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Handel und seefahrt

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Man muß wissen, daß Tyremoen ein kleiner Ort ist: drei Höfe und eine Kätnerhütte.

Hinter Finn Moens Stall, ein wenig den Berghang hinan, liegt das Gehöft Olaj Höigaards. Fünf Kühe und ein Schweinchen, dazu ein Dutzend Schafe. Dort ist der blonde stämmige Ove zu Hause. Ove, der einzige Sohn und Erbe, Ove, der nicht länger ein Kind ist. Hinter Höigaard und noch ein Stück weiter den Hang liegen die mageren Wiesen und steinigen Äcker von Sörbö.

Jon Sörbö ist klein und grau. Er mag jetzt vierzig Jahre alt sein, und war schon mit zwanzig klein und grau — ein schmutziges Graubraun, das nicht nur die Haare, sondern den ganzen Mann überzogen hat. Jenny, sein Weib, hat einen unförmlichen Bauch und einen Herzfehler. Den Herzfehler hatte Jenny, wie man mit Bestimmtheit weiß, schon als unschuldiges Mädchen. Das mit dem Unterleib hingegen mag mit dem Kindersegen zusammenhängen — Gott weiß es. Diese Eheleute bekamen ihre Kinder gewöhnlich paarweise geschenkt. Weder Jon noch Jenny können das recht begreifen, und beide sind im Grunde empört darüber. Und beide behaupten, es sei niemals ihre Schuld. Sondern es sei eine Heimsuchung, sagen sie. Und wenn es Schicksal ist, kann man nichts dagegen machen. Jon droht sogar, den Staat um Unterstützung anzugehen.

„Denn — bitterer Tod—“ sagt Jon, „wenn es so weitergeht, kann ich es bald nicht mehr aushalten. Ich bin nicht in der Lage, für ein ganzes Regiment zu sorgen.“

Aber Jenny weist ihn dann jedesmal zurecht und sagt: „Du sollst dich nicht versündigen, Mann! Und du sollst dich nicht auflehnen gegen die Vorsehung! Vergiß auch nicht, daß die Kinder mit jedem Tage heranwachsen und größer werden. Mit der Zeit können wir das ganze Espedal roden und neuen Boden gewinnen und mehr Korn und Kartoffeln pflanzen …“

Diese Jenny war doch alle Tage ihres Lebens zuversichtlich und von heiterem Sinne. Sie liebte ihre Kinderschar; und es gelang ihr bis zum heutigen Tage, sie zu nähren und zu kleiden. Und das ist sicherlich ein lebendes Wunder und in jedem Falle etwas mehr als ein Kunststück.

Es gibt einen Weg in Tyremoen. Der ist vielleicht zweihundert Schritte lang und führt genau von der hochmütigen Steintreppe Finns an den Strand hinunter. Damals, als Finn sich das Pferd kaufte, legte er in Vermessenheit gegen den Himmel auch noch diesen Weg an und opferte den ganzen langen Streifen Wiesland. Der Bauer Finn muß wohl heimliche Reichtümer gesammelt haben, daß er sich das alles miteinander leisten konnte und darüber nicht völlig zugrunde ging.

Und dann ist auch noch der Elv da — ein lebendiges Wasser mit grober Stimme. Ein ganz hitziger Bach, dessen Anfang man in den blauen Bergwänden dort hinten sehen kann, in einem langen Schaumstreifen, dem Trollefoß. Der Elv rennt durch eine enge Schlucht, die auch zur hellsten Mittagsstunde noch schwarz ist und am wärmsten Sommertag einen eiskalten Hauch ausströmt. Dort hinten beginnt das Märchen … Eine Welt für sich, durch den hohen Steinwall von den Behausungen der Menschen abgeschlossen — eine Welt mit seltsamen Stimmen, voller Überraschungen und wunderbaren Ereignissen und angefüllt mit Unbegreiflichem. Der Elv kommt aus jener Welt hervor. Sein Wesen ist ganz gewiß nicht freundlich. Er klatscht zornig gegen den kleinen, lächerlichen Steindamm, den der Bauer Finn ihm in den Weg legte, um die große Wiese vor Überschwemmung zu schützen. Der Elv murrt hinter den Wiesen, Tag und Nacht.

Was aber die Hütte der Karen am Hammer angeht, so handelt es sich hier um eine ganz und gar elende Hütte. Sie besteht nur aus einem winzigen Vorraum und einer Stube, deren Decke die Dachsparren tragen. Die Wände sind fast unmöglich niedrig. Darum blieb nur wenig Platz für das Fenster. Selbst Karen, die nicht von hervorragender Körpergröße ist, muß sich bücken, wenn sie durch die Tür eintritt.

Es steht da ein schwarzer Eisenofen, der zugleich Kochherd ist. Es steht da an jeder Wand ein Bett. Den Raum dazwischen nimmt ein Tisch ein. Nichts Überflüssiges findet sich in dieser Stube; höchstens ein Geraniumstock mit dunkelroten Blüten und Blättern, die einen braunen Ring haben. Er steht in einem schadhaften Nachttopfe am Fenster und verbreitet bunte Farben und auf irgendeine Weise ein bißchen Lebensfreude.

Und was ist nun mit dieser Karen? Mit Karen, die vor nicht ganz zwei Jahren ihren Mann Thorgeir und im vergangenen Winter ihre Kuh Plinka verlor … Karen singt. Ach, sie singt wohl nicht so richtig. Es sind keine Worte. Es ist kein Lied. Karen singt nur Töne. Singt Töne, die in eigentümlicher Sanftmut und Trauer sich in die Stille der Stube ergießen. Fast ist es so, als streiche der Wind durchs Moorgras, als summe der Wind in hohen steilen Felsen…

Nein, das kann niemals ein Lied sein — vielleicht ist es nur das Wimmern eines kleinen, verängsteten Tieres, das sich vor der Einsamkeit und dem großen Schweigen fürchtet und darum seine Stimme erhebt.

Karen ist bleich und welk und von unversieglicher Demut, wie es sich für eine arme Kätnerswitwe schickt. Sie netzt jeden Morgen ihr Haar, das sich mutwillig über der Stirn kräuseln möchte, und preßt es glatt. So verrichtet sie ihre kleinen, unbedeutenden Arbeiten, melkt ihre letzte Kuh, pflanzt Kartoffeln, mäht das Gras, gräbt Kartoffeln aus, holt Reisig aus dem nahen Wald, kocht Grütze — und erharrt in stummer Angst, aber ohne sündige Auflehnung, die Schläge des Schicksals. Karen klagt niemals.

Karen klagt auch nicht, als Thorgeir auf der See draußen blieb. Sie ging ein paar Tage lang herum und suchte ferne Stränder ab. Da fand sie das Boot, in einem kleinen Vik, unter Tang halb begraben.

Ein Dolchmesser steckte in den Planken. Das war Thorgeirs großes Dolchmesser. Es steckte außen in den Planken, nahe beim Kiel. Das erklärte alles.

Das Dolchmesser erzählte ganz gelassen und hart eine kleine Geschichte. Eine Geschichte, wie sie an dieser Küste jeden Winter einige Male sich ereignet …

Thorgeir war ein tüchtiger Kerl zur See. Er fuhr mit seinem Boot hinaus und versorgte sozusagen den ganzen Strand mit Fischen. Für die Fische tauschte er Mehl ein und ein wenig Fleisch und ein wenig Schaftalg.

Manmal fing er auch einen Heilbutt — ein richtiges fettes Seeschwein, das seine zwei Zentner schwer sein konnte. Damit ruderte er dann die paar Meilen nach Fagarö zum Handelsmann Laurentzen.

Der Handelsmann bezahlte ihm vielleicht zwanzig Ör fürs Kilo, vielleicht auch nur fünfzehn. Ho — das gab Geld auf die Hand! Blaue Scheine, gelbe Scheine.

„Der Absatz geht zwar in diesen Tagen furchtbar träge“, beklagte sich der Krämer Laurentzen. „Der Englischmann wird — salze mich — mit jedem Jahr mehr und mehr zum Racker. Ich kann keinen höheren Preis zahlen.“

Damit schenkte Laurentzen dem Fischer Thorgeir einen Schnaps ein.

„Nein — nein“, sagte der Fischer Thorgeir und trank. „Tausend Dank! Uff! Das war aber eine feine Ware — wie ein schartiges Messer zieht es sich den Hals hinab.“

Es konnte sogar auch vorkommen, daß Laurentzen dann noch ein zweites Glas zugab. Es kam aber nicht jedesmal vor. Laurentzen verstand die Kunst, sich rar zu machen und seine Wohltaten nicht zu verschwenden.

„Ein Pfund Zucker — ein halbes Pfund Kaffee … war das wirklich alles?“ konnte er fragen. „Sollte es wenigstens nicht auch noch ein halbes Pfund Rosinen sein für die Madame und den Jungen? Du schwimmst doch heute völlig in Geld und Staatspapieren, du, Thorgeir …“

„Jetzt scherzen Sie!“ antwortete Thorgeir auf solche Redensarten, vielleicht nicht ganz frei von Spott und Einsicht, aber doch auch ein bißchen geschmeichelt. „Nein, da fehlt leider noch viel zum Reichtum. Aber meinetwegen kann es also auch noch ein halbes Pfund Rosinen sein.“

„Und sonst nichts anderes?“ fragte der Krämer, währenddem er mit dem Finger ein wenig auf die Messingschale drückt, worin die Rosinen gewogen werden. „Du kannst doch nicht alle deine Geldscheine in der Erde vergraben. Das geht niemals an.“

„Wie Sie scherzen können!“ sagt Thorgeir.

Nun ja. Man wohnt einsam am Strande von Tyremoen und sieht nicht jeden Tag ein fremdes Gesicht. Da tut ein Schwatz in der Seele wohl. Und wenn man von einem Manne wie dem Krämer Laurentzen für mehr gehalten wird, als man vielleicht in Wirklichkeit ist, sogar gewissermaßen für wohlhabend gehalten wird, so darf man sich nicht lumpen lassen.

„Du ziehst ja die Taler und Zehnkronenscheine nur so aus dem Wasser herauf“, konnte Laurentzen weiter sagen. „Jaha — wer es auch einigermaßen hätte wie du …“

Und so wog er denn wieder und verkaufte und triebt Handel und erfüllte den Zweck seines Lebens. Er strich schließlich mehr als die Hälfte vom Geld, das er dem Fischer Thorgeir auszahlte, wieder über die mit Zinkblech beschlagene Tischplatte hin. Plötzlich verschwand das Geld. Es fiel durch einen schmalen Schlitz in eine Tiefe, wo es unwiederbringlich verloren war.

Wenn Thorgeir nach Hause ruderte, hatte er allerlei kleine Sachen im Boot und eine ziemlich gute Meinung von sich selber. Ja, es war wirklich ein eigener Segen mit Laurentzens Kramladen — man wurde darin zuversichtlich im Herzen und hoch im Hut. Man war für ein paar Stunden lang nicht nur ein armseliger Stümper ohne eigenen Grund und Boden unter den Füßen. Man war gewissermaßen ein Herr — ein Herr über alle Schätze des Meeres. Man konnte ja, wenn es das Glück zuließ, jeden Tag einen Heilbutt fangen und damit nach Fagarö rudern. Und dann dieser Schnaps — das reine Hexenwasserǃ

Nicht daran zu zweifeln, der Fischer Thorgeir ruderte stets zufrieden von Fagarö nach Hause. Der Krämer Laurentzen war seinerseits auch nicht mißvergnügt. Er hatte zum Beispiel zwanzig Ör für das Kilo Heilbutt bezahlt. In der gleichen Nacht noch trug das Postschiff diesen Heilbutt südwärts. Und der Krämer wird zu seiner Zeit ungefähr eine Krone fürs Kilo erhalten. Das sind Porzente, mein Lieber!

Aber alles, was recht ist — und alles kann doch nicht Gewinn sein. Mußte der Krämer Laurentzen denn nicht einen Schuppen bauen mit Doppelwänden und Sägmehl dazwischen? Und den Schuppen mit Eis füllen? Übrigens geht doch auch einiges drauf für Kisten und Briefporto und Fracht. Und so. Jedem das Seine …

Der Krämer Laurentzen muß auch um sein Leben kämpfen. Jeder kämpft auf seine Weise. Vielen wird es sehr leicht gemacht, sie können das Bargeld nur aus der See schöpfen. Anderen wird es schwerer gemacht, sie müssen Kunst und Wissenschaft anwenden …

So lebte also der Krämer Laurentzen. Und so lebte der Fischer Thorgeir. Und beide lebten in ihrer Art gar nicht so schlecht und wurden älter mit jedem Tag und reicher an Erfahrung und Lebensweisheit.

Und dann sandte der Himmel einen grimmigen Südweststurm aus, genau zu der Stunde, als der Fischer Thorgeir vom Krämer auf Fagarö zurückruderte. Der Südweststurm fand das Boot des Fischers Thorgeir, erfaßte es, hob es wie nichts auf und warf es um. Thorgeir fiel daraus und versank im Wasser. Und da er nicht schwimmen konnte, konnte er das nahe Land nicht erreichen und klammerte sich am umgewälzten Boot fest. Er kletterte hinauf bis zum Kiel. Und da die Planken glatt waren, konnte er sich nicht daran festhalten. Darum stieß er sein großes Dolchmesser ganz oben beim Kiel ein, wie es vor ihm bei ähnlichen Gelegenheiten schon mancher machte. So konnte der Fischer Thorgeir sich über Wasser halten. Er konnte schreien und um Hilfe rufen und seine Not klagen. Oh, er konnte heulen und jammern, soviel in seinen Kräften lag. Aber das hörte niemand. Niemand konnte ihn sehen. Denn dieses ereignete sich in einer dunklen Nacht, die mit Zischen und Fauchen erfüllt war.

Weil nun aber der Südwest immer schärfer übers Wasser hinsprang und vor überhändiger Wut brüllte, blies er den durchnäßten Fischer an und machte sein Gesicht starr und seine Hände klamm.

Man kann nicht wissen, ob Thorgeir in dieser Nacht den Draug gesehen, den Draug, der wahrscheinlich auf einem gekenterten Boot an ihm vorbeisegelte, mit einem großen Tangbusch zwischen den Schultern anstatt dem Kopfe. Thorgeir mag in jenen Nachtstunden mancherlei gesehen und vernommen haben. Vielleicht ließ er in großer Angst sein Dolchmesser fahren. Vielleicht wurde er nur müde und wollte nicht länger auf einem hölzernen Roß mit scharfem Rücken reiten. Und so glitt er schließlich herunter …

Solches ungefähr berichtete sein Messer.

Nein, dieses ist alles in allem keine besondere Geschichte. Viele Frauen an der Küste könnten eine ähnliche erzählen.

Dieser Art war also Thorgeir verschwunden und fortgekommen. Nicht einen einzigen Faden, nicht ein einziges Haar fand man mehr von ihm.

Karen klopfte mit einem Stein das Dolchmesser aus dem Kiel und trug es nach Hause. Dort, in der schwarzverräucherten Holzwand, steckt es.

Was soll man noch weiter darüber sagen?

Handel, Landwirtschaft und Seefahrt — viele kommen hoch dabei, und einige fallen ab dabei und müssen liegenbleiben. Dieses Mal traf es Thorgeir. Dadurch wurde sein Weib zur Witwe, und vielen Fischen wurde das Leben verlängert …

Nun erscheint aber der Hofbauer Finn vor der Kätnerhütte. Als dunkler Schatten gleitet er am Fensterlein vorbei. Er tritt durch die niedrige Tür und reibt sich die Brust.

„Gott segne deine Arbeit, Karen!“ sagt er.

So gesittet ist dieser Bauer Finn, daß er seinem Zorn nicht gleich alle Schleusen auf einmal öffnet.

„Dank dafür, Finn“, sagt Karen.

Ach, Karen weiß ja schon, daß es wichtige Umstände und Veranlassungen sein müssen, die den Bauern jetzt in ihre Stube führen.

„Und was ist nun deine Meinung von dieser Sache?“ fragt der Bauer Finn und stellt das Schiff, das einmal ein rechtschaffener Holzschuh gewesen, auf den Tisch.

Nein, Karen findet dafür keine Worte. Sie könnte ihre Gefühle möglicherweise in Töne fassen. Aber da sie nur in der Einsamkeit und für sich selber singt, bleibt ihr dieser Weg versperrt.

„Das hat also Monrad gemacht! — Mein Weibervolk behauptet es.“

Karen blickt den Bauern an. Ihr Blick ist nur eine Frage. Ihr Blick ist Angst und Flehen. Und dann senkt Karen das Haupt. Sie senkt ihr Haupt vor einem so geringen Ding wie diesem Holzschuh und bietet ohne Vorbehalt ihren Nacken dar, den Schlag zu empfangen.

Aber dieser zornige Bauer Finn, der vor kurzem sein scharfes Weib mit der Birkenrute streichelte, verliert schon wieder allen Boden unter den Füßen, und die Welt beginnt ihm abermals in Feuchtigkeit zu schwimmen. Ob er nun gleich mit gewaltiger Muskelkraft den ungeheuren Priem zerkaut und männlich um sich her spuckt und Säfte vergeudet — er bleibt dennoch Kujon und Feigling! Oder vielleicht nicht? Wenn er doch jetzt solcherlei Worte fallen läßt:

„Du sollst es nicht gar zu schwer nehmen, Karen, verstehst du! Aber ich wurde vorhin so rasend, daß ich beides, sowohl schwarz als rot, zu gleicher Zeit sah. Und es bleibt wirklich und wahrhaftig ein Himmelswunder, daß der Schlingel mir nicht in die Hände fiel. Sonst hätte leicht ein Unglück entstehen können. Denn du weißt doch, Karen, wie grauenhaft jähzornig ich in meinem Sinne bin. Das ist nun leider so ein Erbfehler von mir — Gott sei mir gnädig!“

Hierauf wird der Bauer wieder gefaßt und handlungskräftig und verkündet als der erste Mann von Tyremoen: „Ja! Dieses ist also glücklich vorübergegangen. Und heute ist Sonntag, da soll nichts weiter unternommen werden in dieser Sache. Aber morgen wird Monrad unbedingt zu mir kommen und ein Stück Leder holen, und bis zum Abend muß der Schuh wieder geflickt sein — verstehst du! Das geht, meiner Seel, nicht anders.“

Karen antwortet noch immer nicht. Ihr sitzen die Worte nicht so locker in der Kehle. Sie nickt nur. Auf einmal huscht ein kleines, ganz verwunderliches zartes Lächeln über ihr in Elendigkeit erstarrtes Gesicht; und sie reicht dem großen Bauer Finn ihre Hand. Und sie murmelt etwas dabei. Vielleicht dankt sie mit scheuen Worten für das gnädige Urteil, dankt mit sehr scheuen Worten, die sich verbergen wollen. Vielleicht sind es auch nur wieder diese leisen Töne …

Der Bauer aber versteht es wohl. Er nickt mit dem bärtigen Gesicht und geht, einen scharfen Tabaksduft und eine deutliche Spur von Überlegenheit zurücklassend.

Jetzt rinnt Finn Moens rotes Hemd wie eine Blutlache die Wiese hinunter. Karen, die Witwe, steht in all ihrer Ergriffenheit noch immer mitten in der Stube, beugt sich ein wenig vor und schaut mit schiefem Kopf am Geranienstock vorbei. Noch immer flattert ein rührendes kleines Lächeln über ihr Gesicht.

Nach allen diesen Ereignissen wird es Mittagszeit. Monrad kommt heim und sieht den Holzschuh auf dem Tisch, und sagt nein, er habe es nicht getan.

Karen hat wahrscheinlich dieses und nichts anderes erwartet. Sie entgegnet mit ihrer zerknitterten, zagenden Stimme: „Morgen früh mußt du bei Finn ein Stück Leder holen und den Schuh wieder flicken.“

Dagegen hat Monrad nichts einzuwenden. Monrad mußte schon früh durch die Schule des Lebens gehen, und dabei wurde er vor der Zeit reif und reich an Erkenntnissen.

Tyra, die Märcheninsel

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