Читать книгу Prinzessin Maria und das Nibelungen-Geheimnis - Karlheinz Huber - Страница 7

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Bestrafung

Nach zwei Stunden öffnete Marias Vater die Tür und trat ein. Mit strengem Blick schaute er beide an und sagte: „So, ihr wolltet die feine Hofdame also loswerden. Sehe ich das richtig?“

Kleinlaut sagten beide: „Ja.“

„Und ihr dachtet, ein wenig Niespulver und Juckpulver wären für das Vorhaben bestens geeignet?“

„Vater, ich weiß, es war dumm von mir und es tut mir so leid“, stammelte die Prinzessin.

Helena bekam feuchte Augen, traute sich aber nicht, etwas zu sagen.

Nach schweigsamen fünf Minuten lief Philipp zu seiner Tochter und nahm sie in den Arm.

Mit einem Lachen im Gesicht sagte er: „Ich konnte die Zicke auch nicht leiden. Ihr habt das ganz schön raffiniert angestellt!“

Überrascht stimmte Maria in das Lachen ihres Vaters mit ein. Nur Helena stand immer noch verdutzt vor ihrem Herrn.

„Komm her und lass dich auch drücken. Und dass du es weißt, die Hofdame hat dich in den höchsten Tönen gelobt, Helena.“

Jetzt fiel auch ihr ein Stein vom Herzen.

So standen die drei eng umschlungen und lachend im Zimmer der Prinzessin.

Als sie sich voneinander lösten, sagte Philipp: „Wir sind uns also einig!

Aber deine Mutter verlangt eine Bestrafung. Ich habe mir eine ausgedacht, mit der wir alle leben können.“

Die Prinzessin stutzte und spitzte aufmerksam ihre Ohren: „Du wirst umziehen, und zwar in eine Kammer über dem Küchenflügel neben dem Artillerieturm. Dort wirst du in einem einfachen Bett schlafen. Deine feinen Kleider werden im alten Zimmer bleiben. Du darfst dich nur noch herrichten, wenn deine Mutter oder ich es verlangen. Das ist der erste Teil der Strafe. Und nun zu dir, Helena.“

Helena schaute ihren Herrn mit großen Augen an.

„Ab sofort wirst du zur Gouvernante befördert. Du bist verantwortlich, dass dieses kleine Fegfeuer von Prinzessin regelmäßig zum Unterricht erscheint. Du wirst dafür sorgen, dass sie all die unliebsamen Dinge lernt. Aber ich möchte auch, dass sie sich weiterhin in der Bibliothek aufhält und wieder mit der Harfe spielt. Mit anderen Worten: Ich will, dass sie wieder glücklich ist.“

„Herr, ich bin Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet. Ich werde der Prinzessin den Spaß am Lernen zurückbringen. Das verspreche ich Ihnen und Ihrer Gemahlin“, stammelte Helena überrascht.

„Ende der Ansprache! Und nun bitte ich euch, den Umzug vorzubereiten“, sagte Philipp, setzte wieder eine strenge Miene auf und verließ zufrieden das Zimmer.

Kaum war die Tür geschlossen, fielen sich die beiden Mädchen erleichtert in die Arme. Nach einigen Freudentränen begannen sie mit dem Packen.

- -

Die Prinzessin, gekleidet in einfache Gewänder, erschien regelmäßig zum Unterricht. Helena sorgte dafür, dass Maria Spaß hatte. Beim Sticken wählte Maria ihr Motiv selbst aus. Zum Beispiel den Drachen, von dem ihr Helena in der Nibelungensage erzählt hatte. Selbst das Nähen von Kissen bereitete ihr plötzlich Freude. Sie lernte die vornehmen Tänze, aber auch die Einfachen der Bauern, die natürlich viel mehr Spaß bereiteten.

Nach einigen sorgenfreien Monaten überkam Maria das Gefühl, dass ihr irgendetwas fehlte. Zuerst konnte sie nicht sagen, was es war. Doch mit der Zeit verfestigte sich ihre Ahnung: Eindeutig fehlte ihr der Umgang mit Gleichaltrigen. Ein Kribbeln im Bauch sagte ihr, dass dort noch etwas schlummerte. Es dauerte, bis sie sich bewusst wurde, dass sie die Abenteuerlust gepackt hatte. Doch wie sollte sie als Prinzessin Abenteuer erleben?

Beide Gedanken ließen sie nicht mehr los und brachten sie ins Grübeln.

Eines Mittags fiel der Unterricht aus. Die Prinzessin lag auf ihrem einfachen Bett und langweilte sich. Auf einmal hörte sie Geräusche, die sie bisher nicht gehört hatte. Sie stand auf, lief zum Fenster und öffnete es. Sie schaute interessiert nach unten auf einen Platz, der hinter dem Schloss lag. Erstaunt sah sie, wer den Lärm verursachte: spielende Kinder - und fast alle in ihrem Alter.

Sie flüsterte: „Das ist die Lösung. Ich geh einfach hinaus und spiele mit.“

Voller Tatendrang lief sie zur Tür und blieb unvermittelt stehen.

„Meine Eltern werden mich niemals mit dem einfachen Volk spielen lassen – niemals“, sagte sie und lief wieder zurück, um sich auf ihr Bett zu legen.

„Nein, ich werde Vater das nicht antun.“

Aber der Drang nach Freiheit und Abenteuer wurde von Tag zu Tag stärker in ihr. So oft es ihr möglich war, stand sie am Fenster und schaute den spielenden Kindern zu. Langsam kam die Traurigkeit zurück.

Als Maria eines Morgens aufwachte, war ihr etwas schwindelig. Sie durfte am Vorabend an einem Empfang ihrer Eltern teilnehmen. Das Vorspielen mit der Harfe wurde mit reichlich Beifall belohnt. Um sich selbst zu belohnen, stibitzte sie ein Gläschen Wein.

‚Das sind die Nachwirkungen, von denen mein Vater immer berichtet, wenn er etwas zu viel von dem Rebensaft getrunken hat’, glaubte sie und stand langsam auf. Mit wackeligen Knien zog sie sich an. Auf dem Weg zur Tür passierte es: Ganz langsam, wie in Zeitlupe, verlor sie das Gleichgewicht. Geistesgegenwärtig griff sie nach dem Kerzenhalter an der Wand und hielt sich gerade so auf den Beinen. Zuerst atmete sie erleichtert auf, dann hörte sie ein komisches Geräusch.

Langsam drehte sie sich zu dem Brummen um. Dann wurden ihre Augen immer größer, ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Die Holzwand in ihrer Kammer hatte sich geöffnet. Die Prinzessin starrte in ein gähnendes dunkles Loch!

„Ein Geheimgang“, seufzte Maria. Ohne mit der Wimper zu zucken, schnappte sie sich den Kerzenständer an ihrem Bett, entzündete ihn und lief vorsichtig in den Gang. In der Dunkelheit sah sie eine Treppe. Mutig betrat sie die Stufen und lief nach unten, bis sie an einer Holztür endeten. Durch die Fugen sah Maria nach draußen.

Enttäuscht sah sie in ein dichtes Gebüsch, dann hörte sie Kinderlachen. Vorsichtig drückte sie die Tür auf und steckte ihren Kopf nach draußen. Durch den Busch sah sie spielende Kinder. Die Kinder, die sie am Fenster immer beobachtete! Sie unterdrückte einen Aufschrei und zog sich wieder zurück. Hastig erklomm sie die Stufen nach oben. Außer Atem schaute sie sich den Kerzenhalter an der Wand genauer an. Mit beiden Händen drückte sie ihn nach links - und die Geheimtür schloss sich wieder! Zufrieden legte sich Maria auf ihr Bett und grübelte.

Helena betrat die Kammer und sah verwundert zur Prinzessin, die schon im Bett lag und schlief. Sie war verwirrt, denn noch nie ging die Prinzessin ohne eine Erzählung zu Bett.

‘Irgendetwas stimmt nicht. Ich werde sie im Auge behalten’, dachte sie und verließ die Kammer.

Als die Tür ins Schloss fiel, sprang Maria sofort aus dem Bett. Sie schlich zum Schrank und wühlte in den Kleidern. Nach einiger Zeit seufzte sie zufrieden und legte sich schlafen.

‚Ich habe fast alles, was ich brauche. Eine Magdhaube und einfache Schuhe fehlen noch. Die beschaffe ich mir morgen’.

Zufrieden schlief sie ein und träumte von aufregenden Abenteuern.

- -

Helena aber lag noch lange wach in ihrem Bett und überlegte, was die Prinzessin ausheckte. Immerhin war sie verantwortlich und hatte ihrem Herrn versprochen, auf sie aufzupassen.

Irgendwann schlief sie mit dem Gedanken ein, dass es schon nichts Schlimmes sein würde.

Prinzessin Maria und das Nibelungen-Geheimnis

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