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Vorwort

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Die Idee, ein Buch über die Eroberung der britischen Insel durch die Angelsachsen zu schreiben, kam mir bei der Lektüre der vielen Erzählungen und Romane über den legendären König Arthus und seinen Kampf gegen die angelsächsischen Eindringlinge. In den meisten dieser Romane wird immer wieder das Bild gezeichnet, dass ich auch aus dem Geschichtsunterricht kannte und dass auch in der überlieferten Klage der Britonen an den römischen Statthalter Flavius Aetius zum Ausdruck kommt:

„Die Barbaren drängen uns ins Meer, das Meer drängt uns zu den Barbaren zurück; eine der beiden Todesarten, das Ertrinken oder das Erschlagen Werden wird uns ereilen.“

Dieser Überlieferung zufolge sollen die Britonen um das Jahr 450 herum die Angelsachsen zu Hilfe gerufen haben, weil sie diese bei ihrem Kampf gegen die in ihr Land eingefallenen Pikten und Scoten zur Unterstützung brauchten.

Warum sie ausgerechnet die Sachsen und Angeln um Hilfe baten, ob es bereits aus der Römerzeit gegenseitige Kontakte gab, ob man sich gegenseitig kannte, wird in diesen Darstellungen nicht erwähnt.

Die Angelsachsen besiegten die Pikten und Scoten, wandten ihre Waffen dann aber gegen ihre Auftraggeber und eroberten deren Land, bis auf das heutige Cornwell und Wales. Wobei sie sehr brutal vorgingen und die Britonen aus ihren Siedlungsgebieten vertrieben und nach Wales und Cornwell abdrängten. Ein Teil der Britonen wanderte daraufhin in die heutige Bretagne ab.

Ich wollte ein Buch schreiben, das die Vorgänge einmal aus der Sicht der Angelsachsen schildern sollte.

Als ich aber anfing zu recherchieren und tiefer zu graben, stieß ich auf Erstaunliches:

Britische Archäologen hatten bei Ausgrabungen alter sächsischer Siedlungen festgestellt, dass die ersten Sachsen schon erheblich früher, fast 100 Jahre früher, als bisher angenommen, nach England gekommen sein mussten.

Bei DNA-Untersuchung von Skeletten, die man in sächsischen Gräbern fand, stellte man erstaunt fest, dass es sich bei den Toten um Britonen handelte.

Bei Genuntersuchungen der britischen Bevölkerung hatte man festgestellt, dass etwa die Hälfte der Engländer angelsächsische Gene haben. Dagegen hatten stichprobenartige Vergleiche der Gene der englischen Bevölkerung mit denen der Bevölkerung Niedersachsens in Deutschland, wo die Sachsen ja hergekommen sein sollen, ergeben, dass nur ein geringer Prozentsatz der Gene der Engländer mit denen der Niedersachsen übereinstimmte.

An der herkömmlichen Sichtweise der Ereignisse von damals konnte also irgendetwas nicht stimmen.

Wenn die ersten Sachsen nicht erst um 450, sondern bereits Mitte des 4. Jahrhunderts nach Britannien gekommen waren, dann folglich zu einer Zeit, als die Römer noch in Britannien herrschten.

Sie können demnach nur als römische Soldaten oder als Föderaten nach Britannien gekommen sein.

Nun war es in der Spätantike durchaus gängige römische Praxis, in ihr Gebiet eingedrungene germanische Völker oder Gruppen, als Föderaten, also Verbündete, anzusiedeln. Dabei handelte es sich aber fast immer um ganze Völker oder große Gruppen, die geschlossen angesiedelt wurden. Von solchen Ansiedlungen der Sachsen in Britannien ist aber aus römischen Quellen nichts bekannt.

Dagegen sind solche Ansiedlungen sächsischer Gruppen aus dem Norden Galliens durch römische Quellen seit dem Ende des 3. Jahrhunderts überliefert.

Hatten sich also die Römer für Britannien etwas anderes einfallen lassen? Etwa die Ansiedlung einzelner sächsischer Krieger oder Sippen, die, umgeben von Britonen, in britonischen Siedlungen lebten und als Föderaten oder Grenztruppen Dienst taten.

Sozusagen Land gegen Kriegsdienste eingetauscht?

Wenn in sächsischen Gräbern auch britonische Skelette lagen, dann kann das nur bedeuten, dass die Britonen in manchen Gebieten die Bräuche der Sachsen angenommen hatten.

Wenn der Vergleich der Gene eine so geringe Übereinstimmung mit den Menschen in Niedersachsen ergeben hat, dann sollte man dies aber nicht überbewerten, denn auch in Niedersachsen hat es in den vergangenen eintausendfünfhundert Jahren Bevölkerungsbewegungen und Verschiebungen gegeben. Zudem könnten ganze Teilstämme der Sachsen übergesiedelt sein (z. B. die Angeln), sodass ihre Genspuren im heutigen Niedersachsen verschwunden sind.

Doch könnte das zumindest darauf hindeuten, dass die Zahl der Invasoren, im Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung, relativ gering gewesen war.

Das lässt sich noch damit erklären, dass es vorwiegend junge, abenteuerlustige Männer gewesen waren, die sich in Britannien dann oft einheimische Frauen nahmen.

Wie konnten sie aber dann ganz England erobern?

Daraus kann man nur schließen, dass die Sachsen anfangs friedlich mit den Britonen zusammengelebt haben müssen und sich bereits sehr früh große Teile der britonischen Bevölkerung mit den Neuankömmlingen verbündeten, ihre Sitten und Gebräuche annahmen, und sich mit ihnen vermischten.

Aber was veranlasste sie dazu und wie ging das vonstatten?

Die Bevölkerungszahl in Britannien gegen Ende der Römerzeit wird von Historikern auf ca. zwei Millionen Menschen geschätzt, die Zahl der angelsächsischen Einwanderer, im gesamten Einwanderungszeitraum von mehr als einhundert Jahren, auf etwa 200.000.

Die nächste Frage war, wenn denn die ersten Angelsachsen als römische Soldaten nach Britannien kamen, in welchen Einheiten die Sachsen ihren Militärdienst bei den Römern versahen, wenn sie es denn taten?

In der Notitia Dignitatum finden sich keine Hinweise auf sächsischen Truppen in Britannien.

Dagegen erwähnen andere römischen Quellen, dass die sächsischen Söldner in römischen Diensten als tapfere Soldaten und kühne Seefahrer galten.

Wenn sie als kühne Seefahrer in römischen Diensten galten, so kann dies nur bedeuten, dass sie in der römischen Marine Dienst taten.

In römischen Quellen wird die Classis Britannica, die römische Marine in Britannien, häufig erwähnt. Aber bis heute ist nicht genau geklärt, über welche Schiffseinheiten sie überhaupt verfügte und wo, in welchen Häfen und Kastellen, sie in der Spätantike stationiert war. Genauso, wie so gut wie nichts über die Soldaten dieser Marine überliefert ist.


Der generelle Aufbau der römischen Marine ist dagegen, aufgrund von historischen Berichten, einigermaßen bekannt. Auch, dass die Kampftruppen an Bord der Schiffe zwar waffentechnisch ähnlich ausgerüstet waren wie die Landtruppen, aber eine Spezialausbildung absolvieren mussten, also eine Art Marineinfanterie darstellten.

Auch der Begriff Litoris Saxonici (Sachsenküste) für die britannische Süd-und Südostküste ist zweideutig.

Er kann einerseits als „von den sächsischen Piraten heimgesuchte Küste“ gedeutet werden, andererseits aber auch als „von den Sachsen bewohnte Küste“ ausgelegt werden.

Es gibt aber nur für die nordgallische Küste römische Quellen, die von einer solchen Ansiedlung sächsischer Föderaten sprechen, nicht für die britannische.

Dafür sprechen nur die Ausgrabungen der britischen Archäologen, welche die ersten sächsischen Siedlungen sehr viel früher datieren, als bisher angenommen.

Also entschloss ich mich, die Sachsen in meinem Roman bei der römischen Marineinfanterie anzusiedeln. Ich gebe ihnen einen Status, der irgendwo zwischen den Grenztruppen, den Limitanei und den mobilen Feldtruppen, den Comitatenses, liegt.

Die Limitanei waren ortsgebundene Grenztruppen, vielfach auch vor Ort durch Heirat mit Einheimischen verwurzelt, und gingen aufgrund ihrer geringen Besoldung oft noch einer zweiten Beschäftigung nach; die meisten waren nebenher noch Bauern.

Dies würde für einen solchen Status der angeworbenen sächsischen Truppen sprechen, denn viele Historiker sind der Meinung, dass beim Abzug der römischen Armee aus Britannien nur das mobile Feldheer die Insel verließ, nicht aber die Grenztruppen.

Ich verwende bei den germanischen Namen die heute in Deutschland üblichen Formen dieser Namen, um sie für die Leser verständlicher zu machen und um Zungenbrecher beim Lesen zu vermeiden.

Vorab, und auch vor neuen Zeitabschnitten oder am Beginn neuer Bücher, habe ich für den interessierten Leser einige Informationen über die Völkerwanderung zusammengestellt. Denn gerade in der Spätantike war die Insel niemals wirklich isoliert. Bedeutende Ereignisse auf dem europäischen Festland hatten immer Auswirkungen auf die Ereignisse und das Geschehen auf der Insel.

Germanien

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