachgeschäfte versichern mir mit mitleidigem Blick, dass da nichts mehr zu retten ist: Weder die Kamera noch meine bis dahin geschossenen Bilder auf dem Memory-Stick. Na toll! Aber ein bisschen Verlust ist immer. Ich kaufe mir kurzerhand eine kleine, feine, neue Kamera aus dem Sonderangebot. Die Alte landet im nächsten Abfalleimer. Offensichtlich hat dieser Apparat die zahllosen Regengüsse nicht überstanden…Wegen der verlorenen Fotos bin ich relativ enttäuscht.
Jetzt heisst es, Herberge suchen. Meine Vorliebe für Tourist-Infos ist immer noch ungebrochen, und dort bekommen wir auch diesmal alle herbergsrelevanten Informationen. Mit Patrick auf dem Weg zum Bus, der uns zur Herberge bringt, krame ich unaufhörlich in meiner Sprachen-Arservaten-Kammer nach den verbliebenen Französich-Kenntnissen. Was da noch schlummert, wird kurz wieder aufgeweckt, und siehe da, sie reichen für die weiteren nötigen zwischenmenschlichen Verständigungs-Situationen völlig aus.
Nach 25 Minuten Busfahrt erreichen wir die riesige Herberge oberhalb der Stadt Bilbao. 142 Betten. In einem 8-Bett-Zimmer werden wir untergebracht. Die restlichen 6 Betten werden kurz darauf von Italienern belagert, deren feuchte Klamotten das Klima nicht verbessern. Das Zimmer liegt im 7. Stock – demzufolge sind aufgrund etwaiger depri-geschädigter, selbstmordgefährdeter Pilger die Fenster nicht zu öffnen – es könnte ja jemand auf unchristliche Weise sein Pilgerdasein vorzeitig beenden wollen…der tolle Ausblick über die Stadt entschädigt nicht wirklich für diesen Umstand.
In der gigantischen Herberge gibt es nichts zu essen. Also wieder rein in den Bus, runter in die Stadt und nach einem warmen Essen Ausschau halten. Suche erfolglos: In ganz Bilbao gibt es nichts Warmes zu Essen. Lediglich Tapas, soweit das Auge reicht. Salat. Kuchen. Aber nicht mal eine Suppe! Wir bestellen einen furchtbar grünen Salat und ein Stück Flan in Kuchenform. Irgendwie geht mir letzterer quer runter…
Zurück in der Herberge wird die Nacht stinkig, viel zu warm und laut. Einer der Italiener tippt die gefühlte halbe Nacht auf seinem i-pad herum. Der Rest bekommt von mir am nächsten Morgen eine Auszeichnung für die melodischsten Schnarcher, die ich bisher anhören durfte.