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VORWORT

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Als der Everest-Pionier George Leigh Mallory einmal gefragt wurde, weshalb er auf Berge steige, soll er geantwortet haben: „Weil sie da sind.“ Weshalb ich dieses Buch geschrieben habe? Die Antwort ist ganz einfach: Weil ich darum gebeten wurde. Und ich muss zugeben, ich habe mich lange Zeit davor gedrückt. Nicht nur, weil mir das Ansinnen, meine Memoiren zu verfassen, vor Augen führte, dass mein Cursor auf der Zeitleiste des Lebens schon weit nach rechts gerückt ist. Vor allem war mir bewusst, dass wer sich an sein Leben zurückerinnert, nicht nur an die schönen Momente denken kann. So hat auch der Rückblick auf die 70 Jahre meines Lebens frappierende Ähnlichkeit mit einem spannenden, nicht endenden Bergwetterbericht, der Perioden mit Hochs und Tiefs, mit strahlendem Sonnenschein, mit dichtem Nebel, aber auch mit Schneesturm, Gewittern und Naturkatastrophen beschreibt.

Was bleibt, sind dann aber doch die schönen Stunden. Ich habe sie vor allem entdeckt, als ich mein umfangreiches fotografisches Archiv in Augenschein nahm. Denn es sind ja insbesondere diese Ereignisse, die wir für später festhalten. Für die Retrospektive kramte ich in Tausenden von Fotos. Ich wühlte mich durch Kartons voller Papierbilder, durchforstete Kleinbild- und Mittelformatdias und Ordner mit digitalen Aufnahmen. Die Bilder erinnerten mich an große Abenteuer und berührende Momente. Wochenlang standen auf dem Esstisch und auf dem Fußboden, auf dem Sideboard und dem Couchtisch die grauen Dia-Boxen. Wie die Türme der Sella-Gruppe wuchsen sie in die Höhe. Mal wirkten sie auf mich bedrohlich, weil ich es vor langer Zeit verabsäumt hatte, die Boxen zu beschriften, mal empfand ich unermessliche Mühe, die Dias abzuarbeiten, und das andere Mal hatte ich große Lust auf dieses besondere Abenteuer, das mich natürlich in die Berge führte.

Zwar verbinden viele mit meinem Namen vor allem die Wetterberatung von Bergsteigern. In aller Bescheidenheit möchte ich aber doch behaupten, dass es eine Zeit gab, in der ich ganz passabel unterwegs war: In den Nordwänden von Königsspitze und Ortler und auch in der Ostwand des Monte Rosa. Auch den Peutereygrat am Mont Blanc habe ich gemacht. Im Fels der Dolomiten die Agnèrkante, Routen an der Tofana di Rozes, die „Lacedelli/Ghedina“ in der Scotoni-Westwand, die Nordwand der Großen Zinne, die „Gelbe Kante“ und die „Egger/Sauschek“ an der Kleinen Zinne; im heimischen Karwendel den Hechenbergpfeiler, die meisten klassischen Routen in der Martinswand und auch die Laliderer-Nordwand. Viele dieser Routen kletterte ich zu einer Zeit, als beim Abseilen noch die Dülfer-Methode das Nonplusultra war. Mit einigen bis zum heutigen Zeitpunkt nicht wiederholten Erstbegehungen habe ich lokale Bergsteigergeschichte geschrieben. Mit unserer Skiexpedition zum Noshaq stellten wir sogar den Höhenweltrekord für Skibergsteiger auf. Mittlerweile habe ich fast fünfzig Gipfel über 5000 Meter Höhe bestiegen, zahlreiche Sechstausender und drei Siebentausender. Auf 17 Vulkanen bin ich gestanden, darunter auf dem höchsten aktiven Vulkan der Erde, dem Ojos del Salado (6893 m) in Chile. Und dass ich es im fortgeschrittenen Alter von 66 Jahren noch auf einen Siebentausender geschafft habe, erfüllt mich doch mit einer gewissen Zufriedenheit.

Wer 70 Jahre in zwei Buchdeckel packen will, der kann nur unvollständig bleiben. Meine Memoiren sind deshalb keine taxative Aufzählung aller meiner Taten und auch keine Chronik meiner Missetaten. Sie können dem Leser nur einige für mich wichtige Momente am Berg, im Beruf und mit der Familie näherbringen.

Zwar dachte ich zunächst, mein Leben würde nie und nimmer ein ganzes Buch füllen können. Nachdem ich mir aber die ersten Zeichen mühevoll abgerungen hatte, bestand die Schwierigkeit am Ende darin, mich zu beschränken. Ich konnte deshalb nicht alle Wegbegleiter namentlich erwähnen und genauso wenig all jene, die mir heute wichtige Stützen und liebe Freunde sind. Sie mögen mir das verzeihen.

Danken möchte ich an dieser Stelle Anette Köhler und Margret Haider, die meinen Text mit großer Umsicht und mich zur rechten Zeit auch mit dem nötigen Nachdruck begleitet haben. Ich danke allen Bergsteigern, die zu diesem Buch einen Beitrag beigesteuert haben. Über die Jahre sind sie mir sehr ans Herz gewachsen und zu Freunden geworden. Und schließlich möchte ich auch meiner Frau Stephanie danken, ohne deren Unterstützung ich mir dieses Projekt nie und nimmer zugetraut hätte.

Karl Gabl

Sankt Anton, 26. Juli 2016 – am Fest der heiligen Anna

„Ich habe die Wolken von oben und unten gesehen

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