Читать книгу Bin ich jetzt erleuchtet? Oder was? - Karsten Kronshage - Страница 8

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Der Friede bricht aus

Da war ich also mit meiner ganzen Familie in einem Zirkel gelandet, der landläufig als „Sekte“ bezeichnet wird. Seien wir mal freundlich und nennen das Ganze stattdessen eine „Organisation“. Besser wird es davon auch nicht.

Zweimal am Tag setzten wir uns zu Hause auf ganz normale Stühle oder Sessel und meditierten. Das heißt, wir lehnten uns gemütlich zurück, legten die Arme locker auf die Oberschenkel, schlossen die Augen und sagten im Geiste unaufhörlich unser Mantra auf. So ca. 15 Minuten sollte eine Meditation dauern.

Zusätzlich besuchte ich, gelegentlich von meiner Frau begleitet, einmal pro Woche einen Informationsabend mit abschließender gemeinsamer Meditation in unserem „Zentrum“ – also in den Geschäftsräumen der Organisation.

Dort erklärte man uns die Welt und die wichtigen Anliegen der Organisation. Das tat man bevorzugt mit Analogien aus den Naturwissenschaften und tollen statistischen Kurven. Es wurde eine gut begründete wissenschaftliche Tatsache beschrieben, und dann erfolgte in der Regel ein fließender Übergang in die Welt der Meditation und zu den Zielen der Organisation. Nach dem Motto: „Seht ihr, so ist das in der Physik. Das hat schon Einstein erkannt. Und so müsst ihr euch das auch in der Meditation vorstellen". Gibt es eine prächtigere Grundlage für Irrtümer und Verführungen?

Eines der wichtigsten Ziele war, dass in jeder Stadt auf der Welt ein Prozent der Menschen diese tolle Mantra-Meditation erlernte und die Einstiegs- und Folgeseminare der Organisation buchte. Dann bräche nämlich mit unumkehrbarer Wucht der Frieden auf der Welt aus. Was das für die Kasse der Organisation bedeuten würde, war mir schon klar. Welche wissenschaftliche Erkenntnis sie aber auf die 1 % gebracht hatte und warum das nicht 0,7 % oder 15 % sein konnten, habe ich nicht so richtig verstanden.

Auch eine exakte Definition, was mit dem schönen und dehnbaren Wörtchen „Frieden“ eigentlich gemeint sei, ersparte man sich. Störte mich dann der kläffende Hund des Nachbarn nicht mehr? Oder regte sich kein Ärger mehr in mir, wenn mich auf der Autobahn ein bescheuerter Rennfahrer schnitt? Sollte mein Fußball-Lieblingsverein jetzt immer nur unentschieden spielen, damit der Gegner und seine Fans nicht traurig würden? Oder schmissen die mächtigen Staaten der Welt den armen Staaten keine Bomben mehr auf den Kopf, weil Letztere die Waffen, die Erstere ihnen verkauft hatten, dann auch tatsächlich benutzten und gegen andere arme Menschen einsetzten? Na ja, das war alles nicht so ganz klar.

Ungefähr zwei Jahre machte ich den Zirkus tatsächlich mit. Ich hoffte ja immer noch, das Geheimnis der „Erleuchtung“ enthüllt zu bekommen oder gar selbst erleuchtet zu werden. Dass ich dafür richtig Kohle auf den Tisch legen musste, hatte ich inzwischen schon begriffen. Ein Arbeitskollege von mir hatte sich in dem Verein jedenfalls man- tramäßig ziemlich nach oben gearbeitet und dafür einen ordentlichen fünfstelligen Betrag an die Friedensstifter überwiesen.

Bei mir bedurfte aber noch eines wahrhaft erschütternden Erlebnisses, damit ich mich vollends von diesem Verein verabschiedete.

Aus der „Zentrale“ (aus der Schweiz oder aus Holland) war eine hervorragende Persönlichkeit der Organisation angereist, um uns darüber aufzuklären, was wirklich Sache war. In der Presse war die Organisation damals uneinsichtig und mit „üblen Nachreden“ attackiert worden!"

Der Schlüsselsatz der „Persönlichkeit“ bei unserem Treffen lautete dann (und ich habe ihn noch heute fast wörtlich im Ohr): „Wenn die deutsche Presse so weitermacht, zieht der Meister mal alle meditierenden Manager aus Deutschland ab, und dann wird die deutsche Wirtschaft schon sehen, wo sie bleibt".

Dummheit trifft Überheblichkeit. Vor dieser Einfalt kapitulierte ich dann und ging. So hatte ich mir das nämlich nicht vorgestellt: Tausche Intelligenz und eigenes Denken gegen Erleuchtung. Der Preis war mir dann doch zu hoch.

Bin ich jetzt erleuchtet? Oder was?

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