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Einzug im Palazzo

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Der Zahlungsausgang für die Monatsmiete jenes„letto per Monsu Endel“23 ist wie viele andere Details zum täglichen Leben des Komponisten in den Rechnungsbüchern des Marchese Francesco Maria Ruspoli vermerkt, in den „Libri delle Giustificazioni“ des „Fondo Ruspoli“. Dort wurden sie erstmals vor nahezu einem halben Jahrhundert von Ursula Kirkendale entdeckt und für die Forschung erschlossen24. Neben reizvollen Einblicken in den römischen Alltag machte dieser Dokumentenfund vor allem eines deutlich: Wie jeder große Künstler im barocken Rom lebte auch Händel in der „familia“ eines Padrone, eines adligen Gönners und Auftraggebers, der ihm Kost und Logis, standesgemäßes Leben und seinen Schutz gewährte. Dafür musste ihm der junge Künstler seine Schaffenskraft als Komponist und seine Virtuosität als Cembalist zur Verfügung stellen.

Bis vor wenigen Jahren glaubte man noch, Händel sei zunächst in den Dienst des Kardinals Benedetto Pamphilj getreten und erst im Laufe des Jahres 1707 in die „familia“ des Marchese Ruspoli übergewechselt. Seit Ursula Kirkendale 2003 eine Reihe neuer Dokumente aus den Archiven des Vatikans veröffentlichte, steht fest, dass Händel gleich bei seiner Ankunft in Rom vom Marchese Ruspoli in seinem Haus untergebracht wurde, und zwar offenbar im heutigen Palazzo Pecci Blunt am Fuße des Kapitols, damals der alte Familienpalast der Familie Marescotti-Ruspoli25.

Francesco Maria, Händels Gönner, war 1672 als Sohn des Grafen Alessandro Capizuchi zur Welt gekommen, der ursprünglich Marescotti geheißen hatte26. Dieser Name hatte in Rom um 1700 vor allem deshalb einen guten Klang, weil Francescos Onkel, Kardinal Galeazzo Marescotti, zu den mächtigsten Männern der Kurie zählte und im Konklave zweimal als „papabile“ gegolten hatte, als Kandidat für den Heiligen Stuhl (1670 und 1700). Sein Neffe lebte mit Ehefrau und Kindern seit 1688 im Palazzo des Onkels unweit der Kirche S. Lorenzo in Lucina, bevor er 1706 einen eigenen Haushalt begründete. Denn am 22. September 1705 wurde ihm nach einem langen, Aufsehen erregenden Erbschaftsprozess das Vermögen seines Großonkels Bartolomeo Ruspoli zugesprochen. Er konnte es allerdings nur unter der Bedingung antreten, dass er den Namen „Ruspoli“ annahm. So wurde Francesco Maria Ruspoli zum Begründer einer der vornehmsten römischen Familien. Noch heute sind sie unter ihrem von Francesco Maria erworbenen Titel der Fürsten von Cerveteri eine feste Größe im öffentlichen Leben Italiens.

Bevor Francesco Maria 1713 von den Caetani den großen Palast am Corso kaufte, der heute „Palazzo Ruspoli“ heißt, mietete er für sich und seine Familie den Palazzo Bonelli an der Piazza SS. Apostoli, direkt gegenüber dem Palazzo Colonna gelegen. Der kantige, einen ganzen Block umfassende Palast aus dem späten 16. Jahrhundert ist heute Sitz der Prefettura von Rom. Den alten Familienpalast zu Füßen des Kapitols, den einst sein Erbgroßonkel Bartolomeo Ruspoli bewohnt hatte, nutzte er dagegen, um Gäste unterzubringen. Dort wohnte offenbar auch Händel in seinem ersten römischen Jahr, während er 1708 im Palazzo Bonelli residierte, wie man u. a. aus der besagten Zahlung an den jüdischen Möbelverleiher weiß. Dass Händel bei seiner Ankunft in Rom zuerst im alten Familienpalast am Kapitol wohnte, geht wiederum aus Zahlungen an einen Handwerker hervor: Ein Maler und Vergolder wurde mit seinen Gesellen dafür bezahlt, dass er vor Weihnachten 1706 nicht nur Zeichnungen für eine Krippe in diesen Palazzo lieferte, drei Sänften und ein großes Buffet bemalte, sondern auch ein Cembalo in die Reihe brachte27. Wer anders als der junge Händel könnte an ihm Platz genommen haben?

In den Monaten vor Händels Ankunft hatte der junge Marchese in fieberhafter Eile eine standesgemäße Hofhaltung aufgebaut, die seinem neuen Status und Vermögen entsprach. Dazu gehörte einerseits die umfassende Renovierung des Palazzo Bonelli, andererseits die Aufstockung seiner Musiker zu einer kleinen Hofkapelle. Spätestens 1704 hatte er den Geiger Pietro Castrucci in seinen Dienst genommen, einen der besten Schüler Corellis, der zudem der Sohn von Ruspolis Cameriere war28. Einige Zeit später kam ein weiterer Corellischüler hinzu: Silvestrino Rotondi. Für diese beiden Musiker schrieb Händel die meisten der virtuosen Geigenstimmen in seinen römischen Kantaten. Obwohl Ruspoli also schon vor Händels Ankunft über virtuose Streicher verfügte, fehlten ihm doch an zwei Positionen noch „Virtuosi“, die seinen Ansprüchen genügten: am Cembalo und im Gesang. Aus diesem Grunde verpflichtete er zum Jahresende 1706 die junge Sopranistin Margarita Durastante und den jungen Händel.

Händel in Rom

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