Читать книгу Das Dorf Band 10: Aufstand der Endermen - Karl Olsberg - Страница 3

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1. Zoff im Dorf

Es ist ein heißer Tag im kleinen Dorf am Rand der Schlucht. Die Sonne brennt vom Himmel, als wolle sie die Bewohner bei lebendigem Leibe rösten. Jedenfalls kommt es Primo so vor, der in seiner schweren Diamantrüstung schwitzt.

„Dann zieh sie doch aus!“, sagt Golina gereizt, als Primo ihr sein Leid klagt.

„Aber ich kann sie nicht ausziehen!“, widerspricht er. „Ich bin schließlich der Dorfbeschützer!“

„Momentan gibt es nichts, wovor du das Dorf beschützen musst, also kannst du die Rüstung ausziehen und mir beim Saubermachen helfen. Du könntest zum Beispiel mal die Knochen aufsammeln, die der Wolf überall im Haus verstreut hat.“

Golina hat recht: Seit Primo von seinem unfreiwilligen Ausflug auf den Mond – oder das, was sie damals dafür hielten – zurückkehrte, ist nichts Aufregendes mehr passiert, und dieses Abenteuer ist schon eine ganze Weile her. Er kommt sich überflüssig vor, und das macht ihm schlechte Laune. Andererseits will er nicht zugeben, dass die Diamantrüstung in dieser ruhigen Zeit mehr Dekoration als echter Schutz ist. Außerdem hat er keine große Lust, das Haus aufzuräumen.

„Das kann man nie wissen!“, entgegnet er. „Artrax könnte jederzeit ...“

„Ach, hör mir auf mit Artrax!“, keift Golina. „Der hat sich schon ewig nicht mehr blicken lassen. Ich bin sicher, er hat nach den vielen Niederlagen, die er erlebt hat, endgültig die Nase voll von uns. Außerdem haben wir Kolle und Asimov, und ich kann auch mit einem Schwert umgehen, wenn es sein muss.“

Ihre Worte verletzen Primo. Er kann die Wut nur mühsam aus seiner Stimme heraushalten, als er erwidert: „Willst du damit etwa sagen, dass ich als Dorfbeschützer nicht gebraucht werde?“

„Nein.“ Golina seufzt laut. „Doch du könntest, während du das Dorf beschützt, ruhig ein wenig bei der Hausarbeit helfen!“

„Aber in meiner Rüstung schwitze ich auch so schon, und ...“

Golina explodiert. „Dann zieh die blöde Rüstung endlich aus!“, brüllt sie.

„Na gut, na gut, wenn ich hier überflüssig bin, dann gehe ich eben!“, gibt Primo beleidigt zurück. „Ich bin sicher, die anderen freuen sich mehr darüber, von mir beschützt zu werden, als du!“

„Wenn du unbedingt jemanden beschützen willst, dann pass auf deinen Sohn auf! Ich habe ihn schon den ganzen Morgen nicht gesehen. Bestimmt heckt er wieder irgendwelchen Unsinn aus. Außerdem gibt es bald Mittagessen.“

Ohne ein weiteres Wort stürmt Primo aus dem Haus. Als er mürrisch den Weg entlang Richtung Kirche stapft, hört er eine laute Stimme: „Nein, nein und nochmals nein!“

Das klang wie Margi. Eine ziemlich zornige Margi. Er lauscht an der Tür zur Bibliothek und hört seinen besten Freund Kolle antworten: „Aber meine Margarine, es wäre doch bloß ein ganz kurzer Ausflug, und ich wäre dabei und würde bestimmt gut auf sie aufpassen!“

„Ja klar, so wie du immer aufpasst, und dann kommt dein chaotischer Freund dazu, und ihr beide zettelt irgendeine Katastrophe an, mit unserer Tochter mittendrin! Außerdem hab ich dir schon hundertmal gesagt, du sollst mich nicht Margarine nennen! Ich heiße Margi!“

Ein Stich geht durch Primos Herz. Dein chaotischer Freund, damit ist natürlich er selbst gemeint. Margi scheint auch kein großes Vertrauen in seine Fähigkeit zu haben, das Dorf zu beschützen. Halb entsetzt, halb neugierig lauscht er weiter.

„Also gut, wenn du willst, dann gehe ich eben ohne Primo mit Maffi in die Höhle unter dem Dorf.“

„Du gehst nirgendwo hin, weder mit Primo noch mit Maffi, und ohne die beiden auch nicht, verstanden? Und jetzt geh und hol sie, es gibt gleich Mittagessen.“

„Ja, meine Margari... ich meine, Margi.“

Plötzlich geht die Tür auf. Erschrocken macht Primo einen Schritt zurück, stolpert und fällt auf den Po.

„Was machst du denn hier?“, fragt Kolle.

„Ich? Äh, ich beschütze das Dorf, was denn sonst?“

„Hast du etwa an der Tür gelauscht?“

„Was? Wie kommst du denn darauf?“ Primo rappelt sich auf.

„Wenn ich mich mit Margi streite, dann geht dich das überhaupt nichts an, kapiert?“, schnauzt Kolle.

„Wenn ihr über mich streitet, dann aber schon!“, kontert Primo.

„Also hast du doch gelauscht!“

„Hab ich nicht! Und außerdem zettele ich keine Katastrophen an, das kannst du deiner Frau ruhig sagen! Katastrophen passieren einfach, und dann bin immer ich derjenige, der alles wieder in Ordnung bringen muss.“

„Ach wirklich? Und wer muss sich dabei immer mit Monstern rumprügeln? Weißt du eigentlich, wie schlimm sich das anfühlt, wenn man vor Wut den Verstand verliert und selber zu einem Monster wird?“ Kolles Gesicht läuft grün an.

„Das weiß ich vielleicht nicht“, gibt Primo zurück. „Aber bilde dir bloß nicht zu viel auf deine Nachtwandlerkraft ein! Immerhin habe ich das letzte Abenteuer auch ohne dich überstanden. Ich habe sogar ganz allein eine dreiköpfige Schlange besiegt!“

„Ganz allein? Letztes Mal hast du noch erzählt, dass dir ein ganzer Stamm Federköpfe dabei geholfen hätte. Aber vielleicht war das ja auch alles ein bisschen übertrieben.“

Primo spürt, wie sein Gesicht vor Zorn rot anläuft. „Was willst du damit sagen?“

„Gar nichts. Und jetzt geh mir aus dem Weg, ich muss meine Tochter suchen!“

„Der Weg gehört uns allen, und ich kann hier so lange stehen bleiben, wie ich will.“

„Na schön, wie du willst.“

Kolle schubst Primo grob beiseite, so dass er wieder auf den Po plumpst. Wütend springt er auf und zieht sein Schwert. Doch dann kommt er zur Besinnung. Erschrocken über sich selbst steckt er es zurück. Fast hätte er seinen besten Freund angegriffen!

Plötzlich erklingt ein wütendes Fauchen, gefolgt von wildem Gebell. Mina, die Katze, springt an Primo hoch und klettert auf seinen Kopf. Im nächsten Moment springt ihn Paul, der Wolf, an. Primo ist so überrascht, dass er erneut das Gleichgewicht verliert und zum dritten Mal auf den Po fällt. Die Katze faucht und flüchtet, verfolgt von dem kläffenden Wolf.

Schallendes Gelächter erklingt, während Primo sich aufrappelt. Es ist Olum, der Fischer, der in diesem Moment mit seiner Angel und einem Arm voller Fische vom Fluss zurückkommt.

„Was gibt’s da zu lachen?“, fragt Primo gereizt.

„Das sah nun mal lustig aus, wie du von Paul umgerannt worden bist“, sagt Olum und kichert. „Hihihi, ein toller Dorfbeschützer bist du, wenn dich sogar dein zahmer Wolf umhaut! Wuahahaha!“

„Wenn das so ist, dann beschützt euer dämliches Dorf doch selber!“

Primo rückt seine Rüstung zurecht und stapft wütend zur Wiese neben der Schlucht. Dort trifft er erneut auf Kolle, der offenbar gerade versucht, einen Streit zwischen seiner Tochter Maffi und Primos Sohn Nano zu schlichten.

„Sag ihm, dass ich genauso mutig bin wie er, Papa, und sogar noch viel mutiger!“, fordert das Mädchen.

„Bist du gar nicht!“, entgegnet Nano. „Schließlich bin ich auf den Mond geflogen und du nicht!“

„Stimmt ja gar nicht!“, widerspricht Maffi. „Du warst überhaupt nicht auf dem Mond. Bloß in einem fernen Land, wo so doofe Leute mit Federn auf dem Kopf rumlaufen.“

„Das kannst du gar nicht wissen, du warst ja nicht dabei! Und die Krähenfüße sind überhaupt nicht doof! Das sind tapfere Krieger, und ich bin einer von ihnen, dass du’s weißt!“

„Hört auf, euch zu streiten, Kinder!“, mischt sich Kolle ein. „Maffi, komm jetzt zum Mittagessen!“

„Erst, wenn der Doofmann zugibt, dass ich genauso mutig bin wie er!“

„Bist du gar nicht, du dummes Huhn!“

„Ich bin kein Huhn, und dumm bin ich auch nicht, und du bist so blöd wie ein Knallschleicher!“

„Ach, und wieso sind Knallschleicher blöd?“

„Weil sie explodieren, wenn sie sich ärgern!“

„Dein Vater wird auch ein Monster, wenn er sich ärgert. Also ist er auch blöd!“

„Nano! Du ...“, versucht Primo seinen Sohn zurechtzuweisen, doch Kolle fällt ihm ins Wort.

„So erziehst du also deinen Sohn, ja? Dass er Erwachsene beleidigt, das findest du wohl gut, was?“

„Ich erziehe meinen Sohn, wie ich will! Außerdem hat deine Tochter doch angefangen!“

„Hat sie überhaupt nicht! Dein Sohn hat behauptet, dass er mutiger sei als sie!“

„Deine Tochter hat ihn einen Doofmann genannt, das hab ich selber gehört!“

„Und er hat ‚dummes Huhn‘ zu ihr gesagt. Und dann hat er auch noch behauptet, ich wäre blöd!“

„Er hat nur gesagt, wenn Knallschleicher blöd sind, weil sie explodieren, wenn sie wütend werden, dann musst du auch blöd sein, wenn du dich in ein Monster verwandelst, weil du wütend bist. Das ist nur logisch.“

„Aha! Du findest mich also auch blöd! Nach allem, was ich für dich getan habe! Ein toller Freund bist du!“

„Was du für mich getan hast? Wer hat dich denn gerettet, als du damals im Wald von einem Nachtwandler gebissen wurdest? Wer ist denn bis zum fernen Sumpf gelatscht, um Ruuna zu finden, und wäre fast in die Luft geflogen, als er einen goldenen Apfel aus dem alten Tempel geholt hat, nur damit sie einen Heiltrank für dich brauen kann?“

„Und warum bin ich gebissen worden? Weil du nicht auf mich gehört hast und unbedingt hinter dem Fremden her in den Wald rennen musstest!“

„Ach ja? Jetzt bin ich also an allem schuld! Mir reicht’s! Dann sei du doch der Dorfbeschützer, wenn du das so viel besser kannst!“

Wütend reißt sich Primo die Diamantrüstung vom Leib und wirft sie Kolle mitsamt seinem Schwert vor die Füße.

„Was ist denn los?“, fragt Magolus, der in diesem Moment dazu kommt. „Gibt es ein Problem?“

„Das einzige Problem“, erwidert Primo gereizt, „ist, dass ich hier überflüssig bin. Dorfbeschützer, pah! Alle scheinen mich nur für den Dorftrottel zu halten! Aber eins sage ich euch: Wenn Artrax das nächste Mal das Dorf angreift, dann könnt ihr selber sehen, wie ihr damit klarkommt!“

„Niemand hat gesagt, dass du ein Dorftrottel bist“, versucht Kolle zu beschwichtigen.

„Beruhigt euch, meine Untertan..., äh, ich meine, liebe Gemeindemitglieder!“, sagt Magolus mit ausgebreiteten Armen. „Habt keine Angst: Uns kann nichts passieren, denn dieses Dorf steht unter dem Schutz Notchs, unseres Herrn.“

„Da hörst du’s!“, ruft Primo. „Ich bin vielleicht kein Dorftrottel, aber überflüssig bin ich auf jeden Fall. Notch kann auf das Dorf aufpassen. Ich werde dafür nicht gebraucht!“

Zornig stapft er in Richtung Flussufer davon, während er hinter sich Kolle sagen hört: „Na toll! Musstest du dich unbedingt einmischen, Magolus?“

„Was, jetzt bin ich auf einmal schuld?“, erwidert der Priester. „Ich habe bloß das Wort Notchs verkündet, wie es meine Aufgabe ist. Wenn Primo das nicht versteht, kann ich auch nichts dafür!“

„Von wegen ‚das Wort Notchs‘“, entgegnet Kolle gereizt. „Das denkst du dir doch alles bloß aus!“

„Was? Das ist unerhört!“, schimpft der Priester. „Ich soll mir das alles ausdenken? Ich, der ich täglich mehrere Stunden in der Kirche meditiere, um die Stimme Notchs zu hören, und wenn ich dann aufwache ...“

Den Rest hört Primo nicht mehr, denn die Stimmen werden vom Rauschen des Flusses übertönt, der das Dorf in einer Schleife umrundet. Auf der anderen Seite erstreckt sich der Wald, in dem Ruuna und Willert ihre Hütte haben. Die beiden sind jedenfalls vernünftiger als die Dummköpfe im Dorf. Kein Wunder, dass sie es vorziehen, in der Abgeschiedenheit des Waldes zu leben. Vielleicht sollte sich Primo ihnen anschließen, für eine Weile wenigstens.

„Warte auf mich, Papa!“, erklingt hinter ihm die Stimme seines Sohnes.

„Geh zu Mama!“, sagt Primo. „Es gibt gleich Mittagessen, hat sie gesagt.“

„Und du?“

„Ich muss zu Tante Ruuna und Onkel Willert.“

„Dann will ich mitkommen!“

„Nein, im Wald ist es viel zu gefährlich für dich.“

„Aber du bist doch bei mir, um mich zu beschützen. Und außerdem bin ich mutig und stark! Schließlich bin ich jetzt ein Krähenfuß, und ...“

„Ich beschütze niemanden mehr“, sagt Primo bitter. „Und jetzt tu endlich, was ich sage, und geh nach Hause zu Mama!“

„Ja, Papa.“ Enttäuscht bleibt Nano am Ufer stehen, während Primo den Fluss durchquert.

Das kühle Wasser und der Schatten der Bäume auf der anderen Seite vertreiben die brütende Hitze, und mit ihr verschwindet auch der Zorn aus Primos Kopf. Schon nach ein paar Schritten bereut er, was er zu Kolle gesagt hat, und auch, dass er gegenüber Golina so gereizt war.

Gerade, als er umkehren will, um sich bei den beiden zu entschuldigen, hört er hinter sich ein Geräusch, das nicht von dieser Welt zu stammen scheint. Es ist der nur allzu vertraute Laut eines Endermans, der in der Oberwelt erscheint.

Das Dorf Band 10: Aufstand der Endermen

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