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Drogen

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Die überall und immer präsente Alltags- und Zivilisationsdroge der Alten Welt war der Wein. Es gab, was seinen Konsum anging, keine gesetzlichen Verbote oder Restriktionen, also z.B. keinen entsprechenden Jugendschutz. Auch Jugendliche durften Wein trinken. Bei Kindern achtete man darauf, dass sie nicht zu viel tranken, aber ein Gläschen ließ man sie gelegentlich schon mittrinken.

Die einzige Ausnahme zu diesem bemerkenswert liberalen Umgang mit der Droge Wein betraf Frauen. Zu Zeiten der römischen Republik galt wohl ein offizielles, wenngleich nicht gesetzlich verankertes Weintrinkverbot für Frauen. Überwacht wurde es von den männlichen Verwandten, besonders vom Hausvater. Es gibt zwar Berichte über strenge Bestrafungen von Matronen, die sich über das Verbot hinweggesetzt hatten – angeblich bis hin zum erzwungenen Hungertod (Plin. NH XIV 89) –, aber in vielen Familien dürfte das Verbot gar nicht beachtet worden sein. In der Kaiserzeit jedenfalls war es de facto abgeschafft. „Frauen trinken ebenso viel wie die Männer“, stellt Seneca etwas säuerlich fest (ep. 95, 20) und übertreibt damit vermutlich kräftig. Aber grundsätzlich fiel es wohl keinem männlichen Verwandten mehr ein, einer Frau seiner Familie nur deshalb einen Kuss zu geben, um die Einhaltung des Weinverbots zu überprüfen.

Manche Menschen tranken schon zum Frühstück Wein, allerdings stark verdünnten. Der Wein wurde zu allen Gelegenheiten mindestens zur Hälfte mit Wasser gemischt. merum, „ungemischten Wein“, zu trinken galt als barbarisch oder als verräterisches Indiz für einen „Säufer“. Allerdings hatte es der römische Wein auch in sich: Weil die Gärung nicht unterbrochen wurde, erreichte er bis zu 16 und mehr Prozent Alkoholanteil.

Man schätzt, dass erwachsene Männer im Durchschnitt 0,8 bis 1,0 l Wein pro Tag getrunken haben, und zwar ohne den „fälligen“ Wasseranteil gerechnet. Das ist eine ganze Menge und wirft die Frage auf, wie verantwortungsvoll die Römer mit dieser Droge umgegangen sind. Die Antwort ist keineswegs alarmierend: Die meisten Menschen hatten ihren Weinkonsum im Griff. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass viele Betrunkene die Straßen römischer Städte bevölkert hätten. Gewiss, da waren vor allem nachts immer mal wieder torkelnde Gestalten oder aggressiv grölende Betrunkene zu sehen, die nach ausgedehntem Kneipenbesuch oder feucht-fröhlichen Trinkgelagen, wie sie in den Häusern der Oberschicht üblich waren, Mühe hatten, sich auf den Beinen zu halten. Aber sie waren die Ausnahmen. Der normale Römer genoss die aufheiternde, entspannende Wirkung des Weins – der Weingott trug u.a. den Beinamen Lyaeus, „der (Sorgen-)Löser“ –, aber sie tranken nicht bis zum Rausch. Der war gesellschaftlich nicht grundsätzlich verpönt, aber man sah schon, dass zu häufige ebrietas, „Trunkenheit“, in eine gefährliche Suchtabhängigkeit münden konnte. Die hieß auf Lateinisch ebriositas, „Alkoholismus“, und führte zu Missbilligung und Ausgrenzung.


Politiker, die als „Saufköppe“ aufgefallen waren, mussten sich auch in der Öffentlichkeit manches wenig Schmeichelhafte anhören. Die römische Geschichte kennt zwar einige prominente „Säufer“, aber im Ganzen ist ihre Zahl erstaunlich gering, wenn man sie an der Bedeutung des Weins als Grundnahrungsmittel und Alltagsdroge misst.

Was die Ärzte „Alkoholabusus“ und „Missbrauch“ nennen und was heutzutage umgangssprachlich als „Komasaufen“ bezeichnet wird, kam im Einzelfall durchaus vor. Etliche comissationes, „Trinkabende“, rutschten zu regelrechten Besäufnissen ab. Doch verstellt mancher „Sandalenfilm“, der solche Exzesse möglichst noch in Verbindung mit sexuellen Entgleisungen zur „Römerorgie“ stilisiert, den Blick auf die Normalität (auch der Trinkabende). Die war im wahrsten Sinne des Wortes deutlich nüchterner.

Mit einer Ausnahme: An den Saturnalien, dem bedeutendsten römischen Fest im Dezember mit seinen ausgelassenen, karnevalesken Zügen, trank fast jeder über den Durst. Das waren „tolle Tage“, an denen derjenige auffiel, der keinen Rausch hatte – so der Dichter Horaz augenzwinkernd (sat. II 3, 5). Sein Dichter-Kollege Martial ergänzt: Das seien ja die madidi dies, die „feuchten Tage“ (XIV 1, 9). Wobei das „Feuchte“ durchaus auf den hohen Weinkonsum an diesen Dezembertagen zielt. Höherprozentiges ist damit allerdings nicht gemeint –Schnaps und andere Spirituosen kannten die Römer nicht.

Die zweite Substanz, die nach heutigem Sprachgebrauch als Droge in der römischen Welt Verwendung fand, war das Opium. Es wurde jedoch eher als Medikament und medizinisches Narkotikum eingesetzt, denn als Rauschgift im modernen Sinn konsumiert. Weder der Anbau des Schlafmohns, aus dem das Opium gewonnen wird, noch der Besitz der Droge waren strafbar. Trotzdem scheint es so gut wie keine „Junkies“ oder gar Drogentote gegeben zu haben (sieht man einmal von ärztlichen Kunstfehlern und anderen Überdosierungen ab).

opium ist ein lateinisches Wort, das erstmals beim Älteren Plinius im 1. Jh. n. Chr. belegt ist. Es ist von griechisch opós, „Saft“, abgeleitet und bezeichnet die Milch, die aus der aufgeschnittenen Fruchtkapsel des Schlafmohns läuft. Ihre narkotische Wirkung war stark; bei der Dosis müsse man genau hinsehen, mahnt Plinius: „Es hat eine Schlaf erregende Wirkung, aber es führt auch, nimmt man zu viel davon, zum Tode“ (NH XX 199). Entsprechend dieser Wirkung verabreichten die Ärzte das Opium bei Schlafstörungen; auch bei schmerzhaften Operationen erhielt der Patient ein oder zwei Opiumkügelchen als Betäubung. In geringerer Konzentration wurde Opium auch anderen Medikamenten beigemischt und zur Linderung vieler Krankheiten verwendet. Obwohl es nicht besonders teuer war, lohnte es sich für skrupellose Fälscher aber doch, es mit anderen Säften zu „strecken“. Falsche Arzneien waren schon in der Römerzeit eine Gefahr für Patient und Arzt. Erfahrene Mediziner und Händler verstanden sich allerdings darauf, echtes von „gefaktem“ Opium zu unterscheiden.

Opium war eines (von 64!) Bestandteilen des theriac, das in manchen Medizinerkreisen als wahres Wundermittel gehandelt wurde. Das war ein „Gebräu“, das Neros Leibarzt Andromachos kreiert hatte. Es sollte primär der Immunisierung des Kaisers gegen Giftmordattentate dienen, entwickelte sich aber, als die Rezeptur bekannt wurde, wohl zu einer Art Modepräparat, zu dem Prominente auch bei „anderen“ Indikationen griffen. Vom Kaiser Marc Aurel (168–181) ist bekannt, dass er täglich etwas theriac nahm. Als er den Mohnsaft eine Zeit lang aus der Mixtur wegnehmen ließ, weil er ihn müde machte, wurde er von schlimmer Schlaflosigkeit heimgesucht. Erst als er wieder zur ursprünglichen Mixtur griff, wurde er ruhiger und fand wieder in den Schlaf (Galen. XIV 4; Dio Cass. LXXI 6, 3f.). Aus diesen wenigen Notizen hat man auf eine Opiumsucht bei dem Kaiser schließen wollen – eine These, die jedoch von den meisten Historikern zurückgewiesen wird. Und das offenkundig nicht nur deshalb, weil man sich von der schönen Vorstellung vom „Philosophen auf dem Kaiserthron“ nicht unbedingt zugunsten der deutlich weniger schönen vom „Junkie auf dem Kaiserthron“ verabschieden möchte.

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