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Fasten
ОглавлениеZur Zeit des Älteren Plinius (1. Jh. n. Chr.) gab es in Rom offenbar Modeärzte, die ihren Patienten strenge Fastenkuren verordneten. So lässt sich jedenfalls die Polemik deuten, mit der der Naturforscher den berühmten Arzt Hippokrates mit seiner Gerstengrütze-Diät von aus seiner Sicht windigen Kollegen abgrenzt, „deren Heilkunst im Hungern besteht“ (NH XXII 136). Ein bisschen unrecht tut er den verspotteten Medizinern damit schon. Denn auch in der hippokratischen Tradition stand die Fastendiät als Heilmittel gegen bestimmte entzündliche Erkrankungen durchaus auf dem medizinischen Speiseplan. Kuren mit mehreren „Hungertagen“ im Sinne deutlicher Kalorienreduktion waren in der wissenschaftlichen griechischen Medizin nichts Außergewöhnliches, ohne dass sie dort eine prominente Rolle gespielt hätten.
Auch die traditionelle römische Hausväter-Medizin, bei der die Grenzziehung zur Magie und zum Aberglauben nicht immer leichtfällt, sah für das Sammeln (!), Verabreichen und Einnehmen mancher Arzneien einen „Arzt“ und/oder Patienten vor, der eine Zeit lang gefastet hatte – selbst wenn es sich im Einzelfall um einen tierischen Patienten handelte. Der Alte Cato verordnet einem kranken Rindvieh einen Medizincocktail aus geriebenem Lauch und Wein. Dessen Wirksamkeit sei aber daran gebunden, schärft er dem Benutzer seines landwirtschaftlichen Lehrbuches ein, dass der Bauer „es mit leerem Magen dem Rind mit ebenfalls leerem Magen verabreicht“ (r.r.71). Na ja.
Wie lange das Fastengebot bei dieser etwas skurrilen Remedur galt, ist nicht überliefert. Andere Anlässe zu fasten ergaben sich vornehmlich aus religiösen Vorschriften. Die altrömische Religion kannte ein solches Fastengebot aber nur im Ceres-Kult. Das ieiunium Cereris, „Fastenfest für Ceres“, fand alle fünf Jahre am 4. Oktober statt (Liv. XXXVI 37, 4). Obwohl nur der Verzehr von Brot an diesem einen Tage tabu war, gab es wohl genügend Menschen, die sich gar nicht darum scherten (Petr. 44, 16). Rigidere Fastenvorschriften galten nur für die Eingeweihten einiger Mysterienreligionen. Die Demeter-Ceres-Feiern Ende Juni verlangten von ihren Anhängerinnen neun Tage Enthaltsamkeit von Brot, Wein und Sex (Ov. Met. X 431ff.; am. III 10, 1f.). Für die Mysten der Kybele galt eine ebenfalls neuntägige Fastenperiode, in der sie kein Brot, keine Getreideprodukte, keinen Fisch und kein Schweinefleisch essen und möglicherweise auch keinen Wein trinken durften (Jul. or. 5, 16f.). Vor der Aufnahme in den Isis-Kult mussten Aspiranten sich zehn Tage lang des Fleisch- und Weingenusses enthalten (Apul. XI 23). Am konsequentesten verfuhren viele Christen, die regelmäßige Fastentage und auch längere Fastenzeiten zu bestimmten Anlässen und Terminen einlegten. Auch dieses Fasten gehört in der Systematik der Antike in den Bereich der Mysterienkulte, die reine Privatsache waren.
Wenn jemand – wie die (fiktive) Witwe von Ephesos (Petr. 111f.) – aus Trauer tagelang nichts zu sich nahm, so entsprach das seiner psychischen Verfassung, nicht aber einem allgemeinen Fastengebot. Viele Befürworter hatte das Fasten in der Antike nicht. Im Rahmen einer allgemeinen Verpflichtung des stoischen Weisen zu maßvoller und einfacher Lebensführung mahnte die Stoa zu Askese-Übungen von Zeit zu Zeit, die auch eine Fastenaktivität einschließen konnten. Und ihre radikaleren Brüder im Geiste, die Kyniker, setzten konsequent auf die Bedürfnislosigkeit. Sie wollten sich in der Schlichtheit ihres Lebenswandels und der radikalen Reduktion leiblicher Genüsse von niemandem übertreffen lassen. Sich von nichts und niemandem abhängig zu machen, hieß eben auch mitunter, einen knurrenden Magen zu ertragen. Bewusstes Fasten sieht allerdings anders aus, fand aber, wie gesagt, nur wenige Anhänger. So ganz verwunderlich ist das nicht: Die meisten Menschen waren froh, wenn sie nicht aus Not gezwungen waren zu hungern.