Читать книгу Sayonara. Eine japanische Liebesgeschichte - Karl Friedrich Kurz - Страница 5
Die hölzerne Brücke
ОглавлениеDieses geschah an einem Abend.
Nachdem Walter stundenlang auf einsamen, stillen Pfaden durch grüne Wälder gewandert, ohne Hast und ohne Ziel, vernahm er von fernher den gedämpften Klang einer mächtigen Glocke. In kurzen Zwischenräumen flutete es heran, gleich einer dunkelbrausenden Woge, die hoch über alle Wipfel hinzog. Auf einmal sah er völlig unerwartet vor sich das Meer. Und es war das Meer des japanischen Frühlings, das da vor ihm ausgebreitet lag wie ein violettschimmerndes Göttergewand. Eine lange, schmale Holzbrücke führte vom Walde zu einer hohen, steilen Felseninsel hinüber.
Auf dieser hölzernen Brücke hörte für den jungen Mann aus der Stadt am Rhein die Wirklichkeit auf, und es begann ein langer, verwunderlicher Traum.
Die Brücke mündete in ein Gäßlein. Hüben und drüben standen Puppenhäuser aus Bambus und Papier. Menschen in bunten Gewändern trippelten auf hohen Holzpantinen über die glattgescheuerten Steinfliesen. Kinder mit drolligen Haartrachten spielten und kreischten. Hier und dort glimmten schon die ersten Lichter auf, lustige Papierlaternen in allen erdenklichen Formen und Farben, sie schwebten sachte hin und her, schaukelten und hüpften an unsichtbaren Schnüren.
Ein sanfter Wind führte zuweilen den herben Geruch des Seetangs heran; und dann hörte man in weiter Ferne den dumpfen Aufschlag der Wogen an den Riffen. Wenn aber der Abendwind für kurze Zeit einschlummerte, senkte sich von den steilen Felsen hernieder würzig der Duft des Nadelholzes und der Atem der sonnenwarmen Erde.
Walter schritt durch ein paar enge, winklige Gassen, und sein Herz erschauerte vor Erwartung und Freude; es bebte beim Anblick all des Märchenhaften und völlig Unwahrscheinlichen, das da vor ihm lag.
Greifbar nah und traumhaft fern zugleich waren Gassen und Häuser und Menschen. Es kam mit einem Schlage eine unerhörte Spannung und ungläubige Neugierde über ihn — nicht anders, als sei er nun unversehens ins Reich der Wunder getreten. Vor Staunen hielt er den Atem an und ging sehr behutsam. Er fürchtete wohl, diese Stadt mit ihren bunten Menschen und dieser Felsenberg und das weite Meer dahinter könne auf einmal wieder verschwinden. Er meinte, das alles könne doch nur das farbenschöne Schillern in einer riesigen Seifenblase sein und müsse bei der leisesten Berührung zerplatzen und in nichts zerfallen.
Seine eigene Seele war gerüstet zum Feste, das sich da still und feenhaft vor ihm eröffnete. Er wußte es wohl selber nicht, daß er lächelte, wie ein unwissendes Kind im Traume lächelt, wenn die ersten Bilder dieser Welt sich mild und verklärt in seiner Erinnerung spiegeln. Und er merkte es selber nicht, daß er immer nur ein paar zögernde Schritte machte und dann verwundert stehenblieb, und daß er den Leuten in den Gassen, die gleich lebendig gewordenen Porzellanfigürchen an ihm vorübertrippelten, zunickte.
Nein, er bemerkte nur, daß alle diese Leute ihm zunickten und verwundert lächelten. Das war genau so, als hätte diese Stadt und dieses Volk auf ihn gewartet und freue sich nun über seine Ankunft; als seien seinetwegen die vielen bunten Papierlaternen angezündet worden.
Weit zurück glitt auf einmal alles, was früher in seinem Leben gewesen und was bis zu dieser seltsamen Stunde für ihn Geltung hatte ... Die Stadt am Rhein, die Wege seiner Jugend — nur noch graue Nebelschwaden ... Ja selbst die Fahrten in Indien lösten sich auf in Dunst und Sandstaub ...
In diesem Augenblicke vernahm er abermals, gespensterhaft und zwingend, die brüchige Stimme des alten Priesters im Tempelgarten von Kandy, er vernahm das dumpfe, dunkle Gemurmel des Baches hinter der Mauer. Und er hatte das Empfinden, als flösse der Schatten des Mangobaumes noch einmal über ihn hin ...
Vor einem winzigen Garten, im Schein einer Laterne, die matt glühte wie der aufgehende Mond, stand ein Mann. Er lehnte gegen den Stamm eines mächtigen Baumes, der seine Äste weit über die Dächer der nächsten Häuser hinstreckte. Gekleidet war er ähnlich wie alle die andern Männer in einen langen, blauen Kittel, den ein breiter Gürtel zusammenhielt; nur trug er einen hellen, steifen Strohhut von abendländischer Art und eine schwarze Hornbrille.
An diesen Mann wandte sich Walter und fragte in englischer Sprache nach einer Herberge für die Nacht.
„Verehrter Herr“, antwortete der Mann, „das Teehaus von Anaka-san liegt schon in der nächsten Gasse“. Dabei verneigte er sich mehrmals tief und ehrerbietig. „Wenn ich Sie dorthin führen dürfte, wäre es mir eine große Ehre“, sagte er.
Kein Zweifel, dieses waren wirkliche und gewöhnliche Menschenworte — gesprochen zwischen den weißen Wänden papierener Häuser, gesprochen im unbestimmten Schein abenteuerlicher Laternen ... Das Wunder zerfloß also nicht beim Klang eines lauten Wortes.
Zerfloß das Wunder? Platzte die göttliche Seifenblase mit leisem Knall und wurde das Erwachen aus einem verklärten Traum? Oh, im Gegenteil — hiermit sollte das Wunderbare erst beginnen ...
Nach zwölf Schritten waren sie beim Teehaus Anaka-sans. Der Mann mit Hut und Brille rief einige schnelle Worte in die offene Tür. Worauf die Wirtin und vier Knechte und vier Mädchen herbeieilten, sich zu beiden Seiten des Eingangs aufstellten, lächelnd unter unablässigen Verbeugungen viele unverständliche Worte murmelnd, wobei sie die Luft geräuschvoll zwischen den Lippen einsogen.
„Was wollen die Leute?“ fragte Walter.
„Sie wollen nichts“, erklärte der Mann mit der Brille. „Sie preisen die Götter, die Sie, hochgeehrter Herr, hierher führten. Denn zu uns nach Enoshima verirrt sich doch selten ein Fremder ... Bitte, treten Sie nun ein, Hochgeehrter.“
Die Teehauswirtin Anaka-san, ein rundliches, weißhaariges Persönlein in braunem Gewande, das einem dicken, samtweichen Nachtfalter glich, näherte sich mit ein paar kurzen Schritten, ergriff mit einer besonders tiefen Verbeugung Walters Hand und führte ihn ins Haus.
Der Mann mit der Brille sprach hastig auf sie ein. Dann wandte er sich an Walter: „Eine der Nesan versteht etwas Englisch; sie ging zu einer kleinen Besorgung in die Stadt, wird aber bald zurückkommen. Ich hoffe, daß Sie zufrieden sein werden ... Und wenn ich Ihnen nützlich sein könnte, würde ich mich freuen ...“
Ganz und gar abendländische Worte, sehr höfliche Worte ... Der Mann lüpfte seinen Strohhut und tauchte unter in der dunkelblauen Dämmerung, die gleich einem hauchzarten Pastellgemälde die Türöffnung ausfüllte. Auch Anaka-san, die Wirtin, und ihre Dienerschaft zogen sich lautlos zurück.
Allein stand Walter und blickte mit seligen Kinderaugen in die zerfließende Landschaft hinaus. Weihnachtsstimmung war plötzlich in ihm, ein verwunderliches Zittern des Herzens, eine prickelnde Erregung, wie er es bis dahin noch niemals empfunden. Wie einst vor dem Lichterglänzen des ersten Christbaumes erschauerte er, erbebte bis in die dunkelsten Tiefen seiner Seele, und wie damals glaubte er leise Engelschöre aus dem Himmel zu vernehmen. „Ein Traum“, murmelte er. „Das alles kann nur ein Traum sein ...“
Doch dann näherten sich zwei niedliche Figürchen; in weißen Strümpfen kamen sie lautlos heran, in bunten Kleidern, das schwarze Haar in hohe Bogen gekämmt. Sie nahmen ihn bei den Händen, führten ihn durch ein paar Türen, durch den Hof, zur Badestube. Sie zogen ihm kichernd und in strahlender Unschuld die Kleider aus und schoben ihn zu einem Behälter, der die Form eines riesigen Pantoffels hatte. Dicke Wolken von Dampf quollen daraus empor. Prüfend tauchte Walter seine Hand darein, fuhr entsetzt zurück und rief: „Zu heiß, ihr Kinder — viel zu heiß ... Wollt ihr mich denn kochen?“
„Ha — ha“, sagten sie und lachten. Auch sie steckten ihre Hände ins Wasser und nickten. Ihnen schien alles in bester Ordnung; und da schoben sie ihn also hinein.
Im ersten Augenblick meinte er zu ersticken; was er durch allerlei Zeichen und Rufe kundtat. Aber „ha — ha“, da half nun alle Abwehr nichts. Gebadet sollte der Fremdling werden — und gebadet wurde er.
Rot wie ein gesottener Krebs wurde er aus dem großen Pantoffel wieder hervorgezogen und in weiche Tücher gehüllt. Die Mädchen schoben einen Teil der Hauswand zurück. Da stand nun der junge Mann vom Rhein und fühlte sich neugeboren. In tiefen Zügen atmete er die frische Abendluft ein, und es war ein ganz unbekanntes Wohlbefinden und ein frohes Kraftgefühl in ihm. Alle Müdigkeit der langen Wanderung war aus seinen Gliedern verschwunden.
Unter viel Spektakel und unzähligen Verbeugungen und ermunternden Zurufen wurde er in seidene Kimonos gekleidet, er bekam weiße Socken und weiche Bastpantoffeln an die Füße; und auf einmal glich er selber einem Japaner, der zwar etwas zu groß und ausnahmsweise blond und blauäugig geraten.
Dieserart umgewandelt, brachten ihn die beiden Mädchen in ein Zimmerchen, dessen Boden aus ein paar handdicken und weichen Bastmatten und dessen Wände aus Bambusstäben und Papier bestand. Das alles glich doch dem Spiel großer Menschenkinder, buntem Karnevaltreiben. In dieser Welt gab es weder Sünde noch Sorge. Die Mädchen schoben ihm ein paar Seidenkissen hin und luden ihn zum Sitzen ein. Und da saß er und war gleicherweise ein Kind und ein Kaiser — schwach und mächtig ... Aber in jedem Falle ganz maßlos glücklich. Ja, das wurde allmählich ein merkwürdiger Zustand.
Die Mädchen brachten einen prächtig geformten kupfernen Kessel, in dem ein Haufen Holzkohle glühte und der eine milde Wärme ausströmte. Dann verschwanden sie, die beiden zierlichen Mädchenwesen, und ließen den Fremdling allein. Die Mädchen verschwanden durch die zurückgeschobene Hauswand ...
Diese Öffnung erfüllte abermals eine jener Landschaften, die von fremder, unsagbarer Schönheit sind: In einen unglaubhaft dunkelblauen Himmel ragten hoch und schwarz wie Tusche die Kronen einiger Schirmfichten. Unter ihnen erschienen die Wohnungen der Menschen erst so recht als Spielzeug. Aus engen Gassen quoll das gedämpfte Licht der Papierlaternen ...
Zuweilen raschelte der Abendwind in den Bäumen und die Laternen schaukelten auf und nieder, dann flatterten über alle Wände unbestimmbare Schatten. Es war ein geisterhaftes Fächeln und Gleiten.
Nur selten ging auf dem Stücklein Weg, das der Fremde sehen konnte, ein Mensch vorbei. Doch über alle Dächer kam das Geklapper der Holzpantinen auf den Steinplatten der Gassen. Das gemahnte an den Klang vieler Kastagnetten. Froh und festlich stimmte alles: der blaue Nachthimmel mit den dunklen Bäumen, der bunte Laternenschein zwischen den winzigen Häusern, das huschende Schattenspiel und das verworrene Geräusch einer unsichtbaren Menschenmenge ...
Hoch über allen Dächern zog sich in unendlicher Zackenlinie der Spitzensaum der Brandung hin, ein grünlich phosphoreszierender Strich, ein magisches Zeichen weit draußen in Nacht und Ferne ...
Wahrscheinlich glitt Walter unmerklich hinüber in den Dämmerzustand zwischen Schlaf und Wachen, in jenen Vorhof der Seligkeit. Er vernahm eine weiche, einschmeichelnde Stimme. „Sayonara“, sagte die Stimme vom Garten her.
Weiter unten, aus der dunklen Gasse, antwortete eine andere Stimme: „Sayonara“.
Sayonara — das war das erste japanische Wort, das Walter deutlich hörte. Er hörte es zwischen Traum und Wirklichkeit. Es klang wie zartlockender Geigenton, ergreifend und von dunkler Tiefe ...
Durch die offene Hauswand trat es nun, das Mädchen, das Walter nie mehr vergessen konnte ... Auf einmal ragte es vor dem unbegreiflich blauen Himmel auf und glitt lautlos ins Zimmer. Es mußte wohl ein Gebilde des Zwielichts und des Schlummerns sein.
Ja, es mag sich wohl so verhalten, daß der junge Fremdling ein wenig eingeschläfert worden vom seidenzarten Dämmerlichte und von den fernen Geräuschen der fremden Gassen, daß er mit geschlossenen Lidern träumte und versunken war ins Märchenreich. Da weckte ihn das kaum merkliche Beben des Bodens oder vielleicht nur ein leiser Atemzug ...
In größter Verwirrung fährt er empor, macht einen kleinen Schritt, starrt mit ungläubigem Erstaunen auf die Erscheinung, auf das Mädchen, das sich da lächelnd vor ihm verbeugt. Und dann macht er noch einen kleinen Schritt. So vollkommen geistesabwesend ist er, daß er das Mädchen in seiner eigenen Sprache anredet und fragt: „Wer bist du?“
„Konbanwa“, antwortet es ihm. Es ist eine feine, hohe Stimme, es ist der schwingende Klang einer silbernen Glocke.
„Konbanwa“? — Was in aller Welt ...?
„Konbanwa“, wiederholt die süße, kleine Stimme. Und dann auf Englisch: „Guten Abend, o Herr — hier ist deine Nesan ...“
Sie trug drei seidene Kimonos übereinander, alle drei gleichzeitig sichtbar und in kunstvolle Falten gelegt. Sie hatte sich offenbar geschmückt zu dieser Begegnung. Ihr glänzendes schwarzes Haar war frisch frisiert und hoch aufgebauscht; ein paar lange Elfenbeinspieße staken darin, kostbare Nadeln mit Knöpfen aus Gold und Perlmutter. Aus den unmäßig weiten Ärmeln hervor tauchten ihre schmalen, weißen Hände.
Mit diesen weißen Händen klatschte sie zweimal und ließ sich in kindlicher freier Anmut vor dem fremden Manne nieder. Sie versank gleichsam in den schillernden Falten ihrer bunten Gewänder. Nun gemahnte sie an eine köstliche Porzellanfigur aus Nagoya.
Durch die offene Hauswand herein kamen zwei Dienerinnen. Die trugen ein fußhohes Tischlein aus rotem Lack, auf dem viele Schüsseln, Schalen und Täßlein standen. Sie stellten das Tischlein zwischen Walter und dem Mädchen auf den Boden, verbeugten sich und verschwanden wieder.
In mangelhaftem und sehr komischem Englisch sagte das Mädchen ungefähr dies: „Ja, Herr — ich, die hier sitze, bin deine Nesan. Ich will dir in allem dienen. Wünschest du jetzt zu essen?“
Sie erschien Walter als ein Wesen von ungewöhnlichem Liebreiz. Das tiefschwarze Haar, die dunklen, sanften Mandelaugen, das weißgepuderte Gesicht mit dem kirschrot gemalten Mund, ihre Stimme, die Art und Weise, wie sie sich im Sitzen hin und her neigte — alles an diesem Mädchen erschien ihm seltsam fremd und seltsam schön. Ganz asiatisch, ganz japanisch der Schnitt ihres Gesichtes, gewiß; aber dennoch blieben die besonderen Merkmale der Mongolenrasse eigentümlich gemildert. Wohl standen die Mandelaugen ein wenig schief, und es war auch ein kleiner Anflug der Falte da. Doch ihre Nase war keineswegs breit und flach, nein, es war ein keckes, zierliches Stumpfnäschen. Ihr Gesicht war schmal und ohne hervorstehende Backenknochen.
Der junge Fremdling betrachtete seine Nesan recht aufmerksam, ja mit einem gewissen Mißtrauen. Er ahnte wohl die Gefahr, die ihm in ihrer Lieblichkeit drohte. Er war doch noch immer so verwirrt von ihrer Erscheinung, daß er zu ihr sagte:
„Ich glaube, du nanntest dich vorhin Konbawa ...“
„Ach nein, Herr. Ich grüßte dich.“
„Warst du es, die eben im Garten rief? Du riefst: Sayonara.“
„Ja, das muß wohl meine Stimme gewesen sein ...“
„Nun will ich deinen Namen nicht wissen. Nein, ich werde dich Sayonara nennen — oder besser nur Yona, du meine kleine Märchenfee ... Du weißt es selber nicht, aber deine süße Stimme grüßte mich ehe deine Augen mich sahen ... Du bist mir ein Gruß dieses herrlichen Himmels. Du, Yona, bist mir geschenkt worden an diesem Abend, der der unbegreiflichste und verwunderlichste ist in meinem Leben.“
Begeistert, wie er war, streckte er seine Hand über das Tischchen mit allen seinen Schüsseln und Schälchen hin und erläuterte ihr umständlich: „Yona will ich dich nennen, verstehst du? — Hörst du — Yona?“
„Ja Herr. Es sei, wie du es wünschest“, antwortete sie. „Ja, ja — ich bin deine Yonami.“
„Was bedeutet es, das Wort, das du im Garten riefst?“
„Sayonara? — Auf Wiedersehen ...“
Hierauf hob sie mit behutsamen Händen die Deckel von den Schüsseln, ergriff die elfenbeinernen Eßstäbchen und begann ihn zu füttern wie ein kleines Kind. Sie gab ihm in ganz bestimmter Reihenfolge von dem Reis, der so weiß und locker war wie Neuschnee, sie gab ihm kleine gebratene Fische mit winzigen Geflügelstückchen und rohe, gesalzene Fische; gab ihm teils milde, teils scharfgewürzte Sachen, Rettiche, roh und gekocht, zarte Bambusschosse; viele sonderbare Speisen, die ihm teilweise wohlschmeckten und teilweise das Wasser in die Augen trieben. Einiges schmeckte so fürchterlich, daß er den Atem anhielt.
In gespannter Aufmerksamkeit hingen ihre Blicke an seinem Gesicht; sie versuchte, seine Wünsche zu erraten. „Gut?“ fragte sie und nickte beifällig. „Nicht gut“, sagte sie und schob diese oder jene Schale zurück. Zuletzt gab sie ihm kleine Kuchen und verzuckerte Früchte.
Er saß und schluckte alles, das Gute und das Nichtgute ... „Diese Mahlzeit“, dachte er bei sich selber, „nein, dieses Essen und dieses Mädchen ist doch ganz und gar unmöglich ... Aber wunderbar ist es, das soll Gott wissen ...“
Er schüttelte den Kopf und dachte: „Wahrscheinlich habe ich wieder einen Anfall des elenden Fiebers, das ich mir dort hinten in Nagapatam geholt. Und dieses süße Menschenwesen ...? Paß nur auf, mein Lieber, gleich wirst du in einem kahlen Krankenzimmer aufwachen und neben deinem Bette sitzt wieder die alte, strenge Pflegerin, die dir immer diese scheußlichen Chininpulver einstopft ...“
So grübelte er, und ihm bangte sehr vor der Rückkehr ins frühere Leben. Leise, fast angstvoll fragte er: „Yonami?“
Ihm antwortete zu seiner unbeschreiblichen Freude und Erleichterung die kleine helle Stimme: „Ja, Herr — Yonami ist bei dir.“
Yonami antwortete genau so, als habe sie seine Gedanken erraten. Dann fragte sie: „Was wünschest du zu trinken? Sieh, hier ist Tee und hier ist Saké, und das dort ist Reisbier ... Was darf ich dir geben, o Herr?“
Da lachte er gleich einem ausgelassenen Jungen: „Ach, süße Yonami, gib mir doch alles auf einmal ... Gib mir von deinem goldgrünen Tee, gib mir vom gelben Saké, und dann gib mir auch noch von deinem Reisbier ... Aber zuerst sollst du selber essen und trinken ...“
Yonami schüttelt den Kopf, Yonami schüttelt sehr ernsthaft ihren hübschen Kopf mit dem ungeheuren Haarturm und erklärt mit Bestimmtheit: „Entschuldige, Herr, daß ich dir widersprechen muß ... Aber jetzt, vor dir zu essen, das würde sich für deine Nesan übel schicken ... Vielleicht befiehlst du nun, daß das Essen abgetragen werde ...?“
Wieder klatschte sie in ihre weißen, kleinen Hände. Die Dienerinnen trugen Tisch und Schüsseln fort und brachten kleine silberne Pfeifen. Komische Tabakspfeifen mit langem Rohr und einem Kopf nicht größer als ein Fingerhut. Yonami stopfte mit drolliger Wichtigkeit eine Prise hellen Tabak in den Pfeifenkopf, überreichte die Pfeife ihrem Herrn und holte mit einer silbernen Zange ein glühendes Kohlestücklein aus dem Feuerkessel. Das alles machte sie in unnachahmlicher Anmut. Stets faßte sie auch das kleinste Ding mit beiden Händen an. Aber dabei war nichts Gemachtes, kein Spreizen der Finger. Alle ihre Bewegungen hatten Kultur. Yonami machte aus dem Dienen eine hohe Kunst. Mit dem glühenden Kohlestücklein zündete sie ihrem Herrn die Pfeife an. Auf seine Aufforderung rauchte auch sie.
Das wurde eine besondere Art des Rauchens. Vier, fünf Züge und die Pfeifen waren ausgebrannt. Yonami klopfte die Asche im Kohlenbecken aus und stopfte von neuem. So saßen sie eine Weile, rauchten und schwiegen. Zuweilen hörte man das sachte Rascheln eines Baumastes gegen die Hauswand oder einen Ruf von der Gasse; aber in bestimmten Zwischenräumen immer wieder das leise Klirren der Pfeifen auf dem Rande des Feuerbeckens. Es hörte sich an wie helles Schellengeläute auf tiefverschneitem Wege ... Und wenn alle andern Laute verstummten, vernahm man das leise Knistern des Kohlenfeuers.
Auf einmal sagte Walter, mehr als spräche er nur zu sich selber: „Zwei Monate lang lebte ich in einem alten Kloster, auf einer Insel weit dort hinter dem Meer. Ein weiser Mann erklärte mir den letzten Sinn des Lebens. Jener Mann kannte alle Geheimnisse der menschlichen Seele. Er sagte, alles Leiden in dieser Welt habe seinen Ursprung im Begehren nach Glück ...“ Und er neigte sich vor und fragte laut: „Kannst du dieses begreifen, kleine Yonami?“
In atemloser Spannung schaute Yonami in sein Gesicht, in ihre Stirn zwischen die hohen Brauenbogen gruben sich zwei feine Falten. Mit ihren kirschrot gemalten Lippen sprach sie seine Worte leise nach. So mühte sie sich, den Sinn seiner Rede zu verstehen. Doch sie neigte traurig den Kopf: „Nein, Herr — Yonami kann dieses nicht erfassen“, gestand sie.
„Und jener grausame Priester verkündete, das höchste Glück sei darum Verzichten und Wunschlosigkeit. Er nannte es Nirwana ...“
„O mein Samurai“, flüsterte Yonami. „Bitte verzeih deiner kleinen Nesan und zürne ihr nicht, wenn sie dir auf diesem Wege nicht zu folgen vermag ...“
„Ob ich dir verzeihe, Yonami? — Sieh, ich verstand sie sehr wohl jene Worte — ihre Weisheit gleicht dem ewigen Eis der Berge ... Sag mir doch, süße Yonami, was bleibt dem Menschen, wenn seine Sehnsucht stirbt ...? Mit viel Weisheit und viel Traurigkeit im Herzen wanderte ich seither durch diese sonnige Welt ... Aber an diesem Abend, Yonami, führte mich ein milder Gott zu dir. Hier in Enoshima soll mein Herz wieder froh werden ...“
„Auch jetzt verstehe ich dich nicht, o Herr. Nur soviel höre ich aus deinen Worten, daß du hierbleiben willst ... Und das ist für deine Yonami ein großes Glück.“
„Bei dir will ich versuchen, das Leben wieder zu lieben!“ rief er.
Yonami schaute eine Weile schweigend in die Kohlenglut. Sie überlegte sich wohl diese Sache, die so völlig verschieden war von allem, was sie bisher erlebte. Dann wandte sie ihr Gesicht wieder dem sonderbaren Fremdling zu und sagte still: „Du bist mein Daimyo, mein großer Fürst und mein Herr. Und du bist gewiß ein mächtiger Mann in deinem Lande, das ich nicht kenne ... Ich aber werde niemals mehr sein können als deine kleine Nesan. Ja, ich werde immer nur so wenig sein dürfen wie der Obi an deinem Kimono. Wenn du den Kimono trägst, ist der Obi nützlich und ein Schmuck. Wenn du den Kimono ablegst, hat der Obi keinen Wert mehr ...“
All dieses sagte Yonami mit stillem Ernst.
Hierauf saß sie ihm wieder regungslos gegenüber, so als erwarte sie einen Befehl oder vielleicht nur ein neues Bekenntnis. Denn diese kleine Nesan begriff doch sehr wohl, daß der fremde Mann etwas anderes in ihr sah, als nur die Dienerin. Das erkannte sie im versonnenen Blick seiner Augen. Das hörte sie im Schwingen seiner Stimme, auch wenn sie seine Worte nicht richtig verstehen konnte. Aus ihm hervor strömte eine schlichte Andacht; davon auch sie ergriffen wurde.
Der dumpfe Schein aus dem Kohlenbecken erleuchtete die eine Seite ihres Gesichtes, die andere ging unter im weichen Schatten der Dämmerung. Aber in ihren beiden Augen hüpften rote Flämmlein.
In der Tat, das war ein merkwürdiger Gast in einem Teehaus; er redete vom Nirwana und unverständlichen Dingen ... Jetzt sitzt er in ratlosem Schweigen und starrt seine Nesan an.
Die Nesan aber besaß eine Frauenseele; und damit erfaßte sie schnell, daß ihr Herr und Gast irgendwie Sorgen hatte. Sie neigte sich zu ihm hinüber und sagte: „Morgen, mein Samurai, wollen wir miteinander zum Tempel der hunderthändigen Kuannon gehen. Wir wollen ihr Reis und Früchte opfern. Wir wollen sie bitten, daß sie deinen Kummer von dir nehme.“
Ach, es wurde nun doch rein des Teufels, und dazu ein wenig lächerlich ... Warum nahm er dieses Mädchenwesen nicht einfach in seine Arme? Kummer? Wie in aller Welt mochte sie nur darauf verfallen? Nein, keine Spur von Kummer — höchstens ein wenig aufgerüttelt war er, ein wenig verrückt von der Dämmerstunde in Enoshima, vom Treiben in diesem merkwürdigen Teehaus, und vor allem war er erschüttert von der schlichten Lieblichkeit dieser Nesan, die er Yonami nannte ...
Verwundert über den Wirrwarr, der da unversehens in ihm ausgebrochen, schüttelte er den Kopf und meinte: „Warum denn nicht? Laß uns zum Tempel deiner Göttin gehen ... Doch was könnte ich denn von ihr erwarten? Du, Yonami, sollst meine kleine Göttin sein... Du begreifst es wohl selber nicht, aber du bist ein seltenes Kunstwerk ...“
Mit einem schnellen und schelmischen Augenaufschlag streifte sie ihn; es glich einer scheuen Liebkosung. Darauf senkte sie den Kopf. Ja, sie drehte sich dem Feuerbecken zu; aber an der kleinen bebenden Wölbung ihrer Wangen erkannte er, daß sie lächelte.
Mehr und mehr wunderte er sich über diese Unterhaltung, die er da mit einem Teehausmädchen führte. Und am meisten wunderte er sich über seine eigenen Einfälle. Ach, er ärgerte sich ein wenig, da er meinte, dieser Zug fahre immer weiter in falscher Richtung. Aber dennoch fragte er: „Nun glaubst du wohl, ich scherze, kleine feine Yonami?“
„Am Klang deiner Stimme, o mein Samurai, höre ich, daß deine Seele spricht ...“ erwiderte Yonami.
Es half demnach alles Sträuben nichts — der Zug fuhr immer weiter ... Wohin, wohin ging diese Fahrt? Er dachte bei sich selber, es sei nicht nur lächerlich — es sei rein idiotisch, das alles miteinander ... Doch Yonamis Zartheit und Demut griffen ihm ans Herz. Deshalb wurde es gleich von Anfang an ein gefährliches Abenteuer.
„Seit wann bist du in diesem Haus?“ fragt er.
„Ich kam im vergangenen Winter.“
„Wie lange wirst du hier bleiben?“ fragt er.
„Anaka-san kaufte mich für zwei Jahre, Herr.“
Aufgerührt bis ins Innerste staunt er: Dieses Geschöpf kauft man. Anaka-san, das braune Räupchen kaufte es — kaufte es für zwei Jahre ... Nein, du Herrgott ...
Und er setzt sein Verhör fort und fragt: „Liebst du denn dieses Leben, Yonami?“
Wahrscheinlich vermag sie den Sinn seiner Worte ebensowenig zu begreifen, wie seine Erregung. Eingeschüchtert wie ein hilfloses Kind duckt sie sich unter seinen forschenden Augen, zuckt kaum merklich die schmalen Schultern und blickt schweigend vor sich nieder.
Eins wurde Yonami nun völlig klar: dieser fremde Mann war verschieden von allen den andern Männern, die sie bis dahin kennenlernte. Er verlangte von ihr nicht das, was alle die andern verlangten. Was er aber eigentlich von ihr wollte, erriet sie nicht und darum glänzten ihre Mandelaugen vor Furcht und Neugierde.
Yonami macht den Vorschlag: „Vielleicht könnte ich Akiko-san rufen lassen?“
„Akiko-san?“ fragt er. „Was willst du mit Akiko-san?“
„Sie ist die beste Geisha in dieser Gegend ... Akiko-san lebte lange Zeit sowohl in Yokohama als in Tokio ... Die Leute sagen, ihre Umarmungen seien heiß und gewaltig wie das ewige Feuer der Erde. Akiko-san kennt viele alte Tänze; und sie wird dir kleine Geschichten erzählen, die du nie mehr vergessen wirst. Akiko-san wird dich sicherlich besser unterhalten können als ich, die ja vom Leben wenig kennt und wenig gelernt hat ...“
Männerstimmen durchdrangen die Papierwände des Hauses, lebhafte, laute Stimmen, denen leises Mädchenlachen antwortete ... Neue Gäste. Yonami hob den Kopf und lauschte. Aber gleich wandte sie sich wieder ihrem fremden Samurai zu und schaute ihn an mit ihrem Porzellanlächeln, das um Gnade zu flehen schien. Wahrscheinlich grübelte sie jetzt darüber nach, was sie beginnen und unternehmen sollte, diesen vornehmen Gast zu unterhalten, damit er mit ihr zufrieden sei und sie nicht schelte wegen ihrer Ungeschicklichkeit.
Ihn hingegen durchfuhr plötzlich, als ein kalter, stechender Schmerz die Erkenntnis, daß dieses zierliche und überaus seltsame Geschöpf, daß dieses verwunderlich feine Mädchen mit seiner hellen, süßen Kinderstimme, von den Männern, die eben lärmend angekommen, begehrt werden könnte. Mußte sie denn nicht heute dem und morgen jenem angehören? Zu diesem Zwecke wohl hatte das braune Räupchen sie gekauft — zwei Jahre. „Herr Gott“, murmelte er und wollte es durchaus nicht zugeben, daß Yonami nur eine Ware darstellte, die ein jeder haben konnte, der den Preis bezahlte.
Er legte seine Hand auf ihren Ärmel, so, als wolle er auf diese höchst einfache Art und Weise von ihr Besitz ergreifen. „Du bist meine Yonami“, sagte er.
Möglicherweise war es mehr die tolle Leidenschaft des Sammlers, die ihn da packte. Er meinte wohl, es sei ihm da durch Zufall ein besonders wertvolles Stück unter die Augen gekommen, eine Rarität, die er nicht wieder hergeben dürfte. Vielleicht war es aber schon an diesem ersten Abend mehr als das. „Ich meine es so, Yonami ...“ sagte er heiß, „du gehörst mir — mir allein, verstehst du?“
„Ja, gewiss, mein Samurai“, antwortete sie sofort; aber doch etwas erstaunt. „Befiehl nur, was Yonami tun soll.“
„Kein anderer darf dich mehr berühren ...“
In wachsender Verwunderung starrt die kleine Nesan den Fremdling an und entgegnet abermals rasch und ohne Überlegung: „Nein, nein, Herr — kein anderer ... dieses wäre doch gegen die Sitte. Yonami wird mit Freuden dir allein gehören, solange du es nur wünschen magst.“
Selbst mit dieser feierlichen Zusicherung gab er sich noch nicht zufrieden. Ihre zarte Schönheit, die Demut und Lieblichkeit ihres ganzen Wesens und vor allem ihre natürliche Offenheit schien ihm zu dieser Stunde ein Gut, so selten und so kostbar, daß ihm der Gedanke, es bald wieder verlieren zu müssen, völlig unerträglich war.
„Komm, setz dich zu mir“, bat er.
Augenblicklich gehorchte sie. Mit einem kleinen Seufzer setzte sie sich auf seine Knie. Aus dem weiten Ärmel hervor kam ihr bloßer Arm, und mit diesem kühlen, schlanken Arm umschlang sie seinen Nacken und legte ihre runde, weiche Wange gegen seine Schulter.
Und da wollte er sie küssen. Er faßte ihr Kinn mit zwei Fingern, er beugte sich auf ihr Gesicht nieder. Doch nun geschah das Unerwartete: sie bot ihm nicht ihre kirschrotgemalten Lippen. Sie schaute nur fragend und verwirrt zu ihm auf.
In großer Verlegenheit verharrten sie so alle beide. Aber es kam doch nur daher, daß dieses Teehausmädchen die Liebe des Abendlandes nicht kannte; sie kannte nicht den Kuß.
In grenzenloser Verblüffung hielt er sie in seinen Armen und rührte sich nicht mehr. In diesem Augenblicke begann in einem entfernten Raum ein Grammophon zu krächzen; es durchdrang frech die dünnen Wände des Hauses, eine wilde, häßliche Niggermelodie ...
Nun denkt er: Das alles miteinander ist doch so verrückt, wie nur möglich ...
Er denkt: Dieses kleine Mädchen der Freude kennt nicht den Kuß, und dabei sagt es so überaus kluge Dinge ...
Schließlich denkt er: Hier sitze ich in einer Pappschachtel, in einer Verkleidung wie beim Karneval, wo alles frei und erlaubt ist ... Und hol’s der Teufel, wenn ich nicht verhext und verliebt bin ...
Aus dem Kohlenbecken, das sicher uralt und von prachtvoller Arbeit ist, quillt rötliche Glut auf. Draußen liegt die verzauberte Nacht. Ja, selbst die Luft, die ums Haus streicht, ist verzaubert ... Doch dazu, wie eine furchtbare Verspottung, ertönen immerfort diese häßlichen Töne aus Amerika ... Verrückt — verrückt ...
Und er denkt: Ich habe wahrlich nicht mehr als zwei fingerhutgroße Tassen Reisschnaps getrunken — und bin, Gott helfe mir, berauscht, so daß ich die fabelhaftesten Dummheiten denke und sogleich etwas beginnen werde, was niemals gut ausgehen kann ...
Ei gewiß, er sah, trotz Kimono, noch alles im rechten Lichte, und er wollte durchaus kein Narr sein; aber das konnte nicht hindern, daß er vom Unbekannten und all dem Seltsamen übermächtig gelockt wurde. Denn er war verzaubert.
Daher faßte er einen schnellen und tollen Entschluß: „Höre jetzt, meine kleine Yonami, was dein weißer Samurai sich eben überlegt ... Nein, das wirst du nicht erraten können. Aber dieses verspreche ich dir: Morgen früh will ich mit Anakasan, dem braunen Nachtfalter, ein Wort reden ... Jawohl, Yonami, ich werde dich freikaufen von diesem Haus und von diesem Leben ... Was meinst du nun dazu, Yonami?“
Was sie dazu meint? Ach, Yonami erfaßt ja zuerst gar nicht, um was es sich hier handelt. Und nachdem er es ihr mühsam erklärt hat, ergreift sie mit ihren beiden kleinen, weißen Händen seine Hand; preßt seine Hand auf ihre runde, feste Brust und in ihre Augen kommt ein fieberhaftes Schillern. Noch aber zweifelt sie und stammelt atemlos: „Dieses willst du wirklich tun, mein Samurai?“
Zum erstenmal bebt ihre Stimme und wird unsicher, und aus ihrem gepuderten Gesicht verschwindet das starre Porzellanlächeln. Ungläubig fragt sie: „Dann ist es vielleicht dein Wunsch, daß deine Yonami bei dir bleiben soll? Du übernimmst Yonami von Anaka-san — zwei Winter und zwei Sommer lang ...?“
Und er, verhext, wie er ist, entgegnet: „Nicht nur zwei Winter und zwei Sommer lang will ich dich behalten, Yonami. Nein, ich will dich nie mehr hergeben und du sollst immer bei mir bleiben.“
Während er dieses sagt, weiß er ganz gut, daß es niemals möglich sein kann. Aber er sagt es dennoch, und er glaubt auch selber daran ...
Doch ein solches Gelöbnis kommt der armen Nesan so ungeheuerlich vor, daß sie an allem zu zweifeln beginnt. Der feuchte Schimmer verschwindet aus ihren Mandelaugen. Und schon ist das Lächeln wieder in ihrem Gesicht. „Sei barmherzig“, bittet sie. „Jetzt versprichst du mir zuviel“, flüstert sie dicht an seinem Ohr. „Vergiß nicht, mein Samurai, daß das Herz der Menschen dem Bambus gleicht — es schwankt und weht im Winde ...“
Die Stunde ist verhängnisvoll.
Der weiße Samurai streicht mit sehr behutsamer Hand über Yonamis feinen Nacken und atmet den Resedenduft ein, der aus ihren Kleidern oder von ihrem Leibe zu ihm emporsteigt. Seine Hand gleitet über ihre verwunderlich feinen Schultern. Er preßt stumm seine Lippen auf die kühle Haut ihres Armes. Das wird eine scheue, keusche Zärtlichkeit.
Erschauernd fühlt er Yonamis freie Hand in seinem Haar ...