Читать книгу Das Dorf Band 21: Primo in der Kugelwelt - Karl Olsberg - Страница 6

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4. Böses Erwachen

„Kolle, hilf mir, Primo in unser Haus zu bringen“, bittet Golina.

„Was hast du bloß wieder angestellt, Ruuna?“, ruft Ruuna, während sie die Dorfstraße entlang zur Schmiede marschieren. „Ich hab doch gesagt, du sollst den Unsinn sein lassen!“

„Erstens bin ich nicht Ruuna, jedenfalls nicht so richtig“, erwidert Willert. „Zweitens habe ich nichts angestellt. Und drittens habe ich bloß dem Fremden einen Heiltrank verkauft. Ehrenwort!“

„Ach ja? Und wieso ist er dann verschwunden? Und vor allem, wieso ist Primo jetzt bewusstlos?“

„Weiß ich doch nicht. Vielleicht war er einfach müde und ist eingeschlafen.“

„Was ist eigentlich los?“, fragt Margi. „Was war das für ein seltsamer Heiltrank, der aussah wie Wasser?“

„Das war ein ganz gewöhnlicher Heiltrank, nur eben nicht rot, sondern durchsichtig“, erklärt Willert. „Ich hab’ nur ein bisschen Entfärbungstrank dazu gegeben. Das ist geschmacksneutral und überhaupt nicht schädlich.“

„Außer, man verwechselt dann die Tränke!“, meint Ruuna.

„Ich verstehe gar nichts mehr!“, meint Margi. „Seit wann braut Willert Heiltränke? Und wieso ist Ruuna so merkwürdig?“

„Sie hat einen Seelentauschtrank getrunken und ihre Seele ist jetzt in Willerts Körper“, erklärt Golina. „Und Willert ist jetzt Ruuna, äußerlich jedenfalls.“

„Ich wusste nicht, dass es sowas gibt“, meint Margi.

„Das wusste ich auch nicht, bevor ich den Trank ausprobiert habe“, gibt Willert zu.

„Und was machen wir jetzt mit den beiden?“, fragt Margi.

„Einer von ihnen muss noch einmal einen Seelentauschtrank trinken, während der andere neben ihm steht, dann ist alles wieder richtig, soweit ich das verstanden habe“, antwortet Golina. „Zwar hat Ruuna, also Willert, noch einen Seelentauschtrank, aber wegen dieses blöden Entfärbungstranks sehen jetzt alle Tränke gleich aus und sie weiß nicht, welcher welcher ist.“

„Weiß ich wohl“, widerspricht Willert. „Das hier ist ein Stinktrank, wetten?“ Er hält Golina eine Flasche hin.

Sie erreichen die Schmiede. Kolle legt Primo vorsichtig auf sein Bett.

„Was machen wir jetzt bloß mit ihm?“, fragt Golina.

„Wir warten, bis er wieder aufwacht“, meint Kolle.

„Aber was, wenn er nicht wieder aufwacht?“

„Ich könnte ihm einen Heiltrank einflößen“, bietet Willert an und hält eine Glasflasche hoch.

„Bloß nicht!“, widerspricht Ruuna. „Du machst alles nur noch schlimmer.“

„Gar nicht wahr!“

Golina seufzt. „Ich glaube, Kolle hat recht – wir müssen einfach warten, bis er von selbst aufwacht“, sagt sie. „Immerhin hat er schon eine Menge gefährliche Situationen überstanden. Ich verstehe nur nicht, warum er genau im selben Moment ohnmächtig geworden ist wie der Fremde.“

„Ich auch nicht“, meint Willert.

„Ich habe da so eine Befürchtung“, meint Ruuna.

„Was denn?“, fragt Golina.

Doch bevor die Hexe antworten kann, gibt Primo ein Stöhnen von sich. Er schlägt die Augen auf, dann stößt er plötzlich einen Schreckenslaut aus.

„WAAAH! Wo ... wo bin ich?“

Golina beugt sich über ihn. „Primo, Notch sei Dank! Du bist zu Hause. Wir haben uns schon Sorgen gemacht!“

Primo setzt sich langsam auf und blickt sich um, als habe er die Schmiede, in der sie seit Jahren wohnen, noch nie gesehen.

„Was ... was ist das hier?“, fragt er. „Ein Traum?“

Golina sieht ihn besorgt an. „Primo? Primo, geht es dir gut?“

Primo schüttelt den Kopf und reibt sich die Augen. „Das muss ein Traum sein!“, sagt er. „Ich ... ich kann doch nicht wirklich ...“

„Was kannst du nicht wirklich?“, fragt Golina.

„Ist das irgendein unlustiger Gag?“, fragt Primo. „Habt ihr euch alle als Minecraft-Dorfbewohner verkleidet, um mich zu veräppeln?“ Er hält einen Arm hoch. „Aber ... wo sind meine Finger?“

Golina fängt an, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Irgendetwas scheint mit ihrem Mann nicht zu stimmen.

„Primo, sieh mich an!“, sagt sie.

Er dreht sich zu ihr um.

„Wer ist das, Primo?“, fragt er.

„Du bist Primo!“, erwidert sie. „Erinnerst du dich denn nicht?“

Primo schüttelt den Kopf. „Ich bin nicht Primo. Ich heiße Lukas.“

„Ich hab’s ja geahnt!“, sagt Ruuna.

„Was hast du geahnt?“, fragt Kolle. „Kannst du mir bitte erklären, was mit meinem besten Freund los ist?“

„Der Seelentauschtrank“, erwidert Ruuna. „Willert muss ihn dem Fremden gegeben haben.“

„Gar nicht wahr!“, widerspricht Willert. „Der Trank, den ich ihm verkauft habe, roch eindeutig nach Melone!“

„Ach ja? Und welche Zutaten braucht man für einen Seelentauschtrank?“, fragt Ruuna.

„Etwas Glühsteinstaub, ein Stück Amethyst und, äh, eine Scheibe vergoldete Melone“, gibt Willert kleinlaut zu.

„Auweia!“, ruft Kolle.

„Heißt das, die Seele des Fremden ist jetzt in Primos Körper?“, fragt Margi.

„Sieht so aus“, bestätigt Ruuna.

„Aber ... aber wo ist dann Primos Seele?“

„Im Körper des Fremden natürlich“, erklärt Willert. „Das ist doch alles halb so schlimm. Wir müssen einfach noch einen Seelentauschtrank brauen, dann trinkt der Fremde ihn, wenn Primo neben ihm steht, und alles ist wieder wie vorher.“

„Ja, nur dass der Fremde spurlos verschwunden ist“, stellt Margi fest.

„Du weißt doch, wie die Fremden sind“, meint Willert. „Sie kommen und gehen, wie sie wollen. Er wird schon wieder auftauchen.“

„Aber es ist doch gar nicht der Fremde, der verschwunden ist!“, ruft Golina. „Es ist Primo! Jedenfalls seine Seele.“

„Das kann nur ein Traum sein“, meint Primo, oder besser gesagt die Gestalt, die wie Primo aussieht. „Und zwar der Verrückteste, den ich je hatte.“

„Wir müssen Primo finden!“, sagt Golina. „Ich meine den Körper des Fremden, in dem jetzt Primos Seele ist.“

„Aber wie willst du das anstellen?“, fragt Margi. „Der Fremde hat sich doch in Luft aufgelöst, so wie ein Nachtwandler, wenn er stirbt. Vielleicht ist er gestorben, als er den Seelentauschtrank getrunken hat.“

„Dann ... dann wäre Primo auch tot!“, bringt Golina heraus.

Einen Moment lang herrscht betretenes Schweigen.

Dann sagt Ruuna: „Nein, die Fremden sterben doch nicht. Nicht wirklich jedenfalls. Wisst ihr noch, als der unheimliche Fremde in der Nähe des Dorfs gesehen wurde? Damals haben wir ihn bis zu seiner Höhle verfolgt. Da stand ein Bett, in dem er immer wieder aufgewacht ist, wenn er, oder besser gesagt sie – es war ja in Wirklichkeit eine Fremde – gestorben ist. Spawnpoint hat Leo das genannt, als er es mir erklärte.“

„Dann müssen wir zu dieser Höhle gehen“, entscheidet Golina. „Vielleicht ist Primo dort.“

„Nein“, widerspricht Ruuna. „Dieser Spawnpoint ist für jeden Fremden anders, wenn ich das richtig verstanden habe.“

Golina senkt den Kopf. „Dann können wir wohl niemals herausfinden, wo Primo ist.“

„Wir können doch den Fremden fragen“, schlägt Willert vor.

„Wie denn das?“, entgegnet Golina. „Der Fremde ist doch verschwunden!“

„Aber nein, er sitzt dort neben dir“, widerspricht Willert.

Golina starrt ihren Mann an, oder besser gesagt dessen Körper. Willert hat recht! Das mit dem Seelentausch ist ganz schön verwirrend.

„Kannst du mir bitte sagen, wo dieser ... Spornpeunt ist, oder wie das heißt?“

„Warum willst du das wissen?“, fragt Primo.

„Wir müssen Primo finden ... also den Fremden ... ich meine, meinen Mann, dessen Seele jetzt in deinem Körper ist. Dann kannst du noch einmal einen Seelentauschtrank trinken, während ihr beide nebeneinandersteht, und alles wird wieder richtig.“

Primo schüttelt den Kopf. „Tut mir leid, Leute, aber ich mache diesen Quatsch nicht mehr mit! Ich verlasse jetzt diesen Raum, dann werden wir ja sehen, ob ich wirklich in der Minecraft-Welt bin oder nicht.“

Er steht auf, marschiert zur Tür, reißt sie auf und bleibt abrupt stehen.

„Das ... das gibt’s doch nicht!“, ruft er aus. „Die ganze Welt besteht ja wirklich aus Blöcken! Wie cool ist das denn!“

„Woraus soll die Welt denn sonst bestehen?“, fragt Golina verwirrt.

„Gibt es hier auch Creeper und Zombies?“, fragt Primo.

„Äh, nein, ich glaube nicht“, erwidert Golina. „Aber es gibt Nachtwandler und Knallschleicher.“

„Kna... Knallschleicher, wuahahaha!“, lacht Primo. „Wem ist denn dieser Name eingefallen?“

Golina versteht überhaupt nicht, was daran lustig sein soll. Während sie noch überlegt, was sie antworten soll, kommt Magolus die Dorfstraße entlang.

„Ah, Primo“, ruft er. „Ich sehe, es geht dir besser. Das liegt wohl daran, dass ich für dich gebetet habe. Gern geschehen.“

„Wer bist du denn?“, fragt Primo.

Magolus richtet sich zu voller Größe auf und reckt die Nase in den Himmel.

„Tu doch nicht so, als ob du nicht wüsstest, dass ich Magolus bin, der Oberste Hohepriester von Allen.“

„Oberster Hohepriester von Allen, hahahaha! In diesem Dorf sind wohl alle komplett durchgeknallt. Mann, das ist der lustigste Traum, den ich je hatte! Ich hoffe, ich wache nie wieder auf!“

„Was ist mit ihm?“, fragt Magolus beleidigt. „Hat er das Gedächtnis verloren?“

„Schlimmer“, meint Golina. „Er ist nicht mehr er selbst.“

„Dann gehe ich wohl besser, um noch etwas zu schla... ich meine, für ihn zu beten.“

Magolus kehrt um und marschiert die Dorfstraße zurück. In diesem Moment kommt ihm Asimov entgegen. Wie immer sitzt die Katze Mina auf seinem Kopf.

„Wow, ihr habt einen Golem!“, ruft Primo. „Aber wieso hat er eine Pelzmütze auf?“

„Selbst eine Knollnase wie du sollte den Unterschied zwischen einer Pelzmütze und einer Katze erkennen“, schnarrt Asimov.

Primo kugelt sich auf dem Boden vor Lachen. „Knollnase!“, kichert er. „Wuahahaha! Das ist wirklich gut!“

„Es freut mich, dass du so gute Laune hast, Primo“, meint Asimov. „Normalerweise steckst du ja immer in irgendwelchen Schwierigkeiten, aus denen ich dich dann befreien muss.“

Nachdem Primo sich wieder beruhigt hat, fragt er: „Wieso kannst du eigentlich sprechen?“

„Weil eine gewisse Hexe mir einen Trank an den Kopf geworfen hat, kurz nachdem ich geschaffen wurde“, erwidert Asimov und wirft Ruuna einen finsteren Blick zu. „Seitdem habe ich ein Bewusstsein und muss das Elend mitansehen, in das ihr euch immer wieder selbst hineinmanövriert. Glaub mir, das macht keinen Spaß!“

„Ich war das nicht“, behauptet Ruuna. Sie zeigt auf Willert. „Das war Ruuna ... ich meine, Willert!“

„Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder?“, schnarrt Asimov.

„Kannst du uns jetzt bitte sagen, wo dieser Sporndingsda ist?“, fragt Golina.

„Wenn wir meinen richtigen Körper finden und diesen Seelentausch machen, wache ich dann wieder auf?“, erwidert Primo.

„Ich glaube, schon“, antwortet Golina. „Jedenfalls ist dann alles wieder so, wie es vorher war.“

„Dann sag’ ich es nicht“, meint Primo.

„Was? Warum denn nicht?“

„Dieser Traum ist viel zu gut. Ich will noch nicht wieder aufwachen.“

Golina seufzt. Ohne die Hilfe des Fremden in Primos Körper wird sie ihren Mann niemals finden.

„Ich habe nicht viel von dem Unsinn verstanden, den ihr wieder mal redet“, kommentiert Asimov. „Das ist normal. Aber falls du wissen möchtest, wo der Spawnpoint dieser Welt ist, Golina, dann kann ich es dir sagen: Er liegt bei den Koordinaten 0 X und 0 Z.“

„Aha. Und wo ist das?“

Asimov zeigt auf die östliche Wiese. „Da hinten. Ungefähr dreihundert Blöcke von hier.“

„Dann lasst uns schnell hingehen und Primo suchen!“, ruft Golina und rennt los.

Kolle, Margi, Ruuna und Asimov folgen ihr. Doch als sie die östliche Wiese erreichen, ist von Primo nichts zu sehen.

„Ist das hier der Ort, an dem die Fremden aufwachen, wenn sie in dieser Welt sterben?“, fragt Golina.

„Normalerweise ja“, stimmt Asimov zu. „Es sei denn, sie schlafen vorher in einem Bett. Dann ist der Spawnpoint dort, wo das Bett steht.“

Golina seufzt. Wenn das stimmt, dann könnte Primo überall sein.

Das Dorf Band 21: Primo in der Kugelwelt

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