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Furchen im Wasser

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Aber auf der anderen Seite des Fjords wuchs inzwischen Trygve Eivindson heran und wurde ein Mann. Und Olav Arnevik wuchs heran und wurde ebenfalls ein Mann. Es zog ein neuer Pfarrer nach Akerud, der hatte eine Tochter, die hieß Jofrid. Trygve Eivindson verliebte sich in die Tochter Jofrid. Aber da war auch Olav Arnevik, und der verliebte sich gleichfalls in Jofrid.

Trygve und Olav waren Freunde von Jugend an ... Dann zog Olav fort, in die Welt hinaus. Und Trygve bekam Jofrid und führte sie auf seinen Hof nach Lisät. Und als Jofrid ein Jahr oder so Herrin auf Lisät gewesen, kehrte Olav zurück.

Es verhielt sich aber dennoch und trotz allem so, daß Jofrid zuerst und allezeit nur den einen liebte, und daß der andere sie nur darum gewinnen konnte, weil er allein am Strande zurückgeblieben war. Es gab deswegen noch lange keine Feindschaft zwischen den beiden Männern, es gab höchstens eine kleine Auseinandersetzung. Trygve wollte Olav in einer Nacht in der Berghütte des schwarzen Ur über den schmalen Tisch hinweg erschießen. Doch dieses war nur ein kleines Mißverständnis, es wurde gleich darauf einigermaßen aufgeklärt.

Völlig aufgeklärt wurde zwar nie, was zwischen Jofrid und Olav vorgefallen war. Denn in jener Nacht stieg Olav durch die Donnerskare nieder; und das war viel mehr als eine Tollheit, das war Gottversuchung und konnte niemals gut ausgehen. Olav blieb an einem verkohlten Baumstumpf hängen und erfror. Am anderen Tage fand ihn Trygve. Da war Olav schon steif und tot, mit weitausgebreiteten Armen, ein Kreuz in Menschengestalt. Es kann kaum anders sein, als daß auch Olav um der Liebe willen starb.

Es war ja immer ein wenig Grauen hinter allem, was sich auf Lisät zutrug. Unheimlichkeit lag in der Luft. Unheimlichkeit rauschte im Blut dieser Menschen. Sie blieben in ihrem Treiben und Lassen stets anders als andere Menschen.

Irgendein finsterer Geist herrschte auf Lisät und ergriff alle: den Zigeuner-Halstein, den Knecht Oswald, Frau Dagmar ... er ergriff bald auch Jofrid, die junge Herrin.

Jofrid? Wie trieb sie es nur an jenem Wintertage! Jofrid sitzt auf ihrem Stuhl und vernimmt, daß Olav tot ist. Aber sie sinkt nicht zu Boden. Jofrid — nein, sie bleibt stark. Sie weint nicht. Sie sagt: „Es ist gut, daß er tot ist. Ja, es ist viel besser so. Denn er war unglücklich wegen einem schlechten Weib in der Stadt. Und er durfte nicht mehr zu diesem Weib zurückkehren ...“

Die junge Hausfrau Jofrid kannte ja noch lange nicht das ganze Unglück Olavs. Sie fühlte nur mit ihrem Herzen, daß Olavs Seele vernichtet und verloren war. Darum meinte sie, der Tod sei für ihn besser als das Leben.

Nun, das mit Olav war nichts als ein Unglücksfall in den Bergen. Nichts Besonderes. Hingegen das mit Herrn Bardolf war ein unzweifelhafter Mord mit einem Dolch im Herzen. Wie es mit dem Zigeuner-Halstein und Herrn Eivind zuging, hat niemand erfahren. Das blieb ein dunkles Geheimnis und kann niemals aufgeklärt werden. Übrigens mit Herrn Eivind war Ähnliches zu erwarten, denn er ging als eine Gewaltnatur über diese Erde hin. Die Leute sagen, so viel sei sicher und gewiß, daß des Zigeuners Blut durch Herrn Eivind vergossen worden.

Viele Regen sind seither über den Helleberg niedergerauscht. Sie haben die Felsen längst wieder reingewaschen ...

Man kann niemals alles erfahren und wissen. Aber man weiß immerhin einiges. Man weiß nicht nur, daß der Zigeuner-Halstein des Knecht Oswalds Liebste Aagot als erste hinter die Scheune führte, man weiß auch ganz genau, daß er als zweite Oleana nahm. Oleana war ein frisches junges Mädchen, fast ein Kind noch. Als der Zigeuner mit dem Finger winkte, stand sie von der Bank auf und folgte ihm in den Birkenwald. Oleana blieb aber die Tochter rechtschaffener und wohlhabender Bauersleute. Darum fand sie schnell einen Mann. Sie heiratete jedenfalls zur rechten Zeit noch den Hofbauern Arne Arnevik. Und damit hatte sie für ihren Knaben Olav einen Vater und ein Heim und einen unbescholtenen Namen. Olav war zwar ein Sechsmonatskind. Doch das ist in dieser Gegend wahrlich noch keine Seltenheit. Arne Arnevik wurde einfach Vater.

Arne Arnevik war vor allem ein Bauersmann, der sich auf den Boden verstand und aufs Wetter und viele Aspekte, soweit es die Wirtschaft erfordert. Aber er verstand nicht viel von der Liebe und kümmerte sich wenig um das seltsame Walten in einer Frauenseele. Oleana traf es demnach alles im allen gar nicht so schlecht. Vielen jungen Mädchen ging es zu dieser Zeit schlimmer. Olav wurde ohne weiteres ein reicher Bauernsohn und wuchs heran in allen Ehren — ein wenig zigeunerisch vielleicht, und vielleicht gar zu leichtfüßig. Aber eine Pfarrerstochter konnte sich trotzdem in ihn verlieben.

Aagot hingegen, des Knecht Oswalds Liebste, traf es minder gut. Nach dem Willen der unsichtbaren Mächte, die das Schicksal der Menschen regieren, ward auch ihr Leib befruchtet und gesegnet. Zur richtigen Stunde gebar sie ein Kind weiblichen Geschlechts. Wahrlich ein feines, kleines Wesen, mit schwarzem Flaum auf dem Scheitel und einem dünnen, unglücklichen Stimmchen. Aber Aagot fand — Gott beßre es! — keinen Mann und somit weder Vater noch Namen für ihr Kind. Und da stand sie nun frei und klar vor aller Welt mit ihrem Fleck und ihrer Schande. Jawohl, hier handelte es sich um einen offenkundigen Sündenfall.

Der stolze Knecht Oswald zog sich vollends von ihr zurück. Es gab keine Gnade für Aagot, weder im Himmel, noch auf Erden. Mutter war sie. Mutter blieb sie. Und sie wurde obendrein noch eine gute und zärtliche Mutter. Weil die ganze Welt um sie her in höhnischer Feindschaft lag, hielt sie sich ganz und gar an ihr kleines Mädchen. Es wurde ihr Engel und ihre seltsame Rettung. Dieses Wesen brauchte ihre warme Liebe, die die Welt verhöhnte und verschmähte.

Aagot war natürlicherweise gerichtet, verdammt und ausgestoßen in dieser Gegend. Aber Aagot war noch nicht zu Boden geschlagen. Nicht einmal im Ernst unglücklich war sie. Selbstverständlich mußte sie den Herrenhof Lisät verlassen. Das Leben ist hart und grausam, auch im hintersten, einsamsten Winkel eines Fjords. Die Menschen gehen oft in großem Hochmut aneinander vorbei und tun einander weh aus dummer Unachtsamkeit.

Weil Aagot jung und kräftig war, hatte sie immer noch einen gewissen Wert in dieser Welt der Tatsachen. Selbst am Strande von Lisät, wo sie für alle Ewigkeit das Wort und die Gefühle gegen sich hatte ... Aagot ging auf den Hof des Bauern Mons.

Welch ein ungeheurer Unterschied zwischen Lisät und dem Monsgaard. Ein Unterschied wie die neue Zeit mit Seide und Lack und Luxus und weißem, Weizenbrot gegen die Eiszeit mit Höhlen und Fellen und Bären.

Auf dem Monsgaard nährten sich die Menschen jeden Tag von Hafergrütze und Hering und Kartoffeln; das Essen war hier durchaus kein Fest. Jeder hatte seinen Hornlöffel hinter der Leiste an der Wand, jeder trug sein Dolchmesser am Gürtel. Als Gabeln dienten einem jeden zwei Hände mit zehn Fingern. Das Essen auf dem Monsgaard war nichts als gnadenlose Notwendigkeit. Es ging zwar auch so. Es ging viel besser, als wir, die wir nachher kamen und das alles nicht miterleben konnten, nur glauben wollen.

Aagots Mädchen wurde in Akerud vom Pfarrer getauft, mit Wasser und Kirchensegen.

„Wie soll das Kind heißen?“ fragt der Pfarrer.

„Ingrid“, sagt die Mutter und blickt zu Boden.

„Ingrid — und wie sonst?“

„Was?“ fragt die Mutter und zieht den Hals zwischen die Schultern.

„Es muß einen vollständigen Namen haben“, sagt der Pfarrer.

Jetzt schweigt die Mutter Aagot.

Darum hieß also dieses Kind für das ganze Leben nur Ingrid Aagotsdatter. Es hatte nur einen Scherben von Namen. Ein tiefer Sinn steckt gewiß in diesem, wie in allem. Auch Inrid Aagotsdatter sollte gerichtet werden.

Ja, gewiß sind die Menschen mitunter unachtsam und gleichgültig gegeneinander. Und was das Leben anbetrifft, so ist es ohne Mitleid. Ingrid Aagotsdatter, dieses zierliche Pflänzlein, durfte nicht in einem guten Boden wachsen, denn es war ein Pfand und eine Frucht der Sünde.

In der Natur hingegen walten immerzu dunkle Triebe, und Unbegreifliches geschieht täglich an allen Ecken und Enden der Welt. Ingrid Aagotsdatter entfaltete sich und blühte. Die Haare wuchsen ihr sehr rasch in die Länge. Dem ersten, schwarzen Flaume zum Trotz wuchsen sie blond und lockig; sie wuchsen mit jedem Jahre länger und gediehen zu Zöpfen. Nach einer ganz verrückten Laune der Vorsehung bekam dieses Menschenwesen zum hellen Blondhaar samtdunkle Augen. Das waren Augen, die zuweilen einen Bernsteinschimmer haben konnten. Und die Wimpern darum und die Brauen darüber waren seidenzart und dunkel. Es waren möglicherweise nichts als Landstreicheraugen, Bettleraugen, Laster- und Sündenaugen. Aber dann und wann blieb doch ein ehrbares Weib am Wege stehen, oder ein solider Bauersmann blieb stehen und wunderte sich im Zerwürfnis mit der Gerechtigkeit und schüttelte das Haupt über solchen Unverstand der Natur.

Inzwischen waren noch andere Kräfte am Werke. Nach wenigen Jahren wurde Aagot vollends zum Arbeitstier. Und Mons, der Hofbauer, hatte scharfe Augen im Kopfe; er hatte ganz fürchterliche Augen im Kopf, ungeheuerliche Eiszeitaugen oder Krokodilsaugen.

Sünde oder nicht Sünde — Aagot wurde sicherlich aus Gotteshand dieses süße kleine Mädchen geschenkt. Seht, diese Aagot entwickelte nicht nur die Muskeln ihres Leibes, sie strengte auch, ihres Kindes wegen, ihre Verstandesgaben an. Daraus entwickelte sich eine Sache; es begann ein Kampf zwischen einer Mutter und einem harten Hofbauern, es begann ein Kampf zwischen einer Mutter und der ganzen Welt.

Aagot tritt vor den Hofbauern Mons hin und sagt: „Auf Michaelsmesse will ich diese Stelle verlassen.“

„Jetzt aber, Mensch — bist du verrückt?“ fragt der Hofbauer. „Warum denn?“

„Nein, ich habe hier keine Zukunft“, sagt Aagot, die Mutter.

Aber der Bauer begreift das ganz und gar nicht. Zukunft? Haben denn Kuh und Schwein im Stall vielleicht auch eine Zukunft? „Wo willst du eigentlich hinaus mit deinen verfluchten Redensarten?“ fragt Mons.

Da hat Aagot wahrhaftig schon einen fertigen Plan im Kopfe. Gar nichts Geringes. Sie will ein Stück Land, weiß Gott, ein Stücklein von der Oberfläche dieser Erdkugel. Oh, sie muß doch wohl ein wenig verstört sein in ihrem Geiste!

Im Kopfe des Hofbauern Mons beginnt es zu hämmern.

„Gib mir das Stück Land am Strande, Kvieen — du weißt ja. Ich will es roden, Bauer Mons. Ich will dir dafür fünfzig Tage im Jahr Arbeit leisten. Ich will dir dafür sechzig Speziestaler in bar geben.“

Es hämmert mächtig in des Hofbauern Kopf. „Bist du denn komplett von Verstand und Glauben, du Weibervolk?“ muß der Hofbauer staunend fragen.

Aber die Liebe ist unerbittlich. Die Liebe ist groß. Die Liebe bleibt schließlich das Mächtigste in dieser Welt.

„Ich habe schon mit dem Nachbarn Larsen gesprochen“, fährt Aagot unbeirrbar und eigensinnig wie ein Huhn, fort. Er will mir ein gutes Stück von seiner Halde geben ...“ Und Aagot redet nicht ohne List und Hintergedanken.

Dieses, Hofbauer Mons, wäre nun allerdings ein kräftiger Trumpf. Es ist ein wahrer Kanonenschuß.

„Dreck auf den ganzen Nachbar Lars!“ brüllt Mons, in seinen edelsten Gefühlen verwundet.

Aber das hilft nicht das geringste. Damit ist eine Schlacht im Gange. Wer nicht siegt, muß unterliegen und den Schaden leiden.

„Ich will es mir noch überlegen“, lenkt Mons ein.

Der Hofbauer Mons überlegt es sich und schweigt. Er schweigt und schweigt. Nein, diese Magd! Dieses nützliche Tierchen mit zwei Beinen und zwei Armen darf dem Monsgaard nicht verlorengehen. Jedoch das Tierchen soll nichts kosten. Es soll jedenfalls so wenig wie möglich kosten. Und darum schweigt Mons weiter. Und es geht ein ganzes Jahr in alter Weise.

Dann tritt Aagot abermals vor den Hofbauern hin. Nun ist sie finster vor Entschlossenheit: „Wenn du dich bis morgen nicht bestimmt hast, Bauer Mons, geh’ ich also ...“

„Hat man denn nicht schon einmal mit dieser Teufelei hier zu tun gehabt?“ fragt Mons. „Roden“, erklärt er wütend, „das ist Männerarbeit.“

„Morgen, hab’ ich gesagt, Mons. Jetzt weißt du es.“

Hierauf möchte es sich der Bauer aufs neue überlegen. Aber unmöglich. Diese Mutter, dieses Menschenweibchen verlangt nach einem warmen, sicheren Nest für ihr Junges. Nichts verschlägt dagegen Monsens Überlegenheit und sein Eiszeitblick. Er mag sich gerade aufrichten mit seinen langen Armen und der eckigen Stirn und dem gewaltigen Knochenbau; es hilft ihm gar nichts. Nein, er muß es jetzt auf andere Weise versuchen. Er schont dieses nützliche, aber eigensinnige Wesen nicht. Er treibt es mit Härte und Hitze durch zehn Höllen. Hundert Tage Arbeit fordert er. Hundert Speziestaler, fordert er.

„Nein“, sagt Aagot.

Es bleibt rein erstaunlich, wie die Magd Aagot diesen harten Kampf zu Ende führt. Wo nimmt sie nur alle ihre Geisteskräfte und Widerstände her? Und wo in aller Welt hat sie denn das Neinsagen plötzlich erlernt? Früher konnte sie es nicht. Eben dafür wurde sie ausgestoßen und tat den Fehltritt, und sie verlor mit einem Male vieles.

Einiges wurde ihr als Entgelt gegeben. Es wurde ihr vor allem diese heiße und wunderbare Mutterliebe gegeben. Nur so konnte sie in ihrer Einfalt und Armut das Schicksal überwinden. Sie besiegte den Hofbauer Mons. Sie legte noch ein Geringes ihrem ersten Angebot zu, und der Bauer war gezwungen, nachzugeben.

„Du mußt mir ein Papier schreiben“, verlangt Aagot.

„Das hastet doch wohl nicht, beim Satan!“ ruft Mons. „Ist denn heute nicht Sonntag?“

Mons nimmt Aagots Geld und vergißt für einen Augenblick sein Seelenheil. Damit ward ein Handel vollzogen. Aagot hatte eine Stätte auf dieser Welt.

Eigentlich war es für den Hofbauern dennoch ein glänzendes Geschäft. Ja, wahrlich, mit ihren Speziestalern hatte diese Magd ihr Stücklein Land gut und mehr als gut bezahlt. Die jährliche Arbeitsleistung, das war reiner Gewinn. Das war etwas für nichts.

Nun ging aber dieser Hofbauer lange Wochen umher und plagte sich und fragte sich, ob er nicht doch noch ein wenig hätte mehr erringen können. Ja, er fragte sich zu dieser Zeit mehr als oft: Ich wundere mich nur, ob ich nicht fünf Taler mehr hätte nehmen sollen?

So sind nun einmal die Menschen, leider, trotz unsterblicher Seele und Erbaulichkeit, zum großen Teil beschaffen. Sie nehmen gern soviel wie möglich für sich selber. Und da es sich bei Mons um einen urhaften Menschen mit niedriger, schiefer Stirn und ungeheuren Augenbrauen handelt, wollte er gern noch etwas mehr als möglich nehmen.

Aagot begann auf ihrem Land sogleich zu arbeiten. Sie war rein unglaublich und besessen. Und welche Arbeit! Der Hofbauer Mons hatte nach dem Handel auf Kvieen alle Bäume gefällt und für sich behalten. Der Magd Aagot ward es überlassen, die schlimmen Wurzeln auszugraben. Aagot grub die Wurzeln aus. Sie schuftete viele Jahre lang mit Hebeeisen und Spaten. Sie zog Gräben, so gut sie es verstand und vermochte. Das Grundwasser floß ab, und der dunkle Moorboden wurde trocken ...

Ein Zigeuner zog mit seiner Fiedel durch diese Gegend und trieb mit den Mädchen sein gottloses Hexenwerk — und daraus entstand neben anderen im Lauf der Jahre ein kleiner Hof.

Ach, es wurde ja im Grunde eine lächerlich armselige Sache und nichts Überwältigendes. Nur daß zwei Frauenarme diese Arbeit leisteten, zwei Mutterarme, das machte das alles so großartig.

Es blieb trotz Sündenfall und Ausstoßung etwas Hohes und Feierliches an dieser Magd. Die Leute achteten es damals nicht so hoch. Sie sagten im besten Falle untereinander: „Aagot? Ja, beim Hunde, sie ist ein schweres Weibervolk. Sie ist zäh wie der Teufel selber. Was sie da rackert und schafft, das macht ihr noch lange nicht jeder Mann nach ...“

Einige Bauern dachten auch noch, es sei doch schade, daß dieses tapfere Weib keine ehrliche Bäuerin werden durfte. Weiter konnte man in dieser Gegend nicht gehen mit Beifall und Anerkennung. Denn der Fleck sollte nicht ausgewischt werden bis ins vierte Glied.

Aagot diente alle diese Jahre auf dem Monsgaard und erfüllte ihre Pflicht. Daneben rodete und grub sie auf Kvieen. Sie arbeitete bei allen Bauern am Strande. Gott allein weiß, wo sie alle die nötigen Kräfte hernahm und wie sie ihre Arbeitstage streckte und in die Länge zog. Gottvater, der ihr dieses süße Kind geschenkt hatte, schenkte ihr nun auch die Kräfte, dem Kind ein Nestchen zu bauen.

Ob groß oder klein: Sieg bleibt Sieg. Aagot sparte und strebte nicht umsonst. Der Boden lohnte es ihr bald. Zuerst trug er das Winterfutter für ein paar Ziegen, dann für ein paar Ziegen und eine Kuh, dann für zwei Kühe. Es entstand mit der Zeit auch ein Häuschen am Strande, ein rotes Häuschen mit weißen Fenstern und Gardinen an den Fenstern und Blumen hinter den Fenstern. Aagot war ein Weib geworden, ein Weib ohne Mann; aber mit einem Kind und einem Hof. Das reine Mirakel.

Achtzehn Jahre, zwanzig Jahre glitten über das alles dahin, Aagot wurde eine alte Frau, eine alte Frau, die auf allen Höfen aushalf, bei Festen und Todesfällen, eine Frau, die keine Arbeit scheute. Eine alte, krumme Frau, die nebenbei ihre Kühe melkte, das Gras auf der Hauswiese mähte und sonntags in ihrer Stube saß und heiteren, gläubigen Sinnes die Lieder ihrer Jugend summte, ohne Groll, ohne einen leisen Gedanken an Groll.

Das Leben schlägt nieder und richtet auf. Es hat so mancherlei Launen. Aagot wurde schließlich auch noch die Mutter einer prächtigen Tochter, oh, einer Tochter, die nicht viel vom langen Kampf ums Nestlein wußte, die nicht die tiefen Falten im Gesicht der Mutter beachtete, die nur in Sonnenschein und Regen und goldener Freiheit heranwachsen durfte, mit viel Himmel über sich und viel Bergwind und Seewind um sich, und durch dieses alles fein und biegsam blieb.

Die Tochter Ingrid blühte. Aber nun meldete sich das Übel aufs neue. Die Tochter Ingrid blieb trotz ihrer Schönheit und allem, was die Mutter ihretwegen büßte, ein Sündenfall, ein Kind ohne Vater und ohne Abstammung. Und daß Ingrid überdies ein so fröhliches Kind war, das machte es noch schlimmer. Seht, ihr waren diese dunklen, lachenden Augen geschenkt worden und dieser weiche Mund — zwei kühle Rosenblätter. Ingrid ging umher in all ihrer Unschuld und Lieblichkeit und jubelte der Sonne und dem Leben zu wie ein tautrunkener Morgenvogel.

Wie hätte es da anders kommen sollen, als daß auch Ingrid bald auf Abwege geriet. Warum geht denn ein junges Weib mit seiner Schönheit umher und blüht? Oh, hört doch nicht auf die alten, zahnlosen Schwätzer! Fragt den Schöpfer selber einmal, weshalb er den vielen kleinen Vögeln im dunklen Walde das hübsche Gefieder und die Lockstimme verliehen ...

Ingrid war auf allen Wegen eine Augenfreude für die Männer. War Ort und Stunde günstig, dann fehlte es ihr wahrlich nicht an Verehrung und zärtlichem Zuspruch. Hingegen, was ein anständiger Bauernbursch war, der hielt auf sich und seine Art und sein Haus; der tanzte nicht mit der Tochter der Magd Aagot vor den Augen des ganzen Strandes. Aber wenn der Bauernbursch, vom Tanze erhitzt, aus der Scheune trat, dann stand vielleicht diese wilde Heckenblume Ingrid irgendwo im Dämmerschein und betrachtete mit Sehnsucht das Spiel der ehrbaren Jugend. Und dann wurde sie einfach um die Mitte des Leibes genommen und in den Wald hineingeführt.

Der Bursch ist auch nicht schuld daran, denn es bleibt doch stets ein böses Ding mit den Frühlingsnächten und mit dem jungen Blut. Die Bäume stehen noch immer nicht für nichts in allen Hängen herum, breiten ihre langen Äste aus und fächeln und lispeln mit den Blättern.

So geschah denn auch hier wieder das, was unbedingt geschehen mußte. Frühling und Wald und Fiedelklänge vereinigten sich, ein junges Mädchen zu verzaubern. Sie machten ihre Sache vorzüglich. Das junge Mädchen verfiel erbarmungslosen Gewalten. Die Dinge nahmen ihren bekannten Lauf, und ein Kind wurde schließlich geboren.

Im roten Häuslein auf Kvieen wurde ein Knäblein geboren. Abermals war ein Unglück geschehen. Auch das Knäblein blieb vaterlos. Aber es mußte dennoch getauft werden. Es mußte vor den Augen der ganzen Gemeinde getauft werden, in der Kirche von Akerud. Aagot hatte wahrlich ein paar Schillinge in der Truhe. Sie mietete ein Boot mit zwei Rudersknechten. Das Kind bekam ein langes Kleid mit weißem Häubchen und roten Bändern, ganz wie ein richtiges Kind.

Vor dem Altar in der Kirche von Akerud stand zu dieser Zeit ein junger Pfarrer, der seine Gemeinde noch nicht gut kannte. „Wie soll dieses Knäblein heißen?“

„Bjarne soll es heißen.“

„Und weiter?“

Ha — nichts weiter. Bjarne und Schluß.

Der junge Pfarrer hatte zu seiner Zeit viel Theologie studiert und war ein tüchtiger Seelenhirte, der das Gute vom Bösen zu scheiden wußte. Daran fehlte es wahrlich nicht. Aber wie hätte der junge Pfarrer auf einmal alles erfassen sollen? Er legte seine Finger ineinander. Man mußte dieses Knäblein also Bjarne Ingridson nennen, zum Gaudium der Gemeinde.

Bjarne Ingridson — die platte Unmöglichkeit.

Ingrid vermochte nicht gegen das Schicksal zu kämpfen, sie baute ihrem Kinde kein Nestlein. Sie blieb ein paar Monate lang zu Hause und weinte und grämte sich. Und sie lächelte das Leben nicht länger an.

Die Tochter Ingrid hatte auf das Geflüster des schlimmen Südwindes gelauscht und ihr Näschen in duftende Waldbeeren vergraben, sie hatte ihre Rosenblätterlippen zum Kusse dargeboten — sollte sie hernach in ewiger Zerknirschung in der Stube sitzen und blaß werden? Nein.

Nein, in diesem lieblichen Geschöpfe flossen allerlei Blutströme zusammen. Tief aus ihrem Innern stieg es empor, eine ferne Erinnerung an eine große, freie Welt, an eine Ferne ohne Grenzen. Und als das lockere Vöglein, das sie war, bestieg sie das Postschiff, verließ Mutter, Sohn, Haus und Vergangenheit und fuhr davon ...

Ingrid ist nun schon drei Jahre lang fort. Man hat nie ein Zeichen von ihr vernommen. Die große Welt hat sie verschlungen. Die große Welt nahm wahrscheinlich das, was von Ingrids Jugendherrlichkeit übriggeblieben, und erdrosselte sie hernach in alltäglicher Art.

Es muß wohl, trotz aller Mutterliebe, doch nicht viel Gutes an dieser Tochter gewesen sein. Sie war in Leichtsinn geboren. Die Leute an diesem Strande haben von der Tochter Ingrid nie etwas anderes erwartet. Niemand ist enttäuscht, daß es mit ihr ein solches Ende nahm.

Aagot meinte es gut. Aagot meint es auch jetzt wieder gut und bringt neue Opfer.

Aagot, die ewige Kindermutter — sie behütet Bjarne. Sie öffnet auch diesem Kinde beide Arme und preßt es an ihre Brust. Doch leider sind ihre Arme mager geworden, leider ist ihre Brust längst verwelkt und verbraucht. Aber in dieses Großmütterchen fährt unversehens noch einmal der Lebensstrom ihrer Jugend. Sie wiegt ihr Kindlein und schaut vorwärts und denkt tapfer an die Zukunft. Sie denkt wahrlich daran, abermals mit dem Roden zu beginnen.

Und siehe da, es ist doch noch ein letzter Rest von unverbrauchter Kraft in dieser Magd Aagot. Sie wird förmlich wild vor Liebe und Fürsorglichkeit. Sie zieht aufs neue Gräben durch den nassen Moorboden, und wieder wird ein Stücklein Wiesland gewonnen. Gottvater bemerkt das wohl und sendet seine kleinen Engel an den Strand von Kvieen herab, daß sie mit flinken Händen viel Gras und Blumen aus Aagots neuem Boden hervorzupfen. So muß auch dieses Werk gelingen. Aagot kann zu ihren zwei Kühen noch eine dritte in ihren Stall stellen.

Die Leute betrachten dieses erstaunliche Geschehen aus der Ferne und sagen zueinander: „Hast du je so etwas erlebt? Dieses alte Weibermensch! Paßt nur auf, es macht sich jetzt völlig und auf einmal kaputt. Und wohin soll denn das nur führen?“ fragen sie.

Die Leute behalten natürlich wieder recht mit ihren dunklen Vermutungen. Jedem Menschen sind Grenzen gezogen — selbst in der Liebe und in der Treue. Wenn ein Mensch recht ernsthaft etwas will, so vermag er manches. Es geht und geht. Und es geht oft viel weiter, als man für möglich hält. Aber einmal geht es nicht mehr weiter.

Mit der alten Magd Aagot geht es jetzt leider nicht mehr weiter. Sie hat in purem Größenwahn ihre drei Kühe in den Stall gebracht. Und jetzt ist sie selber niedergesunken.

Eigentlich liegt sie noch nicht so ganz und völlig am Boden; sie kriecht noch ein wenig umher. Sie mäht noch ihr Heu und trägt es in kleinkleinen Bürden in die Scheune. Doch dann ist es aus; es blieb keine Kraft mehr in ihrem Körper.

Ein unbegreiflicher Zauber muß dieses wacklige Gemäuer noch irgendwie zusammenhalten, so daß es nicht auseinanderfallen und in die Erde versinken kann. Von der Arbeit auf dem Monsgaard darf keine Rede mehr sein. Wie sollte denn dieses alte Hutzelweibchen noch Fronarbeit leisten, wenn doch alle Gelenke knarren? Nein, nein, Aagot ist jetzt wirklich am Ende. Sie machte einen Weg; und es war sicherlich ein steiniger Weg, ein Dornenpfad sondergleichen. Nun will er sich im großen Dunkel verlieren.

Wenn aber die alte Aagot ihre Fronarbeit auf dem Monsgaard nicht mehr leisten kann, so ist damit noch lange nicht alles abgemacht und entschuldigt. Sondern ein Bauer empört sich über eine säumige Magd und macht sich auf den Weg.

Seht, dort kommt er. Es ist der Hofbauer. Es ist der Sohn vom alten Mons. Der alte Mons starb, und der Sohn führt den Hof weiter; man nennt ihn Jung-Mons. Er hat die Augen seines Vaters, Eiszeitaugen, Haifischaugen. Er hat einen runden Rücken. Die Augen liegen in unglaublich großen Höhlen; sie liegen unter mächtigen Knochenwülsten, unter zusammengewachsenen Brauen, die einem Ziegenbart gleichen. Die Arme reichen ihm bis zu den Knien ... Jung-Mons schreitet über den Berghang daher, plump in den Hüften, als sei ihm der aufrechte Gang noch ungewohnt. Er ist die verkörperte Unheimlichkeit. Ach, wie schwerfällig er geht! Er hält sich an jedem Baum und Strauch ... Zieht ihm Schuhe und Strümpfe aus, es wird sich möglicherweise zeigen, ob er anstatt der großen Zehen noch Fußdaumen hat.

Mons heißt er. Nur Mons. Ein Wesen aus grauer Urzeit. Sein Vater hieß auch Mons. Sein Großvater hieß Mons. Dieses Geschlecht hat in gewissem Sinne Rasse. Es konnte durch die Jahrtausende nicht wesentlich verändert werden. Es nahm in sagenhafter Vorzeit Land hier am Fjord ...

Jung-Mons tritt in Aagots Stube. Er fährt bei der Tür nicht aus seinen kolossalen Holzschuhen, wie es sonst Sitte ist an diesem Strande, derart bezeigt er gleich beim Eintritt seine Überlegenheit. Schwer hockt er sich auf Aagots Tisch. Ein Grundherr hockt vor seiner elenden Kätnerin. Dieses Wesen ist von einer überraschenden Menschenähnlichkeit. Es hat sogar eine Menschenstimme und eine Sprache. Aber seine Stimme ist nicht tief und klingend und männlich, nein, soviel hat die Entwicklung ihm nicht gegönnt. Aus Jung-Mons’ Kehle kann nur ein Kreischen, ein hohes Krächzen dringen, ein affenartiges Kreischen.

Lange sitzt er auf Aagots Tisch und betrachtet mit seinen fürchterlichen Augen die ausgemergelte Magd, in der nicht länger der geringste Wert steckt, weder als Weib noch als Arbeitstier. Er betrachtet sie mit Ruhe und Gründlichkeit und ohne falsche Scheu. Und endlich öffnet er seine gewaltigen Kiefer: „Ja, jetzt bist du fertig.“

Kein Tadel, nicht irgendeine Anteilnahme; nur eine Feststellung. Jung-Mons wittert schon den Tod in dieser Stube. „Du wirst es höchstens noch ein paar Tage treiben. Dann wirft es dich.“

Diese Sache ist klar. Jung-Mons zieht sein Dolchmesser aus dem Gürtel, beklopft die Bohlenwände, sticht da und dort in die Dielen des Fußbodens. Sorgsam untersucht er die Fensterrahmen.

Aagot ist jetzt völlig hilflos. Auf ihrem Bett liegt sie, ein wenig verkrümmt, und folgt dem Hofbauer mit den Augen. Nur mit ihren bangen Augen.

Jung-Mons schließt seine Untersuchung ab und stößt das Dolchmesser wieder in die Scheide am Gürtel zurück. Er zeigt sich ungnädig: „Warum hast du die Grundmauer nicht einen Schuh höher gemacht? Jetzt steigt die Feuchtigkeit in den Fußboden.“

Dagegen läßt sich nichts einwenden. Der Fußboden ist nicht ganz frei von Feuchtigkeit. Aber Aagot liegt nun immer da mit ihrer Angst. Heute ist sie nicht mehr so hoch im Hut wie einstmals.

Einstmals konnte sie vor einen Hofbauern hintreten und sagen: „Gib mir dieses Stück Land, Kvieen, weißt du; ich zahle es dir. Ich will es dir gut und teuer bezahlen. Aber ich brauche es.“

Damit ist es aus und vorbei. Aagot bittet jetzt in Bescheidenheit: „Willst du mir nicht endlich das Papier geben, Jung-Mons?“

„Welches Papier?“

„Jung-Mons, du weißt ja — das Dokument für Kvieen.“

„Ich weiß nichts“, sagt Jung-Mons.

„Du weißt nichts?“ schreit Aagot mit schriller Stimme. „Gott verzeihe dir! Ich habe doch deinem Vater all mein Geld gegeben. Ja, ich habe es ihm bis auf den letzten Taler gegeben und du standest dabei. Du warst schon erwachsen. Du mußt es wissen. Er versprach mir das Papier.“

„Ich weiß nichts“, sagt Jung-Mons.

Hierauf hockt er sich wieder auf den Tisch und nimmt es gemütlich. Ja, er gähnt laut und stößt eine mächtige Luftwolke aus seinem Brustkasten hervor.

Aagot richtet sich mühsam auf. Sie stützt sich auf den Ellbogen; ihre Augen sind immerfort auf Jung-Mons’ Gesicht gerichtet. Ihre Angst wird grenzenlos. „Vor dem Allmächtigen, Jung-Mons — du mußt wissen, daß ich deinem Vater das Geld gegeben. Das kannst du nicht bestreiten.“

Schweigen. Ein langes, tiefes Schweigen.

„Ich weiß nichts“, sagt dann Jung-Mons. „Nein, was willst du? Der Alte ist dahingefahren ... Morgen will ich mir eine Magd dingen an deiner Statt. Den Lohn für die Magd mußt du hergeben.“

„Ich habe mein Land gekauft und teuer bezahlt“, schreit Aagot.

„Du hast es nicht gekauft“, erklärt Jung-Mons.

„Jung-Mons, wie willst du das je verantworten?“

Schweigen.

„Du hast es nicht gekauft“, wiederholt Jung-Mons. oder zeig mir das Papier.“

Dieser Kampf wird gar zu ungleich. Denn es ist kein Papier da. Und es kann durch zwei Dutzend eidliche Zeugen glatt bewiesen werden, daß Aagot Jahr um Jahr ihre Arbeit leistete auf dem Monsgaard. Alles ist klar. Kvieen war nur gepachtet. Aagot arbeitete und rodete und freute sich, weil sie meinte, sie habe dieses Stücklein Erdboden für alle Zeit erworben — mit Geld und Schweiß und Blut ... Aber es zeigt sich nun, daß sie dieses Stücklein Boden doch nicht besitzen darf. Dort auf dem Tisch — dort hockt der Grundherr.

Nun geht er. Der Knabe Bjarne gräbt am Hang hinter der Scheune ein Loch; er schaut dem Hofbauern nach, wie er den Hügel erklettert. Bjarne ist noch nicht drei Jahre alt. Bjarne hat dunkle Augen, dunkles weiches Haar, merkwürdig fremde Augen.

Auf ihrem Strohbette krümmt sich Aagot. Erst jetzt ist sie ganz und völlig am Ende. Nicht einmal zur Auflehnung hat sie die Kräfte. Nur noch diese elende, quälende Angst blieb in ihr zurück, eine dumpfe Verzweiflung, die dumm und müde macht. Das Ganze muß doch wohl nur ein Mißverständnis sein. Denn Aagot meinte es alle die Jahre anders.

Es wird aber so kommen, daß Jung-Mons den Lohn für eine fremde Magd von Aagot fordert. Und es wird so kommen, daß Jung-Mons bei Aagots Tode sein Land wieder zurücknehmen wird. Und Jung-Mons wird sagen: „Haus und Scheune müssen in drei Monaten niedergerissen werden. Aber ich kann sie kaufen.“ Dann wird er sich lange besinnen und im Kreise herumwandeln und rechnen und rechnen und schließlich einen lächerlichen Preis bieten ... Jung-Mons muß Haus und Scheune bekommen, denn auf seiner Seite stehen Gesetz und Macht.

Gütiger Gott — diese Magd wurde einstens für ihren Sündenfall aus dem Paradies vertrieben und scharf gezüchtigt. Sie nahm demütigen Sinnes die Strafe auf sich und zeigte sich willig, zu sühnen mit ihrem Leben. Alle Wünsche ihres Herzens und alle Wünsche ihres Blutes gab sie her für dieses Stücklein sumpfigen Moorboden. Aber es war noch nicht Sühne genug. Jetzt streckt sich schon die Hand aus, der Magd den Nacken zu brechen. Dann wird Jung-Mons dem kleinen Bjarne das Nest nehmen. Vielleicht muß auch dieses noch als Strafe geschehen.

So liegt die alte, ewige Kindermutter Aagot auf ihrem Strohbette, Arme und Brust verbraucht, der Leib nur noch ein Häuflein Asche, der Faden schon durchschnitten. Nur in ihrem Kopfe steckt noch ein wenig Leben, ein letztes Fünklein. Sie opfert auch dieses letzte Fünklein und denkt und grübelt, wie sie Bjarne das Heim erhalten könnte.

Eine alte Magd sucht Hilfe. Da muß sie weit rückwärts schauen, an den vielen Jahren ihrer Erniedrigung vorbei, bis in eine Zeit, da auch sie noch ein Mädchen mit Zukunft und allem gewesen. Nur den einen kann sie dort finden; ach, sie kann doch niemals einen anderen finden als Oswald, den stolzen Knecht auf Lisät. Wenn ein Mann auf der ganzen Welt dieser Magd helfen kann, dann muß es Oswald sein.

Und Aagot sinnt und sinnt und wird wieder zuversichtlich. Nun denkt sie nur noch darüber nach, wie sie es machen könnte, mit Oswald von ihrer großen Not und ihrer großen Treue zu sprechen. Viele Jahre hat sie nicht mehr mit ihm gesprochen. Zuweilen sah sie ihn aus der Ferne. Sie sah ihn alt werden und dahinwelken ...

Heute geht der Knecht Oswald an einem Stock und wackelt ein wenig mit dem Kopfe, wenn er geht. Aagot hat den Klang von Oswalds Stimme längst vergessen. Ihre Erinnerung an ihn ist nur noch ein verworrenes Empfinden von Sonnenschein und Wärme. Gleich einem Sommermorgen ist es: in all dem Strahlenglanze steht Oswald, für den die Magd Aagot einst erschaffen ward ...

Es will eine alte Magd im Sterben noch aus Liebe das Leben besiegen ...

Und damit fängt eigentlich diese Geschichte erst an.

Herren vom Fjord

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