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Kapitel 3

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Eine fast perfekte Beziehung


Vorsichtig balanciere ich meine Lieblingstasse, gefüllt mit leckerem Schokocappuccino, Richtung Wohnzimmer. Die Keksdose habe ich mir unter den Arm geklemmt. Ich biege zu früh ab und stoße mit dem kleinen Zeh gegen den Schrank. Ich ächze vor Schmerz, schaffe es aber, meine Tasse gerade zu halten. Nur ein wenig Schaum läuft außen am Rand entlang.

Ich habe den Fußboden erst vor einer halben Stunde gewischt. Der Flur war der letzte Raum meiner Aufräum- und Putzaktion. Genau so hatte ich mir einen freien Samstag vorgestellt!

Im Wohnzimmer stelle ich alles auf den Tisch, lasse mich aufs Sofa fallen und reibe meinen Zeh. Mein Blick wandert automatisch zu der alten Kuckucksuhr, die Kevin irgendwann mal mit nach Hause gebracht hat. Tagelang hat er sich mit nichts anderem beschäftigt. Am Ende hat sie tatsächlich wieder funktioniert. Wobei sie nicht im eigentlichen Sinne funktioniert.

Nachdem Kevin sie in sämtliche Einzelteile zerlegt hat, laut fluchend auf dem Boden herumgekrochen ist, weil ein paar von diesen winzig kleinen Rädchen vom Tisch gerollt waren, hat er das mechanische Uhrwerk durch ein elektrisches ersetzt. Deshalb schaut dieser grässliche Kuckuck unentwegt aus seinem Häuschen. Aber wenigstens hält er den Schnabel. Auch das Ticken ist leise und einigermaßen erträglich. An den Anblick habe ich mich mittlerweile gewöhnt.

Kevin ist seit über vier Stunden weg. Langsam könnte er nach Hause kommen. Die Wohnung ist ordentlich. Er muss sich nicht mehr meine wilden Flüche anhören, als ich die Schimmelkulturen, die Kevin anscheinend in den Kochtöpfen züchten wollte, entfernt habe. Das war so widerlich.

Am liebsten hätte ich die Töpfe in den Müll geworfen, anstatt den undefinierbaren Inhalt herauszukratzen und anschließend mit extrem heißem Wasser und einer Unmenge an Spülmittel abzuwaschen. Meine Hände brennen noch ein wenig, sind aber nicht mehr so krebsrot wie beim Abwaschen.

Vier Stunden… Wo treibt sich der Kerl nur herum?

Das Handy auf dem Tisch scheint mich fies anzugrinsen. Es schweigt, aber es führt mich in Versuchung, ihn anzurufen. Doch das will ich nicht. Ich will ihm nicht hinterher telefonieren, auch wenn ich spüre, wie die Eifersucht hochkocht. Niemand muss vier Stunden einkaufen gehen, außer vielleicht wenn man eine Großfamilie zu versorgen hat. Aber wir sind zu zweit, unser Kühlschrank ist voll, weil Kevin so gut wie gar nichts isst.

Was macht er die ganze Zeit, außer sich davor zu drücken, mir zu helfen? Kevin weiß, dass ich nicht gern allein bin. Die Wohnung kommt mir dann so still vor. Ich kann mit niemanden reden, außer mit mir selbst. Dann gehen mir immer so viele unangenehme Dinge im Kopf herum.

Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass wir zusammen sind. Einmal abgesehen davon, dass ich ihn liebe. Da sind so viele Zweifel, ob unsere Beziehung wirklich richtig ist. Sicherlich hat Frau Schumann recht mit dieser Vertrauenssache. Ich versuche es. Ich versuche es wirklich, auch wenn es mir nicht leicht fällt. Es wäre doch für ihn eine Kleinigkeit, kurz anzurufen, zu sagen, dass es länger dauert, weil… weil er… Ich schließe die Augen und verbiete mir jeden weiteren Gedanken darüber, was er gerade machen könnte.

Gegen das flaue Gefühl in meinem Magen nehme ich einen Schluck von meinem Cappuccino und öffne die Keksdose. Der Geruch strömt mir in die Nase und vertreibt die düsteren Hirngespinste. Ich liebe Kekse. Die Dunklen mit der Vanillecreme. Dafür könnte ich sterben. Genießerisch beiße ich von einem Keks ab und passe auf, dass ich die Krümel nicht auf dem Sofa verteile.

»Weißes Mehl und Zucker, schneller kannst du gar nicht fett werden und sterben«, höre ich Kevins Stimme. Kekse und Kuchen isst er nicht. Wenn er sich allerdings nachts am Computer eine 300g-Tafel Schokolade reinzieht, ist das natürlich was Anderes. Leider ist an ihm auch kein Gramm Fett zuviel.

Bei mir ist das anders. Ich habe das Gefühl, jeder Bissen würde sich direkt auf meine Hüfte beziehungsweise meinen Bauch legen. Frustriert greife ich erneut in die Dose. Ein Keks mehr oder weniger ändert nichts und Größe 28 ist noch okay.

Ich schalte den Fernseher an. Mein Lieblingsfilm liegt noch im DVD-Player. Ich drücke die Starttaste und versuche, es mir bequem zu machen. Das ist nicht so einfach, denn entweder schmerzt mein Po oder mein Rücken… oder beides. Ich sollte noch einmal aufstehen und mir eine Schmerztablette holen.

Als ich allerdings Meg Ryan auf ihrem Laptop tippen sehe, bleibe ich liegen und genieße stattdessen den Film. e-m@il für Dich ist Balsam für meine Seele. Dazu noch eine Massage und mein Leben wäre perfekt. Nur leider ist niemand da, der mich massieren könnte. Ich schaue zur Uhr und beobachte einen Moment lang die Zeiger, die sich unaufhörlich vorwärts bewegen.

Das Handy halte ich schon eine ganze Weile in der Hand. Ich kämpfe und hoffe, dass ich diesmal nicht verliere. Ich verliere immer. Egal, wie sehr ich mich bemühe, irgendwann telefoniere ich ihm doch hinterher.

Wenn ich dann seine Stimme höre, flippe ich meistens aus. Daraufhin legt Kevin einfach auf, was mich noch wütender macht, und kommt noch später zurück. Meist mit einem strahlenden Lächeln und irgendeinem Geschenk als Zeichen seiner Liebe.

Es ist immer das gleiche Spiel. Ich meckere, er zieht sich zurück. Ich ziehe mich zurück, er kommt auf mich zu. Ich kenne die Spielregeln und falle trotzdem immer wieder darauf herein.

Der Morgen fällt mir ein. Kevin hat sich viel Mühe gegeben. Die Rose, der gedeckte Frühstückstisch, liebevoller Sex…

Sicher wäre es für mich noch schöner gewesen, wenn er schon gestern zärtlich gewesen wäre. Aber das liegt bestimmt an mir. Ich bin zu empfindlich! Wahrscheinlich ist niemand so zimperlich wie ich.

Ohne Gleitgel und ohne Vorbereitung tut mir nicht nur der Hintern weh, ich habe auch tagelang Probleme mit dem Stuhlgang. Ich bewundere und beneide die, die sich problemlos einen Riesenschwanz reinschieben lassen und dabei lustvoll stöhnen. Natürlich habe ich einen Dildo im Nachtschrank, natürlich könnte ich üben, aber das kommt mir nicht richtig vor.

Was wäre denn schon dabei, wenn ich das Teil jetzt zu mir aufs Sofa holen würde, um mich ein wenig zu verwöhnen oder eher um zu trainieren, während Meg Ryan sich gerade erklären lässt, was Geh auf die Matratzen bedeutet.

Geh auf die Matratzen, kämpfe… schieb dir einen Dildo in den Arsch…

Das kann ich nicht. So bin ich einfach nicht. Sex ist etwas Besonderes. Ich hatte noch nie einen One-Night-Stand. Ich war zweimal verliebt, aber für den ersten war ich nichts weiter als eine Jungfrau, die es zu knacken galt.

Auch für Kevin war ich am Anfang nur ein kleiner, unbedeutender Fick, während ich schon beim Chatten die Schmetterlinge im Bauch gefühlt habe. Zum Glück hat sich das geändert. Er hat sich für mich entschieden. Wir lieben uns!

Ich nehme mir noch einen Keks und schaue zu, wie Tom Hanks mit dem Strauß Margeriten vor der Haustür steht. Ich liebe die Stelle mit den Margeriten. Seit ich den Film kenne, hat mich dieser Moment besonders beeindruckt.

Das erste Mal habe ich ihn mit 13 gesehen, zusammen mit Kim, meiner besten Freundin. Leider ist sie ein Jahr später mit ihren Eltern nach Norwegen ausgewandert. Wir haben den Kontakt verloren. Der Film ist mir allerdings geblieben. Ich habe ihn seitdem mehrere hundert Male geguckt.

Margeriten sind meine Lieblingsblumen. Wenn es etwas wärmer wird, kaufe ich einen Margeritenbusch für den Balkon. In den Blumenkästen will Kevin leider keine. Seiner Meinung nach gehören da Geranien rein. Manchmal ist er so spießig...

Ein einziges Mal habe ich mir selbst einen Strauß Margeriten gekauft. Kevin ist total ausgerastet. Ich kann mich noch genau erinnern. Kevin und ich wohnten erst ein paar Wochen zusammen. Herr Brandenstein war über Nacht verstorben, während meines Diensts.

Es war das erste Mal, dass mir der Tod wirklich begegnet war. Natürlich ist er in meinem Job ein ständiger Begleiter, natürlich haben wir während der Ausbildung viel über den Umgang damit gelernt und Routinen eingetrichtert bekommen. Aber das war irgendwie anders. Zum ersten Mal war jemand gestorben, den ich mochte.

Der alte Herr war bis zum Schluss immer lustig gewesen, er kannte so viele Witze, so viele Geschichten. Jeden Tag ging es mit ihm ein Stückchen mehr zu Ende, aber als er dann dalag, traf es mich unvorbereitet.

Auf dem Nachhauseweg stand vor einem Blumenladen ein Kübel mit Margeriten. Ich kaufte mir nicht nur einen kleinen Strauß, sondern nahm den ganzen Blumeneimer mit. Mein Arm tat weh, als ich zu Hause ankam. So eine große Vase hatten wir gar nicht. Ich nahm den Wischeimer und stellte ihn mitsamt den Blumen neben mein Bett. Es beruhigte mich, mit den Fingern über die Blüten zu streicheln. Es sind die schönsten Blumen der Welt!

Kevin wollte mir nicht glauben, dass ich sie allein gekauft habe. Er hat mich beschimpft. In diesem Moment wurde mir zum ersten Mal so richtig bewusst, dass wir uns nicht vertrauen. Dann flippte er aus, weil ich so viel Geld für Blumen ausgegeben hatte, die seiner Meinung nach weder besonders schön sind, noch eine tiefere Bedeutung haben.

Ich weiß, dass rote Rosen das Symbol der Liebe sind. Ein Symbol, das wahrscheinlich nahezu jeder auf der Welt versteht. Auf so etwas legt Kevin viel wert. Es ist wichtig, was die Leute sagen, wie wir auf sie wirken. Er zeigt gern, was für ein perfektes Paar wir sind. Auch wenn die Realität gar nicht so perfekt ist.

Ich würde mir viel lieber ein persönliches Symbol wünschen. Etwas, das nur uns beiden wichtig ist. Einen Strauß Margeriten, weil ich sie mag, egal, wie andere sie finden.

Der Hund kommt im Film angerannt. Meg Ryan stellt fest, dass da der Mann kommt, den sie sich erhofft hat. Ich spüre einen Kloß im Hals und wünsche mir, dass es auch einmal so ist. Ich wünsche mir diese kitschige Liebe wie im Film. Mit einem Happy End, das erst der Anfang ist. Verstohlen schiebe ich mir einen letzten Keks in den Mund.


***


Der Cappuccino ist ausgetrunken, der Film zu Ende und Kevin ist noch immer nicht da. Ich rolle mich vom Sofa und überlege, welchen Film ich mir als Nächstes angucken könnte. Während meine Augen das Regal absuchen, kann ich es nicht lassen, mit meinen Fingern über die Oberfläche zu wischen. Alles sauber. Ich habe ganze Arbeit geleistet, dabei mag ich Staubwischen gar nicht. Das kommt gleich nach Abwaschen und Fußboden wischen.

Wieso bin ich eigentlich allein für diesen ganzen Haushaltskram zuständig? Wir leben doch zusammen in dieser Wohnung. Gibt es irgendwo eine Regel, die besagt: Wer den Arsch hinhält, muss auch putzen?

Noch ehe ich einen zweiten Film ausgesucht habe, höre ich Geräusche im Flur. Die Tür geht auf, mein Puls erhöht sich. Ich stürme in den Flur und kämpfe mit meiner Wut.

»Wo warst du denn die ganze Zeit…« Jedes weitere Wort bleibt mir im Hals stecken. Kevin ist nicht allein.

»Engelchen!«, ruft Kevin und kommt auf mich zu. Er küsst mich. Nein, er knutscht mich zu Boden. Ich muss mich an ihm festhalten, damit ich nicht das Gleichgewicht verliere.

»Ich habe Besuch mitgebracht«, murmelt er gegen meine Lippen, ohne den Kuss zu unterbrechen.

Ich sollte wütend sein, aber bei dem, was seine Zunge in meinem Mund macht, kann ich das nicht. Er kann so gut küssen. Ich genieße seine weichen Lippen, während seine Hände meinen Po massieren.

Kevins Handeln bleibt nicht ohne Wirkung. Ich spüre, wie es in meiner Hose eng wird, wie mein Penis zum Leben erwacht. Kein guter Moment, wenn ein mir unbekannter Kerl neben uns im Flur steht.

Mit etwas Mühe schiebe ich Kevin ein Stück weg und sehe über seine Schulter in ein fremdes Gesicht. Das erste, was mir auffällt, sind dunkelblaue Augen. Vielleicht wirken sie auch nur so blau, durch die fast schwarzen Haare und das leicht gebräunte Gesicht. Er sieht ein bisschen dicklich aus, mit dem grau-hellblau gestreiften Hoodie und der weiten Jeans.

Ich schaue erneut in sein Gesicht. Er lächelt mich an. Seine Augen strahlen regelrecht. Ein merkwürdiges Kribbeln auf der Haut bringt mich dazu, verschämt wegzusehen.

»Engelchen, das ist mein alter Kumpel Rik!«, sagt Kevin, dreht sich um, legt mir den Arm auf die Schulter und schiebt mich ein Stück nach vorn.

»Rik, das ist er: Der Mann meiner Träume… der süßeste Engel überhaupt…«

Ich werde rot, das Blut rauscht in den Ohren. Ich hasse es, wenn Kevin mich so vorstellt, das ist mir peinlich.

Rik kommt auf mich zu und reicht mir die Hand. »Hey, freut mich, dich kennenzulernen. Kevin hat schon viel von dir erzählt.« Sein Lächeln wird noch ein wenig breiter.

Ich ergreife seine Hand. Rik hat einen festen Druck. Ich spüre erneut dieses Kribbeln und ziehe meine Hand weg.

»Freut mich auch«, erwidere ich und fühle mich seltsam unruhig. »Ich dachte, er sollte erst heute Abend ankommen«, wende ich mich an Kevin. Sein gleichgültiges Schulterzucken erinnert mich daran, dass ich eigentlich wütend auf ihn bin. Es fällt mir schwer, mich zurückzuhalten.

»Ich war in seiner Nähe und dachte mir, er könnte doch gleich mitfahren«, antwortet Kevin gelassen.

»Er hat mich regelrecht genötigt«, mischt sich Rik ein. »Ich konnte mich gar nicht so schnell anziehen.«

»Aha«, knurre ich zickig und verschränke die Arme vor der Brust. »Während du in der Gegend herumfährst und irgendwelche Leute einsammelst, stehe ich hier und putze wie ein Blöder die Wohnung. Ich war noch nicht mal duschen, weil ich dachte, ich hätte noch Zeit…«

Ich kann mich nicht zurückhalten, ohne das Gefühl zu haben, gleich zu platzen.

»Reg dich doch nicht schon wieder so auf. Ich war eben in Riks Nähe. Da dachte ich, ich könnte ihn doch gleich mitbringen. Außerdem siehst du auch ungeduscht hinreißend aus«, raunt Kevin verführerisch, küsst mich erneut und fängt sogar an, sich an mir zu reiben. »Oder was meinst du, Rik?«

»Und wie kommt er wieder nach Hause?«, frage ich, noch ehe Rik auf Kevins Frage antworten kann. Ich schiebe ihn von mir weg und überhöre sein leises Lachen. Es ist nicht das erste Mal, dass er mich so vorführt, aber ich kann einfach nicht damit umgehen.

»Ich nehme mir ein Taxi«, wirft Rik ein.

Ich sehe ihn an. Für einen Moment treffen sich unsere Blicke und ich fühle eine seltsame Ruhe in mir aufsteigen. Ich kann mich nur mühsam von ihm losreißen und wende mich Kevin zu. Auch er erwidert meinen Blick, allerdings bewirkt das eher das Gegenteil. Kopfschüttelnd lasse ich beide im Flur stehen und verschwinde ins Wohnzimmer.

Als ich die leere Tasse nehme, bemerke ich, wie meine Hände zittern. Ich atme tief durch, schnappe mir die Keksdose und bringe beides in die Küche. Kevin und Rik sind dort und zwei prall gefüllte Einkaufstüten liegen auf dem Tisch.

»Du warst echt fleißig«, sagt Kevin in mein Ohr. Allerdings nicht besonders leise. Ich schätze, dass Rik es gehört hat, denn er grinst mich an.

»Ich bin nicht deine Putzfrau!« Ich wasche meine Tasse unter fließendem Wasser ab und stelle sie zum Trocknen hin.

»Das weiß ich doch. Vor allem keine Frau!«, sagt Kevin lasziv, legt seine Hand auf meinen Schritt und drückt zu.

»Kevin!«, rufe ich erschrocken und schiebe seine Finger weg. Verdammt, er weiß doch, was er für eine Wirkung auf mich hat!

»Sollten wir den Einkauf nicht ausräumen?«, fragt Rik und zeigt auf die Tüten.

»Hast wohl schon Hunger?«, erwidert Kevin lachend. »Ich kenne niemanden, der so viel essen kann wie du. Aber das hast du nun davon, Dicker!« Er klopft Rik lachend auf den Bauch. In mir fängt die Eifersucht an, zu nagen.

»Was soll das denn heißen?«, brummt Rik.

»Na, was wohl? Guck dich doch an, Moppelchen.«

»Du denkst, ich bin fett?«, fragt er grinsend. Rik reißt seinen Hoodie hoch. Zum Vorschein kommt ein nahezu perfektes Sixpack. So einen durchtrainierten Bauch hätte ich nie im Leben unter dem weiten Pulli vermutet.

Als ich merke, dass ich ihn anstarre, wende ich meinen Blick ab. Gleichzeitig muss ich daran denken, dass mein viel zu enges Shirt mit Sicherheit meinen kleinen Bauch zeigt. Ich hätte die Kekse nicht essen sollen!

Auch Kevin ist für einen Moment sprachlos, dann grinst er. »Nicht schlecht. Hast wohl eine Menge Arbeit investiert. Das wäre nichts für mich…«

Der Tonfall lässt mich aufhorchen. Er klingt keineswegs so abwertend, wie die Worte einem weismachen wollen. Er ist interessiert.

Ich schließe die Augen, hoffe, dass die Zeit schnell vorübergeht und dass wir wenigstens den Sonntag allein verbringen. In Momenten wie diesen rast ein unbeschreiblicher Schmerz durch meinen Körper und nimmt von jeder Zelle Besitz. Ich muss etwas tun, muss mich von der Vorstellung ablenken, dass ich Kevin doch nicht genug bin. Also greife ich nach dem Einkauf und bringe den Inhalt zum Vorschein.

»Komm mit, Rik. Ich wollte dir doch noch was am Computer zeigen«, sagt Kevin, als ich die Paprika auf die Arbeitsfläche lege.

»Sollen wir dir nicht helfen?«, fragt Rik und legt seine Hand auf meine Schulter. Ich zucke ein wenig zusammen und schüttle den Kopf.

»Quatsch, das schafft mein Engelchen allein«, antwortet Kevin für mich. Ich sehe die beiden an und weiß nicht, was ich sagen soll.

»Vergiss es, Kevin. Zuerst bin ich viel zu früh da und dann soll ich mich bedienen lassen? Außerdem geht es zusammen viel schneller und macht mehr Spaß.« Noch ehe ich protestieren kann, hat er sich schon eine Tüte gegriffen.

»Du musst das wirklich nicht machen«, sage ich leise.

»Ist kein Problem«, erwidert er lächelnd.

»Na, dann macht ihr zwei das mal. Ich fahre derweil den PC hoch.« Kevin klingt genervt und verlässt die Küche, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Am liebsten würde ich ihm hinterhergehen, aber Rik hält mir das Fleisch vor die Nase.

»Gibt es das heute?«, fragt er grinsend und wartet eine Antwort gar nicht erst ab. »Ich packe es erst mal in den Kühlschrank. Tut mir echt leid, dass ich dich hier so überfallen habe. Bei Kevin klang es, als wüsstest du Bescheid.«

»Schon gut, ist nicht schlimm«, murmle ich und nehme zwei Dosen Erdnüsse heraus. Erdnüsse! Ich hasse diese Dinger. Angewidert stelle ich sie möglichst weit weg aus meinem Sichtfeld.

Schweigend packen wir den Rest aus. Ich schaue auf die Uhr. Eigentlich ist es noch zu früh zum Kochen, aber ich weiß nicht, was ich sonst machen soll. Außerdem hoffe ich, dass ich Rik damit aus der Küche vertreibe. Seine Gegenwart macht mich seltsam nervös. Ich nehme ein Schneidebrett aus dem Schubfach und das scharfe Messer.

»Fängst du schon an, zu kochen?« Rik sieht mich interessiert an.

Ich nicke und schnappe mir das Gemüse.

»Soll ich dir helfen?«

»Kevin wartet auf dich. Ihr wolltet euch doch was angucken«, erwidere ich tonlos. Ich würde lieber allein kochen. Vor allem möchte ich nicht, dass Kevin schlechte Laune bekommt. Es ist ja in erster Linie sein Besuch, nicht meiner.

»Das können wir später auch noch. Ich koche gern und ich bin ein hervorragender Karottenschäler. Der Beste, den du dir vorstellen kannst«, brüstet er sich und wedelt mit dem Beutel Möhren vor meiner Nase herum. Sein Gesichtausdruck bringt mich zum Lachen.

»Hey, lachst du mich etwa aus? Du hast dich von meinen Fähigkeiten ja noch gar nicht überzeugt!«, brummt er und klingt beleidigt.

»Sorry«, murmle ich unsicher und verstumme augenblicklich.

»Sorry? Das war nur Spaß. Her mit dem Schäler, damit ich es dir beweisen kann.« Rik stößt mich in die Seite. Er lächelt, seine Augen blitzen. Ich grinse ihn an und reiche ihm das gewünschte Utensil.

»Na, dann überzeug mich mal, weltbester Karottenschäler«, erwidere ich belustigt.

»Du legst die Latte aber hoch. Von weltbester war nicht die Rede.« Er seufzt theatralisch und nimmt die erste Mohrrübe.

Rik schält, ich schneide die Paprika klein. Ich weiß nicht, wieso, aber er verbreitet eine angenehme Stimmung. Trotzdem gleiten meine Gedanken immer wieder zu Kevin, dem das bestimmt nicht gefällt.

»Wie lange seid ihr zusammen?«

»Ein Jahr… mehr oder weniger«, antworte ich knapp.

»Der Kevin… Wer hätte das gedacht, dass er es mal so lange mit nur einem Mann aushält.«

»Man muss eben nur den Richtigen finden.« Ich fühle mich unbehaglich, denn Rik starrt mich unverhohlen an.

»Wahrscheinlich hast du recht. Das wird es wohl sein. Ich freue mich für ihn.«

»Wie lange habt ihr euch nicht mehr gesehen?«, frage ich, während ich die große Pfanne aus dem Schrank hole.

»Keine Ahnung. Ist eine Ewigkeit her. Nachdem er mit David zusammengekommen ist, haben wir uns aus den Augen verloren.«

Der Klang seiner Stimme macht mich stutzig. Ich schaue ihn an, aber Rik scheint sich voll und ganz auf die Möhren zu konzentrieren. Ich würde gern nachfragen, aber wir kennen uns nicht. Vermutlich geht es mich auch nichts an. Im Übrigen ist der Gedanke an David auch für mich nicht besonders angenehm.

»Vor mir war er mit David zusammen«, flüstere ich.

»Hm«, sagt Rik tonlos. »Kevin hat mich vor ein paar Wochen auf den blauen Seiten angeschrieben. Es war Zufall. Ich hatte erst kurz vorher meinen Account wieder aktiviert. Eigentlich eher aus Spaß. Na ja, ich habe halt ein paar Leute gesucht. Ist immer doof, wenn man in eine fremde Stadt zieht und niemanden kennt.« Er grinst mich schief an.

»Was machst du denn hier?«, frage ich und hoffe, dass ich nicht zu neugierig bin. Ich hole das Fleisch wieder aus dem Kühlschrank. Das brate ich zuerst an, aber vorher muss ich es in kleine Stücke schneiden.

»Und, was sagst du zu meiner Möhre?«, fragt er und wedelt mit einer besonders großen und dicken Mohrrübe vor meiner Nase herum. Ich schlucke heftig und spüre, wie ich rot anlaufe.

»Super… Hast den Titel verdient«, entgegne ich. Mein Mund fühlt sich ganz trocken an. Ich hoffe, er hat nicht bemerkt, dass mein Kopfkino eine ganz andere Assoziation heraufbeschworen hat. Lachend fängt er an, die Möhre in Scheiben zu schneiden.

Das letzte Mal habe ich mit meiner Oma zusammen gekocht. Das habe ich immer geliebt. Sie hat mir viele Tricks beigebracht und vor allem immer ein offenes Ohr für meine Probleme gehabt. Kevin und ich haben es auch einmal probiert, aber das ist in einem Desaster geendet.

Mit Rik macht es bis jetzt Spaß, jedenfalls ist es weniger anstrengend, als ich vermutet habe. Allmählich entspanne ich mich sogar. Rik ist lustig und sehr unterhaltsam. Allerdings hat er auf die Frage nach seinem Job nicht geantwortet. Vielleicht war ich doch zu neugierig.

»Bäh… Sahne-Ersatz. Wer kauft denn so was und glaubt, seiner Figur damit was Gutes zu tun?«, ruft Rik mit dem Kopf im Kühlschrank.

»Kevin«, murmle ich.

»Habe ich da gerade meinen Namen gehört?« Kevin kommt zu uns in die Küche. Er zieht hörbar die Luft ein, legt die Arme von hinten auf unsere Schultern und schaut zwischen uns hindurch auf den Herd. »Das riecht ja echt lecker. Ihr seid anscheinend ein spitzenmäßiges Kochteam«, lobt er uns und schließt genießerisch die Augen.

Noch ehe Rik oder ich etwas darauf erwidern können, schlingt Kevin seine Arme fest um meine Hüften und hebt mich ein Stück vom Boden. Ohne Vorwarnung pressen sich seine Lippen hart auf meine, seine Zunge kreist in meinem Mund. Ich würde ihn am liebsten von mir schieben, aber ich kann mich einfach nicht gegen ihn wehren. Trotzdem ist es mir peinlich, dass er vor Rik so eine Show abzieht. Ich öffne meine Augen einen Spalt breit und sehe, wie er sich scheinbar ungerührt um das Essen kümmert.

Kevins Zunge macht mich verrückt. Willenlos gehe ich auf sein heißes Spiel ein, das nicht ohne Folgen bleibt. Schon allein der Gedanke, dass sein Schwanz so dicht an meinem ist… Das Gefühl, wie er sich an mir reibt, wie seine Arme mich halten, lässt mich vergessen, dass wir nicht allein in der Küche sind.

Erst Riks Räuspern bringt mich zurück in die Realität. »Ich will euch echt nicht stören, aber der Reis... wir sollten langsam den Reis kochen.«

Kevin löst den Kuss und stellt mich wieder auf den Boden. Meine Wangen brennen vor Scham.

»Dann will ich euch mal nicht weiter stören – beim Kochen«, sagt Kevin lachend.

»Essen wir im Wohnzimmer oder quetschen wir uns zu dritt hierhin?« Ich sehe Kevin fragend an und deute auf unseren Essplatz.

»Ich sitze gern in der Küche«, mischt sich Rik ein, »Das ist gemütlich. Außerdem habt ihr hier einen wirklich schönen Platz zum Essen. So etwas fehlt mir in meiner Küche.«

»Vergiss es, wir essen im Wohnzimmer«, brummt Kevin.

»Deckst du den Tisch?«

»Aber klar. Wenn ihr beiden kocht, kann ich wenigstens den Tisch decken.«

Ich bin nicht sicher, ob nur mir der Sarkasmus in seiner Stimme auffällt. Seufzend hole ich den Reistopf und fülle Wasser hinein.

»Du bist immer noch der gleiche Pascha wie früher«, meint Rik grinsend. »Daran hat sich anscheinend nichts geändert.«

Hellhörig sehe ich von einem zum anderen. Sie tauschen einen Blick aus, den ich nicht deuten kann, dann geht Kevin zur Besteckschublade. Wenige Augenblicke später verschwindet er Richtung Wohnzimmer.

Ich würde am liebsten nachfragen, aber ich traue mich nicht. Die merkwürdige Vertrautheit der beiden versetzt mir einen Stich. Vielleicht sucht Rik etwas ganz anderes als einen Freund.

Ich sehe Gespenster. Die beiden passen gar nicht zusammen. Kevin würde niemals passiv sein und Rik sieht auch nicht so aus. Obwohl... wer hätte nicht gern Sex mit Kevin? Er ist nun mal der perfekte Mann mit dem perfekten Schwanz.

»Ich will nichts von ihm«, sagt Rik leise neben mir.

»Was?«

»Ich sagte, ich interessiere mich nicht für Kevin. Wir sind nicht kompatibel. Waren wir noch nie.«

»Wie kommst du denn da drauf?«, frage ich verunsichert.

»Du hast so abwesend vor dich hingestarrt. Es war nicht schwer zu erraten, worüber du dir Gedanken machst.« Rik lächelt mich an. Ich komme mir bescheuert vor, aber vor allem bin ich erstaunt darüber, dass er meine Gedanken so gut lesen kann.

»Kochst du eigentlich gern?« Er schnappt sich eine Handvoll Gemüse und schiebt es sich stückchenweise in den Mund.

Ich brauche einen Moment, um seine Frage zu verstehen, und einen weiteren, um mir eine Antwort darauf zu überlegen.

»Geht so«, bringe ich hervor. »Man muss schließlich hin und wieder etwas essen. Obwohl es besser wäre, ich könnte ganz aufs Essen verzichten.«

Ich spüre Riks Blick auf mir. Er mustert mich viel zu eindringlich. Instinktiv ziehe ich den Bauch ein. Verdammte Kekse!

»Du bist doch total dünn«, sagt er kopfschüttelnd.

Dieses Gespräch ist viel zu peinlich und vor allem viel zu persönlich, als dass ich darauf weiter eingehen möchte. »Nicht im Vergleich zu Kevin«, entweicht es mir trotzdem.

Rik fängt an, zu lachen. Seine Stimme klingt schön, auch wenn ich nicht verstehe, was so lustig ist.

»Ihr scheint euch ja prächtig zu amüsieren und der arme Kevin muss ganz allein im Wohnzimmer den Tisch decken.« Kevins Jammern verursacht mir ein schlechtes Gewissen. Zumal mir nicht klar ist, warum Rik lacht.

Diesmal bin ich es, der den Abstand zwischen uns verringert. Ich schlinge meine Arme um Kevins Hals und küsse ihn sanft auf den Mund. Bevor ich mir die Enttäuschung anmerken lasse, weil er meinen Kuss nicht erwidert, löse ich mich von ihm und hole Teller aus dem Schrank.


***


Das Essen verläuft so, wie ich es erwartet habe: Die beiden reden und ich höre zu. Sie sprechen über ihre gemeinsame Zeit in Hamburg, von Eroberungen, Sexgeschichten… Das Zuhören fällt mir schwer, obwohl ich es auch spannend finde. Noch nie hat Kevin so viel von seiner Vergangenheit preisgegeben.

Wenn ich darüber nachdenke, weiß ich sehr wenig über ihn. Aber das hier gefällt mir trotzdem nicht. Sie haben viel zusammen erlebt, viel mehr als Kevin und ich. Auch wenn ich mir Mühe gebe, ich kann nichts gegen das eifersüchtige Gefühl machen.

Aber da ist noch etwas anderes. Etwas, das mir richtig Angst macht. Es sind Riks Augen, die wie blaue Edelsteine glänzen. Es ist das Lachen, das ansteckend ist und so warm und echt klingt. Es ist die Begeisterung in seiner Stimme, wenn er etwas erzählt. Aber vor allem ist es diese Aura, die von ihm ausgeht. Sie ist mir schon in der Küche aufgefallen. Da war ich jedoch selbst beschäftigt. Nun, da ich nur zuhöre, scheint sie fast greifbar zu sein und zieht mich in ihren Bann.

Kevin reißt mich aus meinen Gedanken, indem er mich auf seinen Schoß zieht. Er schlingt seine Arme um meinen Bauch und legt sein Kinn auf meine Schulter ab. Ich stöhne auf, denn ein grässlicher Schmerz zieht meinen Rücken entlang.

»Was ist los, Engelchen?«, fragt er. Rik sieht mich ebenfalls an.

»Rückenschmerzen«, winde ich mich. Es ist nicht gerade der Augenblick, in dem ich die gesamte Aufmerksamkeit auf mich ziehen möchte. Stattdessen mache ich mich los und stehe auf.

»Ich hole mir eine Tablette«, murmle ich vor mich hin.

»Das liegt nur an deinem beschissenen Job. Du solltest dir echt was anderes suchen«, ruft er mir hinterher.

»Ich mag meinen Job!«, erwidere ich trotzig, nehme eine der Pillen aus dem Blister heraus und gehe zurück ins Wohnzimmer.

»Was gibt es daran zu mögen? Der körperliche Verfall fängt früh genug an, da muss man sich doch keine alten Menschen angucken. Das ist viel zu deprimierend. Genieß lieber meinen festen, knackigen Körper!« Kevin zieht sein Shirt ein Stück nach oben und streicht über seinen Bauch. Er ist so unglaublich flach, selbst nach dem Essen.

Ich trinke einen großen Schluck Wasser und wünsche mir, dass mein Bauch auch so aussieht. Aber er ist fett. Wenn ich ihn einziehe, muss ich bestimmt kotzen. Ich habe wieder viel zu viel gegessen.

»Anstatt Pillen zu schlucken, solltest du es mal mit Sport probieren«, schlägt Rik vor.

Angewidert verziehe ich das Gesicht. »Tolle Idee!«, brumme ich. Ich gehe bestimmt nicht in so ein Fitnesscenter.

»Hey, ich meine das ernst. Ich gebe im Jugend- und Freizeitzentrum einen Yoga-Kurs. Komm doch mal vorbei. Das ist gut für den Rücken und sorgt zudem für eine innere Balance. Ist doch bei deinem Job ziemlich wichtig, oder?«

»Mit meinem Gleichgewicht ist alles in Ordnung«, fahre ich ihn heftiger an, als ich eigentlich beabsichtigt habe. Riks rechte Augenbraue schnellt nach oben. Fragend sieht er mich an. Ich kann seinem Blick nicht standhalten und setze mich stattdessen wieder zu Kevin.

»Du gehst in diesen vergammelten Schuppen?«, mischt er sich ein.

»Warum nicht?«

»Gott, Rik! Dieser Laden ist doch echt ekelhaft. Allein die Typen, die da rumlaufen...«

»Ich finde die Leute ziemlich in Ordnung. Außerdem bieten sie die Kurse kostengünstig an. Davon mal abgesehen gibt es auch einen Verein für Lesben, Schwule und Transgender. Ich hab mich letztens mit dem Referenten für Homosexualität unterhalten, der ist echt engagiert.«

»So was interessiert mich nicht«, brummt Kevin genervt.

»Schon klar«, erwidert Rik.

Die Stimmung zwischen den beiden wird immer gereizter. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Eigentlich bin ich in erster Linie erstaunt darüber, wieso Kevin dieses Freizeitzentrum kennt. Natürlich habe ich auch schon davon gehört, aber ich habe keine Ahnung, wie es dort aussieht. Ich wusste nicht mal, dass es so einen Verein gibt.

»Für so was hat mein Engelchen ohnehin keine Zeit.« Kevin klingt bestimmt, als wenn es von seiner Seite nichts mehr darüber zu diskutieren gäbe.

»Für ein bisschen Sport sollte man immer Zeit haben. Es ist ein guter Ausgleich.«, wendet sich Rik an mich. »Die Leute in dem Zentrum sind wirklich nett. Ich habe den Kurs erst angefangen. Vielleicht kommst du einfach mal vorbei und probierst es?«

»Vielleicht«, nuschle ich. »Wann findet der denn statt?«

»Immer mittwochs, 20 Uhr.«

Kevin schiebt eine Hand unter mein Shirt und spielt an meiner Brustwarze. Ich versuche, ihn aufzuhalten, als sein Mund bereits meinen Hals traktiert.

»Kevin«, seufze ich und versuche, mich von ihm zu befreien.

»Ich habe den geilsten Kerl der Welt«, raunt Kevin. »Und wenn er so schamhaft ist, macht mich das ganz besonders an.«

Ich muss nicht hinsehen, um zu wissen, dass Kevin und Rik sich ansehen. Unbehaglich rutsche ich hin und her.

»Okay, Zeit für mein Bett«, ruft Rik lachend. Sein Lachen klingt anders als zuvor. Angespannt, vielleicht ein wenig genervt. Er nimmt sein Handy.

»Das war das erste, was ich mir gemerkt habe. Die Nummer eines Taxiunternehmens, nachdem ich mich total verlaufen hatte«, sagt er kopfschüttelnd, dann bestellt er das Taxi.

Auf der einen Seite ist es schade, dass Rik geht. Im Gegensatz zu den meisten anderen von Kevins Freunden ist er wirklich sympathisch. Auf der anderen Seite bin ich mittlerweile nur noch damit beschäftigt, Kevins Angriffe abzuwehren. Das macht mich verrückt. Ich weiß, dass so was vor Gästen ziemlich schäbig ist. Trotzdem genieße ich es, denn ich bin sicher, wenn Rik erst weg ist, sind es Kevins Hände auch.

Selbst auf dem Weg zur Tür hält er mich umklammert. Sein Versuch, mich hochzuheben, ist ungeschickt. Fast fallen wir beide hin. Mein Gesicht flammt auf, denn ich weiß, dass er mich tragen kann. Das hat er in der Küche auch geschafft.

»Ich glaube, ich brauche den Yoga-Kurs«, sagt Kevin und greift sich stöhnend in den Rücken. Es ist nur gespielt, aber es ändert nichts an der Wirkung. Ich schäme mich.

»Du solltest einfach mal mehr als drei Stück Paprika und zwei Scheiben Möhren zusammen mit fünf Reiskörnern essen«, erwidert Rik trocken.

»Das könnte ich meinem Körper nicht antun«, brummt Kevin genervt.

»Immer noch dein Kapital?«, zischt Rik und verdreht die Augen.

Kevins Blick kann ich nicht deuten. Riks Anspielung verstehe ich nicht, aber die Stimmung ist merklich verändert.

»Überleg dir die Sache mit dem Yoga. Das würde dir bestimmt gut tun«, sagt Rik zum Abschied zu mir. Seine Hand löst erneut dieses Kribbeln aus.

»Wir sehen uns.« Rik grinst und deutet ein Winken an.

Die Tür fällt ins Schloss. Kevin lässt mich los und geht ins Schlafzimmer. Ich folge ihm. Er zieht sich aus und geht an mir vorbei ins Bad. Ich starre ihm hinterher. Als er zurückkommt, legt er sich ins Bett.

»Kevin?«, frage ich irritiert.

»Ich bin verdammt müde, Bengt«, stellt er klar. »Entweder du kommst auch ins Bett oder du lässt es. Ich will jetzt jedenfalls schlafen!«


MargeritenEngel

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