Читать книгу Wicherns Genossen der Barmherzigkeit – Diakone des Rauhen Hauses - Karlheinz Franke - Страница 5
Christoph Friedrich Götzky, ein Zeitgenosse Johann Hinrich Wicherns
ОглавлениеChristoph Friedrich Götzky – geboren am 6.1104.1822 – Einritt am 24.11.1845 – Einsegnung am 13.10.1847 – verstorben am28.03.1894
Im Internet: http://rauhes-haus-diakon.npage.de/goetzky-christoph-friedrich.html
https://sites.google.com/site/rauheshausdiakone/goetzky-christoph-friedrich
http://rauheshausbruder.klack.org/seite8.html
Diakon Christoph Bretschneider recherchierte aus dem Briefwechsel zwischen seinem Urgroßvater Christoph Friedrich Götzky und Johann Hinrich Wichern dieses Lebensportrait:
Christoph Friedrich Götzky wurde am 6. November 1822 in Braunschweig geboren und römisch-katholisch getauft. Er hatte den Beruf des Buchbinders erlernt. Seine Mutter hatte ihn vom Militärdienst freigekauft. Im Spätsommer 1844 begab er sich von Braunschweig aus auf eine Wanderschaft gen Norden. Sein Ziel war Schweden. Wohl, um seine Reisekasse aufzubessern, nahm er in Horn bei Hamburg eine Arbeit an. Der Buchbindermeister August Sandelmann im Rauhen Hause suchte gerade eine Hilfskraft. Druckerei und Buchbinderei des Rauhen Hauses verzeichneten seit der Herausgabe der „Fliegenden Blätter“, dem Mitteilungsblatt des Rauhen Hauses, einen derartigen Aufschwung, dass im Sommer 1844 mit einem Neubau für die Erweiterung der Buchbinderei begonnen wurde. Das Richtfest am 22. August wird Christoph Friedrich Götzky nicht mitgefeiert haben, wohl aber die Fertigstellung des Neubaus.
Von Wicherns Arbeit mit den Kindern war Götzky bald so angetan, dass er beschloss, Gehilfe in der eigentlichen Arbeit des Rauhen Hauses bei Wichern zu werden. Nach gut einjähriger Tätigkeit in der Buchbinderei wurde er, inzwischen zum evangelischen Glauben konvertiert, am 24. November 1845 als Bruder in das Gehilfeninstitut aufgenommen.
Er war im Haus „Bienenkorb“ in der Jungenbetreuung tätig.
Während seiner Reise durch den Norden Deutschlands handelte Johann Hinrich Wichern in Brüssow mit dem zuständigen Komitee aus, ein zu gründendes „Rettungshaus“ mit einem Bruder aus dem Rauhen Hause zu besetzen.
Am 23. Oktober 1847 trat C. F. Götzky die 14tägige Reise nach Brüssow in der Uckermark, westlich von Stettin, an. Sie führte zu Fuß, mit Pferdeomnibussen und mit der Eisenbahn über Bremen, Celle, Braunschweig, wo er seine Angehörigen besuchte, weiter über Berlin nach Brüssow. Dort fand er ein leeres Haus vor. Nur ein Bett war vorhanden. In dem Superintendenten Hohlfeld und seiner Frau fand er Menschen, die ihm in der ersten Zeit mit Rat und Tat zur Seite standen.
Es mag nicht einfach gewesen sein, aus der Geborgenheit in Wicherns Wirkungskreis im Rauhen Haus in die ferne Kleinstadt Brüssow mit ihren etwa 1.800 Einwohnern, versetzt zu werden. Am 1. Dezember 1847 wurde das Rothe Haus eingeweiht. Begründer war der Oberamtmann Osterroth. Seinen Namen sollte das Haus tragen. Da die Bezeichnung „Haus Osterroth“ jedoch zu lang erschien, so nannte man die neue Anstalt „Rothes Haus“. Die ersten Jungen wurden aufgenommen. Bei der Einweihungsfeier hatte C. F. Götzky als Tischdame die Frau des Oberamtmannes Osterroth neben sich zu sitzen, die sich nur fürs Theater interessierte. „Sehr drückend war es für mich, 2 ½ Stunden am Tische zu sitzen“, schrieb er an Wichern. Was war ein Rettungshaus ohne Hausmutter? Die angeworbene Haushälterin machte ihm Sorge. Sie war in der Wirtschaft unordentlich und zu den Jungen lieblos. Noch eine Sorge quälte ihn. Während der letzten Zeit seiner Ausbildung im Rauhen Hause hatte er eine junge Frau kennen gelernt, Wilhelmine Jessen, die ihm wohl zusagte. Dann aber kamen ihm Bedenken. Er zog ein gegebenes Versprechen zurück. Das verursachte Seelenqualen und trübe Stunden. Wichern schaltete sich ein und vermittelte.
Aber schon bald fand Götzky in Johanna Bröcker aus Brüssow die Lebensgefährtin und Hausmutter, die ihm bis zu seinem Tode 1894 treu zur Seite stand.
In Wichern hatte C. F. Götzky einen väterlichen Freund gefunden, dem er sich vorbehaltlos anvertraute. Von 1847 bis 1873 stand er mit Johann Hinrich Wichern, später mit dessen Nachfolger, dem Sohn Johannes Wichern, in regem Briefwechsel. Die Briefe an Wichern waren zunächst Tätigkeitsberichte über seine Arbeit im Rettungshaus.
Wichern hatte die Brüder verpflichtet, in regelmäßigen Abständen zu berichten. Darüber hinaus enthalten diese Briefe Mitteilungen über das Familienleben und über besondere Ereignisse in Brüssow. Christoph Friedrich litt in den ersten Wochen und Monaten sehr darunter, kaum Nachrichten aus dem Rauhen Hause zu erhalten. Weder von Wichern noch von seinen Mitbrüdern traf Post ein. Nun fehlten ihm Wicherns Rat und Zuspruch. Wichern war jedoch im Jahr 1848 mit bedeutenden Aufgaben, besonders mit dem Kirchentag in Wittenberg, so ausgelastet, dass der Kontakt zu den Brüdern in den Außenstationen darunter litt. Um diesem Zustand abzuhelfen, wählte er die Form der Rundschreiben an die Brüder und benutzte die Fliegenden Blätter für Mitteilungen.
Erst durch die Heirat mit Johanna Bröcker am 25. Juli 1848 wurde Götzky in Brüssow heimisch, und die Jungen bekamen damit eine Hausmutter. „Mit ihr ist ein guter Geist eingezogen“, schreibt er.
Das Einkommen des C. F. Götzky bestand aus freier Station (Essen, Trinken, Wohnung) für sich, seine Ehefrau und die leiblichen Kinder, sowie aus einer geldlichen Entschädigung von jährlich 80 Talern zuzüglich 10 Taler für Kaffee, Tee und Zucker. Seine Frau erhielt für ihren Einsatz ein jährliches Entgelt von 20 Talern. Diese Mittel reichten mit zunehmender Kinderzahl schon bald nicht mehr aus. Mehrere Anträge an den Vorstand auf Erhöhung der geldlichen Zuwendungen wurden stets mit der Begründung abgelehnt, dass die Anstalt diese nicht tragen könne. Lediglich individuelle Zuschüsse für besondere Anlässe wurden seitens des Vorstandes auf Antrag gewährt. Götzky wandte sich mehrmals auch an Wichern, der mit Mitteln aus der Brüder-Hilfskasse aushalf.
Christoph Friedrich Götzky war ein frommer Mann mit einem großen Gottvertrauen. Dies bezeugen seine Briefe. Er erteilte regelmäßig Religionsunterricht und versuchte, seine anvertrauten Jungen zum rechten Glauben zu führen. Er hatte viel Freude an seinen Zöglingen, aber auch manche herbe Enttäuschung hinzunehmen.
Auch an den eigenen acht Kindern hatten die Eltern ihre Freude. Manches Leid blieb ihnen nicht erspart. Der Tod des siebten Kindes Hermann, der als 18jähriger Seminarist an einem Lungenleiden starb, traf die Eltern besonders schwer. Der älteste Sohn Johannes kam erst nach einem dreijährigen Amerika-Aufenthalt auf Umwegen zu seinem Beruf als Versicherungsagent. Der jüngere Sohn Martin, der Diakon und Lehrer wurde, musste nach dem Tod seines Bruders zunächst eine Gärtnerlehre absolvieren, um viel an der frischen Luft zu sein und nicht nur hinter Büchern zu sitzen. Von seiner Frau berichtet C. F. Götzky nur wenig in den Briefen an Wichern, dabei hatte sie doch die Hauptlast zu tragen und neben acht eigenen Kindern noch bis zu 15 Zöglinge des Rettungshauses zu versorgen.
Götzky hing sehr am „lieben Rauhen Hause“. Er empfand es als ein Geschenk Gottes, Wichern begegnet zu sein. Er hätte am liebsten alle seine Kinder im Rauhen Haus ausbilden lassen. Zwei seiner sechs Söhne, Adolph und Martin, gingen durch die Ausbildung der Brüderanstalt. Seine jüngere Tochter Johanna heiratete den Rauhäusler Bruder Hermann Uhlig, der im Rothen Hause zu Brüssow zunächst als Gehilfe tätig war, wo beide sich kennen lernten. Zwei weitere Söhne, Johannes und Wilhelm, schlossen sich der Diakonenschaft des Rauhen Hauses als Freibrüder an. Sohn Adolf heiratete eine Diakonentochter, Katharina Elisabeth Schrewe. Ein Schwager des Christoph Friedrich Götzky, Ernst Hippe, wurde ebenfalls Bruder des Rauhen Hauses. Eine besondere Freude war es ihm, an den Brüdertagen im Rauhen Haus teilzunehmen. Nach der Pensionierung am 30. Juni 1890 zog das alte Ehepaar Götzky für ein Jahr von Brüssow nach Hamburg ins Rauhe Haus. 1891 zogen die alten Götzkys zu ihrem Sohn Adolph und Familie in Groß Rosen in Schlesien, wo Christoph Friedrich am 28. März 1894 im Alter von 71 Jahren verstarb.
Das nach Kriegszerstörung rekonstruierte alte Rauhe Haus auf dem Traditionsgelände