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Piazza del Popolo

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An die engen Gassen seiner Heimatstadt Halle und die hohen Backsteinhäuser der Hansestadt Hamburg gewöhnt, muss Händel von der Weite des Platzes, vom Grün des Pincio-Hügels und vom leuchtenden Travertin der Kirchenfassaden wie geblendet gewesen sein. Auch Florenz hatte ihm keinen solchen Anblick geboten. Allenfalls mochte er zurückdenken an den Marktplatz in Halle mit seinem großartigen Panorama, dem roten Turm und der Liebfrauenkirche. Doch Halle war eine Stadt der Türme wie Hamburg, Rom dagegen eine Stadt der Kuppelkirchen und des Travertins, der antiken Säulen, Obelisken und Monumente, der langen, geraden Straßen und spektakulären Sichtachsen.


Abb. 2 Giambattista Piranesi: Piazza del Popolo (Stich aus: Vedute di Roma, Rom ca. 1747). Für Händel wie für jeden Romreisenden aus dem Norden der erste Anblick der Ewigen Stadt.


Abb. 3 Der Tridente, der „Dreizack“ der römischen Hauptstraßen, die von der Piazza del Popolo ausgehen (Detail aus dem Stich Abb. 1).


Abb. 4 Porto della Ripetta (Aquarell, anonym, ca. 1750). Der unter Papst Clemens XI. ausgebaute Tiberhafen mit der Kirche S. Girolamo de’ Schiavoni im Zentrum und dem Palazzo Borghese rechts. Ein Stück weiter flussabwärts lag das Collegio Clementino, in dem im Mai 1707 wahrscheinlich Händels Trionfo del Tempo uraufgeführt wurde.

Die Piazza del Popolo (Abb. 2) griff damals noch nicht im Oval zum Pincio und zum Tiberufer aus, sondern wurde von geraden Klostermauern gesäumt. Umso eindrucksvoller, da perspektivisch überhöht, wirkte der Anblick der beiden Zwillingskirchen S. Maria di Montesanto zur Linken und S. Maria dei Miracoli zur Rechten. Nach dem Willen des großen Barockpapstes Alexander VII., dem wir auch die Kolonnaden des Petersplatzes verdanken, sollten die Zwillingskirchen ein „Teatro“ bilden, eine Theaterkulisse, in der sich Größe und Pracht der Ewigen Stadt dem Ankömmling aus dem Norden auf einen Blick darboten. Die antiken Zitate, die Carlo Rainaldi in die beiden Kirchen eingebaut hatte – ihre vom Pantheon geborgten flachen Kuppeln und der doppelte Portikus –, verwiesen auf die Schätze der Antike, die sich für den Fremden zunächst noch hinter einem Gewirr von Häusern verbargen.

Über Händels „Romerlebnis“ angesichts solcher Architektur können wir nur spekulieren – wie bei allen berühmten Plätzen, Kirchen und Palazzi der Stadt, die er im Laufe der nächsten zwei Jahre besuchte. Die meisten Barockgebäude waren nach Jahrzehnten rastlosen Bauens und Dekorierens um 1700 gerade erst fertig geworden. Die bewegten Formen ihrer Fassaden, die vielfarbigen Marmorinkrustationen im Innern, die dramatischen Deckenfresken und das Chiaroscuro auf den Gemälden der Seitenkapellen und Altäre müssen auf Händel überwältigend gewirkt haben. Freilich lag ihm nichts ferner, als über solche künstlerischen Eindrücke lange Briefe an seine Familie zu verfassen, wie dies 120 Jahre später der junge Felix Mendelssohn tat. Dem Zeitgeist des frühen 18. Jahrhunderts hätte solcher Überschwang romantischer Reisebriefe nicht entsprochen, schon gar nicht Händels nüchternem Charakter. Er war Musiker, kein Maler oder Dichter und auch kein Bildungsreisender im Sinne Mendelssohns. Ihn interessierten die musikalischen Möglichkeiten, die sich für ihn im „Tridente“, dem „Dreizack“ des römischen Straßensystems, auftaten.

Händel in Rom

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