Читать книгу Bin ich jetzt erleuchtet? Oder was? - Karsten Kronshage - Страница 7
ОглавлениеAlles hat einen Anfang?
„Wie bist du eigentlich zur Meditation gekommen?“ werde ich gelegentlich gefragt. Die Frage hat mich selbst noch nie sonderlich bewegt, aber hier versuche ich einmal, eine zufriedenstellende Antwort zu finden. Also schiebe ich zunächst die störende Betrachtung des endlosen, verwobenen Netzes von Ursache und Wirkung beiseite und beginne irgendwo in meinem Leben zu suchen. Wo entstand die entscheidende Inspiration mit der Meditation anzufangen?
Meine kindliche und jugendliche Welt war jedenfalls frei von spirituellen oder intellektuellen Prägungen. Die Lieblingslektüre des jungen Karsten bestand aus Wildwest-Romanen, die man diskriminierend als Groschenromane bezeichnete, und als er dann ins Kino durfte, bevorzugte er leider auch das gleiche Genre. Da konnte man die „Guten“ gleich an ihren schönen Pferden, an ordentlich umgeschnallten Colts und einer adretten Kleidung erkennen. Die „Bösen“ waren in der Regel unrasiert und irgendwie schlampig gekleidet. Diese eindeutige Unterteilung hat sich im wirklichen Leben leider nicht so richtig durchgesetzt.
Später machte ich dann literarisch einen großen Schritt nach vorn und bezog meine Weltanschauung aus den Werken von Walt Disney, irgendwelchen Weltraumhelden und Asterix. Wobei das Studium der Asterixgeschichten schon einen Sprung in die reale Welt und auf eine höhere intellektuelle Ebene kennzeichnete.
Was sollte nun – geistig und charakterlich – aus solch einem Menschen werden? Natürlich musste zunächst – darin ist sich die Weltliteratur einig – ein Weib daherkommen und mich erretten!
Als ich sie kennenlernte, las Heidi mit Vorliebe Bücher von Françoise Sagan, Heinrich Böll oder ähnlichen Autoren, deren Existenz mich nun wirklich überhaupt nicht interessierte. Doch später heiratete ich meine Retterin nicht wegen ihrer literarischen Kenntnisse. Sondern wegen ihrer Fröhlichkeit, ihres Liebreizes und weil ich mir irgendwann nicht mehr vorstellen konnte, ohne sie zu leben. Was ich dann 34 Jahre später unter Schmerzen lernen musste. Doch das ist eine andere Geschichte.
Ein paar Jahre nach unserer Hochzeit beschloss Heidi, nun bereits zweifache Mutter und auf der Suche nach weiteren Herausforderungen, Yoga zu lernen. Sie buchte einen Kurs beim Kneippverein in Bremen und trollte sich jede Woche mit Decke, Kissen und warmen Socken zum Unterricht. Ihre begeisterten und sehr anschaulichen Erzählungen animierten mich, es auch einmal zu versuchen. Ich versprach mir zunächst ein wenig Abwechslung davon, wollte gelegentlich über etwas anderes sinnieren als über meinen Beruf, über Computer und Softwareentwicklung.
Und da lag ich dann, als einziger Mann zwischen 15 Damen, die sich anmutig dehnten und reckten. Ein schöner Anblick. Ich übte Pflug, Kerze und andere Figuren, die nach geschmeidigen Tieren benannt, Blutdruck erhöhend und gefährlich für den gesamten Bewegungsapparat waren. Jedenfalls für meinen. Ein paar Mal machte ich noch mit, aber dann fiel mir auf, dass in dieser Sportart irgendwie der Ball fehlte. Es gab hier überhaupt nichts, was man treten oder schlagen konnte – und gewinnen konnte man bei diesem Spiel auch nicht.
Nutzlos war dieser Ausflug in das östliche Körpertraining aber nicht. Ich weiß nicht mehr wie, aber es geriet durch Zufall ein Buch über Yoga in meine Hände. Darin wurde von ganz tollen Sachen berichtet. Die Yogis konnten jahrelang ohne Essen auskommen, ließen sich für ein paar Tage lebendig begraben und waren nach dem Ausbuddeln quietschfidel, konnten ihren Herzschlag anhalten, in die Zukunft sehen und all die wahnsinnigen Dinge tun, die in den Science-Fiction-Romanen nur die richtig guten Mutanten vollbringen. Und sie wurden erleuchtet – also die Yogis. Ich wusste zwar noch nicht einmal im Entferntesten, was der Nutzen davon war, aber das gefiel mir irgendwie.
Immerhin hatte ich auch gelernt, dass dieser mühsame Yoga-Weg nichts für mich war. Der hielt mich nur von den wirklich wichtigen Dingen im Leben ab. Einen Ausweg schien es trotzdem zu geben. Denn im gleichen Buch war noch von so etwas wie Meditation die Rede. Hörte sich weniger schwierig an und man konnte es auch neben Tennis, Fußball und Computerzeugs betreiben. Doch das war das Anfang der 1970er-Jahre, und es gab damals nur wenig Erleuchtungsangebote im deutschsprachigen Raum.
Zum Glück hörte ich dann von den Beatles. Die hatten sich in Indien umgesehen – bei so einem ganz angesagten Guru. Hatten viel meditiert, viel Spaß gehabt und danach sogar den tollen Song vom „Yellow Submarine“ geschrieben. Dieser Yogi-Typ machte jedenfalls überall in der Welt Filialen auf, damit möglichst viele Menschen meditieren lernten, ganz lieb zueinander würden und somit der Weltfrieden gerettet werden konnte. In Bremen, wo wir zu der Zeit lebten, gab es auch schon so ein Geschäft.
Ich ging erst einmal dort hin, um mich vorsichtig nach den Konditionen und Preisen zu erkundigen. 150 Mark für die ganze Familie waren ganz ok. Mit dem jugendlichen Meditationslehrer machte ich einen Termin aus, bekam ein paar einfache Anweisungen und erschien ein paar Tage später mit Heidi und unseren beiden Kindern in der Geschäftsstelle.
Sauber gewaschen sollten wir sein, jeder ein weißes unbenutztes Stofftaschentuch und ein noch nicht angebissenes Stück Obst mitbringen. Banane, Apfel oder was wir wollten. Soweit ich mich erinnere, wurde uns das dann zusätzlich als Spende abgenommen. Anschließend mussten wir unser Geburtsdatum (möglichst mit Geburtsstunde) nennen und wurden einzeln eingeführt. Die Augen wurden geschlossen, eine Klingklang-Musik ertönte, und dann flüsterte uns der jugendliche Lehrer ein Wort ins Ohr. Das Wort. Einige Male hintereinander, sodass wir es uns einprägen konnten.
Nun hatten wir es also, unser Mantra. Niemals und niemandem sollten wir es verraten, denn es war für uns ganz speziell gefunden worden und daher völlig geheim. Soweit ich mich erinnern kann, wurden für das Zuwiderhandeln auch noch irgendwelche Konsequenzen angekündigt. So ungefähr wie bei den Katholiken, wenn der Papst sie aus der Kirche schmeißt.
Wie ich bei späteren Nachforschungen feststellte, war der wirkliche Grund der ganzen Geheimhaltung ein ganz anderer. Tatsächlich hatte nämlich jedes Familienmitglied dasselbe Mantra erhalten. „Schirim“ oder so ähnlich – hörte sich jedenfalls so an. Späteres Nachfragen bei rund einem Dutzend „Ehemaliger“ ergab, dass nur eine der Befragten ein anderes geheimes Wort erhalten hatte. Wahrscheinlich war die Ausstattung für Anfänger bewusst karg gehalten worden, und die richtigen Power-Worte würde es dann später geben. Gegen eine ordentliche Gebühr, versteht sich.