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SIEBENTES ABENTEUER – WIE GUNTHER BRUNHILDEN GEWANN

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Ihr Schifflein unterdessen · war auf dem Meer

Zur Burg heran geflossen · da sah der König hehr

Oben in den Fenstern · manche schöne Maid.

Daß er sie nicht erkannte · das war in Wahrheit ihm leid.

Er fragte Siegfrieden · den Gesellen sein:

„Hättet ihr wohl Kunde · um diese Mägdelein,

Die dort hernieder schauen · nach uns auf die Flut?

Wie ihr Herr auch heiße · so tragen sie hohen Mut.“

Da sprach der kühne Siegfried · „Nun sollt ihr heimlich spähn

Nach den Jungfrauen · und sollt mir dann gestehn,

Welche ihr nehmen wolltet · wär’ euch die Wahl verliehn.“

„Das will ich,“ sprach Gunther · dieser Ritter schnell und kühn.

„So schau’ ich ihrer eine · in jenem Fenster an,

Im schneeweißen Kleide · die ist so wohlgetan:

Die wünschen meine Augen · so schön ist sie von Leib.

Wenn ich gebieten dürfte · sie müßte werden mein Weib.“

„Dir hat recht erkoren · deiner Augen Schein:

Es ist die edle Brunhild · das schöne Mägdelein,

Nach der das Herz dir ringet · der Sinn und auch der Mut.“

All ihr Gebaren · dauchte König Gunthern gut.

Da hieß die Königstochter · von dem Fenster gehn

Die herrlichen Maide · sie sollten da nicht stehn

Zum Anblick für die Fremden · sie folgten unverwandt.

Was da die Frauen taten · das ist uns auch wohl bekannt.

Sie zierten sich entgegen · den unkunden Herrn,

Wie es immer taten · schöne Frauen gern.

Dann an die engen Fenster · traten sie heran,

Wo sie die Helden sahen · das ward aus Neugier getan.

Nur ihrer Viere waren · die kamen in das Land.

Siegfried der kühne · ein Roß zog auf den Strand.

Das sahen durch die Fenster · die schönen Frauen an:

Große Ehre dauchte · sich König Gunther getan.

Er hielt ihm bei dem Zaume · das zierliche Roß,

Das war gut und stattlich · stark dazu und groß,

Bis der König Gunther · fest im Sattel saß.

Also dient’ ihm Siegfried · was er hernach doch ganz vergaß.

Dann zog er auch das seine · aus dem Schiff heran:

Er hatte solche Dienste · gar selten sonst getan,

Daß er am Steigreif Helden · je gestanden war’.

Das sahen durch die Fenster · diese schönen Frauen hehr.

Es war in gleicher Weise · den Helden allbereit

Von schneeblanker Farbe · das Roß und auch das Kleid,

Dem einem wie dem andern · und schön der Schilde Rand:

Die warfen hellen Schimmer · an der edeln Recken Hand.

Ihre Sättel wohlgesteinet · die Brustriemen schmal:

So ritten sie herrlich · vor Brunhildens Saal;

Daran hingen Schellen · von lichtem Golde rot.

Sie kamen zu dem Lande · wie ihr Hochsinn gebot,

Mit Speeren neu geschliffen · mit wohlgeschaffnem Schwert,

Das bis auf die Sporen · ging den Helden wert.

Die Wohlgemuten führten · es scharf genug und breit.

Das alles sah Brunhild · diese herrliche Maid.

Mit ihnen kam auch Dankwart · und sein Bruder Hagen:

Diese beiden trugen · wie wir hören sagen,

Von rabenschwarzer Farbe · reichgewirktes Kleid;

Neu waren ihre Schilde · gut, dazu auch lang und breit.

Von India dem Lande · trugen sie Gestein,

Das warf an ihrem Kleide · auf und ab den Schein.

Sie ließen unbehütet · das Schifflein bei der Flut;

So ritten nach der Feste · diese Helden kühn und gut.

Sechsundachtzig Türme · sahn sie drin zumal,

Drei weite Pfalzen · und einen schönen Saal

Von edelm Marmelsteine · so grün wie das Gras,

Darin Brunhild selber · mit ihrem Ingesinde saß.

Die Burg war erschlossen · und weithin auf getan,

Brunhildes Mannen · liefen alsbald heran

Und empfingen die Gäste · in ihrer Herrin Land.

Die Rosse nahm man ihnen · und die Schilde von der Hand.

Da sprach der Kämmrer einer · „Gebt uns euer Schwert

Und die lichten Panzer“ · „Das wird euch nicht gewährt,“

Sprach Hagen von Tronje · „wir wollen’s selber tragen.“

Da begann ihm Siegfried · rechten Bescheid davon zu sagen:

„In dieser Burg ist Sitte · das will ich euch sagen,

Keine Waffen dürfen · da die Gäste tragen:

Laßt sie von hinnen bringen · das ist wohlgetan.“

Ihm folgte wider Willen · Hagen, König Gunthers Mann.

Man ließ den Gästen schenken · und schaffen gute Ruh.

Manchen schnellen Recken · sah man dem Hofe zu

Allenthalben eilen · in fürstlichem Gewand;

Doch wurden nach den Kühnen · ringsher die Blicke gesandt.

Nun wurden auch Brunhilden · gesagt die Mären,

Daß unbekannte Recken · gekommen wären

In herrlichem Gewande · geflossen auf der Flut.

Da begann zu fragen · diese Jungfrau schön und gut:

„Ihr sollt mich hören lassen“ · sprach das Mägdelein,

„Wer die unbekannten · Recken mögen sein,

Die ich dort stehen sehe · in meiner Burg so hehr,

Und wem zulieb die Helden · wohl gefahren sind hieher.“

Des Gesindes sprach da einer · „Frau, ich muß gestehn,

Daß ich ihrer keinen · je zuvor gesehn;

Doch einer steht darunter · der Siegfrieds Weise hat:

Den sollt ihr wohl empfangen · das ist in Treuen mein Rat.

Der andere der Gesellen · gar löblich dünkt er mich;

Wenn er die Macht besäße · zum König ziemt’ er sich

Ob weiten Fürstenlanden · sollt er die versehn.

Man sieht ihn bei den andern · so recht herrlich da stehn.

„Der dritte der Gesellen · der hat gar herben Sinn,

Doch schönen Wuchs nicht minder · reiche Königin.

Die Blicke sind gewaltig · deren so viel er tut:

Er trägt in seinem Sinne · wähn’ ich, grimmigen Mut.

„Der jüngste darunter · gar löblich dünkt er mich:

Man sieht den reichen Degen · so recht minniglich

In jungfräulicher Sitte · und edler Haltung stehn:

Wir müßten’s alle fürchten · wär’ ihm ein Leid hier geschehn,

„So freundlich er gebare · so wohlgetan sein Leib,

Er brächte doch zum Weinen · manch waidliches Weib,

Wenn er zürnen sollte · sein Wuchs ist wohl so gut,

Er ist an allen Tugenden · ein Degen kühn und wohlgemut.“

Da sprach die Königstochter · „Nun bringt mir mein Gewand:

Und ist der starke Siegfried · gekommen in mein Land

Um meiner Minne willen · es geht ihm an den Leib:

Ich fürcht’ ihn nicht so heftig · daß ich würde sein Weib.“

Brunhild die schöne · trug bald erlesen Kleid.

Auch gab ihr Geleite · manche schöne Maid,

Wohl hundert oder drüber · sie all in reicher Zien

Die Gäste kam zu schauen · manches edle Weib mit ihr.

Mit ihnen gingen Degen · da aus Island,

Brunhildens Recken · die Schwerter in der Hand,

Fünfhundert oder drüber · das war den Gästen leid.

Aufstanden von den Sitzen · die kühnen Helden allbereit.

Als die Königstochter · Siegfrieden sah,

Nun höret, wie die Jungfrau · zu ihm redet’ da:

„Seid willkommen, Siegfried · hier in diesem Land.

Was meint eure Reise? · das macht mir, bitt’ ich, bekannt.“

„Viel Dank muß ich euch sagen · Frau Brunhild,

Daß ihr mich geruht zu grüßen · Fürstentochter mild,

Vor diesem edlen Recken · der hier vor mir steht:

Denn der ist mein Lehnsherr · der Ehre Siegfried wohl enträt.

„Er ist geboren vom Rheine · was soll ich sagen mehr?

Dir nur zuliebe · fuhren wir hieher.

Er will dich gerne minnen · was ihm geschehen mag.

Nun bedenke dich bei Zeiten · mein Herr läßt nimmermehr nach.

„Er ist geheißen Gunther · ein König reich und hehr.

Erwirbt er deine Minne · nicht mehr ist sein Begehr.

Er gebot mir, herzufahren · mit ihm, meinem Herrn.

Hätt’ ich’s ihm weigern können · ich unterließ die Reise gern.“

Sie sprach: „Wenn er dein Herr ist · und du in seinem Lehn,

Wagt er, die ich erteile · meine Spiele zu bestehn

Und bleibt darin der Meister · so werd’ ich sein Weib;

Doch ist’s, daß ich gewinne · es geht euch allen an den Leib.“

Da sprach von Tronje Hagen · „So zeigt uns, Königin,

Eure starken Spiele · Eh’ euch den Gewinn

Mein Herr Gunther ließe · so müßt’ es übel sein:

Er mag wohl noch erwerben · ein so schönes Mägdelein.“

„Den Stein soll er werfen · und springen darnach,

Den Speer mit mir schießen · drum sei euch nicht zu jach.

Ihr verliert hier mit der Ehre · Leben leicht und Leib:

Drum mögt ihr euch bedenken“ · sprach das minnigliche Weib.

Siegfried der schnelle · ging zu dem König hin

Und bat ihn, frei zu reden · mit der Königin

Ganz nach seinem Willen · angstlos soll’ er sein!

„Ich will dich wohl behüten · vor ihr mit den Listen mein.“

Da sprach der König Gunther · „Königstochter hehr,

Erteilt mir, was ihr wollet · und war’ es auch noch mehr,

Euer Schönheit willen · bestund’ ich alles gern.

Mein Haupt will ich verlieren · gewinnt ihr mich nicht zum Herrn.“

Als da seine Rede · vernahm die Königin,

Bat sie, wie ihr ziemte · das Spiel nicht zu verziehn.

Sie ließ sich zum Streite · bringen ihr Gewand,

Einen goldnen Panzer · und einen guten Schildesrand.

Ein seiden Waffenhemde · zog sich an die Maid,

Daß ihr keine Waffe · verletzen könnt’ im Streit,

Von Zeugen wohlgeschaffen · aus Libya dem Land:

Lichtgewirkte Borten · erglänzten rings an dem Rand.

Derweil hat ihr Übermut · den Gästen schwer gedräut.

Dankwart und Hagen · die standen unerfreut.

Wie es dem Herrn erginge · sorgte sehr ihr Mut.

Sie dachten: „Unsre Reise · bekommt uns Recken nicht gut.“

Derweilen ging Siegfried · der waidliche Mann,

Eh’ es wer bemerkte · an das Schiff heran,

Wo er die Tarnkappe · verborgen liegen fand,

In die er hurtig schlüpfte · da war er niemand bekannt.

Er eilte bald zurücke · und fand hier Recken viel:

Die Königin erteilte · da ihr hohes Spiel.

Da ging er hin verstohlen · (durch Zauber dies geschah),

Von allen, die da waren · ihn nicht einer ersah.

Es war ein Kreis gezogen · wo das Spiel geschehn

Vor kühnen Recken sollte · die es wollten sehn.

Mehr denn siebenhundert · sah man Waffen tragen:

Wer das Spiel gewänne · das sollten diese Helden sagen.

Da war gekommen Brunhild · die man gewaffnet fand,

Als ob sie streiten wolle · um aller Kön’ge Land.

Wohl trug sie auf der Seide · viel Golddrähte fein;

Ihre minnigliche Farbe · gab darunter holden Schein.

Nun kam ihr Gesinde · das trug herbei zuhand

Aus allrotem Golde · einen Schildesrand

Mit hartem Stahlbeschlage · mächtig groß und breit,

Worunter spielen wollte · diese minnigliche Maid.

An einer edlen Borte · ward der Schild getragen,

Auf der Edelsteine · grasgrüne, lagen;

Die tauschten mannigfaltig · Gefunkel mit dem Gold.

Er bedurfte großer Kühnheit · dem die Jungfrau wurde hold.

Der Schild war untern Buckeln · so ward uns gesagt,

Von dreier Spannen Dicke · den trug hernach die Magd.

An Stahl und auch an Golde · war er reich genug,

Den ihrer Kämmrer einer · selbvierter nur mit Mühe trug.

Als der starke Hagen · den Schild hertragen sah,

In grimmigem Mute · sprach der Tronjer da:

„Wie nun, König Gunther? · An Leben geht’s und Leib:

Die ihr begehrt zu minnen · die ist ein teuflisches Weib.“

Hört noch von ihren Kleidern · deren hatte sie genug.

Von Azagauger Seide · einen Wappenrock sie trug,

Der kostbar war und edel · daran warf hellen Schein

Von der Königstochter · gar mancher herrliche Stein.

Da brachten sie der Frauen · mächtig und breit

Einen scharfen Wurfspieß · den verschoß sie allezeit,

Stark und ungefüge · groß dazu und schwer.

An seinen beiden Seiten · schnitt gar grimmig der Speer.

Von des Spießes Schwere · höret Wunder sagen:

Wohl hundert Pfund Eisen · war dazu verschlagen.

Ihn trugen mühsam Dreie · von Brunhildens Heer;

Gunther der edle · rang mit Sorgen da schwer.

Er dacht’ in seinem Sinne · „Was soll das sein hier?

Der Teufel aus der Hölle · wie schützt er sich vor ihr?

War’ ich mit meinem Leben · wieder an dem Rhein,

Sie dürfte hier wohl lange · meiner Minne ledig sein.“

Da sprach Hagens Bruder · der kühne Dankwart:

„Mich reut in der Seele · her zu Hof die Fahrt.

Nun hießen wir einst Recken · wie verlieren wir den Leib,

Soll uns in diesem Lande · nun verderben ein Weib?

„Des muß mich sehr verdrießen · daß ich kam in dieses Land.

Hätte mein Bruder Hagen · sein Schwert an der Hand

Und auch ich das meine · so sollten sachte gehn

Mit ihrem Übermute · die in Brunhildens Lehn.

„Sie sollten sich bescheiden · das glaubet mir nur.

Hätt’ ich den Frieden tausendmal · bestärkt mit einem Schwur,

Bevor ich sterben sähe · den lieben Herren mein,

Das Leben müßte lassen · dieses schöne Mägdelein.“

„Wir möchten ungefangen · wohl räumen dieses Land,“

Sprach sein Bruder Hagen · „hätten wir das Gewand,

Des wir zum Streit bedürfen · und die Schwerter gut,

So sollte sich wohl sänften · der schönen Fraue Übermut.“

Wohl hörte, was er sagte · die Fraue wohlgetan;

Über die Achsel · sah sie ihn lächelnd an.

„Nun er so kühn sich dünket · so bringt doch ihr Gewand,

Ihre scharfen Waffen · gebt den Helden an die Hand.“

Als man die Waffen brachte · wie die Maid gebot,

Dankwart der kühne · ward vor Freuden rot.

„Nun spielt, was ihr wollet“ · sprach der Degen wert,

„Gunther ist unbezwungen · wir haben wieder unser Schwer.“

Brunhildens Stärke · zeigte sich nicht klein:

Man trug ihr zu dem Kreise · einen schweren Stein,

Groß und ungefüge · rund dabei und breit.

Ihn trugen kaum zwölfe · dieser Degen kühn im Streit.

Den warf sie allerwegen · wie sie den Speer verschoß.

Darüber war die Sorge · der Burgunden groß.

„Wen will der König werben?“ · sprach da Hagen laut:

„Wär’ sie in der Hölle · doch des Übeln Teufels Braut!“

An ihre weißen Arme · sie die Ärmel wand,

Sie schickte sich und faßte · den Schild an die Hand,

Sie schwang den Spieß zur Höhe · das war des Kampfs Beginn.

Gunther und Siegfried bangten · vor Brunhildens grimmem Sinn.

Und wär’ ihm da Siegfried · zu Hilfe nicht gekommen,

So hätte sie dem König · das Leben wohl benommen.

Er trat hinzu verstohlen · und rührte seine Hand;

Gunther seine Künste · mit großen Sorgen befand.

„Wer war’s, der mich berührte?“ · dachte der kühne Mann,

Und wie er um sich blickte · da traf er niemand an.

Er sprach: „Ich bin es, Siegfried · der Geselle dein:

Du sollst ganz ohne Sorge · vor der Königin sein.

„Den Schild gieb aus den Händen · und laß mich ihn tragen

Und behalt’ im Sinne · was du mich hörest sagen:

Du habe die Gebärde · ich will das Werk begehn.“

Als er ihn erkannte · da war ihm Liebes geschehn.

„Verhehl’ auch meine Künste · die darfst du niemand sagen:

So mag die Königstochter · schwerlich viel erjagen

An dir etwelches Ruhmes · wie sie gesonnen ist:

Nun sieh doch, welcher Kühnheit · sie wider dich sich vermißt.“

Da schoß mit ganzen Kräften · die herrliche Maid

Den Speer nach einem neuen Schild · mächtig und breit;

Den trug an der Linken · Sieglindens Kind.

Das Feuer sprang vom Stahle · als ob es wehte der Wind.

Des starken Spießes Schneide · den Schild ganz durchdrang,

Daß das Feuer lohend · aus den Ringen sprang.

Von dem Schusse fielen · die kraftvollen Degen:

War nicht die Tarnkappe · sie wären beide da erlegen.

Siegfried dem kühnen · vom Munde brach das Blut.

Bald sprang er auf die Füße · da nahm der Degen gut

Den Speer, den sie geschossen · ihm hatte durch den Rand:

Den warf ihr jetzt zurücke · Siegfried mit kraftvoller Hand.

Er dacht’: „Ich will nicht schießen · das Mägdlein wonniglich.“

Des Spießes Schneide kehrt’ er · hinter den Rücken sich;

Mit der Speerstange · schoß er auf ihr Gewand,

Daß es laut erhallte · von seiner kraftreichen Hand.

Das Feuer stob vom Panzer · als trieb’ es der Wind.

Es hatte wohl geschossen · der Sieglinde Kind:

Sie vermochte mit den Kräften · dem Schusse nicht zu stehn;

Das war’ von König Gunthern · in Wahrheit nimmer geschehn.

Brunhild die schöne · bald auf die Füße sprang:

„Gunther, edler Ritter · des Schusses habe Dank!“

Sie wähnt’, er hätt’ es selber · mit seiner Kraft getan;

Nein, zu Boden warf sie · ein viel stärkerer Mann.

Da ging sie hin geschwinde · zornig war ihr Mut,

Den Stein hoch erhub sie · die edle Jungfrau gut;

Sie schwang ihn mit Kräften · weithin von der Hand,

Dann sprang sie nach dem Wurfe · daß laut erklang ihr Gewand.

Der Stein fiel zu Boden · von ihr zwölf Klafter weit:

Den Wurf überholte · im Sprung die edle Maid.

Hin ging der schnelle Siegfried · wo der Stein nun lag:

Gunther mußt’ ihn wägen · des Wurfs der Held selber pflag.

Siegfried war kräftig · kühn und auch lang;

Den Stein warf er ferner · dazu er weiter sprang.

Ein großes Wunder war es · und künstlich genug,

Daß er in dem Sprunge · den König Gunther noch trug.

Der Sprung war ergangen · am Boden lag der Stein:

Gunther war’s, der Degen · den man sah allein.

Brunhild die schöne · ward vor Zorne rot;

Gewendet hatte Siegfried · dem König Gunther den Tod.

Zu ihrem Ingesinde · sprach die Königin da,

Als sie gesund den Helden · an des Kreises Ende sah:

„Ihr, meine Freund’ und Mannen · tretet gleich heran:

Ihr sollt dem König Gunther · alle werden untenan.“

Da legten die Kühnen · die Waffen von der Hand

Und boten sich zu Füßen · von Burgundenland

Gunther dein reichen · so mancher kühne Mann:

Sie wähnten, die Spiele · hätt’ er mit eigner Kraft getan.

Er grüßte sie gar minniglich · wohl trug er höf’schen Sinn.

Da nahm ihn bei der Rechten · die schöne Königin:

Sie erlaubt’ ihm, zu gebieten · in ihrem ganzen Land.

Des freute sich da Hagen · der Degen kühn und gewandt.

Sie bat den edeln Ritter · mit ihr zurück zu gehn

Zu dem weiten Saale · als dies war geschehn,

Begrüßte man die Recken · erst recht ehrenvoll.

Dankwart und Hagen · nahmen’s hin ohne Groll.

Siegfried der schnelle · war wohl schlau genug,

Daß er die Tarnkappe · aufzubewahren trug.

Dann ging er zu dem Saale · wo manche Fraue saß;

Er sprach zu dem König · gar listiglich tat er das:

„Was säumt ihr, Herr König · und beginnt die Spiele nicht,

Die euch aufzugeben · die Königin verspricht?

Laßt uns doch bald erschauen · wie es damit bestellt.“

Als wüßt’ er nichts von allem · so tat der listige Held.

Da sprach die Königstochter · „Wie konnte das geschehn,

Daß ihr nicht die Spiele · Herr Siegfried, habt gesehn,

Worin hier Sieg errungen · hat König Gunthers Hand?“

Zur Antwort gab ihr Hagen · aus der Burgunden Land:

Er sprach: „Da habt ihr, Königin · uns betrübt den Mut:

Da war bei dem Schiffe · Siegfried der Degen gut,

Als der Vogt vom Rheine · das Spiel euch abgewann;

Drum ist es ihm unkundig“ · sprach da Gunthers Untertan.

„Nun wohl mir dieser Märe“ · sprach Siegfried der Held,

„Daß hier eure Hochfahrt · also ward gefällt,

Und jemand lebt, der euer · Meister möge sein.

Nun sollt ihr, edle Jungfrau · uns hinnen folgen an den Rhein.“

Da sprach die Wohlgetane · „Das mag noch nicht geschehn.

Erst frag’ ich meine Vettern · und die in meinem Lehn.

Ich darf ja nicht so leichthin · räumen dies mein Land:

Meine höchsten Freunde · die werden erst noch besandt.“

Da ließ sie ihre Boten · nach allen Seiten gehn:

Sie besandte ihre Freunde · und die in ihrem Lehn,

Daß sie zum Isensteine · kämen unverwandt;

Einem jeden ließ sie geben · reiches, herrliches Gewand.

Da ritten alle Tage · beides, spat und früh,

Der Feste Brunhildens · die Recken scharweis zu.

„Nun ja doch,“ sprach da Hagen · „was haben wir getan!

Wir erwarten uns zum Schaden · hier die Brunhild untenan.

„Wenn sie mit ihren Kräften · kommen in dies Land,

Der Königin Gedanken · die sind uns unbekannt:

Wie, wenn sie uns zürnte? · so wären wir verloren,

Und wär’ uns das edle Mägdlein · zu großen Sorgen geboren!“

Da sprach der starke Siegfried · „Dem will ich widerstehn.

Was euch da Sorge schaffet · das lass’ ich nicht geschehn.

Ich will euch Hilfe bringen · her in dieses Land

Durch auserwählte Degen · die sind euch noch unbekannt.

„Ihr sollt nach mir nicht fragen · ich will von hinnen fahren;

Gott möge eure Ehre · derweil wohl bewahren.

Ich komme bald zurücke · und bring euch tausend Mann

Der allerbesten Degen · deren ich Kunde je gewann.“

„So bleibt nur nicht zu lange“ · der König sprach da so,

„Wir sind eurer Hilfe · nicht unbillig froh.“

Er sprach: „Ich komme wieder · gewiß in wenig Tagen.

Ihr hättet mich versendet · sollt ihr der Königin sagen.“

Das Nibelungenlied

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