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Max

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Aber nun musste sie sich zusammennehmen, es half ja alles nichts: der Vorschlag war nun einmal gemacht, das Angebot an sie herangetragen, eine Antwort musste sie finden. Ob Max sich wohl einen Begriff davon machte, in welche Entscheidungsnöte er sie gestürzt hatte? Du liebe Güte, wie überzeugt er selbst von seiner Idee gewesen war, und wie er sie gedrängt hatte, gleich einzuschlagen!

Wieder einmal wunderte sie sich darüber, wie verschieden sie doch waren; gab es ein solches Paar wohl noch ein zweites Mal – waren sie das überhaupt noch: ein "richtiges" Paar? Und wenn sie dieses Angebot jetzt ausschlüge – wie würde es dann mit ihnen werden? Würde er ihr das verzeihen? – Sie lächelte ein wenig. Immer schon hatte er dieses etwas Autoritäre, Bevormundende an sich gehabt – als wisse eigentlich er viel besser als sie selbst, was gut für sie wäre. Sicher hatte sie es ihm auch allzu leicht gemacht damit – ließ sie sich nicht ganz gerne ein bisschen gängeln, so lange keine dann doch zu gewichtigen Gründe dagegen sprachen?

Was hatten sie nicht für Pläne geschmiedet - Luftschlösser gebaut wohl eher - damals, in ihren gemeinsamen Anfangszeiten, noch während ihrer ersten Unijahre. Ganz anders wollten sie leben, „einen Unterschied“ wollten sie dereinst gemacht haben, als Zweiergespann etwas zu einer besseren Welt beitragen - Ehrensache! Sie erwärmten sich an der Idee, ihre Gegensätzlichkeiten zu einer unschlagbaren Einheit zu ergänzen. Sie fühlte sich mitgerissen von seiner mutigen, lachenden, raumgreifend-zupackenden Begeisterungsfähigkeit, ihn zog wohl der Kontrast ihrer eher introvertierten, stilleren Art an, hinter der sich aber eine nicht geringere Liebe zur Welt und zum Menschlichen verbarg. Er engagierte sich in verschiedenen politischen Studentengruppen, aktiv, extrovertiert, voller Energie, während sie sich bei näherem Hinsehen von der Komplexität, der Uferlosigkeit des Bildes, das die Welt ihr bot, in eine unbestimmte Expansivität und Vagheit abgeschreckt fühlte, nicht so ganz genau wusste, was und wie sie wollte - vielleicht schreiben, malen, Dinge schaffen, die auf ihre Art „irgendwie etwas bewirken“ sollten. Er hielt ihr Vorträge über die Ziele seiner Organisationen, nahm sie mit in Versammlungen, überredete sie, selbst auch einzutreten. Zwar überzeugten sie die Argumentationen und Analysen zum größten Teil durchaus, aber wirklich wohlfühlen konnte sie sich dort trotzdem nie. Das war nicht ihre Welt und nicht ihre Art, sie konnte das nicht: diskutieren, Reden halten und recht behalten wollen, Aktionen planen und bei alledem ständig vollkommen naiv davon überzeugt sein, die Welt besser verstanden zu haben als ihre Nachbarn.

Max nahm ihre Zurückhaltung kaum wahr, und ihm fiel auch nicht auf, dass, während sie sich auf Aktivitäten in den Organisationen nur halbherzig einließ, ebenso ihre eigenen Pläne - so vage die auch gewesen sein mochten - sang- und klanglos zu Boden sanken und versandeten. In der Reibung mit den selbstbewussten Aktivisten und Welterklärern war ihr jegliches Zutrauen in ihre möglichen eigenen Wege abhandengekommen, ja, etwas wie Scham hatte sie zu empfinden begonnen und die Unmöglichkeit, sich selbst ernst und wichtig genug zu nehmen für irgendwelche nach außen gerichteten Bemühungen. So hatte sie, was ihr ureigen war, in sich verschlossen und ihm damit keine Chance gelassen, über die Unbestimmtheit ihrer jungen Begeisterungen hinauszugelangen und in der Erprobung am Konkreten ihr Leben zu bestimmen.

Ein Resultat ihrer wenig überzeugten Zugehörigkeit zu Max‘ Gruppen war immerhin, dass sie über eine zunächst ehrenamtliche Mitarbeit im damals noch so genannten Dritte-Welt-Laden mit der Zeit eine bezahlte Teilzeitstelle dort gefunden hatte, die sie auf bescheidenem Niveau unabhängig machte, und von der sie auch heute noch den größten Teil ihres Unterhalts bestritt.

Max hingegen hatte da schon längst eine überraschende Kehrtwende vollzogen. Im sechsten oder siebten Semester wollte er ein Praktikum machen, um „mal rauszukommen aus dem Elfenbeinturm der Uni und in die Wirklichkeit der Arbeitswelt hineinzuschnuppern. Und man muss ja irgendwann auch schauen, wie man hinterher sein Geld verdienen könnte“, und er fand ein Volontariat bei einem schon damals sehr rührigen und erfolgreichen „Kulturmagazin“. Die ganzen langen Semesterferien über arbeitete er dort, half in den verschiedenen Abteilungen mit, und gegen das Ende der Zeit durfte er sogar eigene Artikel verfassen. Man zollte ihm Anerkennung, seine „Schreibe“ gefiel, und man bot ihm an, richtig bei ihnen einzusteigen. Das tat er zunächst als freier Mitarbeiter, während er sein Studium zum Abschluss brachte. Als er seine Magister-Urkunde in Germanistik, Politik und Geschichte in der Schublade hatte, bekam er sofort einen festen Vertrag. Er hatte sich in den paar Jahren seiner freien Mitarbeit so etabliert in dem Unternehmen, hatte die Chefs mit seiner Persönlichkeit und vielseitigen Talenten so überzeugt, dass es überhaupt keine Frage war, ob er würde bleiben können.

Mit den Jahren veränderte sich der Charakter der Firma: man beschränkte sich nicht mehr darauf, von Ereignissen aus Kultur und Unterhaltung zu berichten, sondern begann, solche auch selbst zu organisieren - und dann darüber zu berichten -, und wurde so allmählich zu einem komplexen Unternehmen mit verschiedenen Sparten und Tätigkeitsfeldern: die Herausgabe einer kleinen Bandbreite von Publikationen, die den unterschiedlichen Ansprüchen verschiedener Leserschichten entgegenkommen sollten, Kultur- und „Event“-Management, Künstlervermittlung, bis hin zu einer Werbeagentur - dies alles war nach und nach unter einem Dach entstanden und zusammengewachsen; kurz, man hatte die Hand möglichst überall dort im Spiel, wo es galt, Kultur im weitesten Sinne zu vermarkten.

Mit der Expansion der Firma wuchsen auch Max immer neue Aufgaben zu. Artikel schrieb er eigentlich kaum noch, sondern er war nach und nach viel mehr mit organisatorischen, mit Management- und Führungsaufgaben betraut. Er fand dies spannend, es machte ihm Spaß zu merken, dass er sich bewährte und immer neue Herausforderungen meisterte. Auch das Gefühl, in anderem Sinne zu reüssieren, gesellschaftlich dazuzugehören, machte ihn glücklich, und er freute sich wie ein Kind an seinem vollen Terminkalender, an den Empfängen, Einladungen, Vernissagen und was nicht sonst noch alles zu seinen Verpflichtungen gehörte. Natürlich verdiente er gut und nahm sich eine schöne große Wohnung, die er so geschmackvoll modern einrichtete, dass er mit seinesgleichen mithalten konnte.

Und vergessen waren Nicaragua, der Imperialismus und die gerechte Verteilung der Wirtschaftsgüter...

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