Читать книгу Alles gut, Mama - Karin Weishaupt - Страница 8
4. Tag: Donnerstag, 25. April
Оглавление7km vor Deba bis Markina Xemein (31 km)
Höhenunterschied ca. 1000m Auf- und Abstieg. Sehr abgeschiedener Weg in das hügelige Hinterland: Anspruchsvolle Etappe!
Glanzleistung! Die am Tag zuvor ,geschwänzten’ 7 km bis Deba laufe ich heute erst einmal auf einer ,A…backe’ ab. Beim Einmarsch in die Stadt erkennt man, dass Deba gut versteckt im Tal liegt, an der Mündung des Rio Deba. Von der Anhöhe aus gelange ich kurz vor Mittag in einem gläsernen Aufzug hinunter in die Stadt. Nette Idee! An einem Obststand, an dem ich mich mit Wasser, Bananen und Erdbeeren für den weiteren Weg eindecke, treffe ich auch die vier Ladies aus Quebec wieder, die das gleiche im Sinn haben. Sie haben im Gegensatz zu mir die leichtere Variante, den Weg zu bestreiten, gewählt. Sie haben einen Gepäcktransfer und Unterkunft im Voraus gebucht und laufen ihre Etappen nur mit leichtem Gepäck. Ich habe so meine berechtigten Zweifel, ob ich es noch bis Markina-Xemein schaffe – immerhin liegen noch 23 km mit einem nicht zu unterschätzenden Höhenprofil vor mir. Die vier kanadischen jungen Damen machen mir Mut – und ich nehme die Herausforderung an…
Es gibt kein Zurück. Hat man sich hier zum Weiterlaufen entschieden, sollte man sich anschliessend nicht beklagen. Unterwegs gibt es so gut wie keine Einkehrmöglichkeiten, d.h. zusätzlich wiegt der Proviant in Form von krummen Bananen und Wasserflaschen zusätzlich. Abbrechen ist hier nicht möglich – ausser, man hat vor, zu Biwaken. :0)
Die Strecke verläuft in grosser Abgeschiedenheit durch Wälder und Felder. NIEMAND fühlt sich hier mal wieder sauwohl. Zwei-, dreimal begegne ich einem Alm-Öhi mit seinen Ziegen. Während ich nach Stunden so dahingetippelt bin, und sich Körper und Geist mittlerweile in einem mechanischen Vorwärts-Modus befinden, dringt mitten im Wald ein klägliches Schreien an mein Ohr. Da ist Mama wieder hellwach! Das hört sich an wie Ziege in Not! Direkt über mir am Hang meckert sich eine Ziege die Stimmbänder wund. Ich kann nichts sehen, aber es kann nicht weit von meinem Standpunkt sein. Kurzentschlossen lasse ich meinen Rucksack auf dem Waldweg liegen und mache mich an den Aufstieg, um der armen Kreatur zu helfen. Blöderweise ist der Hang an dieser Stelle besonders steil und glitschig: Von überall her sprudeln kleine Quellen aus dem Untergrund und machen den Aufstieg zu einer Matschtour ohne Gleichen. Für stacheliges Gestrüpp offenbar eine wunderbare Voraussetzung, besonders stachelig zu gedeihen, denn ich hole mir bei der Aktion auch noch ein dicke Schramme ab, bis es blutet. Hochalpin überwinde ich, weil es die Mission verlangt, auch noch einen Stacheldrahtzaun. Jetzt kann es nur noch ein Katzensprung bis zu dem in Not geratenen Objekt sein. Gerade verliere ich fast den Halt – da verliere ich die Fassung: etwa 40m vor mir sehe ich einen kräftigen Mann, nur mit Hose und Unterhemd bekleidet, in die Richtung kraxeln, in der ich die Ziege vermutet habe. Er bleibt kurz stehen, schaut mich ungläubig an und gibt mir kurz auf Spanisch zu verstehen, dass er sich um das arme Tier kümmert. Soviel habe ich verstanden: Dass ich den verschlammten Hang umsonst raufgekommen bin – und jetzt irgendwie wieder runter muss. Das gelingt mit Hängen und Würgen und ohne weitere Blessuren. Wenigstens ist die Ziege erhört worden, und als ich nach einer kleinen Ewigkeit zurück auf dem Waldweg bin, macht die Ziege keinen Mucks mehr. Der Rucksack ist auch noch da – bis an der Stelle, an der ich ihn zurückgelassen habe mal wieder eine Menschenseele vorbeikommt, vergehen wahrscheinlich Stunden – oder Tage. Die ganze Aktion hat mich Zeit und eine Menge Kraft gekostet. Ich hätte es wahrscheinlich auch für eine Kröte getan….
Insgesamt laufe ich an diesem meinem dritten Tag satte 30 km, nebenbei bezwinge ich ,mal eben’ insgesamt 1000 Höhenmeter!
Dementsprechend völlig fertig erreiche ich Markina-Xemein in der Dämmerung. Die mühsam erfragte Klosterherberge, die ich eigentlich anvisiert hatte, ist geschlossen. Erschöpfung, Ernüchterung – Enttäuschung. Ein junger Spanier mit drei kleinen Kids begleitet mich daraufhin durch die halbe Stadt und zeigt mir den Weg zu einer privaten Herberge. Die sieht rein äusserlich nicht sehr einladend aus, und nebenan befinden sich etliche Jung-Spanier vor einer Bar offensichtlich im Ausnahmezustand! Egal, jetzt gehe ich keinen Zentimeter mehr weiter. Ich kann mich nur noch vorbehaltslos in die Hände von Augusto begeben, dem Herbergsvater. Er entpuppt sich als über fürsorglich, legt meine Schuhe trocken und weist mir das einzige Einzelzimmer mit französischem Bett in seiner kleinen Herberge zu. Traumhaft! Gerettet! Augusto ist ein richtiges Pilgerherbergs-Väterchen. Er macht mich mit einem jungen Holländer bekannt, der schon monatelang alleine unterwegs ist und sicher viel zu erzählen hätte – wäre der nicht auch todmüde und blasengeschädigt.
In der von Augusto empfohlenen Tapas-Bar, in der es hoch hergeht, erkämpfe ich mir später einen Platz an der Theke und frage nach fleischlosen Tapas. Die unverständlichen Blicke stören mich überhaupt nicht. Schliesslich entscheide ich mich für drei undefinierbare Häppchen und ein Gläschen Rotwein plus Wasser – alles in allem für 3,00 Euro. Diese Nano-Mahlzeit deckt nicht annähernd meinen heutigen Energieverbrauch, aber irgendwie ist mir jetzt eher nach schlafen…